Fritz-Reuter-Straße
Bramfeld (1890): Fritz Reuter (7.11.1810 Stavenhagen – 12.7.1874 Eisenach), Schriftsteller
Siehe auch: Dethlefstwiete und Wuthenowstraße
Siehe auch: Boßdorfstraße
Siehe auch: Bräsigweg
Siehe auch: Klaus-Groth-Straße
Siehe auch: Langbehnstraße
Siehe auch: Ohnsorgweg
Siehe auch: Havermannstieg
Siehe auch: Nüßlerkamp
In der NS-Zeit wurde die Straße umbenannt in Planettastraße und nach der Befreiung vom Nationalsozialismus gleich rückbenannt in Fritz-Reuter-Straße. (vgl: Staatsarchiv Hamburg 131-14, III 2 Bd. 2. Verbindungsstelle zur Militärregierung III 2 Band 2. Briefe des Bürgermeisters an die Militärregierung, Kopien für das Bürgermeisteramt 18.8.1945 – 19.9.1945: Der Bürgermeister der Hansestadt Hamburg 18.9.1945 an die Militärregierung. Subject: Rückbenennung vorheriger Straßennamen, die von den Nationalsozialisten benannt wurden.)
Otto Planetta (2.8.1899 Wischau/Südmähren – 31.7.1934 Wien) trat 1930 der NSDAP bei „und gründete (…) den ‚Deutschen Soldatenbund zur Erfassung der Nationalsozialisten im österreichischen Bundesheer‘ [mit]. Als Arbeitsloser war er später führend an der Aufstellung der SS-Standarte 89 (…) beteiligt.
Zu Beginn des Juliputsches gab Planetta am 25. Juli 1934 einen der beiden tödlichen Schüsse auf den damaligen österreichischen Bundeskanzler Engelbert Dollfuß ab.“ (Wikipedia: Otto Planetta, unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Planetta (abgerufen: 4.1.2024)
Am 31.7.1934 wurde er hingerichtet. „Nach dem ‚Anschluss Österreichs‘ 1938 wurde Planetta zum ‚Ostmärkischen Freiheitshelden‘ hochstilisiert“ (ebenda) und viele Straßen nach ihm benannt.
„Reuters Vater war Bürgermeister und Stadtrichter in Stavenhagen. Zugleich unterhielt er eine große Landwirtschaft und ein florierendes Brauereiunternehmen. Die Mutter war nach der Geburt eines zweiten Kindes gelähmt und starb bereits, als Fritz fünfzehn Jahre alt war. Zu seiner Mutter soll er ein inniges Verhältnis gehabt haben. Ihr früher Verlust hat sich bei ihm vermutlich als lebenslanges Trauma ausgewirkt, ein Grund wohl für seine periodisch wiederkehrende Alkoholkrankheit. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn war konfliktreich. Der Vater hatte für die künstlerische Veranlagung des Sohnes kein Verständnis, sondern wollte ihn zu seinem Nachfolger formen. Darum dirigierte er ihn ins Jurastudium und ließ ihn dabei überwachen. Das konnte nicht gut gehen. Zweimal ist Reuter im Studium gescheitert, schließlich hat der Vater den Sohn so gut wie enterbt,“1) berichtet Christian Bunner.

Fritz Reuter wurde in Treptow Lehrer für Turnen und Zeichnen. Mit seiner plattdeutschen Gedichtsammlung „Läuschen un Riemels“ wurde er 1853 bekannt. Ab 1856 lebte Reuter als freier Schriftsteller. Zuletzt wohnte er mit seiner Frau in Eisenach.
Fritz Reuter war verheiratet mit Luise, geb. Kuntze (1817-1894), Tochter eines Theologen und dessen Ehefrau, der als Rektor arbeitete. Sie war das Älteste unter zehn Kindern und schon früh mit häuslichen Arbeiten betraut. „Luises sehr frühe Einbindung in häusliche Arbeiten ist notwendig, selbstverständlich – älteste Töchter werden schon aus Angst vernünftig! – und verfehlt ihre Wirkung auf die Charakterbildung nicht. Es gibt keine andere Möglichkeit als das Entwickeln von Pflichtbewußtsein und Vernunft.“2) Luise Kuntze wurde Kindererzieherin. Im Alter von 26 Jahren nahm sie eine Stelle beim Pfarrer Augustin in Rittermannshagen an, um dort die Kinder des Hauses zu erziehen. Dort lernte sie Fritz Reuter kennen, der auf dem nahegelegenen Gut des Gutspächters Rust eine Anstellung gefunden hatte. Fritz Reuter verliebte sich in Luise und hielt um ihre Hand an. Doch Luise zögerte, denn Fritz Reuter war damals schon alkoholkrank, außerdem ein ehemaliger politischer Festungsgefangener, ohne gesicherte Existenz und enterbt. Doch schließlich verlobten sich die beiden 1847.
In ihrer Brautzeit musste Luise mehrmals erleben, dass Fritz Reuter wegen seiner Trunksucht ins Krankenhaus gebracht werden musste. So 1848: „Das Frühjahr 1848 verbringt sie [Luise] wieder zu Hause in Roggenstorf; die heftigen Kopfschmerzen, unter denen sie ihr Leben lang leiden wird, machen sie zuweilen hilflos, jede Bewegung bereitet ihr Qualen. Fritz, der inzwischen im Stavenhagener Reformverein ein ‚arger Politiker geworden ist‘, (…) macht sich Sorgen um seine Braut. Doch jetzt kann er nichts für sie tun, er will nach Schwerin, dem Außerordentlichen Landtag beiwohnen. Dort verfällt er wieder einmal seinem alten Leiden, liegt vom 5. bis zum 30. Mai im Schweriner Krankenhaus, eingewiesen wegen Säuferwahnsinns; bei der Entlassung notiert man: ‚…, sprang aus Nr. 14 zum Fenster heraus.‘ Luise ist bitter enttäuscht, denkt über ihren Entschluß nach, zögert, und wieder beschwört Fritz sie, fleht sie an, sich nicht von ihm abzuwenden, bettelt um ihre Liebe (…),“ 3) schreibt Cornelia Nenz in ihrem Buch „Auf immer und ewig Dein Fritz Reuter. Aus dem Leben der Luise Reuter“.
Luise verzieh ihm, wie sie dies später noch viele hundert Male tat und heiratete ihn 1851.
Nach der Hochzeit trug Luise durch Unterricht in französischer Sprache und in Musik zum Lebensunterhalt bei. „Reuter als Stadtverordneter [in Tretow] verkehrt mit allen wichtigen Leuten im Ort, er wird geachtet, mit ihm auch sie. Luise ist eins mit ihrem Mann und seiner Arbeit, teilt seinen Erfolg und den Mißerfolg, ist erstes – freundliches – Publikum für seine Werke. Mehr und mehr wird sie auch einbezogen, denn sie besorgt das überaus lästige, doch so notwendige Korrekturlesen.“ 4) Später übernahm sie auch die sehr umfangreiche Korrespondenz.
Langsam wurde Reuter als Schriftsteller bekannt und hatte Erfolg. Doch über eines war das Ehepaar sehr betrübt: es blieb kinderlos. „Luise fühlt sich schuldig. (…) sicher ist allein sie dafür verantwortlich. Die meisten Leute denken so. Sie versagt, sie schenkt ihrem Mann kein Kind. Die bedauernden Gesichter der Freunde sind schwer zu ertragen, die heimlichen Tuscheleien und gehässigen Bemerkungen der Neubrandenburger Gesellschaft noch weniger. Doch sie hat ja Fritz, der weiß sie zu schätzen, auch ohne Kind,“ 5) so Cornelia Nenz.
Trotz seiner vielen Versprechen, mit dem Trinken aufzuhören, Fritz Reuter konnte es nicht. „Wer kann ermessen, was sie aushält in der trauten Zweisamkeit mit dem genialen glänzenden Unterhalter, wenn er ‚krank‘ ist! (…). Sanitätsrat Dr. Witthauer, Eisenach, schreibt 1895: ‚ Seine Krankheit, in welcher ich ihn zuweilen gesehen, war nichts andres als ein hochgradiger Katzenjammer und zwar nachdem er etwa 8 Tage lang jeden Tag flott Wein gezecht hatte (bis zu 8 Flaschen pro Tag), (…). Kolossales Erbrechen, Würgen, selbst blutiges Erbrechen (…).“ 6) Luise, die ihren Ehemann in solchen Situationen pflegte, gönnte sich nach den überstandenen Qualen ein neues Kleid.
Je erfolgreicher und bekannter Reuter als Schriftsteller wurde, desto mehr Verehrerinnen besuchten ihn und schrieben lange Briefe. Und Fritz Reuter? Er trank weiter und wurde immer stärker alkoholkrank. Luise musste immer öfter Besuchende abwimmeln, weil Reuter nicht in der Lage war, sie zu empfangen. Nach einem 1874 erlittenen Schlaganfall starb Fritz Reuter wenige Monate später.
Als Witwe hatte Luise Reuter ein gutes finanzielles Auskommen aus den Einnahmen von Reuters Werken und aus gekauften Aktien. „Der Neid der Eisenacher, besonders der weiblichen Gesellschaft, auf die Frau, die vorher ‚die nächste zu Fritz Reuter‘ war und nun so vermögend ist, grassiert,“ 7) kommentiert Cornelia Nenz.
Luise Reuter gab Geld und half, wo es nötig war. „Sie unterstützt ihre Geschwister und deren Kinder, finanziert die Ausbildung des Enkelsohns der Frau Voß, einer entfernten Cousine, spendet einen ansehnlichen Betrag zur Erneuerung und Ausstattung der Kirche St. Georg in Eisenach, will dabei aber ihren Namen nicht genannt wissen. (…) Wenig Liebe hat Luise geerntet in Deutschland. Je ausufernder der Kult um Reuters Werk und seine Person sich gestaltete, desto tiefer sank die Frau in der Achtung des Volkes. Fast jede Stadt in Norddeutschland hat eine Straße, einen Platz, eine Schule nach dem großen Mecklenburger benannt. An Luise erinnert eine Straße in Deutschland: der Lowise-Reuter-Ring“ in Berlin-Britz. (…) Wir verdanken Luise viel. Sie war ihrem Mann Muse, Geliebte, Haushälterin, Krankenpflegerin. Sie war ihm Ruhepol, Kraftquell und Heimat. Die schönsten wertvollsten Werke der niederdeutschen Literatur wären ungeschrieben geblieben, hätte sie ihm nicht immer mal wieder dat Winglas bisid bröcht,“ 8) resümiert Cornelia Nenz.
Fritz Reuters politische Einstellung
Holger Teschke widmete sich in seinem, am 28.10.2010 in der Nordwest Zeitung unter der Überschrift „Politische Töne bei Onkel Bräsig“ erschienenen Artikel mit der politischen Einstellung Fritz Reuters. Während seines Studiums war Reuter „Mitglied der Burschenschaft ‚Germania‘ und diskutierte mit seinen Kommilitonen über demokratische Reformen, die der Willkür des Adels ein Ende bereiten und einer konstitutionellen Monarchie den Weg ebnen sollten. Nach dem Sturm auf die Frankfurter Hauptwache im April 1833 griffen die Regierungen in ganz Deutschland gegen die Burschenschaften durch. Reuter wurde am 31. Oktober 1833 in Berlin verhaftet, wegen Hochverrats angeklagt und zum Tode verurteilt.
Erst nach vier Jahren Haft wandelten die preußischen Richter das Urteil in eine 30-jährige Festungsstrafe um. Im August 1840 wurde der unschuldig Verurteilte durch die Intervention einflussreicher Freunde begnadigt.“ 9)
Holger Teschke weist Reuters politische Einstellung in dessen ersten Romanversuch ‚Der Herr von Hakensterz‘ nach, in dem Reuter schreibt: „‚Du bist krank, mein Vaterland, sehr krank! Kommt nur alle her in den durchgetretenen Pantoffeln eurer Gemeinplätze und der müffigen Nachtmütze eurer Philisterweisheiten und werft mir Sozialismus und Kommunismus vor und schimpft mich Wühler und Aufhetzer und roten Republikaner.‘“ 10)
„Seine radikalste Kritik an den sozialen Verhältnissen“,11) so Holger Teschke, zeigte sich in „Reuters Arbeit zu ‚Kein Hüsung‘. Doch trotz seiner Erfolge änderte sich an den politischen Verhältnissen in Norddeutschland wenig. (…).
In seinen Briefen kann man nachlesen, dass er auch im Alter den Idealen der Jugend nicht abgeschworen hatte. ‚Da sitz ich nun schon an die dreißig Jahre, bis mir das Haar grau geworden ist und warte auf eine tüchtige Revolution, in der sich der Volkswille einmal energisch dokumentieren soll, aber was hilft’s?‘, schrieb er an seinen Festungskameraden Wilhelm Wolff. (…).“ 12)
Fritz Reuter und Antisemitismus
Der Historiker Felix Sassmannshausen schreibt in seinem für das Land Berlin verfassten Dossier über Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin: „In seinen Schriften bediente Fritz Reuter antijüdische Klischees und frühantisemitische Stereotype.“ 13) Sassmannshausen gibt die Handlungsempfehlung für den Umgang mit diesem Straßennamen: „Dünne Quellenlage, weitere Forschung, gegebenenfalls Kontextualisierung.“14)