Hans-Sander-Straße
Wilhelmsburg (1999): Hans Sander (9.5.1911 Wilhelmsburg -23.2.1996 Hamburg), Wilhelmsburger Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Erster Vorsitzender der SPD Wilhelmsburg, Schlosser, Kriminalbeamter.
Hans Sander entstammte einer sozialdemokratischen Familie und wurde als erstes von sechs Kindern in Wilhelmsburg geboren. Neben dem Besuch der Volksschule arbeitete Sander schon fru?h als Zeitungsausträger, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Im Alter von 14 ging er bei der Boots- und Yachtwerft Oertz als Motorschlosser in die Lehre. Dort war auch sein Vater als Schiffszimmerer tätig. Kurz darauf trat er dem Metallarbeiterverband bei und setzte sich für bessere Arbeitsbedingungen der Lehrlinge ein. Nur wenige Tage nach Ende der Lehrzeit verlor Sander seinen Arbeitsplatz und blieb bis Ende 1933 arbeitslos. Bereits 1927 war er in die Sozialistische Arbeiterjugend SAJ eingetreten, in der er sich rege an Ausfahrten, Schulungen und Diskussionen beteiligte. Von 1930 bis 1932 führte Sander den SAJ-Distrikt Wilhelmsburg. Der Schritt zum Eintritt in die SPD war 1929 erfolgt; 1932 schloss sich Sander dem „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" an.
Als nach dem Reichstagsbrand vom 28. Februar 1933 alle sozialdemokratischen Zeitungen vorübergehend verboten wurden, kopierten Sander und seine SAJ-Genossen Artikel aus ausländischen demokratischen Blättern. Auf der Schreibmaschine der WiIhelmsburger Erwerbslosen-Selbsthilfe wurden dazu auch eigene Artikel verfasst, vervielfältigt und unter Gleichgesinnten in Umlauf gebracht. Aber schon nach kurzer Zeit entdeckte die Polizei diese Aktivitäten, beschlagnahmte den Vervielfältiger und durchsuchte die Wohnung der Familie Sander. Hans Sander nahm Kontakt auf zum Bezirkssekretär der SAJ, Erich Lindstaedt, der ihm die illegale Leitung des SAJ-Gebiets Harburg-Wilhelmsburg u?bertrug. Von ihm bezog Sander Schriften wie den „Vorwärts“ aus Prag oder die Zeitung „Sozialistische Aktion", die er zunächst an die verbliebenen SAJ-Mitglieder, später dann an einen Kreis von etwa zehn älteren SPD-Genossen weitergab.
Im Laufe des Jahres entstanden in Hamburg mehrere SAJ-Gruppen, die von Julius Willemsen, dem Koordinator des SAJ-Widerstandes, mit Material versorgt wurden. Hans Sander, der sich als Brothändler selbstständig gemacht hatte, belieferte seine Kunden nicht nur mit frischer Ware, sondern nutzte auch die Möglichkeit, Kontakt zu Genossen zu halten und sie mit Broschüren zu beliefern, die Namen trugen wie „Die Kunst des Selbstrasierens", „Der Gallische Krieg" oder „Platons Tod". Die illegale Arbeit konnte nahezu zwei Jahre fortgesetzt werden, bis Hans Sander am 17. April 1935 kurz nach Mitternacht von der Gestapo verhaftet wurde. Die Gestapo beschlagnahmte die Brotkundenliste. Er wurde ins Stadthaus gebracht, misshandelt und aufgefordert, die Namen seiner Helfer zu nennen. Da Sander wusste, dass einige seiner Genossen schon vor Tagen verhaftet worden waren, gab er nur Namen von bereits Inhaftierten preis. Im KZ Fuhlsbu?ttel sperrten ihn die Nationalsozialisten sieben Wochen in Einzelhaft, tagsu?ber mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen, nachts ans Bett gekettet. Über einen Kalfaktor (zu Hilfsarbeiten verpflichteter Mitgefangener), der Mitglied der kommunistischen Partei gewesen war, gelang es Sander, Kontakt zu inhaftierten Genossen aufzunehmen. So konnte er seine Aussage mit anderen Mitgliedern der Wilhelmsburger Gruppe abstimmen. Doch trotz großer Umsicht und Standhaftigkeit gelang es den Nationalsozialisten im Fru?hjahr 1935, die gesamte illegale Fu?hrung der Hamburger SAJ aufzudecken.
Am 9. August 1935 erhob die Staatsanwaltschaft gegen Hans Sander und weitere sieben Genossen Anklage wegen Vorbereitung zum Hochverrat. Der Staatsanwalt sah mit dem Hinweis auf Sanders' jugendliches Alter von einem Plädoyer für die Todesstrafe ab; der Richter entschied schließlich auf zwei Jahre Zuchthaus. Hans Sander wurde ins Gefängnis Wolfenbüttel gebracht, aus dem er am 18. April 1937 entlassen wurde. Nach seiner Entlassung blieb der Motorschlosser noch bis Dezember 1937 arbeitslos. Vom 30. Januar 1944 bis zu seiner Verwundung im Januar 1945 musste Sander im Bewährungsbataillon in Griechenland kämpfen. [Als so genannte Bewährungsbataillone wurden während des Zweiten Weltkrieges Einheiten der Wehrmacht im Heer bezeichnet, in die ab 1941 verurteilte Soldaten aller drei Teilstreitkräfte zur Frontbewährung versetzt wurden. Vergleichbar war die 1942 eingerichtete Bewährungstruppe 999, bei der vordem als „wehrunwürdig“ eingestufte Vorbestrafte dienten].
Nach Kriegsende begann Hans Sander eine Ausbildung bei der Hamburger Kriminalpolizei und engagierte sich beim Wiederaufbau der Harburger SPD. Der Mittelpunkt seines politischen Wirkens blieb Wilhelmsburg. Im SPD-Kreis Harburg war er von 1968 bis 1970 Kreisvorsitzender, bis September 1977 arbeitete er dort als Kreisgeschäftsfu?hrer.
Text: Christel Oldenburg