Godeffroystraße
Blankenese (vor 1928): Joh. Caesar Godeffroy (1.7.1813 Kiel - 9.2.1885 Dockenhuden), Reeder, Kaufmann, Präses der Handelskammer (1845); Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (1859-1864).
Siehe auch: Amalie-Dietrich-Stieg
Siehe auch: Charitas-Bischoff-Treppe
Siehe auch: Liselotte-von-Rantzau-Platz
Siehe auch: Theodor-Weber-Reihe (Mitarbeiter der Firma Godeffroy auf Samoa)
Siehe auch: Schröderstiftstraße
In der NS-Zeit sollte die Godeffroystraße zwischen Elbchaussee und Mühlenberg im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Friedrich-Gätjens-Straße (siehe: Gätgensstraße) umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert wurde und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen gekommen war. Bedingt durch den Krieg kam es aber nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bei Godeffroystraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg: 133-1 II, 38. Anlage 2. Große Umbenennung von 1938. Die neu vorgeschlagenen Straßennamen nach Stadtteilen geordnet unter Angabe der verwendeten Benennungsmotive)
Joh. Caesar Godeffroy stammte von Hugenotten aus La Rochelle ab, die als Reeder und Kaufleute durch Handel vor allem mit Westindien und durch Plantagenbesitz in der ehemaligen holländischen Sklavenkolonie Surinam zu Reichtum gekommen waren. Godeffroy besuchte das Katharineum zu Lübeck, absolvierte eine Kaufmannslehre und trat 1837 in die väterliche Firma Joh. Ces. Godeffroy & Sohn ein. Nach dem Tod des Vaters baute er, unterstützt durch Familienmitglieder vor Ort, den Handel mit Süd- und Mittelamerika, Australien, Indien und Südafrika aus, beteiligte sich am lukrativen Transport goldsuchender Auswanderer nach Australien und Kalifornien. Zügig verwandelte er die Firma in ein weltweit agierendes Handelsimperium. Wahrzeichen des Wohlstands der Familie war das prunkvolle weiße Landhaus an der Elbchaussee 499, das sein Großvater Cesar IV. Godeffroy 1789 inmitten eines Parks in Dockenhuden bei Blankenese hatte errichten lassen. Er selbst ließ dort ein Hirschgehege anlegen, das dem Park seinen heutigen Namen gab.
1845 wurde er zum Präses der Handelskammer Hamburg gewählt, 1846 zählte er zu den Gründern des Elbkupferwerks, aus dem die Norddeutsche Affinerie hervorging (heute Aurubis). Dort wurde aus den Erzen, die mit Schiffen der Firma Godeffroy aus Chile und Australien kamen, Kupfer gewonnen. 1856 gehörte er zu den Gründern der Norddeutschen Bank. Nach der weltweiten Handelskrise 1857 konzentrierte er sich auf das kurz zuvor aufgenommene Südseegeschäft. Von Apia aus, der Hauptstadt Samoas, überzog er fast den gesamten Südseeraum mit einem Netz aus über 45 Handelsagenturen und Plantagen, vor allem zur Herstellung von Kopra, getrocknetem Kokosnussfleisch, aus dem Kokosöl gewonnen wird. 27 große Segelschiffe, neun davon auf der „Godeffroys Werfte Reiherstieg" in Hamburg-Wilhelmsburg gebaut, brachten die Waren nach Europa. Damit wurde er zum Wegbereiter der kolonialen Expansion des Deutschen Reichs in der Südsee. Dies ging einher mit der Verdrängung der einheimischen kleinen Händler, sodass bald wenige Firmen aus Europa den Südseeraum beherrschten.

Außer für den Handel interessierte sich Godeffroy für die Naturwissenschaft und wies seine Kapitäne an, so viele Naturobjekte wie möglich von ihren Fahrten mit nach Hamburg zu bringen. 1860 beauftragte er den Zoologen Eduard Graeffe, mit dem Material ein naturwissenschaftlich-ethnografisches Museum aufzubauen, das „Museum Godeffroy". Es wurde eines der größten naturkundlichen Privatmuseen weltweit. Um seine Sammlungen stetig zu erweitern, sandte Godeffroy zwanzig Jahre lang Forscher in die Südsee und nach Australien, unter ihnen als einzige Frau die Naturforscherin Amalie Dietrich. Von 1863 bis 1873 sammelte sie in seinem Auftrag im Küstengebiet von Queensland allerdings nicht nur botanische Objekte. Sie war auch angehalten, menschliche Überreste von Verstorbenen – Schädel, Skelette, Haut – mitzunehmen. Mit Nachdruck schrieb Godeffroy ihr am 20. Januar 1865: „Wir (...) möchten Sie nochmals bitten, nicht nur Skelette von dort vorkommenden großen Säugetieren, sondern auch möglichst Skelette und Schädel von den Eingeborenen sowie auch deren Waffen und Geräte zu senden. Diese Sachen sind sehr wichtig für die Völkerkunde." Die Völkerkunde jener Zeit war von Charles Darwins rassistischer Abstammungstheorie beeinflusst. Sie wollte durch anthropologische Untersuchungen die vermeintliche Überlegenheit des weißen Mannes beweisen und verlangte dazu große Mengen menschlichen „Materials“ aus außereuropäischen Ländern. So bot Godeffroy alles, was er nicht für seine eigenen Sammlungen brauchte, per Katalog anderen Museen und universitären Instituten zum Kauf an. Ein einträgliches Geschäft: Ein Schädel aus Rockhampton, Australien, etwa kostete 600 Silbergroschen. Zu seinen Kunden zählten Rudolf Virchow von der Berliner Charité und der Direktor des Berliner Naturkundemuseums Wilhelm Peters. Mindestens acht Skelette von Aborigines, von denen zwei namentlich bekannt waren, einen Schädel und eine präparierte Haut schickte Amalie Dietrich aus Australien an das Museum Godeffroy. Bei ihrer unermüdlichen Suche scheute sie auch nicht davor zurück, Gräber zu plündern. Hartnäckig hält sich das Gerücht in der indigenen Bevölkerung, das die „Angel of Black Death“ Genannte sogar die Tötung eines Mannes angeordnet hätte, um an sein Skelett heranzukommen.
1878 geriet die Firma Joh. Ces. Godeffroy & Sohn in existenzielle Schwierigkeiten. Ursachen waren spekulative globale Geschäfte und eine dünne Kapitaldecke. Da half auch Bismarcks Intervention nicht mehr, die Unterstützung der Firma sei eine nationale Pflicht. Erst lehnte die hamburgische Kaufmannselite eine Finanzhilfe ab, dann der Reichstag. Ende 1879 stellte die Firma Godeffroy ihre Zahlungen ein, 1913 wurde sie aus dem Handelsregister gelöscht. Das Stammhaus und das Museumsgebäude am Alten Wandrahm mussten um 1885 dem Bau der Speicherstadt weichen. Die Museumsbestände wurden verkauft: Die ethnografisch-anthropologische Schausammlung erwarb das Museum für Völkerkunde zu Leipzig, die Herbarien übernahm das damals gerade neu gegründete Naturhistorische Museum in Hamburg. Während des II. Weltkriegs wurden beide Bestände zerstört. Doch durch Godeffroys weit verbreiteten Kataloghandel finden sich in vielen naturwissenschaftlichen und ethnologischen Museen noch heute Objekte aus seinen Beständen. Nur sehr zögerlich haben deutsche Museen mittlerweile begonnen, die Herkunft der menschlichen Überreste in ihren Sammlungen zu erforschen – mit dem Ziel, den Aborigines die Gebeine ihrer Vorfahren zurückzugeben, damit diese in Würde beerdigt werden können.
Text: Frauke Steinhäuser
Das Eheleben Cesar Godeffroy‘s
Cesar Godeffroy war verheiratet mit Emily, geb. Hanbury (1815-1894). Dazu schreibt die Historikerin Gabriele Hoffmann: „Er hat sich in die Frau verliebt, die seine Eltern für passend halten, und auch Emily hat sich so verliebt, wie ihre Eltern, der Kaufmann und englische Geschäftsträger Frederik Hanbury und seine Frau Anna, es sich nicht besser wünschen könnten.“ 1) Das Paar bekam fünf Kinder. Cesar Godeffroys Part am Familienleben: „Im Herbst geht Cesar auf die Jagd – ‚mehr wie ich es eigentlich mit dem Familienleben verträglich finde‘, meint seine Mutter. Cesar entzieht sich seiner Frau. Ihr Alltag dreht sich in altgewohnten Bahnen, um Kinder und Kleider. Sein Leben wird immer ereignisreicher, er ist angespannt und kann sich schwer auf das freundlich-gleiche Leben mit kleinen Kindern umstellen. Während Emmy geduldiger und gelassener wird, auch weitschreifiger, wird Cesar schneller und härter.“ 2)
Über das Leben der Frauen aus den großbürgerlichen Hamburger Kreisen der damaligen Zeit schreibt Gabriele Hoffmann: „Die Öffentlichkeit ehrt Frauen, die wie Emily Godeffroy née Hanbury Ansehen und Würde ihrer Familie und Firma vertreten. Man grüßt höflich, wenn sie in ihren Equipagen durch die Straßen fahren. (…) Emmy, ihre Freundinnen und die Töchter gehen zu Vorträgen und Konzerten, besuchen Theater, Kostümfeste, Bälle. Sie besitzen Kleider aus feingestreiftem Taft, aus mattschimmerndem Atlas, aus damaszierter Seide. (…) Die Damen sind kostbar gekleidet, doch die Gespräche mit ihnen sind für Männer oft langweilig. (…) Kriegszeiten sind für Damen große Zeiten. Sie dürfen ihr Organisationstalent entfalten und mit wichtigen Herren der Stadt verhandeln. Damen aus mehreren Hilfsvereinen wollen einen eleganten Basar veranstalten und Herr Streits stellt den Eßsaal seines Hotels am Jungfernstieg zur Verfügung. Vierzehn Tische reichen kaum für alle Spenden. In der Mitte des Saals sind die Handarbeiten der Damen der herzoglichen Familie ausgestellt. Die Herren überbieten sich bei der Versteigerung. (…). Dann ist der Krieg vorbei, und die Damen und ihre Töchter fallen in den alten beschäftigten Müßiggang zurück. Pauline Ruperti geb. Merck, H. J. Merck & Co., [siehe: Ernst-Merck-Brücke und Ernst-Merck-Straße] seufste einmal: ‚Ach, daß der liebe Gott uns so viel irdische Güter gegeben hat, daß mir alles abgenommen wird und ich selbst zu wenig zu tun habe – ich wäre gewiß glücklicher, wenn wir weniger hätten!‘“ 3)
Als die Geschäfte schlechter liefen, musste Emmy Godeffroy mit einem Viertel des von ihrem Gatten bisher „bewilligten“ Haushaltsgeldes auskommen.
Nachdem Cesar Godeffroy 1879 mit seiner Firma Konkurs gemacht hatte, übernahmen „die Gläubiger Schröder, Gossler, Boten, Adolph Woermann und Etatsrat Donner [siehe: Donnerstraße] den Park [des Godeffroyschen Anwesens an der Elbchaussee] gegen Forderungen an die Firma Godeffroy. Sie schließen einen Vertrag mit Cesar: Er und Emmy dürfen noch zehn Jahre dort bleiben. (…) Cesar und Emmy leben von der Rente aus Emmys Kapital, das ihr erhalten geblieben ist, und Einkünften aus etwas Grundbesitz, den Cesar ihr einmal geschenkt hat. (…).“ 4) Nach dem Tod Cesar Godeffroys im Jahre 1885, blieb die 70- jährige Emmy „im Landhaus an der Elbchaussee. Die verblüffte Familie erlebte, wie sie scheinbar jünger wurde, staunte über ihre Rüstigkeit. Sie hielt Haus und Park für ihre Enkel.“ 4) Später, im Alter von 76 Jahren, verkaufte sie das Haus und den Park und zog mit ihrer Jungfer in eine Wohnung an der Heimhuderstraße 84, zwei Jahre später in die Magdalenenstraße.