Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Harkortstraße

Altona-Nord (1950): Friedrich Harkort (22.2.1793 Westerbauer bei Haspe – 6.3.1880 Kirchhörder), Schriftsteller, Mitglied der Nationalversammlung, Förderer des Eisenbahnbaues


Siehe auch: Harkortstieg
Siehe auch: Godeffroystraße

Vor 1950 hieß die Straße Rainweg. In der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Arrasweg umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen gekommen war. Bedingt durch den Krieg kam es nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1950 bei Rainweg. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)

Friedrich, genannt Fritz, Harkort war der Sohn von Henriette Catharina Christiane Harkort, geborene Elbers und des Eisenwarenfabrikanten Johann Caspar Harkort IV. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre, ging zum Militär, zog in den Krieg und heiratete 1818 im Alter von 25 Jahren die damals 22jährige Auguste Mohl (1796-1835), die Tochter seines früheren Lehrherrn. Im selben Jahr starb sein Vater und er gründete auf dem väterlichen Gut Harkorten eine Gerberei, außerdem betrieb er einen Kupferhammer. Ein Jahr später begründete er mit dem Kaufmann und Bankier Heinrich Kamp auf der Burg in Wetter die erste deutsche Dampfmaschinenfabrik. Im selben Jahr wurde das erste von insgesamt sechs Kindern des Ehepaares Friedrich und Auguste Harkort geboren. Die weiteren Kinder kamen 1820, 1822, 1828, 1831 und 1832 auf die Welt.1)

Ebenso bedeutend, wie Friedrich Harkort war dessen Großmutter Louisa Catharina Harkort, geb. Märcker (1718-1795), eine großbürgerliche Unternehmerin. Nur durch sie erhielt Friedrich Harkort „die unternehmerischen Ressourcen zur Gründung“ 2) seiner Unternehmen. Denn Louisa Catharina Harkort „leitete im 18. Jahrhundert das Unternehmen [landwirtschaftlicher Betrieb Gut Harkorten] nach dem Tod ihres Mannes während drei Jahrzehnten und sicherte so seinen Bestand für die Familie und Nachkommen.“ 3)

Alexandra Bloch ist es zu verdanken, dass es nun auch eine Biografie über Louisa Catharina Harkort gibt. Darin heißt es u. a. über den unternehmerischen Werdegang der Großmutter von Friedrich Harkort: „Im Juli 1748 heiratete Louisa Catharina Märcker den zwei Jahre älteren Johann Caspar Harkort III. Johann Caspar III. hatte den Stammsitz und einen Eisenhammer nach dem Tod seines Vaters 1742 übernommen. Für ihn war es die zweite Ehe; seine erste Frau war 1747 im Kindbett gestorben. Aus der Ehe von Louisa und Johann Caspar gingen sieben Kinder hervor, die beiden ältesten starben bereits kurz nach der Geburt. (…).“ 4)

Nach dem Tod ihres Ehemanns im Jahr 1761 übernahm Louisa Catharina die Führung der Geschäfte. Sie war damals 43 Jahre alt und Mutter von fünf Kindern im Alter zwischen zwei und acht Jahren. „Während der folgenden 34 Jahre führte sie das Unternehmen unter dem Namen ‚Johann Caspar Harkort Seelig Witwe‘. Bis 1780 tat sie dies mit Unterstützung ihres Bruders Johann Friedrich Märcker und des Handlungsgehilfen Johann Caspar Wienbrack. Von 1780 bis zu ihrem Tod 1795 waren ihre beiden Söhne und sie zu gleichen Teilen Teilhaber und führten das Unternehmen gemeinsam als Compagnie-Handlung. Während dieser Jahre sicherte und mehrte sie mit großem unternehmerischen Erfolg Besitz und Vermögen ihrer Familie. (…) Sie leitete die Gutsverwaltung, baute den Export aus und legte neue Hämmer an. Das Unternehmen verfügte über drei Standbeine – den Handel, die Herstellung von Metallarbeiten im Verlagssystem sowie den Betrieb eigener Hammerwerke. Um alle drei Bereiche, sowie um die Vertretung der Interessen ihrer Berufsgruppe gegenüber der Regierung und um die Verwaltung ihres Gutes kümmerte sich die Märckerin mit Engagement.“5)

Zurück zu Friedrich Harkort: „Gemeinsam mit seinem Bruder Gustav gründete er zudem ein Unternehmen, das Spedition und Kommission betrieb und mit englischen Garnen handelte. Die preußischen Behörden förderten Harkorts Werk als erstes industrielles Eisenwerk in Westfalen und als eine der ersten Maschinenbaugesellschaften im Ruhrgebiet, denn dieses profitierte von den Wasserhaltungsmaschinen für den aufstrebenden Bergbau an der Ruhr. Bereits 1826 wurde in dem nach englischem Vorbilde erbauten Puddel- und Walzwerk das Puddelverfahren eingeführt. Auf der Rüblinghauser Hütte bei Olpe ließ Harkort als einer der Ersten in Westfalen seit Anfang der 1830er Jahre Eisenerz mit Hilfe von Koks verhütten. (…). Zu seinen Frühtaten auf sozialem Gebiet gehörte innerhalb seines Unternehmens die Schaffung einer Betriebskrankenkasse nach dem Vorbild der Berggewerkschaftskassen. Harkort gilt als früher Pionier der industriellen Revolution.
Das unternehmerische Wirken Harkorts war insbesondere von technischen und sozialen Pionierleistungen geprägt. Nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg hingegen stellte sich bei seinen Unternehmungen nicht ein. Der Grund hierfür dürfte nicht zuletzt darin gelegen haben, dass Harkort grundsätzlich jedem Interessierten gestattete, die von ihm errichteten Betriebe zu besichtigen, die dort praktizierten Verfahren im Detail zu studieren und bei Bedarf beim Aufbau entsprechender Betriebe mit Rat und Tat zur Seite stand. In seinem Bestreben, der industriellen Entwicklung seiner Heimat Vorschub zu leisten, unterstützte er tatkräftig die eigene Konkurrenz. Den tragischen Höhepunkt bildete dabei der Umstand, dass er ausgerechnet im Jahr 1847, in dem die Anbindung Hornbruchs an die von ihm angeregte Stammstrecke der Bergisch-Märkischen-Eisenbahn-Gesellschaft seine großen Besitzungen, die er 1827 dort erworben hatte, wirtschaftlich interessant werden ließ, diese durch Pfändung und Zwangsverkauf weitestgehend verlor.“ 6)

Harkort gründete mit dem Hamburger Reeder Joh: Caesar Godeffroy (siehe: Godeffroystraße) die Georgs-Marien-Hütte bei Osnabrück.

Harkort galt auch als Bahnpionier: Als man in Deutschland daran dachte, Eisenbahnverbindungen zu bauen, war er mit dabei – seine Idee – über Bahnschienen Güter zu transportieren. Und so gründete Harkort 1824 mit anderen die erste deutsche Eisenbahn-Aktengesellschaft (Prinz-Wilhelm-Eisenbahn-Gesellschaft) zum Bau der Deiltaler Eisenbahn. Sie wurde am 20. September 1831 eröffnet. Harkort war auch noch am Bau anderer Eisenbahnen beteiligt. Außerdem schwebte ihm eine Eisenbahnverbindung zwischen Minden und Köln vor. Diese wurde 1847 befahrbar. Nach Harkorts Plänen wurde auch die Stammstrecke der Bergisch-Märkischen-Eisenbahn-Gesellschaft erbaut.

Aber auch politisch tat sich Harkort hervor. So war er Kreistagsabgeordneter, Mitglied des Westfälischen Provinziallandtages (ab 1830) – damals schon Vater von vier kleinen Kindern -, Mitglied des Volkshauses des Erfurter Unionsparlaments (1850), wurde 1849 Abgeordneter im preußischen Landtag und gehörte dem Deutschen Reichstag von 1871 bis 1874 an. In der preußischen Nationalversammlung gehörte er der Fraktion Harkort an. Im Reichstag galt er als fortschrittlich-liberal und gehörte dort zur Fraktion der Fortschrittspartei.

Besonders die Bildungspolitik hatte es ihm angetan. „Er gründete den Verein für die deutsche Volksschule und für Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse. (…).

Harkort erkannte die entstehenden Missstände bedingt durch die fortschreitende Industrialisierung einerseits und durch unzulänglichen Ausbau der Bildungsmöglichkeiten für das Proletariat andererseits (…). Mit dem Verständnis für Missstand und Ungerechtigkeit setzte Harkort sich über 20 Jahre in der Verfassungsgebenden Nationalversammlung Preußens für die Aufhebung der Regulative und für die Verabschiedung des Unterrichtsgesetzes ein.“ 7)

Harkort war auch sozialpolitisch aktiv. Er forderte feste Löhne und feste Anstellungen für die Arbeiterschaft, ebenso eine Gewinnbeteiligung und das Verbot von Kinderarbeit. Resultat seiner Forderungen war u. a. 1856 die Errichtung von Unterstützungskassen für Arbeiter und Handwerker.
Auch publizistisch trat Harkort hervor: „Seit 1842 engagierte sich Harkort mit der Verfassung von Publikationen und Eingaben für die Fortentwicklung des Volksschulunterrichtes sowie mit der Verbesserung der Lehrerausbildung und dem sozialen Stand der Lehrer.

Um mit seinen Publikationen nicht nur intellektuelle Kreise zu erreichen, schrieb er in einer volkstümlichen Schreibweise offene ‚Briefe in die Provinzen‘. In erzieherischer Absicht schrieb er die Erzählung ‚Flachs-Martha‘, ‚Gärtner Heinrich‘ und ‚Carl, der Maschinenbauer‘. Auch als politischer Publizist hat er sich einen Namen gemacht. Harkort entwickelte ein Modell zur sozialen Integration eines neuen ‚Vierten Standes‘, der späteren Arbeiterschicht, in eine bürgerlich-industrielle Gesellschaft. Dieses unterscheidet vier Bereiche in der aktiven Sozialpolitik: 1. die Sicherung der Existenz in Notzeiten durch Kranken-, Alters- und Invalidenversicherung; 2. die Förderung von Eigentumserwerb und Sesshaftigkeit durch Sparkassen, Mobilisierung des Grundbesitzes und Kleinsiedlung; 3. Ausbau der Betriebsverfassung im Sinne einer Mitberatung der Arbeitnehmer; 4. ein Bildungssystem, welches vom Kindergarten über Volksschule und Berufs- und Hauswirtschaftsschule zum Beruf führt und über Arbeiterbildungsvereine und Volksbüchereien zur Fortbildung sowohl in fachlichem als auch in politischem Bereich.“ 8)