Zeißstraße
Ottensen (1950): Carl Zeiss (11.9.1816 Weimar -3.12.1888 Jena), Universitätsmechaniker, gründete eine feinmechanische Werkstatt in Jena.
Siehe auch: Abbestraße
Siehe auch: Zeißtwiete
Vor 1950 hieß die Straße Große Karlstraße. Bereits in der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Zeißstraße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen gekommen war. Bedingt durch den Krieg kam es aber nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1950 bei Große Karlstraße (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)
Zeiss Werke in der NS-Zeit
„In den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft wurde das wissenschaftliche und produktionstechnische Potential zunehmend auf die Ausrüstung der deutschen Wehrmacht und auf die kriegswirtschaftlichen Erfordernisse ausgerichtet. Flugzeuge, U-Boote, Panzer und Geschütze der deutschen Wehrmacht waren mit Zeiss-Geräten ausgerüstet.
Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkräfte zogen die alliierten Siegermächte auch das Zeiss-Unternehmen für seinen Beitrag zur Vorbereitung und Führung des nationalsozialistischen Aggressionskrieges zur Verantwortung. Die Amerikaner, die das Zeiss-Werk von April bis Juni 1945 besetzt hielten, requirierten Patente, Konstruktionsunterlagen und spezielle Produktionseinrichtungen. Sie schwächten vor allem durch die Deportation führender Fachleute nach Heidenheim a.d. Brenz das wissenschaftliche Potential des Unternehmens. Die sowjetische Besatzungsmacht demontierte 1946/47 den gesamten Produktionsapparat und deportierte Wissenschaftler, Ingenieure und Facharbeiter in die UdSSR.
Mit der Begründung, dass die Fa. Carl Zeiss ein Rüstungsunternehmen gewesen sei, verstaatlichte die Deutsche Wirtschaftskommission am 1. Juni 1948 das industrielle Vermögen der Carl-Zeiss-Stiftung. Die ihres unternehmerischen Charakters beraubte Stiftung befasste sich von nun an vornehmlich mit sozialen und kulturellen Aufgaben“ 1) heißt es bei Wolfgang Mühlfriedel und Edith Hellmuth in ihrem Beitrag über die Unternehmensgeschichte der Zeiss Werke.
Zum Einsatz von Zwangsarbeitenden steht bei Johannes Bähr: „Bei Zeiss wie bei Schott ließ sich die Produktion während des Krieges nur mit einem zunehmenden Einsatz von Zwangsarbeiten steigern, da ein großer Teil der Stammbelegschaft zur Wehrmacht eingezogen wurde. Kriegsgefangene und nach Deutschland angeworbene oder verschleppte Zivilarbeiter aus den besetzen Ländern waren praktisch die einzige noch verfügbare Arbeitskraftreserve.
Für Zeiss galt dies in besonderem Maße, weil das Unternehmen wegen der Anforderungen seiner Produktionstechnik kaum in der Lage war, Ausweichfertigungen in ländlichen Gebieten zu errichten.
Wie in der gesamten deutschen Wirtschaft begann der systematische Zwangsarbeitereinsatz bei Zeiss im Sommer 1940, nach der Besetzung Frankreichs, Belgiens und der Niederlande. (…)
Nach einer Aufstellung, die abschriftlich im Stadtarchiv Jena vorhanden ist, waren in den Jahren 1940 bis 1945 im Zeiss-Werk insgesamt 8.081 Zwangsarbeiter eingesetzt, im Jenaer Glaswerk Schott & Gen. 3.502. Der Höchststand wurde bei Schott im Oktober 1944 mit 2.034 Zwangsarbeitern erreicht, das waren 42 Prozent der Belegschaft. Bei Zeiss lag der Höchststand ebenfalls im Oktober 1944. Zu diesem Zeitpunkt waren hier 4.147 Zwangsarbeiter eingesetzt, was einem Anteil von 29 Prozent an allen Beschäftigten entsprach. Von den Tochtergesellschaften des Zeiss-Werks hatte die Feinapparatebau GmbH den höchsten Anteil an Zwangsarbeitern, was nicht verwundert, da es in den heereseigenen Werken in Gablonz (Jablonec) und Turn (Tmovany), die von diesem Unternehmen betrieben wurden, keine Stammbelegschaft gab. Im Werk Gablonz waren Ende August 1944 1.128 deutsche Arbeiter, 1.166 ausländische Zivilarbeiter und 535 Kriegsgefangene beschäftigt.“ 2)
Leben und Wirken von Carl Zeiss
Ulrike Unger schreibt über Carl Zeiss: „Seine Anfänge als Unternehmer waren bodenständig. Aus einer kleinen Reparaturwerkstatt in Jena entwickelte Carl Zeiss jedoch schlussendlich eine der erfolgreichsten deutschen Firmen auf dem Gebiet der Feinmechanik und Optik. Taktische Unterstützung erhielt er dabei vor allem durch den Physiker Ernst Abbe [siehe: Abbestraße].
Geboren wurde der spätere Unternehmensgründer in Weimar, (…). Hier kam er am 11. September 1816 zur Welt. (…) Carl Zeiss´ Vater [war Kunstdrechslermeister]. (…)“ 3) Carl Zeiss‘ Mutter hieß Johanna Antoinette Friederike und war die Tochter eines Hofadvokaten.
„Der junge Zeiss besuchte das Gymnasium und war von Kindheit an naturwissenschaftlich und technisch interessiert. Nach der Schule begann er in Jena eine Ausbildung als Mechaniker mit zusätzlichen theoretischen Vorlesungseinheiten in Mathematik und anderen Naturwissenschaften an der Universität. (…)
Im Spätherbst 1846 gelang es Carl Zeiss seine erste eigene Werkstatt zu eröffnen. (…) Zeiss legte sich zunächst auf Reparaturen und wissenschaftlichen Apparatebau fest. Zugehörig zur Werkstatt war auch ein kleiner Laden für allerlei technische Hilfsmittel wie Fernrohre, Barometer, Thermometer, Waagen und Brillen. (…) Als ersten Lehrling stellte Zeiss den 17-jährigen August Löber (1830-1912) ein. Er wurde zu seinem wichtigsten Mitarbeiter, besonders in der optischen Abteilung.
Den entscheidenden Impuls für die zunehmende Spezialisierung der Werkstätte auf die Produktion von Mikroskopen und optischem Gerät, gab Matthias Jacob Schleiden [siehe: Schleidenstraße], der Zeiss oft unterstützte und als Professor an der Universität Jena tätig war. Er riet zur Fertigung einfacher Mikroskope als Schwerpunkt der Werkstatt. Schleiden war Botaniker und Mitbegründer des noch ganz neuen Forschungsbereiches der Zelltheorie, der aber im Fortschritt begriffen war und einen steigenden Bedarf an Mikroskopen rechtfertigte.
Und tatsächlich: Die Mikroskope aus dem Hause Zeiss wurden zum Verkaufsschlager und erfreuten sich in Kürze großer Beliebtheit beim Kundenstamm, der deren gewissenhafte Herstellung lobte. Von der wachsenden Zahl der Angestellten forderte der Werkstattinhaber höchste Sorgfalt bei ihrer Arbeit. Diese strenge Handhabung brachte Zeiss´ Unternehmen schließlich den Ruf ein, einer der besten Hersteller von Mikroskopen zu sein. (…).
Ab 1857 wurde das Sortiment mit zusammengesetzten Mikroskopen erweitert, welche eine bessere Vergrößerung ermöglichten. Carl Zeiss verbrachte viel Stunden in seinem Betrieb und nahm sich wenig Freizeit. Wenn er sie sich doch einmal ermöglichte, las er am liebsten oder züchtete begeistert Rosen in seinem Garten.
1863 verlieh man Zeiss den Posten des Hofmechanikus der Universität Jena, (…). Die Zusammenarbeit mit Ernst Abbe kam im Sommer 1866 zustande. Der Tatendrang des jungen Physikers sollte sich schon in naher Zukunft positiv auf das Unternehmen auswirken. Um auf dem Markt mitzuhalten, drängte Abbe Zeiss zu einer Neuerung, die diesen ebenfalls seit einer Weile beschäftigte. Man beabsichtigte, die Schaffung von Mikroskop-Objektiven auf rechnerischer Grundlage, um das langwierige Probierverfahren, das bisher angewendet wurde, zu umgehen. Dies gelang 1872. Man erreichte eine beschleunigte Produktion und eine nie da gewesene Qualität der Abbildung. Zeiss machte Abbe daraufhin zum Teilhaber des Betriebes.
Auch im Bereich der Sozialpolitik nahm Carl Zeiss mit seiner Firma eine Vorreiterposition ein. 1875 entstand eine Betriebskrankenkasse und die Arbeitsmoral der Angestellten wurde regelmäßig mit Festlichkeiten und Betriebsausflügen auf Firmenkosten gehoben.
1876 stieg Zeiss´ Sohn Roderich in das Unternehmen ein. (…).
Obwohl die Mikroskope so erstaunlichen Absatz fanden, war gutes optisches Glas nach wie vor rar. Es musste aus der Schweiz, England oder Frankreich importiert werden und wies lediglich akzeptable Qualität auf. 1882 zog der Industrielle Otto Schott nach Jena und übernahm fortan als wichtigster Partner des Zeiss-Werkes die Produktion optischer Gläser vor Ort.
Carl Zeiss starb 1888. (…). In Erinnerung an Zeiss gründete Ernst Abbe 1889 die Carl Zeiss-Stiftung.“3)
Der Ehemann: Carl Zeiss
„Seinen Haushalt besorgte zunächst die Schwester Pauline, bis Carl Zeiß am 29. Mai 1849 die elf Jahre jüngere Pfarrerstochter Bertha Schatter (1827–1850) aus Neunhofen an der Orla heiratete. Seine junge Frau starb allerdings bereits am 23. Februar 1850 bei der Geburt des ersten Sohnes Roderich, der überlebte und später in der väterlichen Firma mitwirkte. Zeiß heiratete am 17. Mai 1853 ein zweites Mal, und zwar Ottilie Trinkler (1819–1897), Tochter des Rektors und späteren Oberpfarrers aus Triptis, (…). Das Paar hatte einen Sohn (Karl Otto, 1854–1925) und zwei Töchter (Hedwig, 1856–1935 und Sidonie, 1861–1920).4)
Eine andere Quelle berichtet: „Durch die Frau seines älteren Bruders hatte er offenbar Kontakt zu der Pastorenfamilie Schatter im thüringischen Neunhofen gefunden. (…)
Zeiss vertraute Jahre später seinem Freund K. O. Beck an, dass er damals eine glückliche Wahl getroffen habe, auch wenn die Braut praktisch kein Vermögen besaß. Das Eheglück währte nur kurz, denn schon einen Tag nach der Geburt des ersten Sohnes Roderich am 23. Februar 1850 verstarb Bertha. Sie wurde nur 22 Jahre alt.
In dieser Situation konnte sich Zeiss erneut auf die Unterstützung der Familie verlassen. Der als Halbwaise geborene Sohn Roderich wurde zunächst von den Schwiegereltern in Neunhofen aufgenommen. Therese Schatter pflegte ihren neu geborenen Enkel bis zu ihrem Tod im Februar 1851, fast genau ein Jahr nach dem Tod der Tochter. Nun nahm sich Zeiss' mittlere Schwester Hulda Roderichs an. Auch sie scheint oft in Neunhofen gewesen zu sein.
Im Jahr 1853 heiratete Zeiss erneut – und zwar Ottilie Trinkler (1819 – 1897), eine Pfarrerstochter aus der Stadt Triptis in Ostthüringen, die mit Zeiss’ erster Braut weitläufig verwandt war. Carl Zeiss selbst hat seine beiden Ehefrauen später wohlwollend als „geistliche Landpomeranzen‘ bezeichnet. (…).“ 5).
Frauenarbeit bei Zeiss
Nach dem Tod von Carl Zeiss wurde die Firma 1891 in ein Stiftungsunternehmen umgewandelt. Im Stiftungsstatut von 1896 heißt es u. a.: „In den Stiftungsbetrieben sollen Lehrlinge, jugendliche Arbeiter und weibliche Personen niemals behufs Erlangung billiger Arbeitskraft beschäftigt werden, vielmehr die beiden ersteren immer nur zum Zwecke ihrer Ausbildung, für den Industriezweig im Allgemeinen oder für die besonderen Bedürfnisse des Betriebs und nur in solcher Anzahl als zur Sicherung genügenden Nachwuchses an gelernten Arbeitern jeweilig geboten erscheint; die letzteren im Betrieb nur für solche Verrichtungen, welche Frauen angemessener sind als Männern.“ 6)
In ihrer sehr lesenswerten Dissertation zum Thema „Beruf: Frau. Arbeitsbiographien in Jena vom Beginn bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts“, aus der im Folgenden ausführlicher zitiert werden soll, schreibt Eva V. Chen über die Frauenarbeit bei Zeiss: „Dieser Paragraph birgt in sich veränderungsresistente, paternalistische Züge, aber auch Bestimmungen, die in ihren möglichen Konsequenz letztendlich als transformierend gedeutet werden können. Zunächst werden die Frauen zusammen mit Lehrlingen und Minderjährigen einer Sondergruppe von Erwerbstätigen zugeordnet, die als nur eingeschränkt rechtsfähig und von daher besonders schutzbedürftig galten. Dieses traditionelle Verständnis von Frauen als ›Unmündige‹ war zuletzt in der Zeit der politischen Restauration rechtlich bestätigt worden, als im Zuge der Karlsbader Beschlüsse 1819 den Frauen gemeinsam mit den anderen ›Unmündigen‹ – den Lehrlingen und minderjährigen männlichen Bürgern – der Beitritt zu politischen Vereinen und jegliche politische Betätigung verboten wurde. (…) Abbes Wunsch, im noch wenig normierten Ausbildungswesen besonders die Lehrlinge zu schützen, entsprang der Tatsache, dass etliche Betriebe ihre Auszubildenden in einem systematischen ‚Lehrlingsschleifen‘ für einige Zeit als billige Laufburschen einsetzten, ohne sie fachlich auszubilden, und sie dann entließen, um für sie Nachfolger anzustellen, mit denen man ebenso verfuhr. Ein Betrieb wie die Firma Zeiss, der auf einen hoch qualifizierten, spezialisierten Arbeiterstamm angewiesen war, hätte sich mit einem solchen Verhalten aber ohnehin selber geschädigt. Interessanterweise resultierte der verständliche Wunsch nach einer Qualifizierung der männlichen Lehrlinge, in einer Welle der ›Disqualifizierung‹ weiblicher Arbeitskräfte. Für die einfachen Laufarbeiten sollten statt der Lehrlinge ab 1912 billige, junge ‚Laufmädchen‘ eingestellt werden: ‚Die Zahl der reinen Laufjungen in den Büros und Expeditionen soll möglichst heruntergedrückt werden. An ihre Stelle werden junge Mädchen (unter 16 Jahre alt), die mit ca. 8 Mark Wochenlohn beginnen, versuchsweise eingestellt. Die jugendlichen Arbeiter sollen möglichst vier Jahre in den einzelnen Abteilungen verbleiben, damit eine gute Ausbildung gesichert wird.‘
‚Es ist bisher vielfach üblich gewesen, für untergeordnete Arbeiten (Botengänge usw.) jugendliche Arbeiter während des ersten Beschäftigungsjahres heranzuziehen. Diesen jugendlichen Arbeitern erwachsen dadurch Nachteile, weil ihre Ausbildung zu Facharbeitern erheblichen Schaden erleidet. [. . . ] Es sollen deshalb von jetzt ab jugendliche Arbeiter nur noch an solchen Stellen eingesetzt werden, wo sie eine fachliche Ausbildung bekommen. Für Botengänge sind Mädchen einzustellen.‘
Mit dieser Maßnahme verschwand ab 1917 das Phänomen ›Laufbursche‹ aus der Firma; jedem männlichen Neueinsteiger in der Firma sollte die Chance zur Qualifizierung geboten werden. Gleichzeitig erhielten mehr und mehr junge Frauen die Möglichkeit zum Firmeneintritt – allerdings immer unter der Prämisse, über ihren untergeordneten Status nicht herauszukommen.
Die Laufmädchen übernahmen den Platz der Laufburschen, die Schere zwischen unqualifizierter Frauen- und qualifizierter Männerarbeit öffnete sich noch ein Stück weiter. Es waren also nicht nur ›althergebrachte‹ Vorurteile und traditionell bestehende Berufshindernisse, die einer Gleichstellung von Männern und Frauen in der Erwerbswelt im Wege standen. Im Gegenteil – wie dieses Beispiel zeigt, trugen auch aktive, ›moderne‹ Eingriffe, im Sinne einer betriebswirtschaftlichen Effektivierung, dazu bei, die geschlechtsspezifische Segregation der Arbeitswelten und die damit einhergehende Benachteiligung der Frauen noch voranzutreiben. Dabei war bereits im Jahr 1909 in Berlin der ‚Verband für handwerksmäßige und fachgewerbliche Ausbildung der Frau‘ gegründet worden, dessen erklärte Ziele unter anderem bestanden in einem »Hinwirken auf Abschluß von Lehrverträgen mit weiblichen Lehrlingen, Zulassung der Frauen zu den Gesellen- und Meisterprüfungen‘ und in einem ‚Eintreten für Zulassung der Mädchen zu den Fachschulen für Knaben‘.
Man kann den Paragraphen 99 der Abbeschen Stiftungsstatuten auch als einen Schutz der erwachsenen männlichen Arbeiter in der Firma lesen; sie sollten nicht fürchten müssen, durch billigere, jüngere Konkurrenz oder gar durch Frauen ersetzt zu werden. Die Forderung, auch die Frauen ‚niemals behufs Erlangung billiger Arbeitskraft‘ zu beschäftigen, erscheint auf den ersten Blick recht emanzipatorisch, könnte man daraus doch eine Lohngleichstellung der Frauen mit den Männern ableiten. Allerdings ist in dem Paragraphen auch die Rede davon, dass Frauen nur an Stellen eingesetzt werden sollten, die ihnen ‚angemessener‘ seien als Männern. Das Beharren auf einem geschlechtsspezifisch segregierten Arbeitsmarkt wird hier – an der Schwelle zum 20. Jahrhundert – noch einmal ganz explizit festgeschrieben. Insofern ist auch die Einschätzung einzuschränken, Zeiss sei ‚zumindest in seiner formalen Organisationsstruktur eines der ersten deutschen Unternehmen [gewesen, E. C.], das sich konsequent an den Bedingungen des hochtechnisierten Großbetriebes orientierte und alle Traditionen, die der Anpassungsfähigkeit und Flexibilität des Unternehmens zu widersprechen schienen, konsequent über Bord warf‘. Denn die Tradition, Frauen als den ›Sonderfall‹ in der Erwerbslandschaft zu behandeln und ihnen bestimmte Ressorts zuzuweisen, wurde mit dem § 99 eindeutig beibehalten. Und auch wenn nicht ausgeführt wird, welche Arbeiten für Frauen die ‚angemesseneren‘ seien, herrschte hierüber ein weitgehender gesellschaftlicher Konsens. Diese ›Angemessenheit‹ konnte allerdings im Bedarfsfalle immer wieder zu Gunsten der Bedürfnisse der Firma für neue weibliche Einsatzgebiete interpretiert werden, um von Fall zu Fall mit beliebig herangezogenen Argumenten untermauert zu werden. Die Festschreibung einer besonderen Eignung der Frauen für monotone, sich wiederholende Fabrikarbeiten geschah ebenfalls in dieser Zeit, wobei zumeist vollkommen auf eine Begründung verzichtet wurde, beziehungsweise Zirkelschlüsse zur Rechtfertigung herangezogen wurden. Wenige Jahre, bevor sich die ersten Frauen schrittweise immer mehr Erwerbszweigen zuwendeten, fixierte das Zeiss-Statut also noch einmal die Einschränkung auf bestimmte Arbeiten – ob dies in einer wohlmeinenden Absicht des ›Schutzes‹ von Frauen geschah oder aus antifeministischer Motivation, ist hier nicht von Belang. Der Paragraph spielte in der weiteren Geschichte des Werks allerdings noch eine bedeutende Rolle und sollte sich innerhalb weniger Jahre als ein ausgesprochen ärgerliches Hindernis für die Pläne der Geschäftsleitung herausstellen.
Manche Tätigkeitsgebiete waren ohnehin bereits kulturell so eindeutig geschlechterspezifisch markiert, dass eine weitere Diskussion darüber gar nicht notwendig war.
Aus den Jahren bis zur Jahrhundertwende sind insgesamt kaum Angaben über die Beschäftigung von Frauen zu finden109, daher auch die weit verbreitete Angabe in der Forschungsliteratur, erst nach 1905 hätte Zeiss Frauen eingestellt. Mit Sicherheit nachweisbar sind 39 Frauen, die zwischen 1883 und 1889 vorwiegend als ‚Arbeitsmädchen‘, aber auch als ‚Arbeiterin‘ – zum Beispiel in der Gravierabteilung –, ‚Packerin‘ oder ‚Theilerin‘ eingestellt wurden. Außerdem sind fünf Frauen – ein knappes Drittel der Abteilung – auf einer Fotografie der kaufmännischen Abteilung anlässlich Ernst Abbes 25-jährigem Dienstjubiläum 1891 abgebildet, und schließlich findet sich über eine Jubilarliste eine weitere Frau, die am 27. April 1892 als Kontoristin in der Abteilung Buchhaltung eingestellt wurde und später als Kassenangestellte in der Hauptkasse bis in die 1930er Jahre beschäftigt war. Trotz der Bestimmungen im Stiftungsstatut war es aus ökonomischer Perspektive definitiv rentabler, Frauen einzustellen, da sie im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen bis zu einem Drittel weniger Bezahlung erhielten. Doch nicht nur in den Bereichen Verwaltung und Produktion wurden Frauen bei Zeiss schon vor 1905 eingesetzt, sondern auch als Reinigungskräfte.
Der öffentliche Rechtsstreit um die Einführung der Frauenarbeit bei Zeiss begann 1905 und zog sich hin bis 1907. De facto arbeiteten, wie bereits festgestellt, auch schon Jahre vorher mehrere Frauen in der Firma, ohne dass größere Konflikte darüber entstanden wären. Gegen Ende des Jahres 1904 schlug die Stimmung im Betrieb allerdings allmählich um, und der Arbeiterausschuss begann, sich kritisch mit den Veränderungen in der Firma auseinander zu setzen. Der Streitpunkt war von Anfang an die Angst der Männer vor Lohndrückerei; aber die Geschäftsleitung wollte keine verbindliche Zusage über eine gleiche Bezahlung der Frauen geben. Sie ging jedoch behutsam vor und bezeichnete den vermehrten Einsatz von Frauen als ‚Versuch‘; dabei interpretierte sie den § 99 so weit wie möglich zu ihren Gunsten: ‚Auf Anfrage Lebers [Vorstand des Arbeiterausschusses, E. C.] gibt Herr Hahn bekannt, dass gegenwärtig ein Versuch gemacht wird, Frauen da zu beschäftigen, wo die Arbeit für letztere angemessener erscheint als für Männer, wie z. B. an der Telephonzentrale und in der Kitterei etc. Herr Leber gibt die Ansicht der Kommission bekannt, dass grundsätzlich Frauenarbeit nicht zur Erlangung billigerer Arbeitskräfte eingeführt werden dürfe (§ 99 des Statuts). Demnach müssten die Frauen die gleichen Löhne wie die Männer erhalten, mindestens den ortsüblichen Tagelohn von M 15. Herr Hahn teilt mit, dass während der Vorbereitungszeit M 10 Lohn gezahlt werden sollen, also noch über den ortsüblichen Tagelohn für Frauen, der nur 9 M beträgt, später soll er den Leistungen entsprechend steigen; in welcher Höhe sich die Löhne dann bewegen werden, darüber lässt sich bis jetzt noch nichts sagen. (…)‘
Doch je länger die ‚Versuche‘ sich hinzogen, desto größer wurde das Drängen seitens des Arbeiterausschusses nach einer Klärung. Er bekam die Antwort, dass die Firma nicht beabsichtige, ‚die Frauenarbeit in größerem Umfange einzuführen‘ und dass abgesehen von den Frauen in der Telefonzentrale und der Kitterei gegenwärtig nur ein Versuch mit dem ‚Schleifen kleiner Linsen‘ gemacht werde. Hinsichtlich der Lohnfrage äußerte man sich nun folgendermaßen: ‚[. . . ] Die Geschäftsleitung vertritt die Ansicht, dass die Frauen entsprechend ihren Leistungen bezahlt werden sollen und besser, als es im allgemeinen in Jena der Fall ist. Eine Lohndrückerei der Arbeiter sei ausgeschlossen, da ja nur der Fall eintreten könnte, dass den Arbeitern eine für Frauen besser geeignete Arbeit entzogen wird. Dies bedeutet für die Arbeiter in gesundheitlicher Hinsicht eine günstige Maßregel. Durch diese Stellungnahme wurde die indirekte Absage an die geforderte Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern nochmals bekräftigt. Die Frauen sollten ‚nach Leistung‘ bezahlt werden, und dabei schien man bereits davon auszugehen, dass diese Leistung stets hinter der ihrer männlichen Kollegen zurückbleiben würde. Sollte dies jedoch tatsächlich der Fall gewesen sein, so hätte die Firma ganz sicher kein solch intensives Interesse an der Einstellung der Frauen bekundet.
Man argumentierte, dass Männer zukünftig nicht mehr an Arbeitsplätzen eingesetzt würden, die man mit Frauen besetzt habe und dadurch das Problem der Ungleichbezahlung gar nicht mehr relevant sei. Mit der schwammigen Formulierung von den Vorteilen in ‚gesundheitlicher Hinsicht‘ ist bereits angedeutet, dass vor allem die ungesunden Arbeitsplätze für die Frauen vorgesehen waren. Damit war vor allem die seit Januar 1905 zunehmend von Frauen ausgeübte Arbeit im sogenannten ‚Silberkeller‘ beim Spiegelbelegen gemeint, bei der sie den giftigen Quecksilberdämpfen ausgesetzt waren.
Die Geschäftsleitung konnte mit ihrer Argumentation den Arbeiterausschuss nicht zufrieden stellen. Nach wie vor beharrte dieser darauf, den Frauen als Anfangslohn zumindest das selbe zu bezahlen, wie den männlichen ungelernten Hilfsarbeitern. Während die Streitigkeiten in vollem Gange waren und auch schon die ersten Arbeiter sich beschwerten, ihre Arbeitsplätze an Frauen verloren zu haben, ging die Firma dazu über, nach und nach immer mehr Frauen in immer mehr Abteilungen einzustellen, so etwa in der Lackiererei und in der Beizerei, immer wieder mit dem Hinweis, es würde sich nur um ‚Versuche‘ handeln. Nicht zufällig hatte die Geschäftsleitung ausgerechnet im Jahre 1905 mit der extensiven Erweiterung der Frauenarbeit im Werk begonnen, denn am 14. Januar desselben Jahres war gerade erst Ernst Abbe, der Verfasser des Stiftungsstatuts und somit auch oberster Verfechter ›seines‹ § 99, gestorben. Insgesamt hatte sich die Stimmung der Arbeiter im Werk schon seit der Wende zum 20. Jahrhundert zunehmend verschlechtert. Der im Stiftungsstatut verankerte Arbeiterausschuss verlangte konkretes ‚Mitspracherecht bei Rationalisierungsmaßnahmen, Akkordfestsetzungen und Entlassungen‘, anstatt wie bisher lediglich auf das Anhörungsrecht beschränkt zu sein; die Auswirkungen der Wirtschaftskrise im Jahr 1903 verstärkten die Unzufriedenheit weiter und bewogen Ernst Abbe, den Hauptinitiator der Stiftung, schließlich zum Rückzug aus der Geschäftsleitung. In einigen Abteilungen, unter anderem in der Zentriererei, in der kurz darauf die ersten Arbeiterinnen eingestellt wurden, hatten sich seit 1904 massive Streitigkeiten um die Bezahlung der Arbeiter entfacht. Die Geschäftsleitung versuchte, den Akkordlohn herunterzusetzen und eine Lohnstaffelung einzuführen, im Hinblick darauf, welche Art von Linsen eine höhere Anforderung an die Qualifikation der Arbeiter stellte. Daraufhin beschlossen die Arbeiter, keine Überstunden mehr zu leisten, denn sie bestritten, dass die Unterschiede in den Arbeitsanforderungen zwischen dem Zentrieren von Mikroskop- und Fernrohrlinsen so enorm waren. Vor diesem Hintergrund erscheint die Einstellung von Frauen für die Geschäftsleitung als ideale Lösung des Konfliktes – denn man ging davon aus, die Frauen von vornherein ganz selbstverständlich niedriger zu bezahlen. Doch der Widerstand seitens der Arbeiter hielt an.
Da keine betriebsinterne Einigung in Sicht war, entschlossen sich Hermann Leber, der Vorsitzende des Arbeiterausschusses, und die Mitglieder der Siebener-Kommission im Dezember 1905, die Carl-Zeiss-Stiftung am Landgericht Weimar zu verklagen. Die Kläger beriefen sich auf einen eindeutigen Bruch des § 99 und hoben dabei hervor, dass männliche ungelernte Hilfsarbeiter einen Wochenlohn von 16 Mark, die Frauen hingegen nur 10 Mark erhielten.
Außerdem bestritten sie, dass Tätigkeiten wie das Linsenschleifen und das Spiegelbelegen als ‚angemessener‘ für weibliche Arbeiterinnen gelten konnten – sie betonten vielmehr dessen Gesundheitsschädlichkeit. Gleichzeitig machten sie deutlich, dass sie an tatsächlich für Frauen ‚angemessenen‘ Arbeitsplätzen keinen Einspruch gegen deren Beschäftigung erheben würden. Als Beispiele nannten sie hierfür die Telefonzentrale, die Kitterei und das Prismenputzen – dann aber mit der gleichen Bezahlung, wie sie für die Männer bisher auch gegolten hatte. Schließlich wiesen die Kläger darauf hin, dass eine Abänderung des Stiftungsstatuts nur nach einem genau festgelegten Prozedere erfolgen könne.
Von Seiten der Firma war die Hauptstrategie zunächst, die Zulässigkeit der Klage aufgrund der Stiftungsbestimmungen in Zweifel zu ziehen, aber die Anwälte entwickelten auch eine für die Bedürfnisse des Betriebs günstige Auslegung des Begriffes ‚angemessen‘ in Hinblick auf die Frauenarbeit: ‚‘[. . . ] so ist bei der Auslegung des Wortes ‚angemessen‘ einmal auf die körperlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern, dann aber auch auf ihre verschiedenartige Erziehung und Ausbildung und darauf Rücksicht zu nehmen, welche Arbeiten nach den jeweiligen kulturellen und wirtschaftlichen Bedingungen besonders häufig von Frauen vorgenommen werden. Danach wird man insbesondere solche Arbeiten als den Frauen angemessener bezeichnen können, bei denen:
1. eine nennenswerte körperliche Kraftentfaltung nicht erforderlich
2. auf Reinlichkeit, Akkuratesse, manuelle Geschicklichkeit und Geduld besonders
Gewicht zu legen, und
3. die Beschäftigung von Frauen auch in verwandten Betrieben allgemein üblich
ist.
Alle drei Umstände treffen in hervorragendem Maße auf die Arbeiten zu, die den in der Linsenschleiferei und im Versilberungskeller angestellten Frauen angesonnen werden. [. . . ]‘
Besonders interessant ist die unter 3. genannte Begründung, inwiefern eine bestimmte Arbeit als angemessen für Frauen zu gelten habe: Angemessen ist das, was üblich ist! Und so wollten die Zeitgenossen etwa in der Forderung nach körperlich wenig beanspruchenden Tätigkeiten auch keinen Widerspruch zu der selbstverständlichen Beschäftigung von Frauen als Putzfrauen sehen, die auf den Knien und mit kaltem Wasser ölverschmierte Hallenböden sauber zu schrubben hatten. Auf die Gesundheitsschädlichkeit des Silberbelegens ging die Argumentation erst gar nicht ein; sie hob statt dessen hervor, dass der Arbeitsgang an sich ein höchst anspruchsloser, und damit besonders für Frauen geeigneter, sei. Was die Beschäftigung der Frauen in der Linsenschleiferei betraf, betonte man die ausgezeichnete Eignung der Frauen für diese ‚vielleicht minutiöseste Arbeit der ganzen optischen Werkstätte, bei der körperliche Kraftanstrengung geradezu schädlich [sei], die sich mit ungefügen Männerhänden kaum und jedenfalls erst nach langer Übung ausführen lässt und an die Geduld, das feine Gefühl und die Geschicklichkeit der Hände die denkbar höchsten Anforderungen stellt‘ – mit der gleichen Argumentation war seit dem Ende des 18. Jahrhunderts die Beschäftigung von Kindern in den Fabriken begründet worden.
Die ‚ungefügen Männerhände‘ hatten erstaunlicherweise bis dato in der Linsenschleiferei zufriedenstellende – aber eben teurere – Arbeit geleistet. Und um die Arbeitsleistung der Schleiferinnen bei dieser als höchst diffizil geschilderten Tätigkeit zwar ideell zu würdigen, nicht aber die entsprechenden finanziellen Konsequenzen daraus ziehen zu müssen, bedurfte es wiederum einer deutlichen Einschränkung, indem man das ‚geringere Verantwortlichkeitsgefühl der Frau, ihre ungünstigeren Gesundheitsverhältnisse‘ und den vorausgesetzten häufigeren Personalwechsel anführte. Abschließend macht die Erwiderung deutlich, wie ungeheuerlich die Forderung nach Lohngleichheit mit den Männern über den kulturellen Horizont und gesellschaftlichen Konsens der Zeit hinausragte: ‚[. . . ] es ergibt sich weiter aber auch daraus, dass es Prof. Abbe ganz gewiss nicht unterlassen haben würde, die Gleichstellung der Frauenverdienste expressis verbis vorzuschreiben, wenn er eine derartig exorbitante Maßregel, die sich über das allgemein anerkannte Wertverhältnis der männlichen zur weiblichen Arbeit einfach hinwegsetzen und vom geschäftlichen Standpunkt kaum zu rechtfertigen sein würde, hätte treffen wollen [. . . ]‘ (…)
Von Anfang an war der Geschäftsleitung klar, dass man den Prozess unbedingt gewinnen musste, schon allein, um ähnliche Klagen der Arbeiterschaft gegen die Stiftung für die Zukunft möglichst zu vermeiden. Auch wenn die Firma nach außen hin noch bis 1907 damit argumentierte, die Frauen würden immer nur ‚versuchsweise‘ beschäftigt, weitete man die Frauenarbeit stetig aus, noch während der Rechtsstreit lief. Man war sich vollkommen dessen bewusst, welches
Einsparpotential sich durch die Beschäftigung der Frauen auf lange Sicht für die Firma ergeben würde. Ein Jahr nach Beginn der gerichtlichen Auseinandersetzung waren circa 100 Frauen bei Zeiss beschäftigt, aber bereits zu diesem Zeitpunkt spekulierte die Geschäftsleitung auf ‚Tausende von Frauen‘ in der Zukunft, die nur ‚2/3 oder 3/5 des männlichen Arbeitslohnes‘ erhalten Der Rechtsstreit zog sich insgesamt durch drei Instanzen und jedes Mal unterlagen die Kläger.
Das abschließende Urteil am Leipziger Reichsgericht vom 27. März 1907 wies eine Revision zurück. Die Urteilsbegründung stützte sich letztlich auf formale Aspekte der Klage: Hermann Leber als Privatperson sei nicht gegen eine Stiftung klageberechtigt, außerdem sei die Klage an keinen eindeutigen Adressaten, sondern uneindeutig einmal an die Stiftungsverwaltung und einmal an die Carl-Zeiss-Stiftung als Ganzes gerichtet gewesen. Auch nachdem der Arbeiterausschuss diese offizielle Niederlage erlebt hatte, dauerten die betriebsinternen Streitigkeiten über das Thema noch an. Immer wieder versuchte die Geschäftsleitung, die Männer zu beschwichtigen, dass sie durch die Frauenarbeit nicht verdrängt werden sollten, da den weiblichen Mitarbeitern ja nur die ‚angemesseneren‘ Arbeitsplätze zugewiesen würden. Die Lohnfrage verschwand ganz aus der Diskussion. Offensichtlich war man mit den für die damalige Zeit radikalen – ansonsten nur von den Frauenrechtlerinnen vertretenen - Forderungen nach gleicher Bezahlung gegen Wände gerannt, und den Zeiss- Arbeiterinnen ging es in dieser Hinsicht nicht besser als all den weiblichen Beschäftigten in den anderen Betrieben. Eine weitere Diskussion um die gleiche Bezahlung wurde in der unmittelbaren Folgezeit dadurch im Ansatz unterbunden, dass man die Segregation in Männer- und Frauenarbeitsplätze schnell umsetzte. Einer Forderung nach »‘gleichem Lohn für gleiche Arbeit‘ war man so erfolgreich entgegengetreten. Von nun an konnte man die Ungleichbezahlung der Geschlechter scheinbar objektiv und sachlich korrekt rechtfertigen, da Männer und Frauen tatsächlich nicht mehr die gleiche Arbeit verrichteten – (…)..
Der § 99 der Stiftungssatzung war endgültig gebrochen, und ‚behufs Erlangung billiger Arbeitskraft‘ wurden in den folgenden Jahren und Jahrzehnten immer mehr Frauen eingestellt. (…).“7)