Hermann-Renner-Stieg
Nienstedten (1935): Hermann Renner (21.7.1863 Derschlag – 25.9.1921 Hamburg), Großkaufmann, Kommerzienrat, Stifter
Der Hermann-Renner-Stieg wurde in der Zeit des Nationalsozialismus benannt. Er entstand, nachdem der Rennersche Besitz parzelliert worden war.
Hermann Renner hatte das Färberhandwerk erlernt und kam 1885 im Alter von 22 Jahren nach Hamburg, wo er einige Jahre in der Firma von Jacob Braun tätig war. Dann wurde er 1899 Besitzer einer Farbstofffirma, die unter dem Namen „Gerb- und Farbstoffwerke H. Renner & Co.“ firmierte. Dort wurden Farb- und Gerbstoffprodukte hergestellt. Die Fabrikanlage befand sich am Billhorner Röhrendamm und an der Kanalstraße und besaß einen Anschluss an den Kanal und zum Bahnhof. Auf dem Fabrikgelände befanden sich Extraktfabriken mit drei Kesselhäusern, Pumpen und Maschinenhäusern, in denen Zerkleinerungsmaschinen zum Mahlen von Gerbrinden standen. Außerdem gab es ein Mühlengebäude, ein Lagerhaus, ein Verwaltungsgebäude und 1700 qm Heizfläche. Ca. 500 Arbeitende wurden beschäftigt.1)
Renner besaß Besitzungen und Werkstätten in Argentinien, in denen für seine Firma aus argentinischen Hölzern Extrakte für Farb- und Gerbstoffe extrahiert wurden. Das Unternehmen florierte und Renner wurde zum Königlich-Preußischen Kommerzienrat ernannt. 1910 wurde das Grundstück erweitert und die Farb- und Gerbstofffirma Oberländer aufgekauft. Renner beteiligte sich auch an anderen Farb- und Gerbstofffabriken. Dies auch z. B. in Österreich, Belgien und Frankreich. Vor dem Ersten Weltkrieg gab es auch eine Interessenbeteiligung mit der Firma Forestal Land, Timber and Railways Comp. Ltd. in London.
In Glückstadt hatte Renner eine zweite Fabrikanlage. Fünf Jahren nach seinem Tod wurden die Betriebe 1926 geschlossen. 2)
Mit seiner Frau Martha, geborene Giesecke (15.8.1870 Hamburg – 5.1.1929 Hamburg), die er 1891 geheiratet hatte, lebte er in einer Villa am Söbendieken 3. Das Paar hatte eine Tochter, geboren 1892.
Neben seiner Tätigkeit als Unternehmer und Großkaufmann galt seine Liebe der Musik. Bereits in seiner Geburtsstadt Derschlag war er Leiter und Kassierer des Gesangsvereins gewesen. In Hamburg gehörte er zur Baptistengemeinde Altona, deren Ältester er ab 1918 war.
„20 Jahre leitete er den Gemeindechor und wurde von der Gemeinde in den Tabea-Vorstand berufen. Von seinem Vermögen unterstützte er finanziell die Gemeinde, das Diakonissenhaus ‚Tabea‘, die Gemeinde Eimsbüttel (Gehalt von C. A. Flügge) und viele Bundesunternehmungen.“ 3) Renner wurde Vorsitzender des Diakonissenhauses Tabea. Auch seine Frau gehörte dem Tabea-Vorstand als eine der ersten beiden Frauen an und fungierte dort über zwanzig Jahre.
Gründerin und erste Oberin des Diakonissenhauses Tabea in Altona war Albertine Assor (22.3.1863 Zinten/Ostpreußen – 22.2.1953 Hamburg) (siehe: Albertine-Assor-Straße). Sie, deren Vater Prediger in verschiedenen Baptistengemeinden war, arbeitete ab November 1902 als Oberin des Diakonissenhauses Tabea in Altona. Ihre selbstbewussten Ansichten kollidierten mit der Weltfremdheit des Hausvorstandes des Diakonissenhauses. 1907 kam es zum Bruch und Albertine Assor wurde entlassen. „Mit dem Lebensstil einer Diakonisse konnte sie sich nicht dauerhaft arrangieren – zu stark unterband das männliche Regiment in der Einrichtung ihre Selbstständigkeit. Trotzdem bekannte ein Vorstandsvorsitzender: ‘Ich muss ihr das Zeugnis geben, dass sie ihre Aufgabe mit solcher Umsicht, Treue und Energie erfüllt, dass wir ihre Kraft einer männlichen gleichwertig erachten.‘“4) Albertine Assor gründete daraufhin am 1.5.1907 zusammen mit sieben weiteren abtrünnigen Schwestern in einer kleinen Mietwohnung in der Fettstraße 20 im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel ein baptistisches Diakonissen-Mutterhaus mit dem Namen Siloah (stille Sendung).
Hermann Renner arbeitete in Tabea mit der Oberin Emma Elsholz (3.11.1856 Halle/Saale - 23.7. 1924 Hamburg) zusammen. Sie wird in einigen Quellen als erste Oberin des Diakonissenhauses Tabea in Hamburg bezeichnet, was aber Albertine Assor gewesen ist. Emma Elsholz kam zu Tabea, nachdem Albertine Assor Tabea verlassen hatte. Sie wurde nach einem Vorstellungsgespräch mit Hermann Renner, das in seiner Villa standfand, am 3. Oktober 1907 Oberin des Diakonissenhauses Tabea in Altona. „In Zusammenarbeit mit Hermann Renner, dem langjährigen Vorsitzenden von ‚Tabea‘, gelang es ihr, den äußeren Umfang des Hauses wesentlich zu erweitern.“ 5)
Hermann Renner sorgte auch für die Prediger der Baptistengemeinde. So kaufte er 1909 „‘Gut Zippelsförde‘ als ‚Erholungsheim für müde Reichsgottes-Arbeiter‘. Seine und die befreundete F. W. Bergemann-Stiftung wurden zur ‚Verwaltung deutscher Baptistenmissionen‘ zusammengeschlossen. Die Bergemann-Rennerstiftung unterstützt bis heute erholungsbedürftige Pastoren. Renner setzte sein Vermögen auch über den konfessionellen Rahmen hinaus für wohltätige Zwecke ein.“ 6)
Darüber hinaus stiftete Renner 1912 die Turnhalle für die Nienstedtener Schule und den ersten Kindergarten (Warteschule) in Nienstedten. Außerdem gab er das Geld für den Bau der am S-Bahnhof Holstenstraße gelegene Christus Kirche der Baptistengemeinde, die 1915 eingeweiht wurde. „Im Inneren orientiert sie sich mit ihrer halbrunden Sitzanordnung am Stil US-amerikanischer Baptistenkirchen. Im Zweiten Weltkrieg brannte sie aus, die Wiederaufbauarbeiten ab 1957 fanden unter Leitung von Werner Kallmorgen statt.“ 7)