Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Jarnostraße

Rahlstedt (1951): Georg Jarno (3.6.1868 Budapest – 25.5. 1920 Breslau), Operettenkomponist.


Vorher Philosophenweg

Sabine Vernik-Eibl, die über Georg Jarno ihre Dissertation geschrieben hat, äußert über Jarnos Leben: „Georg Jarnos Leben war geprägt von dem inneren Konflikt, einerseits mit Unterhaltungsmusik sehr gut seinen Lebensunterhalt zu verdienen und andererseits dem Wunsch, mit der Komposition von ernsten Opern erfolgreich zu sein. Er führte ein unstetes Wanderleben, was seine zahlreichen Wohnsitzwechsel und Hotelaufenthalte dokumentieren. Als Jarno schließlich in Wien seinen Lebensmittelpunkt wählte, musste er noch immer als Dirigent durch die Lande reisen, und starb mit nur 51 Jahren in Breslau, wo er sich aus beruflichen Gründen aufhielt.“1)

Gyorgy Kohner (ab 1903 Namensänderung in Jarno) war der Sohn von Katharina Cohner, geborene Bretschneider und des Pferdehändlers Carl Cohner. Georg Cohner muss noch nicht ein Jahr alt gewesen sein, als seine Mutter starb. Sein Vater, der neben Georg noch zwei Kinder hatte. heiratete im Oktober 1869 eine jüngere Schwester seiner verstorbenen Frau. 2)

Georg Jarno studierte in Budapest an der Königlich-Ungarischen Musikakademie Orchestrierung, Musiktheorie und Klavier. Nachdem er sein Studium beendet hatte, ging er nach Deutschland. Seine erste Station war Berlin, wo bereits sein älterer Bruder Josef am Berliner Residenztheater als Schauspieler auftrat. Georg Jarno wollte als Dirigent und Komponist arbeiten. Doch zuerst einmal musste er sein Brot als Klavier- Gesangslehrer verdienen, bevor er als Dirigent Anstellungen fand. Sein erstes festes Engagement als Kapellmeister erhielt er erst 1894 am Theater in Thorn. Zuvor hatte er Engagements als Dirigent auf Sommer- und Wintertourneen zum Beispiel in Kurorten gehabt.

Seine Engagements als Kapellmeister führten ihn in den nächsten Jahren in verschiedene deutsche Städte. „Besonders prägend war für ihn sein Aufenthalt in Breslau, wo am 12. Mai 1895 seine erste Oper Die schwarze Kaschka uraufgeführt wurde. Weil sie beim Publikum gut ankam, legte er 1899 eine zweite Oper nach, Der Richter von Zalamea.“ 3)

Über Jarnos Zeit als Opernkomponist schreibt Sabine Vernik-Eibl: „Mit seinen beiden ersten Opern, die er gemeinsam mit dem um 24 Jahre älteren und erfahrenen Schriftsteller Victor Blüthgen verfasste, schien Georg Jarno also die richtige Richtung für eine Karriere als Opernkomponist eingeschlagen zu haben. In den ca. zehn Jahren zwischen 1895 und 1905 zählte er zu den am meisten aufgeführten lebenden ‚deutschen‘ Komponisten. Wie aus gewissen Kritiken hervorgeht, empfanden ein Großteil der deutschsprachigen Bühnen bzw. der Intendanten seine Werke als Belebung des Spielplans.“ 4)

1902 heiratete Georg Jarno, damals noch Georg Kohner, die Koloratursängerin Anna Susanne Elisabeth Hirschbein (23.9. 1872 Alfeld bei Hildesheim -6.4.1945 Wien), Tochter eines Bremer Fabrikanten, die ihr erstes Engagement unter dem Namen Lili Herta 1896 am Harburger Theater hatte. Sie war evangelischen, Georg Jarno mosaischen Glaubens. Im Gegensatz zu seinem Bruder Josef konvertierte er nicht. Nach der Heirat mit Georg Jarno trat Susanne Hirschbein nicht mehr auf. 5)

Über das Kennenlernen der beiden und über Jarnos Vorliebe für einen bestimmten Frauentyp schreibt Sabine Vernik-Eibl in ihrer Dissertation: „In den biographischen Aufzeichnungen Adolph Kohuts machte Georg Jarno Andeutungen darüber, wie und wo er seine Frau kennengelernt hatte. Er schwärmte über seinen Aufenthalt in Bremen, von den patenten Männern und den ‚gretchenhaften‘ Frauen: ‚Wer in seinen jungen Jahren nicht ein solches Geschöpf angeschwärmt hat mit allen Fasern und Nuancen, die die Jahre mit sich bringen – der kennt die Liebe nicht. Wenn ich je heiraten sollte: blond muss sie sein, blaue, liebe blaue deutsche Augen muss sie haben – und aus Norddeutschland muss sie sein, wo alles so steif – kalt und dabei so recht innig und wahr ist! – Und so kam es auch – aus derselben Stadt holte ich mir mein Weib, das heisst holen ist nicht das richtige Wort. Wie und wann wir uns trafen, wie wir uns lieben und hassen lernten, wie wir uns fanden, auseinandergingen, um uns wiederzufinden, wie wir unsere Hochzeit feierten – das alles muss ich niederschreiben, weil es an und für sich fast wie ein Roman ist – der gottlob aber einen guten Ausgang hatte!‘“ 6)

1903 dann ein Flop: Am 15. Januar 1903 wurde Jarnos komische Oper von Kleists „Der zerbrochene Krug“ am Hamburger Stadttheater uraufgeführt. Doch sie brachte keinen Erfolg. „Die Presse war sich in ihrem Urteil einig, das Libretto wurde als schlecht gebaut, derb und langweilig, die Musik als trivial und beliebig bezeichnet.“7)

Damit war Jarnos Traum von einer Karriere als Opernkomponist beendet. „In seinen Erinnerungen geht er mit den Musikkritikern hart ins Gericht und offenbart eine sensible Künstlerseele: ‚Ich wünschte einem dieser Herren, das Gefühl zu erleben, wenn sie mit ihrer Witze-vergifteten Feder in ein solches zitternde Herz gestochen haben. Doch nein – nicht einmal dieses Gefühl gönne ich diesen ‚Kunstrichtern‘, denn dieses Gefühl hat Gott wirklich nur Auserwählten zugedacht, die für ihr Werk leiden und bluten sollen. Der Schmerz der Geburt!‘“ 8)

Georg Jarno wandte sich der Operette zu. 1907 erhielt er ein Engagement als Erster Kapellmeister am Breslauer Schauspielhaus. Dort hatte seine Operette „Der Goldfisch“ Premiere.

Im selben Jahr: „folgte Georg Jarno einer Einladung seines zwei Jahre älteren Bruders Josef Jarno nach Wien. Dieser war 1899 Direktor des Theaters in der Josefstadt geworden und inzwischen mit der Wiener Soubrette Johanna Niese verheiratet. Für sie suchte er einen Komponisten, der ihr die Hauptrolle in einer Operette auf den Leib schreiben konnte. Zusammen mit dem Schauspieler und Journalisten Bernhard Buchbinder, der sich nebenher auch als Librettist betätigte, schrieb Jarno Die Försterchristel. Am 17. Dezember 1907 erlebte das Werk seine Uraufführung im Theater in der Josefstadt. Sie geriet – nicht nur für Jarno, sondern auch für seine Schwägerin, die damit ihren Durchbruch schaffte – zu einem triumphalen Erfolg. Jarno war es nun vergönnt, als freischaffender Komponist leben zu können. Fortan war Bernhard Buchbinder sein Hauptlibrettist. (…)“. 9)

Den Erfolg dieser Operette war im Besonderen auch der Hauptdarstellerin zu verdanken. So heißt es in Aufführungskritiken zum Beispiel: „Die Niese! Welche wundersame Künstlerin, eine Zauberin, die Kiesel in Perlen verwandelt, die voll Leben und Bewegung ist, der alle Bronnen des Humors rauschen. Sie schuf aus der Förster-Christl eine Gestalt, die man liebgewinnen mußte. Fesch und resch in den Scenen mit dem geliebten Manne, unsagbar komisch und unsagbar rührend in den Begegnungen mit dem Kaiser Josef, vor dem sie in die Kniee sinkt, um den Deserteur zu retten, der ihr das Herz gestohlen hat.“ 10) Oder es hieß: „Der unbestrittene Erfolg des Abends war das Werk der Frau Niese, die sich wieder einmal als unsere erste Volksschauspielerin erwies. Sie hielt keine der Begabungen, über die sie verfügt, zurück; sie zeigte ihr weiches Gemüt, ihre drollige Schelmerei und ihren parodistischen Uebermut; sie glänzte als Schauspielerin, als Sängerin und Tänzerin.“ 11)
Hansi Niese (10.11.1875 Wien – 4.4.1934 Wien) hatte im Alter von 16 Jahren ihr Debüt am Stadttheater in Znaim gehabt. 1893 kam sie ans Raimundtheater, wo sie sechs Jahre lang als Soubrette auftrat. 1899 wechselte die beliebte Volkschauspielerin an das Theater in der Josefstadt, wo Josef Jarno als Direktor fungierte. Wenig später heirateten die beiden Menschen und bekamen zwei Kinder (geboren: 1899 und 1901). Auch nach der Heirat trat Hansi Niese-Jarno weiterhin auf und begab sich auf Tourneen. In den letzten Jahren ihres Lebens, wobei sie natürlich nicht wusste, dass es ihre letzten Lebensjahre waren, spielte sie auch in Filmen mit. 12) Nach ihrem Tod wurden in Wien zwei Verkehrsflächen nach ihr benannt.

Georg Jarno schrieb noch weitere Operetten, so zum Beispiel „Das Musikantenmädel“, uraufgeführt 1910 im Theater in der Josefstadt. 1912 wurde erstmals die „Marine-Gustl“ gespielt. In allen diesen Operetten trat Hansi Niese auf.

Jarnos fünfte Operette „Das Farmermädchen“ zeigte eine Abkehr von Wien, wurde 1913 in Berlin aufgeführt und Hansi Niese war nun auch nicht mehr dabei. Die Operette hatte Erfolg, den sich Jano zuschreiben konnte. „Adolph Kohut schrieb über Jarnos FARMERMÄDCHEN: ‘das ohne Assistenz einer Niese, mit einem starken Berliner Erfolg einsetzend, sich nun die Provinz zu erobern beginnt. In Wirklichkeit darf diesen Erfolg in viel höherem Maße wie in den vorangehenden Operetten Jarnó selbst für sich in Anspruch nehmen. Vor allem hat eine ganze Anzahl eingängiger Melodien erwiesen, daß Jarnós Musik auch über die nötige Schlagkraft zu verfügen imstande ist. Speziell seine amerikanisierenden Tanzrythmen dürften sich den Markt erobern‘.“ 13)
1916 wurde Janos Operette „Mein Annerl“ aufgeführt. Nun nicht mehr im Theater in der Josefstadt, sondern im Wiener Carltheater. Die nächste Operette „Jungfer Sonnenschein“ kam 1918 an der Hamburger Volksoper zur Uraufführung.14) Auch seine Operette DIE CSIKOSBARONESS fand in Hamburg ihre Uraufführung und zwar am 28. Oktober 1919 am neuen Operettentheater. 15)

Als er zur „Vorbereitung der Produktion [der Csikosbaroness] nach Breslau reiste, erkrankte Jarno „schwer, offenbar an Krebs, und verbrachte seine letzten Wochen in einer Breslauer Privatklinik. Eine Operation durch einen Spezialisten, den geheimen Medizinalrat Prof. Küttner, brachte keine Rettung mehr. Georg Jarno verstarb 51-jährig (…).“ 16)

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten verschwanden seine Werke: „von den Spielplänen und aus den Opern- und Operettenführern. Obwohl dreizehn Jahre zuvor verstorben, wurde er in den neuen Nachschlagewerken für Intendanten und Programmverantwortliche wie Judentum und Musik (1936) oder Lexikon der Juden in der Musik (1940) wie ein noch immer gefährliches Subjekt gelistet (…): Demzufolge erhielt seine Witwe in diesen Jahren auch keinerlei Tantiemenzahlungen mehr. (…)“ 17) schreibt Sabine Vernik-Eibl und berichtet dann über Susanne Jarnos weiteres Leben, die ihren Mann um 25 Jahre überlebte. Sie „lebte am Ende recht einsam in der ehemals gemeinsamen Wohnung in Wien-Hietzing. (…) Susanne Jarno hatte am 17. März 1945 einen Nachtrag zu ihrem Testament in Form eines Abschiedsbriefes verfasst, nur wenige Tage nach dem bisher schwersten Angriff der Alliierten auf Wien: ‚Für mich ist das Leben nicht mehr ertragbar, die Aufregungen u. dazu das schlechte Gehör macht mich so traurig, dass ich es nicht mehr aushalte, ich habe lange mit mir gekämpft bis ich zu dem Entschluss gekommen bin meinem Leben ein Ende zu machen u. ich gehe mit voller Ruhe u. gern von hier weg. Ich habe wohl auf einen anderen Tod gewartet aber es sollte wohl nicht sein!‘ Sie starb in den letzten Kriegstagen mit 72 Jahren am 6. April 1945 in ihrer Wohnung,“ 18)