Humperdinckweg
Bahrenfeld (1957): Engelbert Humperdinck (1.9.1854 Siegburg -27.9.1921 Neustrelitz), Opernkomponist.
Siehe auch: Königskinderweg. Hier zu Elsa Bernstein
Humperdinck war der Sohn von Gertrud Humperdinck, geborene Hartmann und des Gymnasiallehrers Gustav Humperdinck. Humperdincks Großvater mütterlicherseits war der Paderborner Domkantor Franz Xaver Hartmann. Seine Großmutter mütterlicherseits entstammte einer Musikerfamilie. So war es denn auch Humperdincks Mutter, die ihren Sohn in seiner musikalischen Entwicklung förderte. „Schon als Kind und als Jugendlicher verfasste er Kompositionen, die von der Mutter und den Schwestern aufgeführt wurden.“ 1)
Nach dem Abitur durfte Humperdinck jedoch nicht die musikalische Laufbahn einschlagen, denn sein Vater war dagegen. Und da in einer patriarchalen Gesellschaft meist der Vater über den beruflichen Lebensweg des Kindes entscheidet, musste Humperdinck 1871 eine Bauzeichnerlehre beginnen, um Architekt zu werden. Doch, wie es häufig in patriarchalen Familien vorkommt, die Mutter unterstützte und half im Hintergrund, so dass Humperdinck die Aufnahmeprüfung am Kölner Konservatorium bestand und der Vater nun in das Musikstudium einwilligte.
Das Studium musste er teilweise selbst finanzieren. Dies war seiner Gesundheit abträglich. Er litt häufig an den Atemwegserkrankungen, später auch an Rheuma. 1876 gewann er den Mozart-Preis der Stadt Frankfurt am Main. Das Preisgeld sicherte ihm für vier Jahre die Existenz und er konnte nach München ziehen, um dort Kompositionslehre zu studieren. Nachdem er dort Wagneraufführungen gesehen hatte, wurde er Wagner-Anhänger.
Horst Heussner schreibt in der Neuen Deutschen Biographie über Humperdincks weiteren beruflichen Werdegang: „Nach Gewährung des Mendelssohn-Reisestipendiums (1879) begegnete er Wagner in Neapel (1880). Dieser ‚anregendste und erhebendste Moment‘ seines Lebens führte H. 1881/82 nach Bayreuth, wo er – als Assistent Wagners fast täglich Besucher im Hause Wahnfried – an dessen musikalisch-literarischem Leben teilhatte, während die vielfältigen Arbeiten zur Uraufführung des ‚Parsifal‘ ihn zugleich mit der Kompositionsweise Wagners vertraut und so diesen Aufenthalt zur ‚fruchtbarsten Studienzeit‘ werden ließen. Schon 1881 war H. auch der Preis der Meyerbeer-Stiftung zuerkannt worden, der ihm den Besuch von Rom und Paris sowie im Dez. 1882 den Aufenthalt in Venedig ermöglichte. Hier kam es zur letzten Begegnung mit Wagner, der H. vergebens als Orchesterleiter am Liceo musicale ‚Benedetto Marcello‘ vorgeschlagen hatte, so daß dieser 1883 seine Reise über Paris nach Spanien, Gibraltar und Marokko fortsetzte. Im gleichen Jahr scheiterte der Versuch, als 2. Kapellmeister des Stadttheaters in Köln seßhaft zu werden, ebenso wie die Bemühungen um andere Kapellmeister-Stellen und die Bewerbung des ‚Wagnerianiers‘ als Univ.musikdirektor in Bonn erfolglos waren. Stattdessen ging er 1884, nach erneutem Aufenthalt in Bayreuth, nach München als Assistent von H. Levi. (…). Nach kurzem Intermezzo als musikalischer Gesellschafter A. Krupps wirkte er 1885/86 (…) als Theorie- und Kompositionslehrer am Liceo ‚Isabella II.‘ in Barcelona, war 1886 – wie in den folgenden Jahren mehrfach – in Bayreuth, folgte 1887 zunächst einem Ruf an das Konservatorium in Köln, schrieb 1887/88 Konzertkritiken für die Bonner Zeitung und nahm 1888 eine Anstellung als ‚Lektor und Berater‘, zugleich aber auch als Bearbeiter von Verlagswerken bei B. Schott's Söhne in Mainz an. Hier (…) schrieb [er] Opernkritiken für das Mainzer Tageblatt, ging dann nach erfolgloser Bewerbung als Musikdirektor in Düsseldorf 1890 an das Hochsche Konservatorium nach Frankfurt und übernahm hier zugleich die Musikberichterstattung für die Frankfurter Zeitung.“2)
1888 war Humperdinck, als er zu Besuch bei seinen Eltern in Bonn war, seiner späteren Ehefrau Hedwig Taxer (1862-8.3.1916) begegnet. Sie war acht Jahre jünger als er und arbeitete als Buchhalterin in der Goldleistenfabrik ihres Vaters, dessen Unternehmen gegenüber Humperdincks Elternhaus lag. Humperdinck war damals noch mit Johanna Becker liiert. Doch gleich nach der Trennung von ihr im Jahr 1889 wurde Hedwig Taxer Humperdincks neue Freundin.3) 1892 heiratete das Paar. Es bekam fünf Kinder, von denen ein Kind bereits im Säuglingsalter verstarb.
Zwei Jahre vor seiner Hochzeit hatte Humperdinck für seine Schwester, die Schriftstellerin Adelheid Wette, geborene Humperdinck (4.9.1858 Siegburg – 1916), die seit 1881 mit dem Arzt und Schriftsteller Hermann Wette verheiratet war und mit ihm sechs Kinder hatte, „vier Lieder für das von ihr geschriebene Liederspiel ‚Hänsel und Gretel‘ [komponiert]. (…) Aus [den] vielgelesenen Original-Versionen erstellt Adelheid Wette eine in vielen Details abweichende und daher eigenständige Fassung. (…) Das Werk ist für den 34. Geburtstag des Schwagers Hermann Wettes im Familienkreis gedacht. (…) Die beiden Gesangspartien übernehmen die Kinder des Paares, Isolde und Gudrun Wette.“ 4)
Aus diesem Stück, das Humperdinck später als Voll-Oper vertonte, entsprang sein Weltruhm und damit seine finanzielle Absicherung.
Bei der Entwicklung des Singspiels „Hänsel und Gretel“ zur Voll-Oper war auch Adelheid Wettes Ehemann beteiligt. Er war der „Architekt des Stückes“. „Seine Frau, Humperdincks Schwester Adelheid, verantwortet nur noch etwa zwei Fünftel des Textes. Beteiligt an der Ausführung ist neben Humperdinck selbst auch sein Vater Gustav, der beispielsweise die berühmte Auftrittszene des Vaters textet. Als Beraterinnen kommen Engelberts Verlobte Hedwig und deren Schwester Olga Taxer hinzu. Später bezeichnet der Komponist das Bühnenwerk daher scherzend als ‚Familienübel‘.“ 5)
„Die Uraufführung fand am 23. Dezember 1893 in Weimar unter der musikalischen Leitung von Richard Strauss statt. München, Karlsruhe und andere Theater folgten wenige Tage später. (…). Der enorme Erfolg beim Publikum führte dazu, dass in den folgenden Monaten 50 Bühnen Hänsel und Gretel in ihr Programm aufnahmen. Seither gehört Hänsel und Gretel zu den meistgespielten Opern.“ 6)
Adelheit Wette verfasste noch weitere Werke. In Zusammenarbeit mit ihrem Bruder Engelbert entstand 1895 auch das Singspiel „Die sieben Geißlein.“
Mit der Oper „Hänsel und Gretel“ hatte Humperdinck etwas Eigenes geschaffen und war aus dem Einfluss der Wagnerschen Musik ausgebrochen. Und nicht nur das: Die Opernaufführungen brachten so viel Geld ein, dass er für sich und seine Familie ein großes Landhaus in Boppard am Rhein kaufen und sich endlich ganz dem Komponieren widmen konnte.
1900 erhielt er den Ruf an die der Akademie der Künste in Berlin angegliederte Meisterschule für Komposition. Er nahm die Professur an, zog mit seiner Familie nach Berlin und wurde schließlich Leiter der Theorie- und Kompositionsklasse.
„In den folgenden Jahren entstanden zahlreiche Kompositionen der verschiedensten Genres – Lieder, Kammermusik, Orchesterwerke, Schauspielmusik und Opern.
Es war ihm ein Anliegen, einmal eine komische Oper zu schreiben – gewissermaßen als Gegengewicht zur damaligen Vorherrschaft des pathetischen Stils. Diesem Wunsch entsprechend verfasste seine Frau Hedwig in Anlehnung an das Lustspiel Les Demoiselles de Saint-Cyr des älteren Alexandre Dumas ein Libretto, das dann als Oper unter dem Titel Die Heirat wider Willen in Töne gesetzt wurde. Diese wurde 1905 anfangs mit großem Beifall aufgenommen, konnte sich aber nicht auf den Bühnen halten,“ 7) heißt es in Wikipedia.
Ebenso ein Welterfolg wurde Humperdincks Oper „Königskinder“. Auch in diesem Fall spielte wieder eine Frau eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Komponisten. 1894 hatte ihn die Schriftstellerin und Librettistin Elsa Bernstein (siehe zu ihr im Eintrag: Königskinderweg) gebeten, die Bühnenmusik zu ihrem Märchenspiel „Königskinder“ zu schaffen. „Humperdinck war von dieser Dichtung so fasziniert, dass er vorschlug, eine komplette Oper zu komponieren. Dem widersetzte sich die Autorin, so dass Humperdinck drei Vorspiele komponierte und mehrere Szenen als sogenanntes gebundenes Melodram in Musik setzte. Hierfür erfand er eine eigene Sprechnotenschrift, die Tonhöhe und Rhythmus der Sprechstimme festlegt. (..)
Zehn Jahre später entschloss sich Humperdinck, nun mit dem Segen von Elsa Bernstein-Porges, die Königskinder zu einer Voll-Oper auszugestalten. Diese wurde am 28. Dezember 1910 an der Metropolitan Opera (…) uraufgeführt. Königskinder erntete triumphalen Beifall und wurde als ‚die wichtigste Oper seit Wagners Parsifal‘ gefeiert,“ 8) ist in Wikipedia nachzulesen.
Im Alter von 57 Jahren erlitt Humperdinck einen Schlaganfall. Fünf Jahre später starb seine Ehefrau. Während des Ersten Weltkriegs komponierte er patriotische Lieder und bekannte sich zum Kaisertum. Nach einem zweiten Schlaganfall im Jahr 1921 starb Humperdinck.