Anckelmannstraße
Borgfelde (1879): nach der Familie Anckelmann, deren männliche Mitglieder in öffentlichen Ämtern tätig waren.
Siehe auch: Anckelmannsplatz
„Aus der Familie gingen sechs Ratsherren, ein Syndikus, drei Oberalte und ein Professor am Akademischen Gymnasium hervor“ 1) – außerdem Kaufmänner – und sicherlich auch Frauen, denn ohne sie wären diese bedeutenden Männer z. B. nicht geboren worden. Doch sie standen bei der Benennung dieser Straße nach der Familie Anckelmann nicht im Fokus, denn das Kriterium für „bedeutend“ entspringt dem patriarchalen Blick auf eine patriarchal strukturierte Gesellschaft.
Im Wikipedia Eintrag zur Familie Anckelmann wird deutlich, wem die Familie Anckelmann ihre Bedeutung verdankt, nämlich einigen männlichen Familienmitgliedern. So heißt es in Wikipedia: „Die Familie Anckelmann ist eine hanseatische und sächsische Kaufmanns-, Rats- und Gelehrtenfamilie des 16. bis 19. Jahrhunderts. Die Familie Anckelmann geht auf Joachim Anckelmann (1442–1508) zurück, der aus Schwäbisch Hall nach Hamburg auswanderte. Sein Sohn Tole Anckelmann (1469–1540) spielte als Jurat und Oberalter im Katharinen-Kirchspiel eine gewisse Rolle bei der Durchsetzung der Reformation in Hamburg. Sein Enkel, der nach Leipzig verzogene Kaufmann und Ratsherr Joachim Anckelmann (1592–1641) baute die Auenkirche in Markkleeberg südlich von Leipzig wieder auf. Eine seiner Töchter heiratete den sächsischen Staatsmann August Carpzov, eine andere den Begründer der Gerichtsmedizin in Deutschland Gottfried Welsch. Sein gleichnamiger Sohn Joachim Anckelmann (1617–1681) [war Oberalter im Hamburger Petri-Kirchspiel. Eberhard Anckelmann (1599–1664), ein weiterer Enkel Toles, erwarb 1646 den sog. Anckelmannschen Garten oder Horti Anckelmanniani an der heutigen Poolstraße in der Neustadt, dessen Blumen er vom berühmten Hamburger Blumenmaler Hans Simon in einem kleinen einbändigen Anckelmann Florilegium, heute im British Museum, auflisten und abbilden ließ.[Den Garten hinterließ er seinem ältesten Sohn, dem Hamburger Oberalten und Ratsherrn Caspar Anckelmann (1634–1698), der den Garten ab 1669 um exotische Pflanzen erweiterte, später durch Zukauf zweier Grundstücke auf fast 6000 m² vergrößerte und um 1669 wiederum von Hans Simon Holtzbecker im Caspar Anckelmann Florilegium, einem Codex botanischer Blumengemälde auf 211 Pergamentseiten, heute im Kupferstichkabinett Berlin, festhalten ließ. Sein Sohn Johann Julius Anckelmann (1692–1761) wurde im Jahr 1727 Oberaltensekretär. Sein jüngerer Bruder Eberhard Anckelmann (1641–1703) war ein bedeutender Theologe und Hebraist in Hamburg. Theodor Anckelmann (1638–um 1710) verfasste die Inscriptiones Hamburgenses (Hamburger Inschriften), ein noch heute wichtiges Quellenwerk zu Hamburger Familien. Friedrich Albert Anckelmann (1703–1768) wurde 1742 Hamburger Ratsherr. Von seinen Söhnen wurde Paridom Friedrich Anckelmann (1732–1791) im Jahr 1768 Ratssekretär und 1775 Senatssyndicus und Georg Anckelmann (1738–1798) im Jahr 1778 ebenfalls Hamburger Ratsherr.“ 2)
Bereits im 17. Jahrhundert betätigten sich einige Männer der Familie Anckelmann als Überseekaufleute, so Eberhard Anckelmann im Iberienhandel 3). So kann man davon ausgehen kann, dass diese vom Kolonialismus profitierten. Über Lissabon wurden zum Beispiel aus den portugiesischen Kolonien Gewürze, Farbhölzer und Zucker nach Hamburg verschifft. Von Hamburg wurden zum Beispiel Getreide, Leinen und Metallwaren nach Portugal gesandt, „von denen viele für die Kolonien bestimmt waren“. 4)
Caspar Anckelmann, der den ererbten Anckelmannschen Garten erweiterte, konnte diese Gartenerweiterung aber nur vornehmen, nachdem er die „Tochter des reichsten Hamburger Grundbesitzers, Katharina Möhlmann, geheiratet hatte. Die enormen Summen, die sein ‚Hortus Anckelmannianus‘ (lat. hortus: Garten) verschlang, habe ihm sein Schwiegervater vorgeschossen (…) Im Herbst 1696 musste er sich mit einer hohen Summe für zahlungsunfähig erklären. Der erfolgverwöhnte Ratsherr erlebte einen tiefen Fall, der in der Stadt für einen Skandal sorgte. Neider behaupteten, er habe nicht nur sein eigenes Vermögen, sondern auch das seiner Frau durchgebracht. Um die Gläubiger zufriedenzustellen, musste auch sein Barockgarten versteigert werden.“ 5)
Zu den Anckelmann Männern gab es also auch Frauen. Und auch wenn sie auf Grund ihres Geschlechtes keine Positionen ergreifen durften, die als bedeutend betrachtet werden, waren sie zumindest bedeutend für den Fortbestand der Familie Anckelmann und dies nicht nur, indem sie viele Schwangerschaften und Geburten durchstanden, dem Haus vorstanden und damit für die leibliche Versorgung der Familie aufkamen, sondern häufig auch, indem sie eine gute Mitgift einbrachten, und so für die materielle Absicherung entscheidend mit sorgten. Deshalb sollen hier wenigstens die Namen einiger dieser Frauen genannt werden. So erfahren wir von dem Chronisten der Familie Anckelmann, Bernhard Pabst, folgendes: Joachim Anckelmann war verheiratet mit Elisabeth von Dannem; Tole Anckelmann heiratete Anna Kleiss; Joachim Anckelmann war verehelicht mit Margarethe Hackmann, Tochter eines Kaufmanns. Caspar Anckelmann (1548-1615) hat dreimal geheiratet, da er zweimal Witwer wurde. Die dritte Ehe ging er im Alter von 50 Jahren mit einer 30 Jahre jüngeren Frau ein. „Die Braut ist die (…) Tochter des (…) Eberhard Esich (…), der 1590 Oberalter und 1591, also drei Jahre nach Caspar, ebenfalls Ratsherr und damit sein Kollege in der Regierung wurde. Das Mädchen heißt Margaretha, wurde am 15.7.1578 in Hamburg geboren und ist gerade 20 Jahre alt. Neben ihren Aufgaben als Stiefmutter der minderjährigen Kinder aus Caspars zweiter Ehe muss sie sich bald um ihre eigenen Kinder kümmern. Insgesamt acht Kinder gehen aus der dritten Ehe Caspars, dieser recht ungleichen Verbindung, hervor. Offensichtlich ist Caspar noch bis in ein relativ hohes Alter immer wieder erneut Vater geworden. (…) Caspar stirbt im Alter von 67 Jahren am 26.8.1615 in Hamburg. Die achtfache Mutter, seine soviel jüngere Ehefrau (…), folgt ihm nach 25-jähriger Witwenschaft (…).“ 6)
Ein männlicher Anckelmann soll an dieser Stelle näher betrachtet werden, da er sich im 17. Jhd. für die Judenbekehrung stark gemacht hat, die ihre Wurzeln in der traditionellen Ablehnung des Judentums durch das Christentum und die christliche Welt hat. Es handelt sich um Eberhard Anckelmann (7.5.1641 Hamburg – 1.11.1703 Hamburg). Jutta Braden schreibt über ihn: „Eberhard Anckelmann wirkte in Hamburg über mehr als ein Vierteljahrhundert als Professor für orientalische Sprachen am Akademischen Gymnasium und war zeitlebens ein treuer Weggefährte des Hamburger Orientalisten und Judenmissionars Edsdras Edzardus, von dem er sich bereits als Schüler sowohl für die Hebraistik als auch die Judenbekehrung hatte einnehmen lassen. (…) Er unterstützte das 1667 von Edzardus gestiftete Bekehrungswerk nicht nur als Dolmetscher, sondern amtierte von 1673 bis 1674 auch als sein Finanzverwalter.“ 7)
Auf wen sich Eberhard Anckelmann da eingelassen hatte, beschreibt Jutta Braden wie folgt: „Das Bild, das sich aus den Quellen von Edzardi als Judenbekehrer ergibt, ist das eines fast fanatisch zu nennenden Eiferers, der sich dem Kampf für den ‚rechten‘ lutherischen Glauben vor allem gegen die Juden verschrieben hatte. Offenbar neigte er dazu, diesen in einer Haltung orthodoxer Selbstgewissheit gegenüberzutreten, die Widerspruch nicht duldete und Zwischentönen religiösen Zweifelns keinen Raum ließ. Das Verhalten Edzardis, wie es in den Quellen dokumentiert ist, lässt ein Naturell erkennen, dass Züge von Streitlust, Rechthaberei und Sturheit aufwies. Ihm war anscheinend ein Wesen eigen, das wohl nur auf diejenigen seiner Zeitgenossen einnehmend wirken konnte, die mit seinen Ansichten übereinstimmten.“ 8)
Eberhard Anckelmann unterstützte Esdras Edzardis Stiftung nicht nur mit Spenden, sondern auch, indem er der Finanzverwalter der Stiftung wurde. Er stand also hinter den Motiven von Esdras Edzardis:„Esdras Edzardi gründete seine Stiftung zu einer Zeit, als die Judenbekehrung innerhalb der lutherischen Orthodoxie zu den aktuellen kirchlich-politischen Fragen gehörte Dennoch war Edzardis lebenslanges Engagement für die Judenbekehrung eine Ausnahmeerscheinung in seiner Zeit. Denn die Judenbekehrung fördernde Maßnahmen zu treffen, oblag nach Ansicht damaliger lutherisch-orthodoxer Theologen in erster Linie dem christlichen Staat. Gleichwohl steht außer Frage, dass Edzardi ein überzeugter orthodoxer Lutheraner war. Seine Bemühungen um die Bekehrung der Juden wurzelten im Antijudaismus, in einer von dem Spannungsfeld zwischen Abwehr und Bekehrungshoffnung bestimmten Haltung gegenüber dem Judentum. Edzardi ging es um den Schutz des Christentums durch Abwehr des Judentums, sei es in der Form restriktiver Gesetze für Juden oder ihrer Bekehrung zum Christentum. Eine Annäherung an das Judentum, wie sie der Pietismus brachte, ging mit seinem Einsatz für die Judenbekehrung nicht einher. Erklärungsansätze für Edzardis ungewöhnliches Handeln finden sich weniger in der Theologie als vielmehr in der Hamburger Judenpolitik des 17. Jahrhunderts. Edzardi teilte die Ansicht der Hamburger Geistlichkeit, dass es dieser Politik an der erforderlichen Schärfe und dem notwendigem Bekehrungsdruck fehlte, um den Schutz des Christentums vor dem Judentum zu gewährleisten. (…)
Zum Ende des 17. Jahrhunderts verlor jedoch das Thema ‚Judenbekehrung‘ die Aktualität, die es zum Zeitpunkt der Begründung der Stiftung in der Stadt gehabt hatte. Zurückzuführen ist das zum einen auf allgemein innerhalb der lutherischen Orthodoxie damals wachsende Berührungsängste gegenüber diesem Thema, weil es im Zuge wiederauflebender chiliastischer Ideen mit heterodoxen Glaubensvorstellungen verknüpft wurde. Zum anderen war die Judenbekehrung spätestens dann für die meisten Hamburger Bürger wahrscheinlich nicht mehr als ein Randthema, nachdem am Ende des 17. Jahrhunderts das Judenrecht im Zuge der Bürgerrechtsbewegung nicht nur verschärft, sondern in der Geltung auf die aschkenasischen Juden ausgeweitet worden war. Wohl weil seitdem jeder Gedanke daran obsolet geworden war, sich der Juden in der Stadt durch ihre Bekehrung zum Christentum zu entledigen, ging das Spendenaufkommen für die Stiftung im letzten Jahrzehnt des 17 Jahrhunderts zurück,“ 9) so Jutta Braden.