Ascherring
Bergedorf (1979): Felix Ascher (27.3.1883 Hamburg – 6.10.1952 London), Architekt
Felix Daniel Ascher war der Sohn von Gustav Joachim Ascher und Emilie Ascher, geb. Blumenfeld. Nach dem Abitur studierte er ab 1902 Architektur an der Technischen Hochschule Charlottenburg und an der TU in München. Nach dem Abschluss des Studiums als Diplom-Ingenieur war er zunächst als angestellter Architekt tätig und machte sich 1913 in Hamburg selbstständig. Während des Ersten Weltkriegs war er als Soldat eingezogen.
Verheiratet war Felix Ascher mit Anna Karoline von Gizycki (1887 Aachen – 1949 London), verw. Hinrichsen (Wilhelm Hinrichsen 1877 Hamburg - 1914 Lodz/Polen). Das Paar hatte keine Kinder. Anna brachte aus ihrer ersten Ehe drei Kinder mit in die neue Partnerschaft.
Felix Ascher entwarf zum Beispiel mit dem Architekten Robert Friedmann die Synagoge des liberalen jüdischen Tempelverbands in der Hamburger Oberstraße, eingeweiht 1931.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden die Aschers, weil sie jüdischer Herkunft waren, verfolgt. Das Ehepaar Ascher emigrierte 1938 nach London, wo Felix Ascher als selbstständiger Architekt arbeitete und Wohnhäuser entwarf.
„Von London aus wirkte er 1951 an der Gestaltung des Mahnmals auf dem jüdischen Friedhof Ohlsdorf mit. Ascher starb am 6. Oktober 1952 in London und die Beisetzung erfolgte auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg (Grabanlage P26-51/60 damals; heute: P26-51/55 Fam. Hanebuth).“ (Seite „Felix Ascher (Architekt)“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 18. September 2024, 08:09 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Felix_Ascher_(Architekt)&oldid=248696009 (Abgerufen: 4. Februar 2025, 04:32 UTC)
Felix Aschers Mutter und seine Schwester Alice sowie deren Lebensgefährtin Margot Doctor wurden in der Zeit des Nationalsozialismus deportiert. Für sie liegen Stolpersteine vor dem Haus Braamkamp 36.
Eine nachträgliche Mitbenennung des Ascherringes auch nach Felix Aschers Mutter und seiner Schwester, weil durch erfolgte Recherchen nach 2010 die Verfolgungsgeschichte der beiden Frauen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden, veröffentlicht wurde, lehnte der als Eingabenausschuss tätige Hauptausschuss der Bezirksversammlung Bergedorf unter Einbeziehung der Kulturbehörde mit Schreiben vom 25.2. 2020 mit folgender Begründung ab: „Am 7. Februar 1979 wurde der Ascherring durch Senatsbeschluss benannt. Der Senatsbeschluss umfasste 19 Straßennamen im Bezirk Bergedorf, die fast ausschließlich nach Hamburger Architekten des frühen 20. Jahrhunderts oder Malern benannt worden sind. Der Ascherring wurde demzufolge nach dem Architekten Felix Ascher (1883-1952) benannt. Die Auswahl von Felix Ascher erfolgte seinerzeit offenbar wegen seiner Verdienste als Architekt und nicht wegen seiner Verfolgung im Nationalsozialismus oder seiner jüdischen Herkunft.“
Die Kulturbehörde empfiehlt die Suche nach eigenständigen Straßenbenennungen für die beiden Frauen. (Schreiben der Bezirksversammlung Bergdorf, der Vorsitzende vom 25.2.2020 an Dr. Rita Bake)
Mit dieser Argumentation wurde strikt an der für dieses Wohngebiet ausgewählten Straßenmotivgruppe „Architekten“ festgehalten. Motivgruppen für Straßenbenennungen zu vergeben, hat eine gewisse Tradition, deren Ursache u. a. darin zu finden ist, dass den Taxifahrerinnen und -fahrern das Auffinden von Adressen erleichtert werden sollte. Heute, im Zeitalter der Benutzung von Navigationsgeräten ist diese „Fürsorge“ nicht mehr nötig. Nötig wäre aber im Zeitalter des verstärkten Rechtsradikalismus und Antisemitismus an Deutschlands NS-Vergangenheit zu erinnern und aufzuklären. Aus diesem Grunde wurde der Vorschlag nach einer Mitbenennung des Ascherrings auch nach Felix Aschers Mutter und Schwester unterbreitet. Denn der nach dem Architekten Felix Ascher benannte Ascherring ist umgeben von fünf Straßen (Ameisweg, Benselweg, Klophausring und Puritzweg), die zwar ebenfalls nach Architekten benannt sind, die jedoch während der NS-Zeit Mitglieder der NSDAP waren. Diese Benennungen erfolgten 1979, zu einer Zeit, als weite Teile der Geschichtsforschung schon sensibilisiert waren für das Thema Täter und Opfer des Nationalsozialismus. (Stand: Januar 2025)
Durch die Umbenennung des Elingiusplatzes im Jahr 2024 wegen Elingius' NS-Belastung in Otto-Möller-Platz wird seitdem in dem Wohngebiet, für das einst die Straßenbenennungsmotivgruppe "Architekten" gewählt wurde, an einen Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus erinnert und nicht mehr nur an Architekten. Von daher stellt sich die Frage, ob nun doch der Ascherring auch nach Mutter und Schwester des Architekten Felix Ascher mitbenannt werden könnte.
Die Historikerin Ulrike Sparr hatte nach von ihr erfolgten Recherchen 2014 die Biografien für Alice Ascher, Margot Doctor und Emilie Ascher verfasst. Sie sind in die Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de aufgenommen worden. Daraus ist der folgende Text entnommen:
Alice Ascher,geb. am 16.8.1880 in Hamburg, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, Todesdatum unbekannt
Margot Doctor, geb. am 4.5.1897 in Leobschütz/Schlesien, deportiert am 6.12.1941 nach Riga, Todesdatum unbekannt
Emilie Ascher, geb. Blumenfeld, geb. 20.8.1858 in Burgsteinfurt/Westfalen, Tod am 19.7.1942 in Hamburg (Suizid)
Alice Ascher, die Tochter von Emilie Ascher und ihrem Mann Gustav Joachim, wuchs mit ihren beiden jüngeren Brüdern in der Sierichstraße 18 auf, blieb unverheiratet und war als Privatsekretärin des Bankiers Max Warburg am Ballindamm tätig. Gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin Margot Doctor wohnte sie in den 1930er-Jahren im ersten Stock des Hauses Braamkamp 36. Dort lebte auch ihre Mutter Emilie.
Wann Margot Doctor aus ihrem schlesischen Geburtsort nach Hamburg kam, wissen wir nicht. Die Angaben auf ihrer Kultussteuerkarte sind spärlich. Als ihr Vater wird Ary Doctor (ohne Geburtsdatum) genannt, als ihr Beruf "Angestellte". Sie erklärte 1928 ihren Austritt aus der Gemeinde, 1940 wurde sie zwangsweise Mitglied des Jüdischen Religionsverbandes.
Alice Ascher war 1926 aus der jüdischen Gemeinde ausgetreten, erklärte aber im April 1939 ihren Wiedereintritt. Zu dieser Zeit arbeitete sie im Sekretariat Warburg im Mittelweg 17. Dort sollten Vermögenswerte abgewickelt werden, die nach der "Arisierung" der Bank M. M. Warburg von der Nachfolgefirma nicht übernommen worden waren. Darüber hinaus entfaltete das Sekretariat aber auch karitative und kulturelle Aktivitäten für die Mitglieder der jüdischen Gemeinde, die zunehmend aus dem allgemeinen öffentlichen Leben ausgeschlossen waren (s. a. Mayer, Marie u. Heinrich). So fanden in dieser "Oase" bis 1941 Konzerte und Vortragsabende statt. Sehr beliebt war auch die gut ausgestattete Bibliothek, die ihren Besuchern im Winter einen ungewöhnlich gut geheizten Aufenthalt bot. Im Frühjahr 1941 waren die Abwicklungsarbeiten des Bankhauses M. M. Warburg fast abgeschlossen, und das Haus am Mittelweg wurde von der NSDAP beschlagnahmt. Die Reste des Sekretariats wurden in einem wesentlich kleineren Haus an der Alsterterrasse untergebracht. Alice Ascher und ihre Kollegin "Frl." Baruch konnten jetzt nur noch umschichtig jeweils eine halbe Woche arbeiten, weil der Platz nicht für beide reichte. Im Juni 1941 wurde das Sekretariat endgültig geschlossen.
Im Januar 1940 hatte Alice Ascher noch ein Vermögen von 13300 Reichsmark besessen. Dieses wurde am 29. Januar 1940 unter Sicherungsanordnung gestellt. Für den Lebensunterhalt, Miete, Unterstützung ihrer Mutter und Ausgaben für eine Hausangestellte hatte Alice Ascher einen monatlichen Freibetrag von 557 Reichsmark beantragt, zugestanden wurden ihr von der Devisenstelle des Oberfinanzpräsidenten 325 Reichsmark.
Nach der Erinnerung eines Freundes der Familie Ascher hatte sich Max Warburg für die Auswanderung von Alice Ascher eingesetzt und ihr ein "Affidavit" besorgt, d. h. die Bürgschaft eines amerikanischen Bürgers. Sie blieb jedoch in Hamburg, weil es unmöglich war, auch ein Affidavit für ihre Lebensgefährtin Margot Doctor zu erhalten.
Nach Eingang des Deportationsbefehls erhielt Alice Ascher die Genehmigung, noch einmal 400 Mark von ihrem eigenen Geld abheben zu dürfen, laut Antrag "für Ausgaben im Zusammenhang mit meiner Evaquierung" und als Geschenk für "Frl. Margot Sara Doctor, Braamkamp 36: Reisegeld u. Anschaffg."
Am 6. Dezember 1941 folgten Alice Ascher und Margot Doctor dem Deportationsbefehl nach Riga. Wann und wie sie dort ums Leben gekommen sind, wissen wir nicht.
Emilie Ascher war mit dem Fabrikanten Gustav Joachim Ascher verheiratet und hatte mit ihm drei Kinder: Alice, Felix Daniel (geb. 27.3.1883) und Richard (geb. 18.10.1888). Die Familie lebte in der Sierichstraße 18. Emilie Ascher muss über ein eigenes Einkommen verfügt haben, denn von 1913–23 und ab 1932–40 zahlte sie Beiträge an die jüdische Gemeinde Hamburg. Wann ihr Mann, der seit 1911 Mitglied der Patriotischen Gesellschaft gewesen war, starb, ist nicht bekannt.
Als Witwe lebte sie in den 1930er-Jahren im ersten Stock des Hauses Braamkamp 36. In der gleichen Etage, vielleicht auch in der gleichen Wohnung, lebte ihre Tochter Alice mit ihrer Partnerin Margot Docter.
Emilies Sohn Felix hatte 1902 sein Abitur am Wilhelm-Gymnasium abgelegt. Er machte sich einen Namen als Architekt, unter anderem entwarf er gemeinsam mit Robert Friedmann die 1931 eingeweihte Synagoge des liberalen jüdischen Tempelverbands in der Oberstraße 116. Aus seiner Ehe mit Anna Karoline von Gizycki, verwitwete Hinrichsen, stammten keine gemeinsamen Kinder, seine Frau brachte aber drei Kinder in die Verbindung mit. 1938 wanderte Felix Ascher nach England aus, hatte allerdings Schwierigkeiten, sich dort in seinem Beruf zu etablieren. Dr. Richard Ascher, von Beruf Chemiker, konnte ebenfalls nach England emigrieren.
Am 6. Dezember 1941 musste Emilie Ascher die Deportation ihrer Tochter Alice nach Riga erleben. Anschließend wurde sie zwangsweise aus ihrer Wohnung am Braamkamp in das jüdische Altersheim Kurzer Kamp 6 in Fuhlsbüttel eingewiesen, das zu dieser Zeit als "Judenhaus" diente. Am 19. Juli 1942 setzte sie ihrem Leben ein Ende.
Text: Ulrike Sparr, entnommen aus: www.stolpersteine-hamburg.de