Sierichstraße
Winterhude (1863): Adolph Sierich (26.4.1826 Hamburg – 7.5.1889 Hamburg), Grundeigentümer.
Siehe auch: Sierichstraßenbrücke
Siehe auch: Agnesstraße
Siehe auch: Dorotheenstraße
Siehe auch: Klärchenbrücke
Siehe auch: Klärchenstraße
Siehe auch: Maria-Louisen-Brücke
Siehe auch: Maria-Louisen-Stieg
Siehe auch: Maria-Louisen-Straße
Siehe auch: Willistraße
Siehe auch: Andreasstraße
Siehe auch: Wentzelstraße
Adolph Sierich war, wie sein Vater, vom Beruf her Goldschmied. Er besaß in Winterhude viel Grundbesitz. Von seinem Vater hatte er einen Hof in Winterhude geerbt. „Der Hof wurde für Sierich nach dem Tod des Vaters 1850 der Grundstock zum Auf- und Ausbau Winterhudes, das seit 1894 zu Hamburg gehört. 1854 erwarb Adolph Sierich auf dem Krohnskamp an der Barmbeker Straße eine neue Hofstelle. Dort errichtete er die Sierich Villa, zwei riesige Scheunen und einige Katen. Die Villa wurde 1957 abgerissen. Der Goldbekkanal wurde von Sierich Anfang der 1860er Jahre schiffbar gemacht, um die industrielle Erschließung Winterhudes zu fördern.“ 1)
In erster Ehe war Adolph Sierich mit Maria-Louise Lembcke (/19.2.1835 – 8.3.1863) verheiratet. Mit ihr hatte er fünf Kinder. Neun Jahr nach dem Tod seiner Frau, die im Alter von 28 Jahren verstarb, heiratete der damals 38-jährige Witwer und Vater von noch unmündigen Kindern die damals 22-jährige Clara Octavia Repsold (18.4.1842 Hamburg – 30.12.1938), Tochter des Eichmeisters Georg Repsold (siehe: Repsoldstraße). 2) Das Paar bekam drei Kinder.
Sierich ließ mehrere Straßen in Winterhude nach seinen Verwandten benennen, so die Dorotheenstraße nach seiner Mutter Anna Dorothea Sierich, geb. Meyer; die Klärchenstraße nach seiner zweiten Ehefrau Clara Octavia, geb. Repsold; die Maria-Louisen-Straße nach seiner ersten Ehefrau Maria-Louise, geb. Lembcke; die Agnesstraße nach seiner Schwägerin Agnes Ahrens, geb. Repsold; die Willistraße nach seinem ältesten Sohn; die Andreasstraße nach einem Freund und die Wentzelstraße nach seinem Testamentsvollstrecker Adolph Emil Wentzel.
Solche Straßenbenennungen fanden meist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts statt, als die ländliche Umgebung vor den Toren der Stadt rasch besiedelt wurde und es üblich war, dass Grundstückseigentümer neuen Straßen, die über ihren Grundbesitz verliefen, selbst einen Namen geben durften. „Diese (…) verfuhren dabei durchaus nach eigenem Geschmack. (…) Dabei waren die einzelnen Unternehmer unterschiedlich zurückhaltend. (…) Der Senator Gustav Godeffroy nannte die von ihm angelegte Straße nur nach seinem Vornamen. (…) Andere Grundstücksbesitzer haben in Bezug auf die Familienehrung des Guten reichlich viel getan.“ 3)
Am häufigsten benannten Grundstückseigentümer, wenn nicht nach sich selbst, dann nach ihren Ehefrauen und Töchtern. Bei Straßenbenennungen nach männlichen Angehörigen hielten sich die Grundstückseigentümer allerdings zurück. Eine Straßenbenennung nach dem Vornamen der eigenen Tochter war z. B. ein beliebtes und großzügiges Geschenk zur Hochzeit der Tochter, nicht aber des Sohnes. Einem Sohn oder anderen männlichen Verwandten wollten die Altvorderen vielleicht nicht den Ehrgeiz nehmen, selbst einmal Grundbesitz zu erlangen und sich dann mit einem eigenen Straßennamen ein Denkmal zu setzen.
Nach Grundstückseigentümerinnen wurden keine Straßen in Hamburg benannt, obwohl es damals Frauen gab, die Grundbesitz besaßen. Diesen hatten sie meist geerbt oder als Mitgift erhalten. Noch bis Mitte des 13. Jahrhunderts konnten Frauen über ihre Grundstücke selbst verfügen. Doch dann gab es eine rechtliche Änderung. Mit der Kodifikation des Hamburger Stadtrechtes von 1270 erhielt fortan der Ehemann die Vormundschaft über seine Ehefrau. Diese behielt zwar in der Ehe die Verfügung über ihr Vermögen. „Diese Stellung unterlag aber verschiedenen Modifikationen, je nachdem welches Ehegüterrecht eventuell neben dem gemeinen Recht galt. (…).“4)
Die Frau konnte „ohne Einwilligung des Ehemannes keine Verträge eingehen, etwas veräußern, verpfänden, verschenken oder unter irgend einem Rechtstitel erwerben.“ 5) Mit der „Eheschließung ging die weibliche Mitgift in die Obhut des Ehemannes über.“ 6) Im oblag nun die „Verwaltung und Nutznießung des eingebrachten Frauenvermögens (…). Er konnte über Mobilien frei verfügen und sie ohne Mitwirkung der Frau veräußern; für die Verfügung über Immobilien bedurfte es aber ihrer Einwilligung. Sie behielt nur die Dispositionsbefugnis über ihr Vorbehaltsgut (zum persönlichen Gebrauch bestimmte Sachen und die ‚Morgengabe‘) und konnte bestimmte Sicherheiten verlangen.“ 7)
Die Verschlechterung der Rechtslage der Frauen, die bis ins 20. Jhd. anhielt, hat seine Ursachen. Dazu schreibt Roswitha Rogge: „Der zunehmende politische Einfluß der Kaufmannsschicht, die seit dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts die alte, landbesitzende, quasi-ministeriale Ratsoberschicht aus der Stadtverwaltung zu verdrängen begann, erleichterte die Durchsetzung der schichtspezifischen Wirtschaftsinteressen. In der wachsenden Handelsstadt benötigte die kaufmännische Oberschicht zunehmend größere Mengen an Kapital für Investitionen in die städtische Wirtschaft: ‚Der Kaufmann bedurfte einer Unterstützung seines Kredites durch das Erbgut der Frau‘. (…)
Die Verfügungsfreiheit von verheirateten Frauen über Liegenschaften wurde [also] seit dem Ende des 13. Jahrhunderts zugunsten der Wirtschaftsinteressen ihrer handeltreibenden Ehemänner eingeschränkt. Als Folge der zunehmenden Verrechtlichung von Grundstücks- und anderen Rechtsgeschäften nahmen die Möglichkeiten einer Ehefrau ab, unabhängig von ihrem Mann über ihren Besitz zu bestimmen. Dieser Prozeß war für verheiratete Frauen deshalb besonders schwerwiegend, weil ihre Ehemänner nicht nur als ihre gerichtlichen Vormünder, sondern auch als Verwalter der ehelichen Vermögenswerte einen immer größeren rechtlichen Einfluß auf ihre Güter bekamen. Einem eventuellen Mißbrauch dieser Verfügungsgewalt der Ehemänner suchte das Stadtrecht nur im Interesse der Erben der Ehefrauen entgegenzuwirken; die individuellen Belange der Frauen als Rechtspersönlichkeiten fanden hier keine Beachtung.“ 8)
Adolph Sierich, der vier Jahre lang von 1871 bis 1876 Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft gewesen war, ließ 1880 ein Ackergelände in Winterhude zu einem Jagdrevier mit Bäumen und Wild herrichten, in dem er für den Förster auch ein Forsthaus erbauen ließ. Sierichs Erben verkauften 1902 das Gelände an die Stadt und diese erweiterte dort den Stadtpark westlich der Hindenburgstraße.