Gryphiusstraße
Winterhude (1910): Andreas Gryphius, eigentlich Andreas Greif (2.10.1616 Glogau-16.7.1664 Glogau), Dichter und Dramatiker des Barock
Andreas Gryphius gilt als einer der bedeutendsten Dichter des Deutschen Barock. Wolfgang Morath schreibt in der Neuen Deutschen Biographie: „G., dem jüngsten Kind aus der 3. Ehe seines Vaters [Pastor, 1560-1621], war tiefer Ernst, ja Schwermut wesenseigen. Schicksalsschläge, Verlust und Bedrängnis, die er von Jugend auf in überreichem Maße an sich und seiner Umwelt erlebte, mögen dazu die Erfahrung von der ‚Vergänglichkeit menschlicher Sachen‘ fest in sein Weltbild eingeprägt haben. Häufige Erkrankungen mit der Drohung des Todes verdüsterten sein Leben; früh verlor er Vater und Mutter [1592-1628, sie starb an Schwindsucht, R. B.]; (…); er war Zeuge von Pestepidemien und Feuersbrünsten, die Landstriche und Städte verheerten, erlebte aus nächster Nähe Leiden und Zerstörung des 30jährigen Krieges und litt unter der konfessionellen Verfolgung, die den Stiefvater und ihn selbst 1628 aus seiner Heimatstadt vertrieb. Erst 1632 konnte er auf dem Gymnasium des jenseits der polnischen Grenze gelegenen Fraustadt seine Schulbildung geregelt, wenn auch mit Unterbrechungen, fortsetzen.“ 1)
Damals schrieb Gryphius sein erstes Epos Herodes. Von 1634 bis 1635 studierte er am Akademischen Gymnasium in Danzig. „In der Danziger Zeit entstand ein zweites lateinisches Herodes-Epos, (…)
Nach Abschluss des Danziger Gymnasiums ging er als Hauslehrer auf das Gut der Familie Georg Schönborners, Ritter von Schönborn, in der Nähe von Freystadt in Schlesien. (…)
Nach dem Tod seines Gönners Schönborner im Dezember 1637 begleitete Gryphius im Frühjahr 1638 zwei von dessen Söhnen zum Studium an die niederländische Universität Leiden, (…). Während Gryphius’ sechsjähriger Studienzeit lehrten dort viele bekannte Wissenschaftler, (…). Gryphius war als studiosus philosophiae immatrikuliert, studierte aber nicht nur ein einziges Fach, sondern beschäftigte sich mit den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen (…). Besonders faszinierten ihn die Sektionen im Theatrum Anatomicum, (…)“. 2)
In Leiden veröffentlichte Gryphius fünf Gedichtsammlungen, Sonette, Oden und Epigramme.
Nach Beendigung seines Studiums ging er mit einigen Freunden auf Grand Tour, was damals für adlige jungen Herren, aber auch bürgerliche junge Männer üblich war. Die Tour führte sie in verschiedene europäische Städte; dort kamen sie mit anderen Wissenschaftlern in Kontakt, knüpften Beziehungen und lernten so ein Stück Welt kennen. Gryphius schrieb auf dieser Tour ein Trauerspiel.
„Nach neunjähriger Abwesenheit war es für Gryphius sicher nicht einfach, in Schlesien wieder Fuß zu fassen. In einem Sonett beklagt er den Tod zahlreicher Freunde und Bekannter. Die zwei folgenden Jahre waren literarisch außerordentlich produktiv. Er schrieb die Trauerspiele Cardenio und Celinde und Carolus Stuardus und die Lustspiele Peter Squentz und Horribilicribrifax. Gedruckt erschienen all diese Stücke erst Jahre später, die Trauerspiele in der autorisierten Gesamtausgabe von 1657. (…). Rufe an verschiedene Universitäten (Frankfurt/Oder, Heidelberg, Uppsala) schlug er aus.“ 3)
1649 heiratete Gryphius im Alter von 33 Jahren in Fraustadt die Kaufmannstochter Rosina Deutschländer. Ein Jahr später „wurde Gryphius Syndikus der Glogauer Landstädte. Seine Aufgabe war es, als Rechtsvertreter der Landstände deren Interessen gegen die zentralistischen und konfessionellen Bestrebungen Habsburgs durchzusetzen. Der Westfälische Friede von 1648 hatte die Protestanten in den Habsburgischen Stammlanden, zu denen das Herzogtum Glogau gehörte, in schwere Bedrängnis gebracht. Nach dreijähriger Recherche in Bibliotheken und Archiven publizierte Gryphius dazu die Schrift Glogauisches Fürstenthumbs Landes Privilegia aus denn Originalen an tag gegeben (…), eine Sammlung von Urkunden, für deren genauen Wortlaut sich Gryphius im Vorwort persönlich verbürgt. Das Amt als Glogauer Syndikus scheint Gryphius stark in Anspruch genommen zu haben, denn erst zwischen 1657 und 1659 entsteht ein letztes Trauerspiel Papinian.“ 4)
„Nebenbei“ wurde Gryphius Vater von sieben Kindern. Vier von ihnen starben im Kindesalter. „Sein ältester Sohn Christian gab 1698 die gesammelten Werke des Vaters heraus. In seinen Werken thematisiert Gryphius das Leid und den moralischen Verfall während der Zeit des Dreißigjährigen Krieges sowie die Unruhe, Einsamkeit und Zerrissenheit der Menschen“ 5), aber auch die Eitelkeit, von denen viele Menschen „befallen“ sind. Und so heißen einige Zeilen in seinem Gedicht „Tränen in schwerer Krankheit“, welches er 16740 im Alter von 24 Jahren verfasste:
„Was bilden wir uns ein, was wünschen wir zu haben?
Itzt sind wir hoch und groß, und morgen schon vergraben:
Itzt Blumen, morgen Kot. Wir sind ein Wind, ein Schaum,
Ein Nebel und ein Bach, ein Reif, ein Tau, ein Schatten;
Itzt was und morgen nichts. Und was sind unsre Taten
Als ein mit herber Angst durchmischter Traum.“