Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Arndtstraße

Uhlenhorst (1860): Ernst Moritz Arndt (26.12.1769 Rügen -29.1.1860 Bonn), Freiheitsdichter


Siehe auch: Arndtstraßenbrücke
Siehe auch: Arndtweg

Arndts Mutter war Friederike Wilhelmine, geb. Schumacher (1747-1804), eine Bauerntochter, sein Vater war Güterinspektor auf der Insel Rügen. Friederike Wilhelmine Arndt prägte schon früh ihren Sohn, indem sie ihm Sagen und Märchen aus der Heimat sowie Bibelgeschichten vorlas. Siegfried Türr schreibt über die Beziehung Arndts zu seiner Mutter: „Eine hohe Achtung empfand er für seine 1804 verstorbene Mutter Friederike, über die er einige Monate nach ihrem Tod schrieb: ‚Es war ein trefflich, göttlich, tapfer Weib, aber auch ein glücklich Weib; [...] Ich denke immer an einen ewigen Frühling, wenn ich an sie denke.‘ Und fast vier Jahrzehnte später bekannte er: ‚Sie steht mir noch heute mit ihren schönen großen, blauen Augen und ihrer prächtigen breiten Stirn, als wenn sie leibte und lebte, lebendig gegenüber.‘“ 1)

Nachdem sich Ernst Moritz Arndt 1800 habilitiert hatte und Privatdozent für Geschichte an der Universität in Greifswald geworden war, heiratete er Charlotte Marie Quistorp (1780-1801), die Tochter von Johann Quistorp, Arzt und Professor für Naturgeschichte und Ökonomie. Als sie geboren wurde, war ihr Vater noch Medizinstudent und ledig gewesen. Er hatte die Geburt seiner Tochter als unehelich angezeigt und ihr seinen Nachnamen gegeben. „Aufgewachsen ist sie im Mädchenpensionat von Anna Elisabeth Fischer in Barth. Dort begegnete sie im Herbst 1794 einem der Greifswalder Studenten, namens Ernst Moritz Arndt. Charlotte wird als lebhaftes, oft ausgelassenes, frisches Mädchen beschrieben, das in seiner ursprünglichen und lebensfrohen Natur auf den sonst so spröden und scheuen Ernst Moritz Arndt einen tiefen Eindruck machte. Ihr Antlitz beschrieb Arndt so: ‚Um den schönsten Kopf die schönsten Locken, Blaue Augen, Rosenwangen rund, Süßes Schelmenlächeln um den Mund, Gleich geschickt zu küssen und zu locken.‘ Beide fanden bei Gesellschaft und Tanzkränzchen in Barth und den umliegenden Gütern Gelegenheit, sich zu treffen und sich zu verlieben. Am 3. September 1795 verlobten sie sich heimlich. Sie war gerade 15 Jahre alt. Er war 26 Jahre. Seine Eltern hatten andere Vorstellungen von seinem weiteren Lebensweg. Er sollte Pfarrer werden und, um eher eine Pfarrstelle zu erhalten, eine Pastorentochter heiraten. Damals galt es als Vorbedingung zum Erhalt einer Pfarrstelle, dass der Übernehmende entweder die Witwe seines Vorgängers oder dessen Tochter heiratete. Verständlicherweise wollte Arndt keine ungeliebte Frau heiraten, blieb jedoch zunächst still. Später nahm er trotz Theologiestudium Abstand von einer geistlichen Laufbahn und hielt weiterhin zu seiner Lotte. An seine Mutter schrieb er: ‚... so ist es meine Pflicht, Ihnen, liebe Mutter, zu beichten, dass meine Liebe zu Lotte Quistorp, die sie wohl kennen, noch nicht veraltet gewesen ist, ... so ist die doch die Einzige, mit der ich einst glücklich zu leben hoffe. Sie ist jung und wild, ich weiß es. Daß sie ein Herz und ein lebendiges Gefühl für alles Gute und Schöne hat, weiß ich, dass sie mich liebt, empfinde ich.‘ Später schrieb er an seinen Vater: ‚Ich bin seit manchem Tage mit meinem Mädchen verbunden, durch ein Band, das nur eine gewaltige Macht zerreißen kann. Dies ist die Mamsell Quistorp, die einst bei den Fischern in Barth in Pension war. ... So werden Sie Beistimmung nicht versagen, und mir viel mehr von Herzen Glück wünschen.‘ Nach nochmaliger Anerkennung durch den Vater nahm dieser Charlotte später in seinen Greifswalder Haushalt auf. Und nach über fünf Jahren – mit seiner ersten Festanstellung als Dozent an der Greifswalder Universität – konnten die beiden endlich am 23. Februar 1801 heiraten. Sie wurden in der Marienkirche zu Greifswald getraut. Die inzwischen 20-jährige Charlotte war bereits schwanger und gebar am 16. Juni 1801 ihren ersten Sohn Karl Moritz Arndt (genannt ‚Karl Treu‘). Nur wenige Tage nach der Geburt starb Charlotte am 25. Juni am Kindbettfieber. (…) Der Schmerz über ihren Tod wirkte noch lange in Ernst Moritz Arndt nach. Trost suchte er in der Schreibtischarbeit und auf Reisen. Den gemeinsamen Sohn brachte er zu seinen Eltern nach Löbnitz. Später lebte Karl Treu bei Arndts Lieblingsschwester Dorothea. (…),“ 2) heißt es in den Beiträgen zur Genealogie und Geschichte der Familie Quistorp.

1811 verlobte sich Arndt mit Charlotte Bindermann (1775-1858) aus Barth. Im selben Jahr legte er seine Professur nieder. Die Verlobung führte nicht zur Heirat und wurde bald aufgelöst. Sechs Jahre später verlobte sich Arndt mit Anna Maria Schleiermacher (18.2.1786 Zell/Mosel – 16.10.1869 Bonn), Halbschwester des Theologen Friedrich Schleiermacher, die diesem bis zu ihrer Heirat mit Arndt den Haushalt führte. Noch im Jahr der Verlobung 1817 heiratete das Paar. Bis 1827 bekam das Paar sieben Kinder (geboren: 1818, 1819, 1821, 1822, 1824, 1825, 1827).

Ein Jahr nach der Hochzeit wurde Arndt Professor der Geschichte an der Bonner Universität. Finanziell ging es der Familie gut, gleichzeitig hatte Arndt durch die Heirat die so lange entbehrte Häuslichkeit wieder. So gestärkt mit einer ihn liebenden Ehefrau im Hintergrund, die ihm den Rücken freihielt, schaffte er beruflich viel: redigierte seine Gedichte und gab „Märchen und Jugenderinnerungen“ heraus.

Siegfried Türr schreibt in seinem Buch „Die Frauen um Ernst Moritz Arndt“: „Es gab in Arndts Leben nicht wenige Frauen, die er überaus schätzte und ehrte. (…) Zu den Frauen, denen seine aufrichtige Wertschätzung galt, zählten auch Antoinette Amalie Herzogin von Württemberg, die er 1812 im russischen Sankt Petersburg kennengelernt hatte, und die Schriftstellerin Karoline von Wolzogen, die er 1814 in Weimar besuchte. Eine echte Freundschaft unterhielt er mit Karoline Hegewisch, der Frau eines Arztes, der er 1816 in Kiel begegnet war. Besonders ins Herz geschlossen hatte er aber Julie Gräfin zu Dohna, die von 1817 bis 1820 in Bonn lebte und die auch nach ihrem Umzug nach Düsseldorf mit ihm und seiner Familie eng befreundet blieb. (…) Eine andere geistvolle Frau, deren Bekanntschaft Arndt 1821 machte, war Wilhelmine von Limburg-Stirum. Diese holländische Gräfin, die in Bonn wohnte und die auch eine gute Freundin seiner Gattin wurde, hatte ein leidvolles Schicksal zu tragen, denn sie war gelähmt und häufig ans Bett gefesselt. Ihr widmete er in herzlicher Verehrung die 1855 erschienene Sammlung seiner geistlichen Lieder. Befreundet war er auch mit Julie Zanders, der Witwe eines Papierfabrikanten, die über zwanzig Jahre in Bonn lebte. (…) Unter Arndts treuen Freundinnen ist auch Elisabeth Eichenberg zu nennen. Sie war die Ehefrau des 1834 verstorbenen Verlegers Philipp Wilhelm Eichenberg in Frankfurt, der ihn 1814 mehrere Monate beherbergt hatte. (…).“ 3) Siegfried Türr beschreibt in seinem Buch die Beziehungen Arndts zu noch weiteren Frauen wie z. B. zu Elisa von Munck (1773-1840); zur Schriftstellerin Amalie von Helvig (1776-1831), die in Berlin einen literarischen Salon führte; zur Salonnière Johanna Motherby (1783-1842), zu der Gutsherrin auf Rügen, Charlotte von Kathen (1777-1850), die ebenfalls einen Salon unterhielt und zu der Dichterin Charlotte Pistorius (1776-1850).

Kritik an Ernst Moritz Arndt
Nach Ernst Moritz Arndt sind in mehreren deutschen Städten Straßen und Gebäude benannt. In den letzten Jahren wurde immer mehr Kritik an Arndts rassistischer Einstellung und seinen antisemitischen Äußerungen laut und die Frage aufgeworfen, ob die nach Arndt benannten Verkehrsflächen und Gebäude umbenannt werden sollten. Diese Frage stellte man sich auch an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald und so wurden „2009 (…) 1400 Unterschriften für eine Umbenennung der Universität gesammelt. (…). In einer Urabstimmung vom 11. bis 15. Januar 2010 sprach sich die Mehrheit der Abstimmenden jedoch gegen die Umbenennung aus.“ 4) Damals schrieb Jörg Schmidt im Juli 2009 in der „DIE ZEIT“ in seinem Artikel „Fataler Patron. Noch immer tragen deutsche Schulen, Kasernen und eine Universität den Namen des völkischen Ideologen und Antisemiten Ernst Moritz Arndt“: „(…) Die Grabenkämpfe zur Inanspruchnahme des Deutschesten aller Deutschen wurden von links und rechts geführt. Betonten die einen den streitbaren Patrioten und Kämpfer für soziale Gerechtigkeit, feierten ihn die anderen als Überwinder Napoleons, als Erwecker der deutschen Nation und nicht zuletzt als unermüdlichen Kämpfer gegen den französischen Erbfeind. (…) Bis vor fünfzig Jahren galt Ernst Moritz Arndt als einer der berühmtesten Deutschen. (…) Neben Luther habe es ‚keinen gewaltigeren Warner‘ und ‚geisterfüllteren Kritiker‘ gegeben. Dies würde zwar heute niemand mehr von dem kleinen knorrigen Vorpommern behaupten wollen. Dennoch ist Ernst Moritz Arndt überall in Deutschland präsent: Straßen, Schulen, Kasernen tragen seinen Namen - und, nach wie vor, die Universität in Greifswald. Die Frage ist nur: Können sich Institutionen einer Demokratie, kann sich die Republik wirklich guten Gewissens auf ihn berufen? (…) Die zentralen Momente von Arndts Denken (…): Kampf gegen das nationale Unterlegenheitsgefühl, besonders gegenüber der politischen und kulturellen Leitnation Frankreich, und seine Völkerpsychologie. (…) Sein Appell an die Deutschen: Bewahrt euren Nationalcharakter! Verliert euch nicht in kosmopolitischen Träumereien (…) Napoleons Siegeszug durch Europa wandelt den schwedischpommerschen Royalisten Arndt zum deutschen Patrioten. (…) In unzähligen Flugschriften fordert er Mut und Opferbereitschaft von den Deutschen. (…) Arndts Flugschriften predigen und hämmern die neue nationale Ideologie in das Bewußtsein seiner Zeitgenossen. (…) Nach 1815 ändert sich die Situation. Die Restauration hält Einzug. Arndts massive Fürstenschelte im vierten Teil seines Geistes der Zeit (1818) führt zu einem Eklat. Der Held der Freiheitskriege wird 1820 in Folge der Karlsbader Beschlüsse von seiner Professur für Geschichte an der Universität Bonn suspendiert. Erst im Juli 1840 begnadigt ihn Friedrich Wilhelm IV. und ein letztes Mal noch steht Arndt - mittlerweile 79jährig - auf der politischen Bühne. Vom ‚stählernen‘ Kreis Solingen gewählt, zieht er 1848 in die Frankfurter Nationalversammlung ein. Ihm zu Ehren erheben sich die Abgeordneten und singen sein zum Volkslied avanciertes Was ist des deutschen Vaterland? Republikanische Ideen wird Arndt jedoch als rechter Liberaler weiterhin verschmähen. Enttäuscht verläßt er das Parlament nach der Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV. (…) Bei allem Respekt für den mutigen und zuweilen kauzigen Publizisten - die Basis seines Denkens bildet eine rassistische, in Ansätzen biologistische Völkerpsychologie: Klima und Sprachen grenzen für ihn die Völker naturgesetzlich voneinander ab, die durch göttliche Weisung an ihren Platz auf der Erde gestellt wurden. (…) Eine Mischung – ‚Verbastardung der Nationen‘ - muß verhindert werden. Vor allem die mit französischem Blut, das ‚wie ein betäubendes Gift den edelsten Keim angreift‘. So wundert es nicht, daß Arndt auch vor einer Mischung mit jüdischem Blut warnt. (…) Zudem orakelt er von einer jüdisch-intellektuellen Verschwörung, ‚denn Juden oder getaufte und (...) eingesalbte Judengenossen habe sich der Literatur, der fliegenden Tagesblätter wohl zur guten Hälfte bemächtigt und schreien ihr freches und wüstes Gelärm, wodurch sie (...) jede heilige und menschliche Staatsordnung als Lüge und Albernheit in die Luft blasen möchten.‘ Zeitlebens arbeitet Arndt vehement am deutschen Überlegenheitsmythos und an deutscher Mission. (…)“ Arndt „werkelt und meißelt (..) fleißig am Mythos des nationalen Erlösers. ‚Es wird ja hoffentlich einmal eine glückliche deutsche Stunde für die Welt kommen und auch ein gottgeborener Held, (...) der mit scharfem Eisen und mit dem schweren Stock, Scepter genannt‘, das Reich ‚zu einem großen würdigen Ganzen zusammenschlagen kann‘. Nun wahrlich, Arndts Traum sollte in Erfüllung gehen, dieser Führer kam! Und wenn heute die Universität Greifswald in einem Prospekt davon spricht, daß ‚,seine' Universität (...) in der Tradition auch seiner Ideen‘ stehe, so stellt sich die Frage, ob man in Greifswald (und andernorts, in den Kultusministerien und bei der Bundeswehr) überhaupt weiß, was es mit den ‚Ideen‘ des Ernst Moritz Arndt so auf sich hat.“ 5) 2018 wurde die Greifswalder Ernst Moritz Arndt Universität schließlich doch umbenannt.

Auch die Augsburger „Kommission für Erinnerungskultur“, die zwischen 2014 und 2018 die Augsburger Straßennamen unter die Lupe nahm, beschäftigte sich mit Ernst Moritz Arndt, da in Augsburg eine Straße nach ihm heißt. In ihrem Abschlussbericht zu strittigen Straßennamen heißt es über Arndt: „Arndt hat sich als Patriot in einem restaurativen politischen Umfeld in Wort und Schrift und unter Inkaufnahme langjährigen Berufsverbots und persönlicher Verfolgung für die geistige und politische Überwindung der deutschen Kleinstaaterei und die Schaffung eines Nationalstaats mit demokratischen und liberalen Rechten eingesetzt. Er kämpfte gegen die ‚Pfaffenherrschaft‘, Pressezensur und Leibeigenschaft; er stritt für unabhängige Rechtsprechung, allgemeine Schulbildung und für eine die Zivilisten schonende Landkriegsordnung, die erst hundert Jahre später zu internationalem Recht wurde. Während seine Ansichten und die nationale Überhöhung alles ‚Deutschen‘ von vielen seiner Zeitgenossen geteilt wurden, stechen der starke Franzosenhass und der tiefe, rassistische Antisemitismus Arndts deutlich hervor. Selbst für seinen zeitlichen Kontext schlug Arndt extrem rassistische Töne an, engagiert schrieb er z.B. gegen ‚Vermischung‘ der Völker und kennzeichnete die Deutschen als ‚nicht durch fremde Völker verbastardet‘. Seine Forderungen zur Schaffung eines deutschen Nationalstaates basierten neben chauvinistischen nicht zuletzt auf rassischen und antisemitischen Argumentationen. In seinen Schriften nahm er rassistische Kategorien wie jene der ‚Rassenreinheit‘ vorweg, die sich später die Nationalsozialisten zu eigen machten. (…).“ 6)

Im Januar 2020 beschloss der Leipziger Stadtrat die dortige Arndtstraße in Hannah-Ahrendt-Straße umzubenennen. „Nach einer Debatte um die historische Benennung von Straßennamen im Allgemeinen, angestoßen durch eine Petition ‚Arndt bleibt Leipziger - Keine Umbenennung der Arndstraße‘, hob der Stadtrat am 16. September 2020 seinen Beschluss vom Januar auf.“ 7)

Auch Felix Sassmannshausen gibt in seinem 2021 für das Land Berlin verfassten Dossier zu Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin die Handlungsempfehlung: Umbenennung. Er schreibt: "Ernst Moritz Arndt war Vertreter eines aggressiven Nationalismus, den er mit antifranzösischen Ressentiments begründete. In dem Kontext äußerte er sich auch offen frühantisemitisch. Dies lag in seinem nationalistischen Weltbild begründet." 8)