Haubachstraße
Altona-Altstadt/Altona-Nord (1947): Dr. Theodor Haubach (15.9.1896 Frankfurt a. M. – hingerichtet am 23.1.1945 in Berlin-Plötzensee), Schriftsteller, Reichstagsabgeordneter, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Mitglied des Kreisauer Kreises. Stolperstein: Hartwicusstraße 2 und Rathausmarkt 1 (vor dem Hamburger Rathaus).
Siehe auch: Dahrendorfweg
Siehe auch: Landahlweg
Früher hieß die Straße Herderstraße, benannt 1894 nach dem Dichter und Philosophen, umbenannt in der NS-Zeit 1938 „in Einunddreißigerstraße. Motivgruppe: Namen aus der Zeit 1871-1914, Erinnerung an Garnisonen. Anlass: Regimentstage der 15er Husaren und der 31er in Hamburg vom 21.5. bis 27.5.1938.“ (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen). 1947 umbenannt in Haubachstraße. Die Umbenennung - wie auch andere Umbenennungen - erfolgte auf Anweisung der britischen Militärregierung, denn „vor dem Hintergrund der veränderten politischen Landschaft gerieten die sogenannten ‚militärischen‘ Namen erstmals ins Blickfeld. Die Umbenennung dieser Namensgruppe wurde durch eine ausdrückliche Anweisung der Militärregierung veranlaßt und stellte die zweite Welle von politisch motivierten Umbenennungen der Nachkriegszeit dar. Im Jahre 1946 gab es nach einer Aufstellung des Bauamtes 145 Straßen, die nach ‚Militärpersonen, militärischen Ereignissen und militärischen Einrichtungen‘ benannt worden waren. Etwa 18 davon waren in der Zeit zwischen 1933 bis 1945 entstanden. (…). Der Senat erörterte dieses Thema in seiner Sitzung am 22. Januar 1946. Man betrachtete lediglich 37 Namen als nicht akzeptabel, darunter 28 Namen von Generälen und Admirälen und einigen militärischen Einrichtungen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Sie wurden im Laufe der nächsten zwei Jahre umbenannt.“ (Siehe auch unter Kriegerdankweg und Paul-Bäumer-Brücke). (Bericht über Umbenennungen von Straßennamen in Hamburg seit 1918, März 1987, Staatsarchiv Hamburg, S. 16.)
Erstmals wurde 1947 eine Verkehrsfläche in Hamburg nach einem Widerstandskämpfer benannt.: nach Theodor Haubach und auch nach Gustav Delle (Siehe erstmalige Benennung einer Straße nach einer Widerstandskämpferin: unter: Geschwister-Scholl-Straße).
1949 folgten die nächsten Benennungen nach Gegnern und Widerstandskämpfern, so nach dem Maschinenschlosser und Mitglied der KPD, Carl Boldt, und nach dem kommunistischen Bürgervertreter in Hamburg-Bergedorf sowie Bürgerschaftsabgeordneten, Ernst Henning (KPD). In der Zeit des Kalten Krieges der 1950er-Jahre gab es nur eine Benennung, und zwar 1951 nach dem Reichstagabgeordneten der SPD und Widerstandskämpfer, Julius Leber.
Der deutsche Widerstand wurde in der frühen BRD anfangs insgesamt negativ angesehen, da die empfundene „Niederlage“ für einen großen Teil der Bevölkerung das Ergebnis von Verrat am Vaterland war. Doch langsam setzte ein Umdenken ein, nachdem Oberst Otto Ernst Renner, einer der Männer, die am 20. Juli 1944 von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels mit der Niederschlagung des Umsturzversuchs beauftragt worden waren, 1951 erklärt hatte, „dass die Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 in starkem Maße Landesverräter gewesen wären, die vom Ausland bezahlt worden seien“. 1) Es gelang dem damaligen Generalstaatswalt Fritz Bauer 1952, dass Ernst Renner für diese Diffamierung der Männer des 20. Juli 1944 „wegen übler Nachrede in Tateinheit mit Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Haftstrafe von drei Monaten (…) verurteilt“ wurde, und es kam - auch wegen der weiteren unermüdlichen Bemühungen Fritz Bauers um eine „höhere Akzeptanz der Widerständler des 20. Juli 1944 - zu dem Gerichtsurteil, das das Handeln der am Umsturzversuch des 20. Juli 1944 Beteiligten als rechtmäßigen Widerstand gegen das NS-Unrechtsregime“ 2) anerkannte.
Dieses Beispiel forcierte aber noch keine zügige Legitimierung anderer Widerstandsgruppen. Fritz Bauer „hatte ausdrücklich darauf verzichtet, andere Widerstandsgruppen in das Verfahren einzubeziehen, um die nachträgliche Legitimierung des Widerstandskreises der Männer des 20. Juli 1944 nicht zu gefährden“ 3). Noch 1958 musste der Publizist Rudolf Pechel feststellen, dass ‚eine Zugehörigkeit zum Widerstand gegen Hitler (…) heute in keinem Bundesministerium eine Empfehlung sei‘. Er wies darauf hin, dass „Verteidigungsminister Franz Josef Strauß und keiner der Offiziere des Bundesministeriums der Verteidigung 1957 an der Weihe einer Kapelle für die Brüder Stauffenberg teilgenommen hätten. (…) Zum 15. Jahrestag des 20. Juli 1944 im Jahr 1959 gab es schließlich einen Tagesbefehl des ersten Generalinspekteurs der Bundeswehr, Adolf Heusinger, in dem dieser erstmals den 20. Juli 1944 als ‚Vorbild‘ darstellte.“ 4)
Hamburg reagierte daraufhin zügig und benannte 1962 eine Straße nach dem evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, der auf Befehl Adolf Hitlers als einer der letzten NS-Gegner, die mit dem Attentat vom 20. Juli 1944 in Verbindung gebracht wurden, am 9. April 1945 im KZ-Flossenheim hingerichtet worden war.
In den nächsten Jahren bis 1965 folgten weitere Straßenbenennungen nach Widerstandskämpfern, so nach Mitgliedern der „Weißen Rose“, widerständigen Theologen oder Mitbeteiligten der Widerstandsbewegung des 20. Juli 1944.
Von den überlebenden Frauen der Widerständler des 20. Juli 1944 war anlässlich der Straßenbenennungen nach ihren Ehemännern lange Zeit fast nie die Rede, obwohl sich das NS-Regime auch an den Ehefrauen und Familien der am Widerstand beteiligten Offiziere gerächt und sie in „Sippenhaft“ genommen hatte, wie z. B. Nina von Stauffenberg und Anneliese Goerdeler, nach deren Ehemännern in Hamburg Straßen benannt wurden.
In den 1970er-Jahren kamen zwei Straßenbenennungen nach Widerstandskämpfern/Gegnern des Nationalsozialismus hinzu. 1975 wurde eine Straße nach dem Franziskaner-Pater Maximilian Kolbe, einem Gegner des Nationalsozialismus benannt. Er hatte im KZ Auschwitz einen Mithäftling vor dem Tode bewahrt, weil er statt seiner den Hungertod auf sich genommen hatte. 1982 wurde Kolbe von der katholischen Kirche heilig gesprochen. 1976 erhielt eine Hamburger Straße den Namen Breitscheidstraße, benannt nach dem Reichstagsabgeordneten Rudolf Breitscheid (SPD). Er war während der Zeit des Nationalsozialismus im Exil Mitbegründer des Lutetia-Kreises gewesen, dessen Anliegen es war, eine Volksfront gegen die Hitlerdiktator zu bilden. Rudolf Breitscheid starb im KZ Buchenwald.
In den 1970er-Jahren waren die Widerstandskämpfer und Gegner des NS-Regimes noch nicht im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert. Es gab in dieser Zeit zwar große Demonstrationen, wie 1978 durch das Grindelviertel zum 40. Jahrestag der Pogrome 1938. Auch begannen die alternativen Stadtrundfahrten des Landesjugendrings z. B. nach Neuengamme, und es „fielen Forderungen nach einem Bau eines Dokumentenhauses in Neuengamme auf fruchtbaren Boden (Eröffnung 1981) Gleichzeitig war aber noch der Besuch ehemaliger Widerstandskämpferinnen und -kämpfer im Schulunterricht politisch umstritten und Berufsverbote wurden praktiziert. Es war damals eine politische Umbruchsituation“, wie Herbert Diercks von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erinnert.
Anfang der 1980er-Jahre wurden dann die ersten Geschichtswerkstätten eröffnet, die Zeitzeuginnen und -zeugen befragten, darunter auch Widerstandskämpferinnen und -kämpfer, sowie Opfer des Nationalsozialismus. Diese Bewusstwerdung führte dazu, dass ab den 1980er-Jahren wieder Straßen nach Widerstandskämpferinnen und -kämpfern und Gegnerinnen und Gegnern des NS-Regimes benannt wurden. „Mit diesen Benennungen wollten wohl auch jüngere Menschen, die mittlerweile politischen Einfluss hatten, Versäumtes aus der Zeit des ‚Kalten Krieges‘ nachholen. So wurden 1982 die Straßen in einem neuen Wohnviertel im Stadtteil Niendorf nach Widerstandskämpferinnen und -kämpfern, darunter auch Kommunisten, benannt. Das war damals neu und mutig. Und es folgten diesem ersten Schritt noch weitere, so etwa Straßenbenennungen nach Widerstandskämpfern in den Stadtteilen Bergedorf und Harburg“, so Herbert Diercks.
Theodor Haubach wurde am 15. September 1896 in Frankfurt a. M. geboren. Die Kindheit und Jugend verbrachte er in Darmstadt. Nach dem frühen Tod seines Vaters wurde er von seiner Mutter erzogen, die ihn auch später auf den verschiedenen Stationen seines politischen Wirkens begleitete. Ein nach dem Tod des Vaters bestimmter Vormund ermöglichte Haubach den Besuch des Darmstädter Ludwig-Georgs-Gymnasiums, an dem er 1914 das Abitur ablegte. Unmittelbar nach seiner Schulentlassung meldete er sich im Rahmen der allgemeinen Kriegsbegeisterung als Freiwilliger ins kaiserliche Heer. Wenig später stand er bereits als junger Offizier an der Westfront, wo er mehrfach verwundet wurde.
1919 begann Haubach in Heidelberg das Studium der Philosophie und Soziologie, hörte unter anderem bei Alfred Weber, Emil Lederer und Karl Jaspers. In seinem engeren Umfeld befanden sich zu jener Zeit sein langjähriger Freund und Weggefährte Carlo Mierendorff, Egon Wertheimer und Emil Henk – um nur einige des damals in Heidelberg versammelten „Darmstädter Kreises" zu nennen.
Gleich zu Beginn seines Studiums begann sich Haubach politisch wie publizistisch zu betätigen. Sein Doktorvater Karl Jaspers erinnerte sich später, der Student Haubach habe – was damals noch eine Seltenheit war – des Öfteren politische Auseinandersetzungen zum Gegenstand von Seminardiskussionen gemacht. Vor allem aber schrieb Theodor Haubach für das „Tribunal" seines Freundes Carlo Mierendorff, ein Blatt, das kompromisslos für ein demokratisches und zugleich sozialistisches Deutschland im Rahmen einer europäischen Wertegemeinschaft eintrat. Der von Haubach und den anderen „Darmstädtern" verfasste „Aufruf an die französische Jugend" zum gemeinsamen Aufbau eines neuen Europa war ein aus der Erfahrung des Ersten Weltkrieges geborenes, richtungweisendes Manifest gegen bisherige Konzepte nationalstaatlicher Machtpolitik. Am Ende seiner Studienzeit promovierte er 1923 mit einer kunstphilosophisch orientierten Arbeit zu Fragen und Problemen der Ästhetik.
Nach Abschluss des Examens ging Haubach nach Hamburg, um dort zunächst eine Tätigkeit am „Institut für Außenpolitik" aufzunehmen. Sogleich betätigte er sich aktiv für die SPD, der er 1922 beigetreten war, und fand den Weg zu dem Hamburger Ableger des 1923 begründeten „Hofgeismarkreises" der Jungsozialisten um Alma de l‘Aigle [siehe zu ihr unten im Text, R. B.] und Gustav Dahrendorf [siehe: Dahrendorfweg]. Lange Jahre des gemeinsamen Weges mit Dahrendorf begannen hier, zunächst in der Redaktion des sozialdemokratischen „Hamburger Echo", später als Abgeordnete in der Hamburgischen Bürgerschaft. [Theodor Haubach wohnte in Hamburg in seiner Wohnung in der Hartwicusstraße 2 nicht allein. Seine Mutter zog zu ihm und lebte bis zu ihrem Tod im Jahr 1939 bei ihrem Sohn. Sie kümmerte sich um den Haushalt, während Theodor Haubach sich ganz der Politik widmete. Dadurch entwickelte sich sein Ruf eines „ewigen Junggesellen“,5) so Carmen Smiatacz in ihrer Biografie über Haubach, in: www.stolpersteine-hamburg.de R. B.].
Ab 1924 war Haubach wesentlich am Aufbau des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold" beteiligt, der zunächst als „Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer" gegründeten, im Kern sozialdemokratischen Parteiformation. Der Intellektuelle mit einem ausgeprägten Sinn für militärische und strategische Fragen wurde in den „Reichsbanner-Gauvorstand Nordwest" gewählt und avancierte später sogar zum stellvertretenden Vorsitzenden der Reichsleitung.
1927 folgte die Wahl in die Hamburgische Bürgerschaft. Seine großen Reden galten der inneren Führung der Hamburger Polizei, dem Tarifsystem der Hamburger Hochbahn und schließlich einem brisanten Giftgasunfall auf dem Betriebsgelände der Veddeler Firma Müggenburg, der die bislang versteckten Wiederaufrüstungsbemühungen der Reichswehr offen zutage treten ließ.
Doch bereits 1929 gab Haubach sein Mandat zurück, da er zum Pressereferenten von Carl Severing avancierte und diesem ins Reichsinnenministerium nach Berlin folgte. Auch in der Reichshauptstadt setzte Theodor Haubach seine publizistische Tätigkeit in gewohntem Umfange fort. Er schrieb nach wie vor Artikel für den „Reichsbanner" und saß darüber hinaus mit Mierendorff, Lederer, Wilhelm Sollmann und anderen im Redaktionsbeirat der „Neuen Blätter für den Sozialismus".
Die „Neuen Blätter" galten als Sprachrohr einer Gruppe von jungen Intellektuellen, die – als „Reformsozialisten" bezeichnet – darauf zielten, die Sozialdemokratie ideologisch mit dem politisch-sozialen System der Weimarer Republik auszusöhnen. Sie hielten klassenkämpferische Dogmen v.a. wegen der pragmatischen Haltung der Parteiführung für obsolet und traten für eine Öffnung der SPD für die Mittelschichten ein. Mit dieser Konzeption versuchten Haubach und seine Weggefährten auf dem rechten Parteiflügel, die SPD auch strukturell zu einer staatstragenden Integrationspartei werden zu lassen, die – und hier sah gerade auch Haubach ein wichtiges Anliegen – zur Verteidigung der Republik mit allen Mitteln bereit war. Es waren diese Überlegungen, die ihn zum Fürsprecher einer klaren militärpolitischen Haltung der Sozialdemokratie werden ließen.
Als Voraussetzung für die von ihm angestrebte Republikanisierung der Reichswehr hielt er eine Überwindung der Spannungen zwischen der SPD auf der einen und der militärischen Führung auf der anderen Seite für unverzichtbar. Gemeinsam mit Carl Severing und Julius Leber [siehe: Julius-Leber-Straße] kritisierte Haubach auf dem Magdeburger Parteitag 1929 die ablehnende Haltung der SPD in der Debatte um den von der Reichsregierung betriebenen Bau des „Panzerkreuzers A". Den Umstand, dass der sozialdemokratische Reichskanzler und die der SPD angehörenden Reichsminister aus Fraktionszwang gegen die eigene Kabinettsvorlage stimmen mussten, hielt Haubach vor allem aus staatspolitischen Gründen für bedenklich.
Als Ende März 1930 die seit langem vom Reichspräsidenten und seinen Beratern gehegten Pläne zur Etablierung eines sog. „antiparlamentarischen" und „antimarxistischen" Präsidialkabinetts realisiert wurden, wechselte Haubach als Pressechef ins Berliner Polizeipräsidium, dessen Führung zur gleichen Zeit Albert Grzesinski übertragen wurde. Von hier aus erlebte Haubach den Sommerwahlkampf 1930, nachdem die Reichsregierung durch eine vorzeitige Reichstagsauflösung den Plan zur Regierungspraxis auf der Basis von Notverordnungen gemäß §48 der Weimarer Reichsverfassung realisieren wollte. Das Ergebnis der „Katastrophenwahlen" vom September 1930 war, dass die NSDAP zur reichsweit zweitstärksten Partei anwuchs. Haubach analysierte treffend: „Mit dem Wahlausgang stehe nicht nur ‚das ganze politische Werk‘ der Sozialdemokratie, sondern ‚letzten Endes Staat und Demokratie‘ auf dem Spiele". Dass der Reichsregierung das Erstarken der Nationalsozialisten nicht ungelegen als Handhabe kam, die SPD in eine Tolerierung der Präsidialkabinette zu zwingen, reflektierte Haubach dabei ebenso wenig wie die Parteiführung.
Vielmehr übte er sich in Selbstkritik: Zu lange habe man sich auf die Argumentation verlassen und im Zeichen zunehmender Propaganda von Seiten der radikalen Parteien die politische Aktion vernachlässigt. Mit dem Ziel, dieses Feld nicht allein den antidemokratischen Kräften zu überlassen, forderte er „eine noch nie dagewesene Offensive in der Agitation".
Die in dieser Hinsicht neuen Massenaufmärsche der republikanischen „Eisernen Front" 1932 waren daher auch Folgen dieser Überlegungen. Parallel dazu forderte Haubach staatliche Maßnahmen, die es den antidemokratischen Parteien erschwerten, ihre Hetze gegen das republikanische „System" vorzutragen. Ebenso wie Otto Braun und Carl Severing unterstützte er entsprechende Verordnungen der Reichsregierung.
Im Zeichen des dramatischen Erstarkens der antidemokratischen Kräfte trug Haubach im Grundsatz den von der Parteiführung getragenen Kurs einer Tolerierung des Reichskanzlers Heinrich Brüning (Zentrum) mit. Wiederholt mahnte Haubach jedoch die Entwicklung einer politischen Alternative zum Präsidialkabinett an. Als ersten Schritt einer Reparlamentarisierung der politischen Entscheidungen sah auch er den verschiedentlich diskutierten Eintritt des preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun als Vizekanzler in die Reichsregierung an. Diese Konstruktion war jedoch weder im Präsidentenpalais noch in der Reichskanzlei erwünscht.
Haubachs Tätigkeit im Berliner Polizeipräsidium fand mit dem sog. „Preußenschlag" des Reichskanzlers Franz von Papen ein jähes Ende. Nicht nur die geschäftsführende preußische Regierung Braun-Severing, sondern auch der Berliner Polizeipräsident und dessen Mitarbeiter wurden am 20. Juli 1932 durch die präsidiale Notverordnung ihres Amtes enthoben. Auch Theodor Haubach war somit ein Opfer der autoritären Verfassungskonzepte Hindenburgs [siehe: Hindenburgstraße] und seiner nationalkonservativen Berater, die den Weg in die spätere „Gleichschaltungspolitik" der Nationalsozialisten ebneten.
Mit dem Machtantritt der NSDAP begann auch für Theodor Haubach die Zeit der Verfolgung. Nachdem er noch im Februar 1933 mutige Artikel im „Reichsbanner" gegen die ersten politischen Schritte der Regierung unter Hitler publiziert hatte, verließ er Berlin nach den Märzwahlen 1933 und hielt sich zunächst in München versteckt. Ende März beriet er in Zürich mit Carlo Mierendorff und Hans Hirschfeld das weitere Vorgehen. Zusammen mit Mierendorff kehrte er schließlich nach Deutschland zurück, um hier Vorbereitungen für die illegale Parteiarbeit zu treffen.
„Überwintern" hielt Haubach für die falsche Strategie. Er war überzeugt, dass die Erfahrungen aus der Zeit des Sozialistengesetzes unter den Bedingungen einer modernen, totalitären Diktatur wenig hilfreich sein würden. Haubach nahm jedoch mit dieser Konzeption eine Minderheitenposition in der SPD ein. Auch bei der Hamburger Parteiführung fand er nur wenig Unterstützung für seinen Plan, den Kampf gegen das NS-Regime aus der Illegalität heraus zu organisieren.
Dennoch hoffte Haubach, ihm persönlich als zuverlässig bekannte Sozialdemokraten und Reichsbannerangehörige zum Kern einer illegalen, auf unterster Ebene aus Kleingruppen bestehenden Organisation machen zu können, die Informationen austauschen und Aktionen gegen das nationalsozialistische Regime vorbereiten sollte. Für den Aufbau einer derartigen Organisation in Hamburg war der Polizeileutnant a. D. Otto Grot [siehe: Otto-Grot-Straße] vorgesehen, mit dem Haubach bereits bei der Aufstellung und Ausbildung der „Reichsbannerschutzformationen" zusammengearbeitet hatte. Bei illegalen Treffen im Tangstedter Forst wurden im Sommer 1933 erste Schritte besprochen.
Durch seine illegalen Parteitätigkeiten war Theodor Haubach schon bald Repressionen der Nationalsozialisten ausgesetzt. Im Herbst 1933 wurde er erstmals verhaftet und verbrachte mehrere Monate lang in „Schutzhaft". Im November 1934 griff die Gestapo erneut zu: Diesmal wurde Haubach ins Konzentrationslager Börgermoor gebracht und dort ohne Gerichtsverfahren insgesamt zweieinhalb Jahre lang festgehalten. Nach seiner Entlassung fand er in der Papierfabrik seines Studienfreundes Viktor Bausch eine Anstellung, die ihm eine umfangreiche Reisetätigkeit und damit den Kontakt zu vielen seiner Partei- und Gesinnungsfreunde im gesamten Reich erlaubte. Noch einmal wurde Haubach kurze Zeit nach Kriegsbeginn im Herbst 1939 verhaftet, nach mehreren Verhören in Dresden aber wieder entlassen.
Der Beginn des Krieges fiel mit dem Tod seiner Mutter zusammen. Haubach, der Individualist, zog sich nun mehr und mehr zurück, trieb in seinem „Bedürfnis nach Einsamkeit" religiös-philosophische Studien.
Der Untergrundaktivität Mierendorffs suchte er sich in den folgenden zwei Jahren bewusst zu entziehen. Eine Wende bedeutete das Jahr 1941, ein – wie er Alma de l‘Aigle schrieb – „gesegnetes Jahr". Am Jahresende stellte er bei sich wieder eine „Übereinstimmung von vita activa und vita contemplativa" fest. Es waren seine Kontakte zum Grafen Yorck von Wartenburg und dem im Herbst 1940 gegründeten „Kreisauer Kreis", die ihm neuen Mut gaben und so eine erneute Phase politischer Aktivität initiierten.
Beseelt von seinem bereits nach dem Ersten Weltkrieg formulierten politischen Ziel, „aus einem alten Deutschland ein neues Deutschland [...], aus einem alten Europa ein neues Europa [zu machen]", geriet Haubach über seine Kontakte zum „Kreisauer Kreis" in die Widerstandsbewegung des 20. Juli. Gemeinsam mit Adolf Reichwein, Wilhelm Leuschner [siehe: Leuschnerstraße] und Carlo Mierendorff konnte er die 1942/43 auf dem schlesischen Gut Moltkes [siehe: Von-Moltke-Bogen] entwickelten theoretisch-konzeptionellen Planungen für die Zeit nach dem erwarteten Zusammenbruch des Nationalsozialismus in wichtigen Punkten beeinflussen. Mit dem Konzept einer Zusammenführung aller demokratischen Kräfte in eine Art „Volksbewegung" gab er richtungweisende Impulse und trug nicht zuletzt dazu bei, die Kreisauer Planungen auf ein breiteres Fundament zu stellen. Gemeinsam mit Mierendorff hielt Haubach Verbindungen zwischen Kreisau und dem Berliner Kreis um Beck und Goerdeler [siehe: Goerdelerstraße] aufrecht. Haubach war somit auch wesentlich daran beteiligt, die Sozialdemokratie an den konservativ-bürgerlichen und militärischen Widerstand von Stauffenberg und Leuschner heranzuführen. Er war für die nach dem erhofften Tod Hitlers zu bildende Reichsregierung als Informationsminister vorgesehen.
Nach dem Scheitern des Attentats vom 20. Juli 1944 wurde Theodor Haubach am 6. August 1944 in Berlin verhaftet, obwohl er bereits Vorkehrungen getroffen hatte, in die Illegalität zu gehen. Doch Haubachs Name fand sich auf den Kabinettslisten Goerdelers (siehe Goerdelerstraße), die der Gestapo in die Hände gefallen waren. Er wurde zunächst im Lager Drögen bei Fürstenberg inhaftiert, um später nach Berlin in das Untersuchungsgefängnis Lehrter Straße überstellt zu werden. Regelmäßigen Zugang zu dem inzwischen schwer an der Galle Erkrankten hatte zu dieser Zeit nur noch seine Braut Anneliese Schellhase.
[Carmen Smiatacz schreibt dazu: „Kurz vor seiner Festnahme hatte Theodor Haubach die Sängerin Anneliese Schellhase kennengelernt, die seine große Liebe werden sollte. Theodor Haubachs langjährige gute Freundin Alma de l’Aigle schrieb im Vorwort zu dem Abdruck einiger Briefe Haubachs an Anneliese Schellhase: ‚Es ist wie ein Wunder, wie eine ganz besondere Gnade, die in allem Unglück in seinem Leben waltete, dass er nicht lange vor dem gewaltsamen Abschluss seines Lebens noch die große Liebe kennen lernte, die auch zu einem späten Lebensbündnis geführt hätte, wenn der Tod nicht gewaltsam dazwischen geschlagen hätte. Er kannte Anneliese Schellhase schon vor seiner Verhaftung. Die herbe knabenhafte Erscheinung, das klassische Gesicht und der rege Geist der jungen Sängerin hatten ihn bald angezogen. Aber das große Wunder der Seelenbegegnung fand erst statt, als Haubach in der Zelle des Gefängnisses Lehrter Straße saß.‘
Aus dem Gefängnis schrieb Theodor Haubach Briefe an Anneliese Schellhase. Um ihm nahe zu sein, zog sie von Partenkirchen nach Berlin. Nach der Verlobung war es ihr gestattet, ihn regelmäßig zu besuchen und ihm die nötigsten Dinge für den täglichen Bedarf zu besorgen. Nichts konnte Anneliese Schellhase davon abhalten, ihren Verlobten im Gefängnis zu besuchen. Selbst nachdem sie bei einem Bombenangriff schwer verletzt worden und fortan gehbehindert war, besuchte sie ihn regelmäßig. Sein letztes gemeinsames Weihnachtsfest feierte das Paar im Gefängnis Lehrter Straße. Der wachhabende SS-Untersturmführer Knuth hatte den beiden seine Kammer zur Verfügung gestellt.
Im Gefängnis Lehrter Straße schrieb Theodor Haubach am 6. Januar 1945 einen letzten Brief an Anneliese Schellhase, bevor das Urteil gegen ihn gefällt wurde: ‚Mein Liebes, Geliebtes! Wir wollen doch die Dinge richtig sehen. Entweder lässt Gott in Gnade und Barmherzigkeit zu, dass alles gut geht – dann schadet auch Dr. W. nichts – oder er lässt es nicht zu, dann helfen auch alle Götter nicht …
Wo immer Deutschland in Not stand, stand auch immer ich. Einen kleinmütigen und verzagten Angeklagten werden die Herren in mir nicht kennen lernen. Vielleicht werden sie sich sogar wundern. Voriges Jahr um diese Zeit stand ich auf so manchem brennenden Dach in Berlin, heute soll ich mich darüber rechtfertigen, ob ich ein nationaler Mann bin.‘“6)[R. B.] [Anneliese Haubach-Schellhase lebte von 1917 bis 2001. Sie war auch die Vertraute von Freya von Moltke. Als deren Mann Helmuth James von Moltke (Von-Moltke-Bogen) in Haft in Berlin Tegel saß und Theodor Haubach im Gestapo-Gefängnis in der Berliner Lehnter Straße „sorgte sie durch Kassiber für den Kontakt zwischen den beiden Männern“7) R. B.]
Im Januar 1945 stand Haubach zusammen mit Julius Leber, Adam Trott zu Solz, Peter Yorck, Adam Reichwein und anderen Angehörigen des „Kreisauer Kreises" vor dem „Volksgerichtshof ". Am 15. Januar sprach der Vorsitzende Richter Freisler das Todesurteil. Eine Woche später, am 23. Januar 1945, wurde Theodor Haubach in Plötzensee hingerichtet.
Zu Ehren Theodor Haubachs trägt eine Straße in Hamburg-Altona seinen Namen. In der dortigen Theodor-Haubach-Schule erinnert eine Ehrentafel an Leben und Wirken des von den Nationalsozialisten hingerichteten Sozialdemokraten.
Text mit freundlicher Genehmigung der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg (Hrsg.), entnommen aus: Jörn Lindner/Frank Müller: "Mitglieder der Bürgerschaft – Opfer totalitärer Verfolgung", 3., überarbeitete und ergänzte Auflage, Hamburg 2012.
Alma de L‘Aigle
Ergänzung zu Alma de L‘Aigle (1889-1959), Schriftstellerin, Reformpädagogin, Rosenspezialistin. Sie gehörte zu den aktiven Mitgliedern des Freideutschen Kreises in Hamburg. Sie war Lehrerin (Reformpädagogin). Ein Jahr vor ihrer Geburt hatte ihr Vater Friedrich de l’Aigle ein 8000 qm großes Grundstück im heutigen Hamburg-Eppendorf am heutigen Appener Weg gekauft und es mit einem Wohnhaus bebauen lassen. Im hinteren Teil des Grundstückes legte er einen Garten an. In ihm wurden Apfelbäume und viele Rosen gepflanzt. Nach dem Tod des Vaters widmete sich besonders Alma de l’Aigle dem Garten. Als nach dem Tod der jüngsten Schwester von Alma de l’Aigle der Garten bebaut werden sollte, bildete sich eine Initiative, um den Garten zu retten. Dank dieser Initiative, die in Begleitung des Denkmalschutzamtes agierte, konnte 1988 ein Drittel des Gartens als Naturdenkmal erhalten bleiben. In dem frei zugänglichen Garten auf dem Gelände der Stiftung Anscharhöhe blühen immer noch einige sehr selten gewordenen Apfelsorten. Politisch war Alma de l’Aigle stets aktiv. Nach dem Ersten Weltkrieg trat sie den Jungsozialisten bei und war einige Zeit auch Mitglied der SPD. Auf dem 1923 veranstalteten Jungsozialistentreffen in Hofgeismar, auf dem sie auch einen Vortrag hielt, lernte sie Theodor Haubach kennen. Es entwickelte sich zwischen ihnen eine enge Freundschaft. Ab 1930 war sie in der Redaktion der „Neuen Blätter für den Sozialismus“ tätig. Während der NS-Zeit hatte die Lehrerin Alma de l’Aigle Berufsverbot. Auf Grund ihrer jugendpolitischen Aktivitäten wurde sie politisch verfolgt; ihre Bücher wurden verbrannt. Trotz alledem schrieb sie in dieser Zeit Kinderbücher, die später als Lesefibeln im Grundschulunterricht eingesetzt wurden. Außerdem hielt sie zu Theodor Haubach auch während seiner Inhaftierung Kontakt. Die beiden führten in dieser Zeit einen intensiven Briefwechsel. Nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichte sie die Briefe in Buchform. In dieser Zeit wurde sie auch zu verschiedenen Entnazifizierungsaktionen herangezogen. Alma de l’Aigle setzte sich gegen die Aufrüstung der Bundesrepublik Deutschland ein, war 1953 Gründungsmitglied des Deutschen Kinderschutzbundes und Mitglied der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften. Bekannt wurde Alma de l’Aigle durch ihre Bücher „Begegnung mit Rosen“ und „Ein Garten“. Besonders den Rosen widmete sie sich. Nach ihrem Tod wurde eine Rose „Andenken an Alma de L’Aigle“ nach ihr benannt. Seit 2013 verleiht die Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur e. V. den Alma de l’Aigle Preis für Gartenkultur. Den Preis erhalten Menschen, die sich besonders für die Gartenkultur verdient gemacht haben.8)
„Die Stadt Hamburg beabsichtigte im Jahr 2002, der Pädagogin zu Ehren eine Straße in Eppendorf Alma-de-l’Aigle-Weg zu nennen. Nach Protesten der Anwohner wegen der komplizierten Schreibweise des Namens erhielt die Straße jedoch einen anderen Namen.“9) Solche Proteste gab es bei der Benennung einer Straße nach Hugh-Greene (Hugh-Greene-Weg) im Jahre 2001 nicht, obwohl an dieser Adresse eine prominente Institution – nämlich das NDR-Fernsehen – ihren Sitz hat, die sicherlich von vielen Menschen angeschrieben wird, die dann diese nicht gerade einfach zu schreibende Adresse verwenden müssen.