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Kantstraße

Eilbek (1866): Immanuel Kant (22.4.1724 Königsberg -12.2.1804 Königsberg), Philosoph.


1461 Kant Gemaelde
Immanuel Kant, Gemälde von 1768; Quelle: Johann Gottlieb Becker (1720-1782), gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Kant schrieb 1764 über den Verstand der Frauen. Dazu vertrat er eine Vorstellung, die noch bis in unsere heutigen Tage in einer patriarchalen Gesellschaft die Geschlechterrollenmuster immer wieder bestimmt: Das Klischee von der gefühlsbetonten, auf ihre Emotionen hörende und entsprechend handelnden Frau und dem rein nach der Vernunft handelnden Mann, der deshalb auch in der Lage ist, die Frau zu beschützen, hat auch Wurzeln bei Kant.

Kant gestand zwar auch Männern Emotionalität zu. Diese wurde bei Kant positiv konnotiert; die Emotionalität der Frauen jedoch negativ. Weibliche Emotionen drückten sich nach Kants Vorstellungen aus in Scham, Verlegenheit und Angst. Männliche Emotionen hingegen zeigten sich z. B. im Mut des Mannes. „Die Emotionen der Frau dienen hierbei ihrem ‚Naturzweck‘, nämlich dem Gebären von Kindern sowie des Ausgleichs ihrer mangelnden Fähigkeit, nach rationalen Grundsätzen zu handeln: (…) Aufgrund ihres Naturzwecks, der Arterhaltung durch Gebärung, sind Frauen den starken Emotionen der Angst, Scham und Verlegenheit ausgesetzt - dies dient dem Schutz ihres Körpers, genauer gesagt: ihrer Gebärmutter. Gleichzeitig, dies ist die zweite Funktion der Emotionalität der Frauen, gleicht diese einen weiteren Mangel aus: Frauen, so Kant, seien nicht fähig, auf Basis (rationaler) Grundsätze zu handeln. Ihre Emotionalität befähigt sie zu Mitleid, was dies in gewissem Maße kompensiert. Die Frau, das Weibliche ist bei Kant also nicht dem Verstand zugeordnet, sondern der Emotion. Gemäß des hierarchischen Kant’schen Welt- und Menschenbildes, in dem die Vernunft dem tierischen Begehrungsvermögen d.h. der Emotionalität überlegen ist, sind auch die Frauen den Männern unterlegen. In diesem Sinne ist die Frau bei Kant, auch wenn er es wortwörtlich nicht so sagt, nur in eingeschränktem Maße ‚animal rationabile‘, 2) schreibt Lana Karim.

Dass zum Gebären Mut gehört, ebenso rationales Handeln in schwierigen Situationen, davon hatte Kant wohl noch nichts gehört. Aber lassen wir ihn selbst zu Wort kommen: Kant schreibt: „Das schöne Geschlecht hat eben so wohl Verstand als das männliche, nur es ist ein schöner Verstand, der unsrige soll ein tiefer Verstand sein, welches ein Ausdruck ist, der einerlei mit dem Erhabenen bedeutet. … Tiefes Nachsinnen und eine lange fortgesetzte Betrachtung sind edel aber schwer, und schicken sich nicht wohl für eine Person, bei der die ungezwungenen Reize nichts anders als eine schöne Natur zeigen sollen. Mühsames Lernen oder peinliches Grübeln, wenn es gleich ein Frauenzimmer darin hoch bringen sollte, vertilgen die Vorzüge, die ihrem Geschlechte eigentümlich sind, und können dieselbe wohl um der Seltenheit willen zum Gegenstand einer kalten Bewunderung machen, aber sie werden zugleich die Reize schwächen, wodurch sie ihre große Gewalt über das andere Geschlecht ausüben. … Es ist schön, daß einem Frauenzimmer der Anblick einer Karte, die entweder den ganzen Erdkreis oder die vornehmste Teile der Welt vorstellt, angenehm gemacht werden. Dieses geschiehet dadurch, daß man sie nur in der Absicht vorlegt, um die unterschiedliche Charaktere der Völker die sie bewohnen, die Verschiedenheiten ihres Geschmacks und sittlichen Gefühls, vornehmlich in Ansehung der Wirkung die diese auf die Geschlechterverhältnisse haben, dabei zu schildern, mit einigen leichten Erläuterungen aus der Verschiedenheit der Himmelsstriche, ihrer Freiheit oder Sklaverei. Es ist wenig daran gelegen, ob sie die besonderen Abteilungen dieser Länder, ihr Gewerbe, Macht und Beherrscher wissen oder nicht. Eben so werden sie von dem Weltgebäude nichts mehr zu kennen nötig haben, als nötig ist, den Anblick des Himmels an einem schönen Abende ihnen rührend zu machen, wenn sie einigermaßen begriffen haben, daß noch mehr Welten und daselbst noch mehr schöne Geschöpfe anzutreffen sein. (…) Niemals ein kalter und spekulativer Unterricht, jederzeit Empfindungen und zwar die so nahe wie möglich bei ihrem Geschlechtverhältnisse bleiben. Diese Unterweisung ist darum so selten, weil sie Talente, Erfahrenheit und ein Herz voll Gefühl erfordert, und jeder andere kann das Frauenzimmer sehr wohl entbehren, wie es denn auch ohne diese sich von selbst gemeiniglich sehr wohl ausbildet.“ 3)

Kant sprach Frauen und nicht weißen Männern die Vernunft ab. Christoph Bopp bringt diese Tatsache in seinem Artikel „Kant, der große Philosoph der Vernunft, sprach Frauen und Wilden die Vernunft ab – Warum?“ auf den Punkt, indem er schreibt: „Die Aufklärung feierte die Vernunft, die Menschenrechte, die Freiheit – alles, was uns heute von den Produkten aus dem Geistesladen lieb und teuer ist. Immer noch verstörend, denn es ist keineswegs neu. Neu aber ist, dass die Heroen der Epoche sich in ihren Schriften zu Diskriminierung, Frauenhass und Rassismus, einige auch zu Antisemitismus, hinreissen liessen.

Dass es die Stereotypien der Zeit gewesen seien, mag als Erklärung für den Anlass genügen, kann die Ausbrüche aber nicht entschuldigen. Autonomie, ein weiterer Schlüsselbegriff der Zeit, wäre die Fähigkeit, losgelöst von zeitbedingten Vorurteilen zu denken. Wie kann man den Begriff der Menschheit im Mund führen und daneben die unsäglichsten Vorurteile über ‚die Wilden‘ propagieren?

Und was das Geschlechterverhältnis betrifft, schreckte Kant in der ‚Metaphysik der Sitten‘ nicht davor zurück, zu behaupten, dass wenn der Mann in der Ehe das Sagen habe (er sei ‚der befehlende, sie der gehorchende Teil‘), widerspreche dies nicht der Idee der Gleichheit; ‚so kann dieses nicht als der natürlichen Gleichheit eines Menschenpaares widerstreitend angesehen werden‘.“ 4)

Der eine Zeitlang als Bibliothekar tätig gewesene Emanuel Kant scheint von Olympe de Gouge (1748-1793), die 1791 „Die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ publizierte, um auf die Einseitigkeit der in der Französischen Revolution verbreiteten „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ aufmerksam zu machen, nichts gehört oder recherchiert zu haben, ebenso wenig von Mary Wollstonecraft (1759-1797) die 1792 die bestehende Ungleichbehandlung der Geschlechter anprangerte.

Aber vielleicht mochte Herr Kant nicht auf Frauen hören, geschweige denn sich mit ihren vernünftigen Überlegungen auseinandersetzen, waren ihm doch gelehrte Frauen suspekt. Doch dann hätte er auf seinen Königsberger Bürgermeister und Polizeidirektor Theodor Gottlieb von Hippel (1741-1796) hören, bzw. sich dessen rationale Überlegungen zum Therma Geschlechtergerechtigkeit zur Gemüte ziehen können. Dieser äußerte sich vier Jahre nach der Französischen Revolution kritisch über deren Ziele: „Es ist schwer zu begreifen, warum es an Plänen zur bürgerlichen Verbesserung des schönen Geschlechts gefehlt hat, da man jetzt allgemein von Menschenrechten und bürgerlicher Freiheit spricht (…). Man meint aber unter Menschenrechten nichts anders als Männerrechte.“ 5)

1461 Kant Tischgenossen
Kant und seine Tischgenossen, Gemälde von 1892
Dazu schreibt Gerda-Marie Schoenfeld:
„Seine lustige Herrenrunde war berühmt. Stets lud er die Honoratioren der Stadt zum Essen. Auf dem Gemälde von Emil Doerstling sieht man die Tischgenossen - alles Männer, sich interessiert einem einzigen Herrn zuwendend - dem Alpha-Tier Kant. Zudringliche Fragen nach seinem Intimleben fertigte der Hausherr mit einer flugs gebastelten hauseigenen Statistik ab, wonach Junggesellen länger leben als Ehemänner.“ 1);
Quelle: Emil Doerstling (1859-1940), gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Emanuel Kant war in seinen Vorstellungen über Frau und Mann nur insofern „ein Kind seiner Zeit“ indem er das gängige Geschlechtsrollenmusterklischee bediente, sich aber nicht mit den damals schon vorhandenen kritischen Stimmen auseinandersetzte – was man auch damals schon von einem differenziert denkenden und vernunftbegabten Philosophen hätte erwarten können.

Christoph Bopp geht in seinem Artikel auch auf Kants Einstellung zu – wie damals gesagt wurde – „Wilden“ ein: „Von Rousseau – und Kant folgt ihm – stammt das Konzept vom ‚edlen Wilden‘. Dass die Zivilisation dem Menschen ‚nicht nur guttut‘, dieser Eindruck drängte sich auf. Aber das ‚Edle‘ mussten die Aussereuropäer bezahlen – mit Infantilisierung. Sie sind wie Kinder, beschieden die Aufklärer, sie wissen von nichts, deshalb sind sie gut. Aber es ist auch klar, was ihnen droht: das gleiche Disziplinierungsprogramm, das die Europäer sich verschrieben hatten.

Im ‚Context of Justification‘ gibt es nun keinen Platz mehr für menschheitliche Gleichheit. Vernunft muss sich bewähren in Gestalt von aufrechten Denkern, die, vernünftig durch und durch, all dem Wilden und Ungeordneten eine harte Absage erteilt hatten. Nun auch ‚den Wilden‘ (noch nicht vernünftig) und den Frauen (von Natur aus etwas anders vernünftig) Vernunft zuzusprechen, wäre schlechte PR.“6)

Kant und Antisemitismus
Der Historiker Felix Sassmannshausen schreibt in seinem für das Land Berlin verfassten Dossier über Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin: „Kant gilt als einer der bedeutendsten Philosophen der Aufklärung. Er formulierte in seiner Religionsphilosophie einen theologisch begründeten säkularisierten Frühantisemitismus. Darin bedient er sich antijüdischer und zum Teil frühantisemitischer Stereotype.“ 7) Sassmannshausen gibt die Handlungsempfehlung für den Umgang mit diesem Straßennamen: „weitere Recherche, Kontextualisierung.“ 8)

Kant und Kolonialismus
Kant steht mit seinen Äußerungen zum Thema „Rasse“ seit Längerem in der Kritik. Karlfriedrich Herb, Professor für Politik, beschreibt in seinem Aufsatz „Unter Bleichgesichtern. Kants Kritik der kolonialen Vernunft“ die Kritik, die an Kant geäußert wird und kommt dabei zu eigenen Schlüssen: „Fragen zur Rasse haben Kant in seiner intellektuellen Biographie immer wieder beschäftigt, (…)‘. Es sind vor allem die frühen Quellen, die Kants Kritiker auf den Plan rufen und den ersten Verdacht eines fließenden Übergangs von Rassentheorie zu Rassismus wecken. Kant erscheine schon hier als ‚racist both in tone and intent‘. Nun sind Kants Äußerungen im Kontext der Vorlesungen zur Physischen Geographie kaum systematisch aufbereitet und weniger authentisch als die von ihm selbst veröffentlichten Schriften. Gleichwohl bieten sie bereits eine Vielzahl fragwürdiger Festlegungen zum ‚Unterschied der Bildung und Farbe der Menschen in den verschiedenen Erdstrichen‘ und setzen die Tonlage für die späteren Publikationen. (…). Die Hierarchie unter den Rassen und die deutliche Überlegenheit des weißen Mannes sind hier von Anfang an gesetzt, (…). In Reflexionen zum ‚Character der Race‘ unterscheidet Kant die Rassen der ‚Americaner, Neger, Indianer und Weisse‘ mit deutlichen Präferenzen. Zu vollkommener Zivilisierung taugen demnach nur die ‚Weissen‘, sie ‚Enthalten alle Triebfedern der Natur in affecten und Leidenschaften, alle Talente, alle Anlagen zur Cultur und Civilisirung und können so wohl gehorchen als herrschen.‘ Einen solchen Gencode sucht Kant beim Neger vergebens. Dieser ‚kann disciplinirt und cultivirt, niemals aber ächt civilisirt werden. Er verfällt von selbst in die Wildheit.‘“9)

Und weiter schreibt Karlfriedrich Herb über Kants Auffassung: „die weiße Hautfarbe bildet das Maß aller Dinge. Was die Entwicklung in Religion, Sprache und Geschlechterverhältnissen angeht, bei allem finden sich ‚Negers von Afrika‘ wiederum am Ende des Spektrums wieder. ‚Dieser Kerl‘ heißt es mit Blick auf einen despotischen Ehemann, ‚war vom Kopf bis auf die Füße ganz schwarz, ein deutlicher Beweis, daß das, was er sagte, dumm war.‘ Kein Wunder, dass die krude Mischung von Rassismus und Sexismus, die in diesem Zusammenhang sichtbar wird, von der Kritik immer wieder thematisiert wird und ethnologisches Befremden hervorruft. (…) Blickt man von Königsberg nach Paris, so hätte Kant auch bei Diderot durchaus Positionen finden können, die aufklärerische Egalität mit einer deutlichen Kritik des europäischen Rassismus und Kolonialismus verbindet. Kant dagegen schwimmt im Mainstream. Dies wirkt sich nach Auskunft Kant-kritischer InterpretInnen allerdings fatal für die Großtheorie aus und führt zu enormen Kollateralschäden. Mit seinen Ressentiments ruiniere Kant den eigenen aufklärerischen Imperativ, den Zustand selbstverschuldeter Unmündigkeit zu verlassen. Wie immer man diese Einwände einschätzt. Dass Kant bereits hier die Inferiorität nicht-europäischer Völker für naturgegeben hält, steht außer Frage.“ 10)

Karlfriedrich Herb fasst zusammen: „Resümiert man Kants materialen Aussagen zur Genese und Verschiedenheit der menschlichen Rassen, so lassen sich rassistische Haupt- oder Untertöne, vor allem in der Frühphase, kaum überhören. Bei aller Treue zu Kant sehen sich inzwischen selbst ausgesprochene Kant-Verteidiger zu dem Eingeständnis genötigt, dass ‚seine rassistischen Äußerungen natürlich brutal‘ seien. Welche Tragweite und Effekte diese ‚augenfällig ethnozentrischen und rassistischen Behauptungen Kants‘ allerdings besitzen, wird ganz unterschiedlich gewertet.“ 11)

Einig sind sich die meisten Kant Forschenden darin, dass Kant in den 1790er Jahren einen Wandel in seiner Einstellung zeigt. „Kein Zweifel, dass sich Kants Reservoir an rassistischen Äußerungen in den neunziger Jahren erschöpft. Nicht nur, dass er moderne Sklaverei nun ausdrücklich delegitimiert. Auch die Einheit der menschlichen Gattung wird nun anders kontextualisiert: in Richtung einer Geschichte in weltgeschichtlicher Absicht, die rechtsphilosophisch als allmähliche Annäherung an das republikanische Recht konzipiert ist. Zudem schafft sich Kant jetzt im Völkerrecht eine systematische Plattform, auf der er mit dem europäischen Kolonialismus ins Gericht geht. (…) In den sechziger Jahren sorgte sich Kant noch um die Reinheit der weißen Rasse und um die Zivilisation an den Rändern Europas, in den Neunzigern stärkt er die republikanische Hoffnung auf eine gemeinsame kosmopolitische Welt. Im ‚Ewigen Frieden‘ positioniert sich Kant als entschiedener Anti-Kolonialist, (…). „ ‚Vergleicht man hiemit das inhospitale Betragen der gesitteten, vornehmlich handeltreibenden Staaten unseres Welttheils, so geht die Ungerechtigkeit, die sie in dem Besuche fremder Länder und (welches ihnen mit dem Erobern derselben für einerlei gilt) beweisen, bis zum Erschrecken weit. Amerika, die Negerländer, die Gewürzinseln, das Cap etc. waren bei ihrer Entdeckung für sie Länder, die keinem angehörten; denn die Einwohner rechneten sie für nichts.‘ Kants theoretischer Gesinnungswandel ist beträchtlich. Galt ihm Europa in seiner frühen Rassentheorie noch als das einzigartige Modell für Menschlichkeit, Kultur und Geschichte, dessen Expansionsdrang in zivilisatorischer Absicht er gut zuredet, stellt er jetzt rechtsphilosophische Parameter kosmopolitischer Art auf. Der anfängliche Eurozentrismus mutiert zu entschiedener Kritik des europäischen Kolonialismus. (…). Besonders kritisches Gewicht in der systematischen Neuorientierung verleiht Kant dem Prinzip der Hospitalität, das er im dritten Definitiv-Artikel zum ‚Ewigen Frieden‘ vorstellt: ‚Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität eingeschränkt sein‘. Aus ihm leitet er das Verbot kolonialer Besuchspolitik ab, mit dem er der gewaltsamen Expansion europäischer Staaten in die Peripherie jegliche Rechtmäßigkeit entzieht. Die europäischen Nationen besitzen keinerlei Recht, anderen Völkern ihren Handelsgeist und ihre Produktionsbedingungen aufzuzwingen und auf fremdem Terrain ohne die Zustimmung der dort lebenden Bewohner neue Institutionen und Märkte zu schaffen. Selbst für den Fall, dass die ursprünglichen Bewohner keine eigene rechtliche Verfassung haben, müssen sie als potenzielle Eigentümer behandelt werden. Auch Desinteresse und Selbstbeschränkung solcher Menschen müssen als solche respektiert werden, ‚denn die Art, wie sie sich auf dem Erdboden überhaupt ansässig machen wollen, ist, wenn sie sich innerhalb ihrer Gränzen halten, eine Sache des bloßen Beliebens (res merae facultatis)‘. Mit Blick auf dieses Selbstbestimmungsrecht erteilt Kant der kommerziellen Kolonisierung nicht-europäischer Völker eine entschiedene Absage“ 12)

Dieser Wandel bei Kant im Hinblick auf Kolonialismus führt aber zu weiteren Fragen hinsichtlich Kants Einstellung zum Rassismus. Dazu schreibt Karlfriedrich Herb: „Bringt der Perspektivenwechsel von eurozentrischer Ethnographie zu kritischer Rechtsphilosophie nun die antikoloniale Wendung? Auch hier gehen die Bewertungen auseinander. Für die einen nimmt Kants Theoriebildung in den neunziger Jahren eine deutlich antikoloniale Richtung, Für die anderen lässt sich der Kantische Rassismus nicht gegen den Kolonialismus mobilisieren, weil dieser selbst durch rassistische Denkmuster geprägt sei. Statt von einem tiefgreifenden Wandel müsse man eher von Modifikationen reden, mit denen sich Kant den imperialistischen Gegebenheiten des ausgehenden achtzehnten Jahrhunderts anpasse.“ 13)

Karlfriedrich Herb schließt seinen Aufsatz mit folgendem Zitat: „‘Wir müssen uns von der intellektuellen Erpressung befreien, ›für oder gegen die Aufklärung zu sein‘, hatte Foucault bei seiner Auseinandersetzung mit Kants Schrift ‚Was ist Aufklärung?‘ seinerzeit empfohlen. Möglicherweise taugt die Empfehlung im Umgang mit Kant auch heute. Dann könnte sie zu einer Ambiguitätstoleranz verhelfen, die Kants Einsichten und Errungenschaften ebenso aushält wie seine Aporien und Abwege. Ganz einfach ist das bei philosophischen Übervätern freilich nicht.“ 14).

Kants Werdegang
Über Kants Herkunft und seinen Werdegang heißt es in Wikipedia u. a. : „Immanuel (…) Kant war das vierte Kind des Sattler- - und Riemenmeisters Johann Georg Kant (…) und dessen Frau Anna Regina (…), geb. Reuter. (…) Sein Elternhaus war stark pietistisch geprägt, seine Mutter für Bildung sehr aufgeschlossen. 1732 kam Kant an das Collegium Fridericianum (auch Friedrichskollegium genannt), wo er insbesondere im Erlernen der klassischen Sprachen gefördert wurde. 1740 begann er mit dem Studium an der Albertus-Universität Königsberg. (…) [Hauptstudienfach Philosophie]. Als sein Vater 1744 schwer erkrankte und 1746 verstarb, musste Kant nicht nur für sein eigenes Auskommen, sondern auch für das zweier jüngerer Geschwister sorgen. Er verließ Königsberg und nahm Positionen als Hauslehrer an, [blieb aber an der Königsberger Universität immatrikuliert, 1745 Rückkehr an die Universität].

Er veröffentlichte im Sommer einige Aufsätze, reichte im April 1755 die Schrift De Igne als Abschlussarbeit ein und wurde anschließend promoviert. Im selben Jahr veröffentlichte er mit Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels seine erste größere Schrift, die zunächst jedoch wenig Anklang fand. Schon im September folgte die Nova dilucidatio, die ‚die ersten Grundsätze der metaphysischen Erkenntnis‘ zum Gegenstand hatte, als zweite Hochschulschrift, mit deren Verteidigung er die venia legendi erhielt und als Privatdozent umfangreiche Lehrtätigkeit aufnehmen konnte. Zu seinen Lehrfächern gehörten Logik, Metaphysik, Moralphilosophie, Natürliche Theologie, Mathematik, Physik, Mechanik, Geografie, Antropologie, Pädagogik und Naturrecht. (…)

Eine erste Bewerbung auf den Königsberger Lehrstuhl für Logik und Metaphysik im Jahre 1759 schlug fehl. Einen Ruf auf einen Lehrstuhl für Dichtkunst lehnte Kant 1764 ab. In den Jahren von 1766 bis 1772 arbeitete Kant als Unterbibliothekar der königlichen Schlossbibliothek, was seine erste feste Anstellung war. Kant schlug außerdem auch die Gelegenheiten aus, 1769 in Erlangen und 1770 in Jena zu lehren, bevor er im Jahr 1770 im Alter von 46 Jahren den von ihm immer angestrebten Ruf der Universität Königsberg auf die Stelle eines Professors für Logik und Metaphysik erhielt. Im selben Jahr legte er mit der Studie Formen und Gründe der Sinnes- und Verstandeswelt eine weitere Dissertation vor. (…).. 1786 und 1788 war Kant Rektor der Universität in Königsberg. 1787 wurde er in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. 1794 wurde er Ehrenmitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg.

Die letzten fünfzehn Jahre seines Lebens waren gekennzeichnet durch den sich stetig zuspitzenden Konflikt mit der Zensurbehörde, (…) [So wurde ihm 1794 „die ‚Herabwürdigung mancher Haupt- und Grundlehren der heiligen Schrift und des Christentums‘ zur Last gelegt. Kant lehrte weiter bis 1796, erhielt aber die Weisung, sich religiöser Schriften zu enthalten, da sie deistisches und sozinianisches Gedankengut verbreiteten, das nicht mit der Bibel vereinbar sei. (…).]

Kant wird oft als steifer, an einen regelmäßigen Tagesablauf gebundener professoraler Mensch dargestellt, der von der Pflicht getrieben ganz auf seine Arbeit konzentriert war. Doch dieses Bild ist eine Überzeichnung. Als Student war er ein guter Kartenspieler und verdiente sich mit Billard ein Zubrot zum Studium. Auf Gesellschaften, an denen er gerne teilnahm, galt er als galant, putzte sich mit modischen Kleidern heraus und beeindruckte durch ‚ausgezeichnete Belesenheit und einen unerschöpflichen Vorrath von unterhaltenden und lustigen Anecdoten, die er ganz trocken, ohne je selbst dabei zu lachen, erzählte und durch eigenen ächten Humor in treffenden Repliken […] zu würzen wusste […].‘

Nach eigener Aussage in der Schrift Der Streit der Fakultäten richtete Kant erst, als er jenseits der 40 war und merkte, dass er aus gesundheitlichen Gründen mit seinen Kräften haushalten musste, einen regelmäßigen Tagesablauf ein, (…) Morgens um 4:45 Uhr ließ er sich von seinem Hausdiener mit den Worten ‚Es ist Zeit!‘ wecken und ging um 22 Uhr zu Bett. Zum Mittagessen lud er meist Freunde ein und pflegte die Geselligkeit, vermied dabei aber philosophische Themen. Außerdem machte er täglich zur gleichen Zeit einen Spaziergang. Sein langjähriger Hausdiener war der ausgemusterte Soldat Martin Lampe.

Kant verbrachte nahezu sein ganzes Leben im damals weltoffenen Königsberg, wo er 1804 fast 80-jährig starb. (…).“ 15)

Auch die Stadt Saarbrücken beschäftigte sich mit Emanuel Kant., da dort eine Verkehrsfläche nach ihm benannt ist. Hauptaugenmerk lag hier auf Kants Verhältnis zum Judentum, nicht jedoch auf seine Einstellung zu Frauen. Im Abschlussbericht der Straßennamenkommission des Bezirks Mitte der Landeshauptstadt Saarbrücken heißt es: „‚Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen‘. Muss einer erst durch die Welt reisen, um sie verstehen zu können? Immanuel Kant musste es nicht. Den Großraum Königsberg, seine Heimat in Ostpreußen, hat er nie verlassen. Und verstand die Welt trotzdem wie kaum ein Mensch zuvor. Vor gut 200 Jahren veränderte der seltsame Professor mit seinen Ideen die Philosophie. Immanuel Kant zählt heute zu den bedeutendsten Denkern der Geschichte. Er hat mit seinem Werk ‚Kritik der reinen Vernunft‘ einen Wendepunkt in der Philosophie eingeläutet - die Aufklärung.

Zu seinen herausragenden Werken zählt das 900 Seiten starke im Jahr 1781 veröffentlichte Buch: ‚Die Kritik der reinen Vernunft‘. Dazu vermerkte ein Feature des Bayerischen Rundfunks: ‚Es war der ganz große Wurf. Kant wurde damit berühmt und verdrehte der europäischen Denkerelite den Kopf - auch wenn seine Zeitgenossen mit der sperrigen Lektüre ihre Schwierigkeiten hatten. Sein Grundgedanke hat den ‚Deutschen Idealismus‘ ausgelöst, die wohl größte Epoche der deutschen Philosophie, die in Fichte [Fichtestraße], Schelling [Schellingstraße] und Hegel ihre wichtigsten Vertreter fand. In seiner ‚Kritik der reinen Vernunft‘ untersuchte er die nur aus sich selbst schöpfende, sich nichts aus der Erfahrung holende Vernunft. Er stellt fest, dass die äußeren Gegenstände nicht an sich gegeben sind, sondern erst in unserer Wahrnehmung entstehen: Nur durch das erkennende Subjekt und durch die Rahmenbedingungen von Raum und Zeit erscheinen die Dinge. Dabei unterscheidet er aber zwischen der ‚Welt der Erscheinungen‘ und dem ‚Ding an sich‘. Nur die ‚Welt der Erscheinungen‘ kann der Mensch begreifen. Die ‚Dinge an sich‘ - wozu er die Fragen nach einem Gott und dem Wesen der Seele zählt - kann der Mensch hingegen nur denken, aber nicht erkennen. Mit dem Werk begann seine ‚kritische Periode‘, wobei zu Kants Zeit der Begriff ‚Kritik‘ eher ‚Analyse‘ bedeutete. Es folgten - neben zahlreichen weiteren Schriften – ‚Die Kritik der praktischen Vernunft‘ und ‚Die Kritik der Urteilskraft‘.

Kritisch wird Kants Rolle zu Juden diskutiert, eine Gruppe sieht ihn als Antijudaisten, die andere verneint dies: Beispielhaft dazu, Eva Bucher, die ihn als solchen sieht: ‚War Kant Anti-Judaist? Darauf kann man philosophisch antworten, also nicht biographistisch, sondern systematisch. Denn es ist möglich zu fragen, ob der Autor Immanuel Kant in seinen philosophischen, insbesondere seinen religionsphilosophischen Werken auf systematischer Ebene antijudaistisch argumentiert hat. Und dazu muss man sagen: Ja, das hat er. Diese antijudaistische Bewertung des Judentums geschieht nicht in kontingenter Abwertung einzelner Inhalte oder Lehren des Judentums, sondern als systematische Konsequenz der gesinnungsethischen Rekonzeptualisierung von ‚Religion‘ als ‚Vernunftreligion‘. Damit geschieht diese Abwertung an zentraler Stelle von Kants Religionsphilosophie. Im Streit der Fakultäten von 1798 schreibt Kant: ‚Der jüdische Glaube ist, seiner ursprünglichen Einrichtung nach, ein Inbegriff bloß statutarischer Gesetze, auf welchem eine Staatsverfassung gegründet war; denn welche moralische Zusätze entweder damals schon, oder auch in der Folge ihm angehängt worden sind, die sind schlechterdings nicht zum Judenthum, als einem solchen, gehörig.‘

Da das Judentum, so Kant, statt ‚wahrer Religionsgesinnung‘ bloß ‚Cultus‘ pflege, sei es wie ein ‚Kleid ohne Mann‘, es sei bloß Hülle ohne lebendigen Gehalt. Dieser Beschreibung des ‚jüdischen Glaubens‘ als ‚Inbegriff statutarischer Gesetze‘ steht Kants Beschreibung des Christentums gegenüber: Unter den vielen sogenannten historischen Glaubensarten ist mit Blick auf die eine Vernunftreligion, wie Kant in der Streitschrift formuliert, das Christentum ‚so viel wir wissen, die schicklichste Form‘.

Stärker noch als dem aus Kants Perspektive bereits stark von Aberglaube und ‚Statutarischem‘ durchsetzen Christentum, fehle dagegen dem Judentum ‚die Religion‘ gänzlich.

Um zu verstehen, wie Kant zu dieser Einschätzung gelangt, muss man seinen Religionsbegriff erläutern. In seiner Schrift Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft aus den frühen 1790er Jahren erklärt Kant: ‚Religion ist (subjektiv betrachtet) das Erkenntnis aller unserer Pflichten als göttlicher Gebote.‘ Für Kant liegt das entscheidende Kriterium der philosophischen Satisfaktionsfähigkeit aufgeklärter Religion in ihrer gesinnungsethischen Reinterpretation: Ein Philosophem, das sich der kritischen Auseinandersetzung mit den theologischen Begriffen des Protestantismus verdankt und welches umgekehrt, auch als Produkt dieser Genese, den Protestantismus normativ privilegiert. Das protestantische Christentum kommt unter den historischen Glaubensarten der Vernunftreligion am nächsten, so Kant.

Die Ausprägung einer spezifischen Form jüdischer religiöser Rationalität, nämlich dessen, was heute als Orthopraxis bezeichnet wird, wird so zu Defizienz abgewertet und steht darin zentral in antijudaistischer, christlicher Tradition. Diese antijudaistische Interpretationstradition des Judentums denunziert auf dualistische Weise die religiöse Orthopraxis und religiöse Observanz jüdischer Gesetze als hohle, äußerliche Geste gegenüber dem Handeln aus christlicher Nächstenliebe und innerlicher religiöser Gesinnung. Jürgen Habermas hat Kants Religionsphilosophie treffend als Projekt der ‚rettenden Aneignung‘ bezeichnet. Gerade im aufklärerisch-kritischen Versuch der ethischen Reformulierung und Universalisierung von theologischen Begriffen wie dem der Religion privilegiert Kant nicht nur ein christliches, spezifisch protestantisches Konzept von ‚Religion‘, sondern trägt in sich Zentralbestände eines antijudaistischen theologischen Erbes der hochproblematischen Unterscheidung von Innerlichkeit und Äußerlichkeit, von ‚wahrer‘ Frömmigkeit und ‚bloßer‘ Äußerlichkeit. Aufklärung sollte vor der Kritik der aufklärerischen Kritik nicht halt machen. Genau deswegen ist es wichtig festzuhalten: Einige von Kants religionsphilosophischen Überlegungen stehen in langer antijudaistischer Tradition, auch wenn sie von einem universalistischen, aufklärerischen Motiv angetrieben sein mögen. Das muss genauso erwähnt werden wie Kants religionsphilosophische Forderung nach der Institutionalisierung von universitärer Kritik an Religion und sein Interesse an der Haskala, der jüdischen Aufklärung. Die genealogische, systematische und historische Ambivalenz aufklärerischer Diskurse zu thematisieren, bedeutet Aufklärung nicht zu historisieren, sondern ernst zu nehmen. Vor allem aber wird diese Argumentationsfigur Kants, die sich bis heute in der Bewertung von Orthopraxie hören lässt, einem entscheidenden Phänomen von Religion nicht gerecht: ihrem faktischen Binnenpluralismus. Denn heute, wie auch bereits zu Kants Zeiten, stehen neben der Orthopraxie auch andere religiöse und reflexive Rationalitätsformen.Dem gegenüber die Position von Jakub Sirovátka, Associate Professor am Department of Philosophy and Religious Studies der Theologischen Fakultät an der University of South Bohemia in České Budějovice: ‚Immer wieder taucht der Vorwurf auf, Kant sei ein Anti-Judaist (oder sogar ein Antisemit) gewesen. Jeder große Denker, der seiner Zeit in einer bestimmten Hinsicht voraus ist, bleibt trotzdem auch ein Kind seiner Zeit. Keiner von uns kann aus seiner Zeit heraustreten und keiner von uns kann einem gewissen ‚Pespektivismus‘ der jeweiligen Zeit entgehen. Oft werden solche Verengungen nachträglich von der darauffolgenden Epoche festgestellt. Den eigenen Vorurteilen vermag sich jedoch keine Zeit zu entziehen. Dies gilt selbstverständlich auch für Kant. So finden wir in seinem Werk auch Vorurteile gegenüber der jüdischen Religion oder gegenüber dem jüdischen Volk, die in der damaligen Zeit verbreitet gewesen sind.

Trotzdem möchte ich behaupten, dass Kant zwar bestimmten Vorurteilen verhaftet blieb, jedoch kein Anti-Judaist war. Man muss erstens daran erinnern, dass Kant in seinem Leben mit etlichen jüdischen Männern freundschaftlich verbunden war, wie z.B. mit dem jüdischen Arzt Marcus Herz oder Moses Mendelssohn. Die stärksten antijüdischen Vorwürfe gegenüber Kant sind mit seinem religionsphilosophischen Denken verbunden. Und in der Tat wird die jüdische Religion wiederholt als eine bloß ‚statutarische Religion‘ bezeichnet, die als solche ‚Religionswahn‘ und ‚Afterdienst Gottes‘ darstellt. Und diese ‚statutarische‘, auf die Befolgung von bestimmten Regeln bedachte Religion soll auf eine moralische Religion hin überwunden werden (in diesem und keinem anderen Sinne muss auch das Wort Kants von der ‚Euthanasie des Judentums‘ gelesen werden). Dabei wird jedoch leicht übersehen, dass Kant diese Kritik gegenüber allen Religionen anwendet. Dieselbe Argumentation, die Kant gegenüber dem Judentum benutzt, verwendet er auch gegenüber dem Christentum. Zwar hält Kant die christliche Religion für die moralischste Religion von allen, jedoch auch sie trifft der Vorwurf, sie praktiziere ‚Afterdienst Gottes‘, falls sie nur auf der Einhaltung der Regeln pocht und nicht auf die Änderung des Herzens abzielt. Außerdem soll man sich in Erinnerung rufen, dass Kant sogar die ‚Statuten‘ in einer gewissen Hinsicht für unerlässlich hält, da der Mensch offensichtlich nicht ohne Stütze auf einem rein moralischen Pfad zu wandeln vermag. So gesehen sind religiöse Regeln aus anthropologischer Sicht nötig, sie sollen jedoch auf eine Religion hin überwunden werden, die alleine auf die Änderung der Gesinnung und des Verhaltens abzielt. Das Ideal wäre ein rein tugendhafter Mensch, dessen Wille sich in einer völligen Übereinstimmung mit dem Moralgesetz befindet. Kant weiß aber sehr gut, dass es einen solchen Menschen nicht faktisch geben kann. Abschließend soll auch festgehalten werden, mit welcher Inbrunst und welcher Überzeugung Kant in seinen Schriften von der absoluten Gleichheit aller Menschen ausgeht. Und diese Gleichheit betrifft sowohl ihre Rechte als auch ihre moralische Bestimmung. Das Diktum vom Menschen ‚als Zweck an sich selbst‘ – dieser Endzweck macht seine Würde aus – gilt für Kant ohne eine einzige Ausnahme! Fazit: Aus Kants Vorurteilen gegenüber der jüdischen Religion mag eine sachliche Unkenntnis sprechen, die jedoch aus der heutigen religionswissenschaftlichen Perspektive festgestellt werden kann. Sicherlich finden wir bei Kant einige Ressentiments gegenüber dem Judentum wie bei etlichen seiner Zeitgenossen. Kant war jedoch kein Anti-Judaist. Genauso wie heute viele Menschen im westlichen Europa Vorurteile gegenüber ‚den Amerikanern‘ haben. Und trotzdem bin ich davon überzeugt, dass sie im Grunde keine Anti-Amerikaner sind.‘

Beurteilung Stadtarchiv/Hr. Dr. Herrmann GRÜN/Keine Umbenennung
Kant ist eine herausragende Person deutscher Geistesgeschichte, sie ist natürlich mit all ihren Facetten im zeitlichen Kontext zu sehen. Die Dimension eines Kant unterstellten Antijudaismus rechtfertigt weder ein Gelb noch ein Rot.

‚Kant gilt (...) als Vordenker der Aufklärung, einem philosophischen Zeitalter, weil er in seinen Schriften dazu aufrief, sich von jeglichen Anleitungen (wie Gott) zu lösen und Verantwortung für sein eigenes Handeln selbst zu übernehmen. Dazu stammt ein weiteres berühmtes Zitat von ihm: ‚Was du nicht willst, dass man dir tut - das füg auch keinem andren zu.‘ Er schrieb außerdem, dass es keine Beweise für Gott gäbe und freies Denken erlaubt sein sollte. Streng Gläubige, wie sie für dieses Zeitalter gewöhnlich waren, hielten seine Aussagen für eine Herabwürdigung der heiligen Schrift und des Christentums und verbaten ihm, sich weiter auf Religion zu beziehen. Jahre nach seinem Tod (1827) wurden seine Schriften vom Vatikan sogar auf das Verzeichnis verbotener Bücher gesetzt. Doch Kant ließ trotz zunehmender Verbote nicht von seinem Ansatz ab. Er setzte sich mit immer neuen Werken für ein Umdenken ein. 1804 starb Immanuel Kant im hohen Alter von 80 Jahren in seiner Geburtsstadt Königsberg. Angeblich sollen seine letzten Worte ‚Es ist gut‘ gewesen sein. Nach seinem Tod wurden Kant zu Ehren viele Denkmäler errichtet. Die Ende des 17. Jahrhunderts begonnene geistesgeschichtliche Epoche - die Aufklärung - ist insbesondere auf Immanuel Kant zurückzuführen. In dieser Zeit organisierten sich einige Staaten, wie Frankreich im Rahmen der Französischen Revolution, komplett um. Gottgegebene Staatsformen wie die Monarchie wurden erstmals in Frage gestellt. (....).“ 16)