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Helferichweg

Marmstorf (1930): Hans Helferich (13.12.1891Greifswald –September 1945 Posen), Landrat des Kreise Harburg, Präsident der Deutschen Zentral-Genossenschaftskasse in Berlin.


Helferich studierte Jura, war Soldat im Ersten Weltkrieg und promovierte 1920. Er blieb ledig. Ab 1920 arbeitete er im Preußischen Finanzministerium und wurde 1923 Finanzrat, 1925 zuerst kommissarischer, 1926 dann Landrat vom Kreis Harburg. Dies blieb er bis 1929. Helferich beschäftigte sich in Harburg mit den Organisationen zur wirtschaftlichen Selbsthilfe in der Landwirtschaft und suchte deshalb den Kontakt zum Genossenschaftswesen. 1929 wurde er Verbandsdirektor des Danziger Raiffeisenverbandes und Direktor der Landwirtschaftlichen Bank in Danzig. 1932 bekam er den Posten eines Oberregierungsrats bei der Finanzdirektion Berlin. Außerdem war er ab 1932 Präsident der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse in Berlin und ab demselben Jahr der Deutschen Zentralgenossenschaftskasse. Diese Funktion nahm er bis 1945 wahr. 1)

In der Zeit seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten bis zum 2. Weltkrieg „wurde Helferich immer mehr zur zentralen Führungspersönlichkeit der deutschen Kreditgenossenschaften (…).“ 2) Helferich betonte in dieser Zeit „sowohl die Rolle der Kreditgenossenschaft in der Wirtschaft des ‚neuen‘ NS-Staates zu definieren als auch die Position der Deutschlandkasse zu bestimmen und für ihre Geschäftspolitik zu werben. Dabei zeigte er einerseits Sympathie für die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der neuen Machthaber und ein großes Maß an Loyalität gegenüber den Entscheidungen der Berliner Ministerien, andererseits ließ er – im Gegensatz – zu einigen seiner Vorstandskollegen aus der privaten Kreditwirtschaft und einigen Spitzenfunktionären aus der Sparkassenorganisation – eine gewisse Distanz gegenüber dem Führungspersonal der NSDAP erkennen. So suchte er zum Beispiel nicht die Nähe zu den neuen Entscheidungsträgern der Wirtschaftspolitik. (…) Helferich gerierte sich in dieser Zeit eher als ein loyaler Staatsbeamter, dessen Ziel es in erster Linie war, die Marktposition des von ihm geleiteten Instituts in einen zunehmend staatlichen Dirigismus ausgesetzte Kreditwirtschaft zu verbessern,“ 3) heißt es in dem vom Institut für bankhistorische Forschung herausgegebenen Buch „Sozialreformer Modernisierer Bankmanager. Biografische Skizzen aus der Geschichte des Kreditgenossenschaftswesens.“

In dieser Schrift wird Helferichs Einstellung zum Nationalsozialismus analysiert: „Kaufmännisches Kalkül dominierte auch bei ihm eindeutig über ideologischer Überzeugung. (…) Dennoch wäre es verfehlt, Helferich eine oppositionelle Haltung zum Nationalsozialismus zu unterstellen. Er wusste nur zu gut, dass eine zu lautstark vorgetragene Kritik, etwa am Reichshofgesetz und der Agrarpolitik der Nationalsozialisten, ihn seine Posten als Präsident der Deutschlandkasse kosten könnte. Sein primäres Ziel bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war es, die alten Strukturen bei den Kreditgenossenschaften unter veränderten politischen Vorzeichen so weit wie möglich zu bewahren, ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern und damit gegenüber dem Regime zu dokumentieren, welche Bedeutung dieses Segment der Kreditwirtschaft und dessen Spitzeninstitut für die Durchsetzung wirtschaftspolitischer und rassenideologischer Ziele besaßen.“ 4)

In Hitlers Expansionskurs sah Helferich „eine Chance, das Geschäftsmodell der Deutschlandkasse zu verändern und sie zu einem Spitzeninstitut für die Kreditgenossenschaften in zahlreichen Ländern Europas zu bauen. (…)“ 5)
Gleichzeitig fürchtete Helferich um seine Position. Er wusste, „dass er als Präsident der Deutschlandkasse nicht unumstritten war. Maßgebliche Funktionäre der NSDAP sowie überzeugte Nationalsozialisten aus der Genossenschaftsorganisation drängten darauf, einen entschlossenen Verfechter der nationalsozialistischen Politik an die Spitze der Deutschlandkasse zu berufen, der deren Ziele auch nach außen hin lautstark verkündete. Dies wollte Helferich sicherlich nicht, daher war er sich bewusst, dass er sich in seiner Tätigkeit gegenüber möglichen Kritikern und Neidern aus der Genossenschaftsorganisation absichern musste, um sein Amt als Präsident nicht zu gefährden.“ 6)

Als der Widerstand gegen Hitler immer größer wurde, tauchte sein Name „auf einer Liste von Personen auf, die nach einem erfolgreichen Attentat auf Hitler eine neue Regierung unter Carl Friedrich Goerdeler [siehe: Goerdelerstraße] bilden sollten. Für Helferich war der Posten eines Finanzstaatssekretärs in einem Kabinett Goerdeler vorgesehen. Inwieweit dies tatsächlich als ein Indiz für enge Beziehungen zum Kreis um Goerdeler oder nur für Gedankenspiele ohne sein Wissen und sein Mitwirken zu werten ist, bleibt jedoch fraglich. Einige Kenner der Berliner Finanzwelt verorteten Helferich in der Zeit nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes in der Gruppe um den Leipziger Politiker und Widerstandskämpfer. Andererseits ist auch bei ihm wie bei anderen Mitgliedern des Widerstands aus der zweiten und dritten Reihe eine mögliche Opposition zu Hitler und seinem Regime schwer zu fassen. (…) Nicht zuletzt aufgrund seiner schwer zu klärenden Beteiligung am Widerstand gegen Hitler fällt auch eine eindeutige Bewertung der Rolle Helferichs während des NS-Regimes schwer. War er ein Profiteur der NS-Herrschaft, ein bloßer Mitläufer oder gar ein überzeugter Gegner des Regimes? Fest steht, dass er mit seiner Berufung zum Präsidenten der Preußisch- beziehungsweise der Deutschlandkasse bereits vor dem Nationalsozialismus den Höhepunkt seiner beruflichen Karriere erreicht hatte. Enge Allianzen mit dem Regime zur Forcierung der Karriere – (…) – waren für ihn daher nicht notwendig. Seine Position behielt er während der gesamten NS-Herrschaft bei, konnte sie sogar ausbauen (…) [so z. B.] durch die geschäftliche Expansion der Deutschlandkasse in Europa von 1938 bis 1945.

Daher profitierte Helferich sicherlich von der Kriegs- und Besatzungspolitik Hitlers.
(…) Die Loyalität zum Regime stand für ihn zunächst außer Frage, doch manifestierte sich gegen Ende des Krieges, dass er sowohl von den Kriegszielen des Regimes abrückte als auch die Methoden und die Ziele der Besatzungspolitik zunehmend in Zweifel zog,“ 7) heißt es resümierend in der Schrift „Sozialreformer Modernisierer Bankmanager. Biografische Skizzen aus der Geschichte des Kreditgenossenschaftswesens“ aus dem Jahr 2016.
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde er von der sowjetischen Besatzungsmacht inhaftiert und kam in ein Internierungslager nach Posen. Dort verstarb er, unterernährt und krank an einer Blutvergiftung, die er sich durch einen vereiterten Finger zugezogen hatte.