Kaspar-Ohm-Weg
Wellingsbüttel (1950): nach der Erzählung „Kaspar Ohm un ick“ von John Brinckman.
Vor 1950 hieß die Straße Herzog-Widukind-Straße. Bereits in der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Kaspar-Ohm-Weg umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen kam. Bedingt durch den Krieg kam es nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1950 bei Herzog-Widukind-Straße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)
John Brinckmans Erzählung „Kasper Ohm un ick“ (nicht Kaspar) erschien erstmals 1885 bei Opitz & Comp. in Güstrow als zweites Heft der von John Brinckman herausgegebenen Plattdeutschen Stadt- und Dorfgeschichten in der Reihe „Aus dem Volk für das Volk“. 1867/68 wurde das Werk durch neue Episoden um das Sechsfache erweitert herausgegeben.
Im Vorwort zu „Kasper Ohm un ick“ heißt es: „In dem Genrestück ‚Kasper-Ohm un ick‘ versuchte der Verfasser gewisse Familienüberlieferungen zur Darstellung eines Charakterbildes zu verwerthen. Man meine nicht, er habe eine bestimmte Rostocker Person zu zeichnen beabsichtigt (…). Er wollte vielmehr den grotesken Typus einer verschwundenen Race, den baltischen Seemann des vorigen Jahrhunderts, der in seiner specifischen Erscheinung eine Tiergestalt ist und in gewisser Beziehung in die Captain Kearney und Tom Bowling-Kategorie gehört, zu einem einheitlichen Bilde skizziren (…).“ 1)
Kasper Ohm, die Hauptfigur, macht: „als selbst ernannter, ebenso überheblicher wie untauglicher Erzieher (…) mit seinen Erziehungsversuchen fast alles falsch. Aus seinem Zögling Andrees wird gleichwohl und gerade wegen seiner Streiche ein ganzer Kerl“, 2) schreibt Hartwig Suhrbier.
Die Handlung beschreibt Hartwig Suhrbier u. a. wie folgt: „Andrees, Kapitän im Ruhestand erzählt einem Kreis junger Leute Geschichten aus seiner Jugendzeit um 1800. (…) Andrees berichtet von Ereignissen in Familie und Nachbarschaft und von – ziemlich harmlosen – Jugendstreichen. Sein Onkel Kaspar sucht ihm Manieren beizubringen. (…)
Der längere Schlußteil schildert die Befreiung eines zu Unrecht zum Tode verurteilten Tambourmajors der französischen Besatzungstruppen durch den heran gewachsenen Andrees und seine Freunde. Dabei können sie jene Eigenschaften einsetzen, die sie bei ihren Streichen eingeübt haben – Gemeinschaftsgeist und Verläßlichkeit, Gewandtheit und Scharfsinn, Zielorientierung und Ausdauer – und bewähren sich als ganze Kerle. (…)
Grotesk-komisch erscheint Kasper-Ohm, weil er über Familien-Geschichten und Stadt- Geschichten in seemännischen Vergleichen und Fachausdrücken spricht (…). Über seine Erlebnisse auf See fabuliert er großsprecherisch (…).
Eingebettet in die humoristische Grundstimmung des Werkes sind satirische Seitenhiebe vor allem gegen Gelehrte und Geistliche. (…).“ 3)
In der erweiterten Fassung von „Kasper Ohm un ick“ wird über ein Jahrmarkttreiben in Rostock erzählt, wobei John Brinckman auch zwei „Mynjungfruwens“ in einer Waffelbude beschreibt, die von den sich auf dem Rostocker Pfingstmarkt vergnügenden Jungmatrosen als ihnen bekannte Frauen vom „Hamburger Berg“ erkannt werden. Damit wird dem kenntnisreichen Leser verdeutlicht, um „was für Frauen“ es sich handelt. Dazu Hartwig Suhrbier: „Daß Liebesdienerinnen vom Hamburger Berg zum Rostocker Pfingstmarkt kamen, um ihre Dienste anzubieten, war den Rostockern bekannt; auch Kasper-Möhme, die Tante von Andrees, weiß darüber Bescheid. Deshalb widerspricht sie entschieden, als ihr Mann Kasper-Ohm des Abends neben Andrees auch Gretchen, die noch nicht konfirmierte Tochter, auf den Pfingstmarkt mitnehmen will. (…).“ 4)
Von der fünften Auflage (ab 1894) an, so Hartwig Suhrbier, wurde die Anmerkung der Matrosen, die Frauen seien „van den Barg“, gestrichen, da diese Aussage für moralisch bedenklich gehalten wurde.
Zur Person John Brinckman
John Brinckman (3.7.1814 Rostock- 20.9.1870 Güstrow) war der Sohn von Anna Catharina Brinckman, geborene Ruthen und des Kaufmanns Michael Brinckman. Er hatte noch acht Geschwister. Als er zehn Jahre alt war, verunglückte sein Vater auf einer Schiffsreise. Die Mutter erzog die Kinder nun in wirtschaftlich bescheideneren Verhältnissen.
John Brinckman studierte In Rostock zwischen 1834 und 1838 Jura und verließ die Universität ohne Abschluss. Während des Studiums wurde Brinckman 1838 „wegen Stiftung eines verbotenen Vereins“ zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Er bat den Großherzog um Begnadigung, die ihm 1839 gewährt wurde.
Zwischen 1839 und 1842 lebte Brinckman in Amerika, kehrte nach einer Gelbfieberinfektion nach Deutschland zurück und zog auf Anraten seines Arztes aufs Land nach Lohmen zu seinem Studienfreund Pastor Gustav Adolf Wilhelm Lierow.
„Bei einem Besuch des Bruders seines Freundes, Ludwig Lierow, der im Dobbertiner Klosteramt als Amtsaktuar, als Amtsschreiber tätig war, lernte er am 18. Mai 1842 die damals einundzwanzigjährige, lebenslustige Goldberger Arzttochter Elise Burmeister kennen, die im Hause des Amtsaktuars als Erzieherin wirkte.“ 5)
Brinckman war in der Folgezeit als Hauslehrer tätig und ab 1846 in Goldberg als Leiter der Goldberger „Honoratorenschule“. Im selben Jahr, als er diese Stelle übernahm, heirateten John Brinckman und Elise Burmeister.
„Als Mitglied des Goldberger Reformvereins und als Verfasser scharfer satirischer Gedichte gegen den konservativen Gutsbesitzeradel engagierte er sich in der Revolution in Mecklenburg (1848). Brinckman und Fritz Reuter [siehe: Fritz-Reuter-Straße] nahmen am ersten mecklenburgischen Reformtag in Güstrow teil.“ 6)
Da Brinckman sich politisch und auch publizistisch im demokratischen Sinne betätigte und die Missstände in Staat und Kirche thematisierte, waren die Eltern seiner Schüler bald gegen ihn eingestellt. „Den offenen Auseinandersetzungen in Goldberg aus dem Wege gehend, bewarb er sich auf eine freiwerdende Stelle an der Bürger- und Realschule in Güstrow. Am 20. September 1849 wurde Brinckman nach einer gelungenen Probelektion als interimistischer Hilfslehrer eingestellt. (…).
Oft musste er um Zulagen bitten; denn zur Familie gehörten nicht weniger als zehn Kinder. Brinckman lehrte Englisch, Französisch und Latein und gab Privatstunden in Spanisch. Als Abgeordneter des Bürgerausschusses setzte er sich 1856 bis 1862 für bessere Schulverhältnisse ein.
Seit 1854 veröffentlichte John Brinckman plattdeutsche Gedichte und Erzählungen, die ihn zunehmend bekannt machten. Der Erfolg seiner Werke stellte sich erst nach seinem Tode ein.“ 7)
Elise Brinckman (24.2.1821-15.11.1904) zog nicht nur die Kinder auf; sie verkraftete auch die vielen Schwangerschaften und Geburten, führte den Haushalt und übernahm auch noch die Arbeit in dem Pensionat, das ihr Mann für siebzehn Pensionskinder eingerichtet hatte und das zum finanziellen Überleben der Familie Brinckman notwendig war.
Als Hilfe hatte Elise Brinckman zwar eine Köchin, doch es mussten schließlich täglich für über 20 Personen drei Mahlzeiten zubereitet werden. Darüber hinaus war Vorratswirtschaft zu betreiben, die Schüler mussten bei den Hausaufgaben beaufsichtigt und John Brinckman bei seinen schriftstellerischen Arbeiten unterstützt und bekräftigt werden.8)
Nach dem Tod ihres Mannes, der im Alter von 56 Jahren verstarb, führte sie das Pensionat weiter, um damit ihren Lebensunterhalt und den ihrer unmündigen Kinder zu bestreiten.
Elise Brinckman verfasste ein handschriftliches Kochbuch, dass 1999 unter dem Titel „Die norddeutsche Küche von Elise und John Brinckman.Transkribiert und kommentiert von Wolfgang Müns“ erschien. Darin sind auch Rezepte, die in John Brinckmans Buch „Kasper Ohm un ick“ erwähnt werden, aufgeführt.