Hartje-Rüter-Weg
Poppenbüttel (1984), nach einem Werk von Hermann Boßdorf.
Siehe auch: Boßdorfstraße und hier auch zu seiner politischen Einstellung.
Siehe zum Thema Hexenverfolgung unter: Abelke-Bleken-Ring
Hartje Rüter von Hermann Boßdorf, Ballade aus: „Ole Klocken“-
Die Ballade erzählt von Hartje Rüter, dem Frohn Hamburgs (Frohn/Fron: lt. Duden Gerichtsbote, Amtsbote,, lt. Retrobibliothek altdtsch. Frôno von frô, „Herr“, Fronbote, Gerichtsdienerschaft, damit auch Henker). Er steht beim Richtblock am Steintor, umringt von einer lärmenden Menschenmenge, um Geesche Zippelbrand hinzurichten, die, angeblich mit dem Teufel im Bunde, durch Hexerei und Zauberei Krankheit und Tod über Kinder und Vieh gebracht haben soll. Die vor Angst bebende alte Frau prophezeit ihrem Henker, dass sein Kopf der nächste auf dem Richtblock sein wird. Von Grauen gepackt erbleicht Hartje Rüter, und voll Zorn schlägt er ihr das Haupt vom Rumpf.
Im Hochgefühl über den gelungenen Schlag lädt er seine beiden Knechte zu einem Trinkgelage in den Blauen Turm am Dammtor ein. Dort prahlt er über seinen trefflichen Schlag und hofft, noch lange Jahre als Henker viele Köpfe vom Rumpf zu trennen.
Als jedoch sein Knecht Garmer Blunk, schon stark betrunken, ihm sagt, die Worte des Hexenweibes hätten ihn doch sehr erschreckt, beschimpft er diesen als Schafskopf.
Sein Knecht gibt das Schimpfwort zurück, und wird im Zorn darüber von Hartje Rüter erstochen. Damit bewahrheitet sich der Fluch von Geesche Zippelbrand, denn nun ist Hartje Rüter als Mörder der nächste, der zur Hinrichtung geführt wird.
„Hartje Rüter“
(1576)
Un hest du ok mit den Düwel all sülwest danzt,
Und hast du auch selbst mit dem Teufel schon getanzt
un wenn du ok hexen un fleegen un töwern kannst,
und wenn du auch hexen und fliegen und zaubern kannst,
un hest du ok all de lütten Kinner seek
und hast du auch all die kleinen Kinder krank gemacht,
maakt, un de Veerlannerburen doodhext dat Queek (Dat Veeh)
und den Vierländer Bauern das Vieh todgehext,
mi, Geesche Zippelbrand, düstert keen ol Wiw,
mich, Geesche Zippelbrand, beirrt kein altes Weib,
it sla di vandag‘ dat leege Höwt vant Liw
ich schlage dir heute das böse Haupt vom Leib,
un gew di den Düwel, din‘ swarten Hartleewsten, to Lohn,
und geb´ dich dem Teufel, deinem schwarzen Herzallerliebsten, zum Lohn.
ik, Hartje Rüter, in düsse gode Stadt Hamborg de Frohn!
ich, Hartje Rüter, in dieser guten Stadt Hamburg der Frohn!
Hartje Rüter lach´rug un stunn sparrbeenig, rod un grot
Hartje Rüter lachte rau und stand breitbeinig, rot und groß,
blangen den Richtblock, dat grote Swärd in de Pot.
neben dem Richtblock, das große Schwert in der Faust.
Un dat ol Wiwken, verdömt as Hex, dat winger un ween
Und das alte Weiblein, als Hexe verdammt, das winselte und weinte,
un kröp nah em rup mit vör Dodesangst bewerige Kneen
und kroch zu ihm hinauf mit vor Todesangst bebenden Knien..
Un ut den Minschenbraß in’n Krink, de dicht
Und aus der Menschenmenge im Kreis, die dicht
In’n Kluster stunn vör’t Steendor to’t Hexengericht,
gedrängt vor dem Steintor stand zum Hexengericht,
draehn dat Lachen nah’n Hewen, de gel un gris
dröhnte das Lachen zum Himmel, der gelb und grau
dalplier up Hamborg in Novembersnee un -is.
hinabsah auf Hamburg in Novemberschnee und Eis.
Geesche Zippelbrand sack in de Knee un keek den Mann
Geesche Zippelbrand sackte in die Knie und sah den Mann
ut fluckerige, rodumrännerte Ogen an
aus flackernden, rot umränderten Augen an:
Dat Höwet, Frohne, dat hüt hier fallt, is min;
Das Haupt, Frohne, das heute hier fällt, ist mein,
awers de eerste Kopp nah min schall din Kopp sin!
Aber der erste Kopf nach meinem soll deiner sein!
Griesgeel würd de Frohn vör Verfeertheit mit’n Mal,
Aschfahl wurde der Frohn plötzlich vor Schreck,
un iskold löp em dat Gräsen den Puckel dal,
und eiskalt lief ihm das Grauen den Rücken hinab,
un he lach ludhals, man sin Lachen klung flau un stump,
und er lachte lauthals, aber sein Lachen klang matt und stumpf,
un he slög ehr mit en wütigen Slagg den Kopp van’n Rump.
und er schlug mit einem wütenden Schlag den Kopf ihr vom Rumpf.
Ho, mine twee Knechten, dat was awer hüt en Slagg,
Ho, meine zwei Knechte, das war heute aber ein Schlag,
so god hebb ik nich mehr tohaugt sit Johr un Dag!
so gut habe ich nicht mehr zugehauen seit Jahr und Tag!
Dat maet wi mit Beer begeeten! Ik will betahlen.
Das müssen wir mit Bier begießen. Ich will bezahlen.
Un welkeen sik nich vullsuppt, den sall de Düwel halen!
Und wer sich nicht besäuft, den soll der Teufel holen!
In´n Krog to’n blagen Toorn, de bi’t Dammdor leeg,
Im Krug zum blauen Turm, der beim Dammtor lag,
de Frohn sine blödigen Dag‘ to besluten pleeg,
pflegte der Frohn seine blutigen Tage zu beschließen.
De beiden Knechten, Thiel Wübbe un Garmer Blunk,
Die beiden Knechte, Thiel Wübbe und Garmer Blunk,
däden em geern Bescheed bi en dägten Drunk.
leisteten ihm gern Gesellschaft bei einem kräftigen Trunk.
In grote Kröf‘ un Beker schüm bald dat Beer;
In großen Krügen und Bechern schäumte bald das Bier,
un buten seet swart de Nacht vör Finster un Daer.
Und draußen saß die Nacht schwarz vor Fenster und Tür.
Ut ruge Keeken draehn ludhals Flok un Gesang;
Aus rauen Mäulern dröhnte lauthals Fluch und Gesang,
Un lurig sleek grise Dak an de Muer lank.
Und lauernd schlich grauer Nebel an der Mauer entlang.
Hartje Rüter graehl, he hadd dat gröttste Word:
Hartje Rüter gröhlte, er hatte das große Wort:
Nu hett sik de Düwel woll mit sin Brud all poort!
Nun hat sich der Teufel wohl schon mit seiner Braut gepaart!
Kinnerslüd, supt ut! Up dütt eddele Poor!
Kinnerslüd, trinkt aus! Auf das edle Paar!
Un datt ik noch faken magg köppen dorch männig Johr!
Und dass ich noch oft köpfen darf durch manches Jahr!
Se söpen ut bet nah’n Grund. Do säd de Knecht,
Sie soffen aus bis auf den Grund. Da sagte der Knecht,
de Garmer Blunk heet, - un he stüer de Tung all slecht - :
der Garmer Blunk hieß – und seine Zunge gehorchte ihm nur noch schlecht -
Ik glöw, Meester Frohne, wat juw dat ole Deert,
Ich glaub´, Meister Frohne, was euch das alte Scheusal,
de Töwersche, säde, dat hett juw doch bannig verfeert!
die Zauberin sagte, das hat euch doch mächtig erschreckt!
Dod un Düwel! schreeg Hartje Rüter un krach
Tod und Teufel! Schrie Hartje Rüter und schlug
batz! up den Disch dal sin‘ Kros mit en wütigen Slagg,
mit einem wütenden Schlag seinen Krug auf den Tisch,
meenst du, wat so’n ol leeg Wiw to mi seggt,
meinst du, was so ein altes böses Weib zu mir sagt,
dat makte mi bewern un bangen, du Schapskopp van Knecht!
Das macht mich zittern und bangen, du Schafskopf von einem Knecht!
Ik bün juwer Knecht, man nich juwer Schapskopp! Schreeg
Ich bin euer Knecht, aber nicht euer Schafskopf! Schrie
Garmer Blunk un keem van sin Stohl in de Hög‘.
Garmer Blunk, und kam von seinem Stuhl in die Höhe.
Schapskopp, segg ik! Bölkt Hartje Rüter vull Wut.
Schafskopf, sag ich! Schrie Hartje Rüter voll Wut.
Dor nömt ji juw sülwst; graehlt de Knecht un lach em wat ut.
Das nennt ihr euch selbst, grölte der Knecht und lachte ihn aus.
Een Schri un en Blink, as ögel ut’n Düster en Katt,
Ein Schrei und ein Augenblick, als äugelte im Dunkel eine Katze,
un unverwohrns hadd de Knecht den Frohn sin Mest in’t Hatt.
Und unversehens hatte der Knecht das Messer des Frohn im Herzen.
Garmer Blunk sack dal. De Fotbodden farw sik rod.
Garmer Blunk sackte nieder. Der Fußboden färbte sich rot,
In´n Krog würd dat bickenbomstill. Man de Knecht weer dod.
Im Krug wurde es mäuschenstill. Aber der Knecht war tot.
En Storm keem up, sin Fleit schrau langs de Strat;
Ein Sturm kam auf, sein Geheul fegte durch die Straße.
De Dak rock wegg um den Krog nah de blödige Dat.
Der Nebel um den Krug zog ab nach der blutigen Tat.
De Nacht sprung up un kriesch en gräsig Word
Die Nacht sprang auf und schrie ein gräßliches Wort,
van Daer to Daer, aewer Markt un Straten; Mord!
Von Tür zu Tür, über Markt und Straßen, Mord!
Un as gris en Januordag aewer Hamborg hung,
Und als ein Januartag grau über Hamburg hing,
Hartje Rüter den lesten Gang vör’t Steendor gung.
Hartje Rüter den letzten Gang zum Steintor ging.
Nu würd doch sin Kopp de eerste nah dat ol Wiw.
Nun wurde doch sein Kopf der erste nach dem alten Weib.
Jürn Behrmann ut Buxtehude slög em dat Höewt van’t Liw.
Jürn Behrmann aus Buxtehude schlug ihm das Haupt vom Leib.