Hugh-Greene-Weg
Lokstedt (2001): Sir Hugh Carleton Greene (15.11.1910 Berkhamsted (Herfordshire) – 19.2.1987 London), Journalist, Chef des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) in Hamburgs Nachkriegszeit.
Siehe auch: Ida-Ehre-Platz
Siehe auch: Haubachstraße: hier zum Thema Straßenamensvergabe: Alma de L’Aigle. Als eine Straße beim NDR Fernsehen in Hamburg-Lokstedt benannt werden sollte, kam auch der Vorschlag auf, die Straße nach Irene Koss (1928 Hamburg – 1996 Hamburg), der ersten Fernsehansagerin der Bundesrepublik Deutschland, zu benennen. Es wurde sich jedoch für Hugh Greene entschieden.
Der britische Journalist Hugh Greene „war nach 1945 im Auftrag der britischen Besatzungsmacht Organisator des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) und später bis zum 31. März 1969 als Generaldirektor der BBC tätig.
„Hugh Greene stammte aus einer vermögenden Familie. (…) Im Dezember 1928 erhielt Greene ein Stipendium für das Merton College in Oxford. Vor dem Studienbeginn ging er noch eine kurze Zeit ins Ausland. Dabei hätte aufgrund seiner Sprachkenntnisse Frankreich nahegelegen, aber weil sich die englische Mittelschicht damals für die Weimarer Republik und Goethe begeisterte, entschied er sich für Deutschland. In Marburg an der Lahn wohnte er bei der verwitweten Frau von Pritzelwitz und ihrer Familie. Diese Frau legte noch Wert auf die Förmlichkeiten des Kaiserreichs; so war es üblich, nach Aufhebung der Tafel der Dame des Hauses die Hand zu geben und einen Diener zu machen. (…).“ 1)
Seinen Studienabschluss machte er in englischer Literatur und begann dann eine journalistische Laufbahn einzuschlagen. „Im Dezember 1933 fuhr Greene zunächst nach Berlin, um sich mit dem Korrespondenten King vom Daily Herald zu treffen. Dieser gab ihm Visitenkarten mit der Aufschrift Korrespondent der Detroiter Daily News, da sowohl New Statesman wie auch Daily Herald zu links orientiert waren, um sich in München halten zu können. Damit gelang es Greene auch, Ende des Monats bei der SS eine Besuchsgenehmigung für das KZ Dachau zu bekommen, über das er später schrieb, es sei das Böse am helllichten Tag, kein schattenhafter Albtraum. Das erste Weihnachtsfest in Deutschland verbrachte Greene beim britischen Konsul Donald St. Clair Gainer, wo er mit Eustance Wareing, dem Daily-Telegraph-Korrespondenten für Deutschland, bekannt gemacht wurde. (…) Im Februar 1934 holte Wareing ihn als Assistenten nach Berlin, wo er nach einer einmonatigen unbezahlten Probezeit 500 RM, aber noch keine Dauerstellung bekam. Dabei handelte es sich um den Mindestlohn gemäß der National Union of Journalists. Zu seinen Aufgaben gehörte das Durchsehen der deutschen Zeitungen, wobei besonders auf Artikel zu achten war, in denen Deutschland auf britische Nachrichten reagierte. Hinzu kam das Pflegen von Kontakten zu Vertretern der Regierung, der Partei und Banken und der antifaschistischen Opposition. (…).“ 2)
In dieser Zeit heiratete Green zum ersten Mal – insgesamt war er vier Mal verheiratet. „Er heiratete 1934 die Britin Helga Guinness (geb. 1916). Mit ihr hatte er zwei Söhne, geboren 1936 und 1938, als Hugh Greene Deutschlandkorrespondent der Daily Telegraph (1934-1939) war. Das Paar ließ sich 1946 oder 1948 scheiden.
„Im November 1939 bat die Londoner Redaktion um Berichte über die Deutschen von den Niederlanden aus. Daraufhin begab sich Greene im Dezember nach Amsterdam. Anfang Mai 1940 wartete er dann in Brüssel den deutschen Angriff ab und reiste dann einen Tag vor dem deutschen Einmarsch ab.
Zurück in London erfuhr Greene, dass sein Jahrgang im Herbst eingezogen werde und meldete sich daraufhin freiwillig als Offizier (…).
Am 15. Oktober 1940 wurde Greene Chefredakteur für die Nachrichtensendungen des deutschsprachigen Programms im Europadienst der BBC. (…)“ 3)
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus erhielt Greene die Aufgabe: „aus dem NWDR eine Anstalt des öffentlichen Rechts zu machen, die unabhängig von kommerziellen Interessen und politischem Druck der Regierung sein sollte, zentralisiert und durch Rundfunkbeiträge finanziert. (…). Nachfolger des NWDR wurden später der NDR und der WDR. (…)
Greene übernahm am 15. Januar 1949 bei der BBC die Leitung des Osteuropa-Dienstes, der für die Sendungen für die Sowjetunion, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Albanien, und Griechenland zuständig war. Im Jahre 1950 wurde er (…) zum (…) Ritter geschlagen. (…). Die Jahre 1950 bis 1951 verbrachte er in Malaya. Dort wurde ein Experte für psychologische Kriegsführung gebraucht. Zurück nach London 1951 arbeitet er beim Efficiency Committee, in dem die Leistungsfähigkeit der BBC erfasst wurde und war danach Stellvertretender Chef des Überseedienstes.“ 4)
In dieser Zeit ging Greene seine zweite Ehe ein. 1951 heiratete er die Amerikanerin Elaine Shaplen (geb. 1920). Mit ihr hatte Hugh Green ebenfalls zwei Söhne.
„Bis Dezember 1954 war er Stellvertreter und übernahm ab dann die Leitung des Überseedienstes. Er war dessen Leiter bis Oktober 1956 und trat dann den Posten als Verwaltungsleiter (Director of Administration) an. (…). Nachdem Greene einen umfangreichen Einblick über die Verwaltungsarbeit bekommen hatte, wurde er im August 1958 ‚Programmdirektor für Nachrichten‘ (DNCA). (…). Am 1. Januar 1960 wurde er Generaldirektor der BBC, der er bis 1969 vorstand.“ 5)
1968 kam es zur Scheidung mit Elaine Shaplen. 1970, heiratete er Else Neumann (1910-1981), unter ihrem Künstlerinnennamen Tatjana Sais bekannt als deutsche Kabarettistin und Schauspielerin. Ab 1932 spielte sie im politisch-literarischen Kabarett Die Katakombe von Werner Finck. 1938 heiratete sie den Kabarettisten Günter Neumann. Nach dem Verbot der Katakombe gründete sie gemeinsam mit ihrem Ehemann und Bruno Fritz das Kabarett Tatzelwurm. In der Nachkriegszeit gründete sie das Nachkriegskabarett der RIAS-Sendung Die Insulaner mit. Die Schauspielerin trat auch ab 1936 im Film und Fernsehen auf. „Unter anderem spielte sie auch eine Nebenrolle als Tochter des jüdischen Bankiers Ipplmeyer in dem antisemitischen Film Robert und Bertram (1939).Sie meinte im Presseheft der Tobis: ‚Es ist ein heikles Gefühl, als Judenmädchen in das Bewußtsein des Publikums einzugehen. Mir wurde das an den entsetzten Blicken klar, mit denen uns die vielen Besucher während der Drehzeit musterten. Wir sahen wirklich aus wie die waschechte Mischpoke‘ (Tobis-Presseheft zu ‚Robert und Bertram‘, Berlin 1939, S. 17). Robert und Bertram ist der einzige antisemitische NS-Film, der sich als Komödie geriert. Das Zitat dokumentiert die Verstrickung von ‚unpolitischen‘ Künstlern und Schauspielern in die Mentalität des NS-Staates – ungeachtet dessen, welche hohen Verdienste sie sich in der Nachkriegszeit erworben haben.“ 6)
Tatjana Sais agierte auch als Synchronsprecherin und Sprecherin in Hörspielproduktionen des NWDR. Über Tatjana Sais heißt es in einem Artikel in der Welt vom 28.2.1981: „Sie ist eine kluge Frau. Nun, und? Dies kann auch hinderlich sein. Sie ist eine reizende Frau. Schon besser. Sie ist eine sehr begabte Schauspielerin, und das macht das Leben zuweilen schwer. Tatjana Sais hat als junges Ding im Ballett der Frankfurter Stadttheater angefangen. (…) Ihr Name stand auf unzähligen Theater- und Kabarettprogrammen, in Film- und Fernsehvorspannen. Sie war bekannt. Aber wirklich kannten sie nur wenige. (…) Später, nach ihrer Scheidung von Günter Neumann und ihrer Verheiratung mit Hugh Carlton Greene, zog sie nach London. Aber auch als Lady Tatjana Greene blieb sie Berlin treu. Als Günter Neumann starb, übernahm sie, die er zur Universalerbin gemacht hatte, die Verwaltung seines künstlerischen Erbes. (…).“ 7)
Tatjana Sais initiierte die Günter-Neumann-Stiftung zur Förderung der Arbeit auf dem Gebiet des Kabarett- und Revuetheaters. Nach dem Tod 1981 von Tatjana Sais, die in Berlin starb, heiratete Hugh Green 1984 im Alter von 74 Jahren die damals 43jährige Sarah Grahame (geb. 1941). Fünf Jahre später verstarb Greene.