Abbestraße
Ottensen (1950): Prof. Dr. Ernst Abbe (23.1.1840 Eisenach – 14.1.1905 Jena), Physiker, Forscher, Carl-Zeiss-Stiftung, Jenaer Glaswerke
Vor 1950 hieß die Straße Taubenstraße. Bereits in der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Ernst-Abbe-Straße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen gekommen war. Bedingt durch den Krieg kam es aber nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1947 bei Taubenstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)
Siehe auch: Zeißstraße

Ernst Abbe war der Sohn von „Elisabetha Christina Abbe, geb. Barchfeld [1809-1857] und des Spinnereiarbeiters Georg Adam Abbe [1813-1874] (…).“ 1) Das Paar, das 1838 geheiratet hatte, lebte mit seinen beiden Kindern (die Tochter wurde 1841 geboren) in finanziell sehr bescheidenen Verhältnissen, auch dann noch, nachdem Georg Adam Abbe zum Vorarbeiter aufgestiegen war.
Ernst Abbe konnte aus finanziellen Gründen nicht das Gymnasium besuchen, sondern nur das Realgymnasium. Als er dann an der Universität in Jena Mathematik, Physik und Philosophie zu studieren begann, wurden ihm die Vorlesungsgebühren erlassen und er erhielt einen „Freitisch“ „auf Grund eines Armutszeugnisses“.1) Im selben Jahr des Beginns seines Studiums starb Abbes Mutter im Alter von 47 Jahren an Tbc. Ernst Abbe war damals 18 Jahre alt. Zwei Jahre nach dem Tod der Mutter heiratete Abbes Vater erneut.
1861 promovierte Abbe in Göttingen. Zwei Jahre später habilitierte er sich in Jena und wurde zum Privatdozenten für Mathematik und Physik ernannt. 1866 begann er in der Optischen Werkstätte von Carl Zeiss (siehe: Zeißstraße) zu arbeiten.

1870, nachdem Abbe im Alter von 30 Jahren zum außerordentlichen Professor ernannt worden war, verlobte er sich im Juni des Jahres mit Else Snell (14.9.1844 Jena – 1.2.1914 Jena), der Tochter des Mathematikers und Physikers Karl Snell, der Professor an der Universität von Jena war und bei dem Ernst Abbe Vorlesungen belegt hatte. Ein Jahr später, im September 1871, heiratete das Paar und Abbe zog in das Haus seines Schwiegervaters in die Jenaer Neugasse. Wiederum ein Jahr später, im November 1872, wurde die Tochter Margarete geboren und im April 1874 die Tochter Paula. Else Abbe beschäftigte sich neben ihrer Arbeit als Hausfrau und Mutter ehrenamtlich auf sozialfürsorgerischem Gebiet. So gründete sie einen Armen- und Suppenküchenverein sowie die Trinkerfürsorge in Jena.
Ernst Abbe beschäftigte sich mit dem wissenschaftlichen Mikroskopbau und wurde 1876 stiller Teilhaber an der Optischen Werkstätte von Carl Zeiss. Ein Jahr später wurde er Direktor der Sternwarte. Er lebte nun mit seiner Familie im ehemaligen Gartenhaus Schillers in einer Dienstwohnung mit Garten.
1883 kam es zu einem Vertragsabschluss zwischen „Abbe, Schott, Carl und Roderich Zeiß über Errichtung und Betreiben einer Glastechnischen Versuchsanstalt (…). 1885 [fasste] Abbe (…) den Entschluss, offener Gesellschafter der Firma Schott & Genossen zu werden und verzichtet ab sofort auf sein Gehalt als außerordentlicher Professor und Direktor der Universitätssternwarte, da er es für unvereinbar mit seiner neuen Stellung in der Industrie hält.“1) Abbe wohnte nun mit seiner Familie in einem Haus an der Leutra gegenüber dem Zeisswerk.1889 wurde Abbe alleiniger Leiter des Zeiss-Werkes. 1891 wurden die Werke in eine Stiftung überführt.
Abbe führte Ende des 19. Jahrhunderts für die Belegschaft des Zeisswerkes den Neun Stunden Tag ein, ebenso den Mindestlohn, ließ die Mitarbeiter am Gewinn beteiligen, gewährte bezahlten Urlaub, gründete eine Baugenossenschaft, außerdem den Lesehallenverein und die Lesehalle Jena – alles hervorragende soziale Leistungen. Doch im Hinblick auf Verbesserungen im Bereich der Frauenerwerbsarbeit verblieb Abbe in der patriarchalen Denkstruktur einer patriarchalen Gesellschaft verhaftet.
Einen kritischen Blick auf Abbes Einstellung zu werktätigen Frauen und deren Entlohnung richtete Eva V. Chen 2006 in ihrer Dissertation „Beruf Frau: Arbeitsbiographien von Frauen in Jena vom Beginn bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts“. Darin beschäftigt sie sich u. a. mit dem von Abbe im August 1896 verfassten Stiftungsstatut für das Zeisswerk, in dem auch „die Rechte der Betriebsangehörigen und betriebliche Sozialleistungen festgelegt“ wurden. Zur Frauenarbeit heißt es dort: „In den Stiftungsbetrieben sollen Lehrlinge, jugendliche Arbeiter und weibliche Personen niemals behufs Erlangung billiger Arbeitskraft beschäftigt werden, vielmehr die beiden ersteren immer nur zum Zwecke ihrer Ausbildung, für den Industriezweig im Allgemeinen oder für die besonderen Bedürfnisse des Betriebs und nur in solcher Anzahl als zur Sicherung genügenden Nachwuchses an gelernten Arbeitern jeweilig geboten erscheint; die letzteren im Betrieb nur für solche Verrichtungen, welche Frauen angemessener sind als Männern“. 2) Dazu schreibt Eva C. Chen: „Dieser Paragraph birgt in sich veränderungsresistente, paternalistische Züge, (…). Zunächst werden die Frauen zusammen mit Lehrlingen und Minderjährigen einer Sondergruppe von Erwerbstätigen zugeordnet, die als nur eingeschränkt rechtsfähig und von daher besonders schutzbedürftig galten. Dieses traditionelle Verständnis von Frauen als ‚Unmündige‘ war zuletzt in der Zeit der politischen Restauration rechtlich bestätigt worden, als im Zuge der Karlsbader Beschlüsse 1819 den Frauen gemeinsam mit den anderen ‚Unmündigen‘ – den Lehrlingen und minderjährigen männlichen Bürgern – der Beitritt zu politischen Vereinen und jegliche politische Betätigung verboten wurde. In dem Begriff der ‚Geschlechtsvormundschaft‘ setzte sich die Auffassung von den Frauen als Unmündige bis in das Bürgerliche Gesetzbuch von1896 fort. Abbes Wunsch, im noch wenig normierten Ausbildungswesen besonders die Lehrlinge zu schützen, entsprang der Tatsache, dass etliche Betriebe ihre Auszubildenden in einem systematischen ‚Lehrlingsschleifen‘ für einige Zeit als billige Laufburschen einsetzten, ohne sie fachlich auszubilden, und sie dann entließen, um für sie Nachfolger anzustellen, mit denen man ebenso verfuhr. Ein Betrieb wie die Firma Zeiss, der auf einen hoch qualifizierten, spezialisierten Arbeiterstamm angewiesen war, hätte sich mit einem solchen Verhalten aber ohnehin selber geschädigt. Interessanterweise resultierte der verständliche Wunsch nach einer Qualifizierung der männlichen Lehrlinge, in einer Welle der ›Disqualifizierung‹ weiblicher Arbeitskräfte. Für die einfachen Laufarbeiten sollten statt der Lehrlinge ab 1912 billige, junge ‚Laufmädchen‘ eingestellt werden (…) Mit dieser Maßnahme verschwand ab 1917 das Phänomen ›Laufbursche‹ aus der Firma; jedem männlichen Neueinsteiger in der Firma sollte die Chance zur Qualifizierung gebotenwerden. Gleichzeitig erhielten mehr und mehr junge Frauen die Möglichkeit zum Firmeneintritt – allerdings immer unter der Prämisse, über ihren untergeordneten Status nicht herauszukommen. Die Laufmädchen übernahmen den Platz der Laufburschen, die Schere zwischen unqualifizierter Frauen- und qualifizierter Männerarbeit öffnete sich noch ein Stück weiter. Es waren also nicht nur ›althergebrachte‹ Vorurteile und traditionell bestehende Berufshindernisse, die einer Gleichstellung von Männern und Frauen in der Erwerbswelt im Wege standen. Im Gegenteil – wie dieses Beispiel zeigt, trugen auch aktive, ›moderne‹ Eingriffe, im Sinne einer betriebswirtschaftlichen Effektivierung, dazu bei, die geschlechtsspezifische Segregation der Arbeitswelten und die damit einhergehende Benachteiligung der Frauen noch voranzutreiben.“ 3)
Else Abbes Schwester Anna Snell (1839-1915) war nicht auf karitativem Gebiet aktiv, sondern engagierte sich im bürgerlich frauenpolitischen Bereich. Auf Initiative von Anna Snell wurde 1896 der Verein „Frauenwohl“ gegründet „Nicht karitative Arbeit sollte im Vordergrund stehen, sondern »die Hebung der Stellung der Frau sowohl im Hause [als] auch in der Öffentlichkeit«. Der Verein war zwar nicht organisatorisch, aber ideell und durch private Kontakte mit dem gleichnamigen – von Minna Cauer geleiteten Berliner Verein – verbunden, und vertrat demnach innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung den radikaleren Flügel, der sich nicht mit den Forderungen auf verbesserte Bildungs- und Erwerbschancen für Frauen in den »frauengemäßen« Berufsfeldern begnügte, sondern eine Gleichstellung der Frauen in allen Lebensbereichen einforderte. Im Jahr 1911 bewiesen die Vereinsmitglieder, dass sie sich nicht mit einer theoretischen Diskussion gesellschaftlicher Missstände zufrieden gaben und gründeten unter immenser finanzieller Anstrengung ein »Mütter- und Säuglingsheim« für ledige Mütter in der Talstraße 111. In jenen Jahren war die Eröffnung eines solchen Vereins, zusammen mit der öffentlichen Forderung nach der rechtlichen wie sozialen Gleichstellung unverheirateter Mütter und ihrer Kinder, für Jena und weit darüber hinaus eine Sensation. Von den in der Gesamtbevölkerung dominierenden bürgerlichen Moralvorstellungen abgesehen, stand selbst die Mehrheit innerhalb der Frauenbewegung bis in die1920er Jahre hinein auf dem Standpunkt, ledige Mutterschaft als einen gesellschaftlichen Makel zu betrachten und die betroffenen Frauen zu ächten, sie allenfalls durch Zwangsmaßnahmen zu einem »anständigen« Lebenswandel zu erziehen, keinesfalls jedoch eine soziale und rechtliche Gleichstellung für sie anzustreben.“ 4)
Die Tochter Margarete (Grete) (18.11.1872 Jena – 5.11.1945 Jena) heiratete 1894 den Gymnasiallehrer Otto Unrein. Sie wurde in der Weimarer Zeit eine bedeutende Politikerin (Mitglied der DDP) und war auf dem Gebiet der Sozialfürsorge politisch tätig. Grete Unrein setzte sich für die Chancengleichheit der Frauen in Ausbildung und Beruf ein und wurde zur Ehrenbürgerin der Stadt Jena ernannt. 1931 wurde sie Vereinsvorsitzende des „Hauptfrauenvereins“ in Jena, der karitative Aufgaben übernahm. Sein „Vereinsziel der ‚Erziehung und Ausbildung namentlich der weiblichen Jugend in Handarbeiten und Hauswirtschaft‘ trug ambivalente Züge: einerseits ein Engagement für weibliche Berufsqualifizierung, andererseits kann man daran ein durchaus eigennütziges Interesse bürgerlicher Frauen an gut geschultem Hauspersonal ablesen. Der Hauptfrauenverein war nicht nur einer der ältesten bürgerlichen Vereine in Jena überhaupt, er blieb in der Stadt auch eine konstante Größe und war bis zu dessen Gleichschaltung im Nationalsozialismus stets einer der aktivsten, was den Einfluss auf die städtische Kultur-, Bildungs- und Sozialpolitik betraf. Man kann sagen, dass die seit den 1880er Jahren plötzlich schnell wachsende Stadt sich nur deshalb so intensiv den Fragen des strukturellen Ausbaus widmen konnte, weil der Hauptfrauenverein sich um alle dabei anstehenden karitativen Belange kümmerte und zusammen mit anderen privaten Initiativen quasi als grobmaschiges ›Sicherheitsnetz‹ für die negativen sozialen Begleiterscheinungen fungierte.“ 5)
Grete Unrein wurde allerdings als Vereinsvorsitzende des Hauptfrauenvereins „am 26. Juni 1933 in einer Art ›internen Putsch‹ durch nationalsozialistische Vereinsangehörige abgesetzt (…), noch bevor die offizielle Gleichschaltung durchgesetzt war.“ 6)
In Wikipedia heißt es u. a. über Grete Unreich: „An der Stadtratssitzung vom 9. März 1933, auf der die NSDAP die Herrschaft in der Jenaer Stadtverwaltung an sich riss, nahm sie, wie die Stadträte der SPD und KPD, aus Protest nicht teil. In den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur musste sie sich oft politischen und persönlichen Anfeindungen erwehren. Sie setzte sich in diesen Jahren für jüdische Bürger und vom Naziregime Verfolgte ein und leistete dabei moralische und finanzielle Hilfe. (…) Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges half sie im Alter beim demokratischen Neuanfang. So gehörte sie zu den ersten Mitgliedern der neu gegründeten Liberaldemokratischen Partei (LDP, Nachfolgerin der DDP).“ 7)
Seit 2005 gibt es einen Grete-Unrein-Preis. Er wird jährlich von den Jenaer Jungen Liberalen vergeben und zwar für „besonderes ehrenamtliches Engagement im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit“.