Kerschensteinerstraße
Harburg (1950): Prof. Dr. Georg Kerschensteiner (29.7.1854 München - 15.1.1932 München), Stadtschulrat, Prof. in München.
Vor 1950 hieß die Straße Karlstraße. In der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Iglauer Straße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen gekommen war. Bedingt durch den Krieg kam es aber nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1950 bei Karlstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)
Georg Kerschensteiner war der Sohn von Katharina Kerschensteiner und des Käsehändlers Anton Kerschensteiner.1)
In Wikipedia heißt es über Kerschensteiners Herkunft und Jugend: „Ab seinem sechsten Lebensjahr besuchte er die Heiliggeist-Pfarrschule in München. Er wurde mit acht Jahren wegen Bandendiebstahls in Arrest genommen. 1866, im Alter von zwölf Jahren, folgten Präparandenschule und Königliches Lehrseminar, von 1871 bis 1873 die Arbeit als Dorfschulgehilfe (…) 1874 verließ Kerschensteiner auf eigenen Wunsch den Schuldienst und nahm Privatunterricht, besuchte die beiden letzten Klassen eines Gymnasiums und verdiente sich seinen Lebensunterhalt durch Musikunterricht. 1877 bis 1880 studierte er Mathematik und Physik an der Technischen Hochschule München, 1880 bis 1883 an der Ludwig Maximilians-Universität mit abschließender Promotion.“ 2)
Kerschensteiner arbeitete von 1883 bis 1885 als Lehrer an höheren Schulen. 1885 heiratete er im Alter von 31 Jahren die damals 27-jährige Sophie Müller (1858-1915). Kurz hintereinander kamen zwei Söhne auf die Welt. 1895 wurde er in München Schulrat.
„Von Anfang an pflegte K. durch Wandern, Schwimmen und Schlittschuhlaufen den Kontakt mit seinen Schülern. Er erlebte eindrucksvoll die Sinnlosigkeit des reinen Wortunterrichts in Naturkunde und Naturlehre, woraus er dann später bei seiner schulorganisatorischen Tätigkeit die Konsequenz durch Schaffung von Schulgärten, Aquarien, Terrarien und chemischen sowie physikalischen Experimentiermöglichkeiten zog. Dazu gab ihm seine Tätigkeit als Stadtschulrat und Schulkommissar in München (1895–1919) Gelegenheit, die er bis zum letzten ausschöpfte (…).
Der anfängliche Widerstand der Herbart-Zillerschen Richtung innerhalb der Lehrerschaft wurde merklich geringer, als K. 1901 den 1. Preis der Erfurter Akademie der Wissenschaften mit der Beantwortung der Frage gewann: ‚Wie ist unsere männliche Jugend von der Entlassung aus der Volksschule bis zum Eintritt in den Heeresdienst am zweckmäßigsten für die bürgerliche Gesellschaft zu erziehen‘? (auch unter dem Titel: ‚Staatsbürgerliche Erziehung der deutschen Jugend‘, (…)). K. blieb sein Leben lang Verfechter einer stark von den politischen Verhältnissen seiner Zeit abhängigen staatsbürgerlichen Erziehung, die im Gegensatz zu der bis dahin vertretenen reinen Rezeption von Wissensstoff die Schüler im Sinne einer ‚Charaktererziehung‘ zu aktivieren versuchte. Sein persönliches politisches Engagement zeigte sich in seiner Tätigkeit als Abgeordneter der Freisinnigen Volkspartei im Reichstag (1912–18)“, 3) schreibt Ludwig Englert in der Neuen Deutschen Biographie über Kerschensteiner.
Kerschensteiner baute in München ein fachlich gegliedertes Berufsschulwesen auf. Er nahm eine führende Stellung unter den Schulreformern ein und bekleidete diverse Ämter. So war er z. B. „1908 Mitbegründer des Bundes für Schulreform, 1915 Mitglied des Deutschen Ausschusses für Erziehung und Unterricht, 1926 Präsident des Pädagogischen Kongresses in Weimar“. 4)
Ludwig Englert berichtet: „Der Schwerpunkt der reformerischen Tätigkeit K.s liegt auf dem Gebiet der Arbeitsschule, (…). Im Gegensatz zur Buchschule wollte er die Eigeninitiative und Eigentätigkeit der Schüler durch Schulwerkstätten, Arbeitsgemeinschaften und Selbstverwaltung sowie durch Eingehen auf ihre praktischen Interessen fördern. In den Lehrplänen für die Mädchen folgte K. den zeitbedingten Vorstellungen von der gesellschaftlichen Rolle der Frau.“5)
1915 starb Kerschensteiners Frau im Alter von 57 Jahren. Seine beiden Schwiegertöchter zogen zu ihm und führten ihm den Haushalt. Dies brauchten sie nicht lange zu tun, denn zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau heiratete der 63-Jährige 1917 die damals 47-jährige Dr. phil. Marie Dürr, geborene Borst (1870-1954), Witwe des Philologen und Psychologen Ernst Dürr. Sie war Pädagogin. Psychologin, Prosaistin und Übersetzerin.
Ein Jahr nach der Hochzeit trat Kerschensteiner 1918 von seinem Amt als Schulrat zurück und wurde in München Honorarprofessor für Pädagogik.
Ludwig Englert kommt zu dem Schluss: „Er war ein genialer Praktiker und Organisator (…). Obwohl den gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen seiner Zeit verhaftet, war er – eine fundamental soziale und ästhetische Natur – mit einigen seiner Ideen seiner Zeit weit voraus: So sind seine Warnungen vor Verschulung und ‚Verkopfung‘, das heißt einseitiger Intellektualisierung des Bildungswesens, sein Eintreten für eine durch angemessene Pflege des Musischen den ganzen Menschen erfassende Erziehung, seine Grundkonzeption der Erwachsenenbildung – K. war der Begründer des Bayerischen Volksbildungsverbandes (1906) – auch heute noch aktuell, ebenso wie seine humanistische und demokratische Einstellung und seine Vorstellungen über die Erziehung und Bildung der 15-18-jährigen bei den Erörterungen über die Hinführung zur Arbeitswelt und der beruflichen Bildung. 6)
In Hamburg gibt es eine Georg-Kerschensteiner-Grundschule. Hier heißt es über den Namensgeber der Schule: „Selbstständigkeit im Unterricht war für ihn ein wichtiges Prinzip. Er forderte, dass die Schüler eigentätig lernten und nicht nur vorgetragen bekamen. Sie sollten etwas tun, nicht bloß zuhören. Dafür sollte der einseitige ‚Bücherunterricht‘ verkürzt werden. Was heute unter dem Begriff ‚learning by doing‘ oder ‚Lernen mit Hand und Fuß‘ schon in unserem Schulprogramm galt, ist auf sein Verständnis von Unterricht gegründet. Kerschensteiner führte den Handfertigkeitsunterricht (Werkstattunterricht) ein, förderte den naturwissenschaftlichen Unterricht und die Kunsterziehung und rückte die Charakterbildung in den Mittelpunkt der Schulerziehung. Er war ein großer Kämpfer für die Eigenbewertung. Dabei sollten die Schüler sich selbst beurteilen und so Verantwortung übernehmen und ihren Charakter bilden.
In seinen Schriften bemühte sich Kerschensteiner u. a. um den Begriff der Bildung. Diese werde nur durch jene Kulturgüter ermöglicht, deren Inhalte der jeweiligen Entwicklungsstufe des Schülers entsprächen. Echte Bildung, die zugleich Charakterbildung sei, könne auch durch Berufserziehung verwirklicht werden.“7)
Kerschensteiner und Mädchenbildung
Ludwig Englert weist darauf hin, dass Kerschensteiner was die Mädchenbildung anbelangt „den zeitbedingten Vorstellungen von der gesellschaftlichen Rolle der Frau“ folgte. Christine Mayer widmete sich bereits 1992 diesem Thema und verfasste einen bemerkenswerten Aufsatz über Kerschensteiners Konzept einer Mädchenbildung. Im Folgenden soll daraus ausführlicher zitiert werden. Prof. Dr. Christine Mayer von der Universität Hamburg, Fakultät Erziehungswissenschaft schreibt, dass Kerschensteiner „auf der 11. Generalversammlung des deutschen Vereins für das Fortbildungsschulwesen 1902 in Düsseldorf [seine] konzeptionelle Überlegungen zur Frage der Mädchenerziehung (…)“ 8) darstellte. Dazu Christine Mayer: „Im Mittelpunkt des Kerschensteinerschen Konzeptes einer zeitgemäßen Mädchenerziehung steht der ‚natürliche Beruf‘ der Frau. Seine Erziehungsvorstellungen konzentrieren sich einerseits auf das familial-häusliche Arbeitsfeld und andererseits auf den der Frau auf gesellschaftlich-staatlicher Ebene zugedachten karitativen Wirkungskreis -den Bereich der sozialen Fürsorge und Wohlfahrtspflege -, der lediglich durch seinen auf die ‚Staatsfamilie‘ wie es bei Kerschensteiner heißt -erweiterten Charakter über die Enge des Familienkreises hinausgeht. Die inhaltliche Verbindung beider Bereiche schafft die Voraussetzung, daß die staatsbürgerlichen Aufgaben der Frau in engem Zusammenhang mit ihrem Pflichtenkreis in der Familie gesehen werden. Die Forderung nach einer verbesserten und intensiveren Mädchenerziehung ergab sich aus den veränderten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen, wie sie sich infolge des strukturellen Umbruchs am Ende des 19. Jahrhunderts abzuzeichnen begannen (…). Im Rahmen dieser Umbruchsituation erschien die ‚Erziehungskraft der Familie‘ geschwächt bzw. die Familie als Sozialisationsinstanz gefährdet.“ 9)
Um Kerschensteiners Konzept zur Mädchenerziehung näher zu verdeutlichen, gibt Christine Mayer „drei Bestimmungsmomente, die Kerschensteiners Konzept näher charakterisieren:
1) Seine Bildungs- und Erziehungsbestrebungen gehen nicht nur von gesellschaftlich konservativen Ordnungsvorstellungen aus, sondern sind auch von einer biologisch beeinflußten Sichtweise geprägt, die eine Erklärungs- und Legitimationsbasis für die bestehenden Gesellschaftsstrukturen und Geschlechterverhältnisse liefert (…). So wird aus den natürlichen bzw. angeborenen Eigenschaften der Frau ihre besondere Befähigung und Prädestination für das familiale Tätigkeitsfeld im engeren wie im weiteren Sinne abgeleitet (…).
2) Die Frauenfrage und mithin die Frage nach den beruflichen und gesellschaftlichen Partizipationschancen von Frauen wird als Bildungsfrage definiert, wobei Bildung und Bildungsbestrebungen vom ‚Wesen‘ der Frau aus ihre Begründung erfahren.
3) Diese Bestimmung schafft zugleich die Voraussetzung für eine Verknüpfung der Mädchenbildung mit staatlichen Interessen, indem nämlich ‚die Interessen des Staates, die er an der Erhaltung des Familiensinnes und der charitativen Kräfte haben muß, zusammenfallen mit den Interessen des einzelnen weiblichen Individuums‘ (…).
Für Kerschensteiner ergibt sich aus der angenommenen Interessenkohärenz zwischen weiblichem Individuum und Staat die zentrale Forderung, daß die ‚Fürsorge um die Erziehung und Bildung der Mädchen für ihren natürlichen Beruf‘ als die ‚vordringlichste Aufgabe des Staates und der Gemeinden auf dem ganzen Gebiete des Mädchenerziehungswesens‘ anzusehen sei …). Diese Forderung wird als so wichtig angesehen, ‚daß keine Mädchenschule in ihrem Lehrplane von ihr unbeeinflußt bleiben darf, weder die Töchterschule und, wenn ein solches beliebt wird, das Mädchengymnasium, noch die Fachschulen und Gewerbeschulen für Mädchen‘ (…)
Mit der Konzeption der allgemeinen Mädchenfortbildungsschule als einer Schule, die auf die Aufgaben in der Familie im engeren wie im weiteren Sinne vorzubereiten habe, konnte der in der Preisschrift entwickelte berufsbezogene Fortbildungsschulansatz übertragen und auch die ‚weibliche Fortbildungsschule‘ als Berufsschule definiert werden. Die damit verbundene Aufgabenstellung untergliederte sich nach dem in München praktizierten Modell in drei Bereiche: a) Aufgaben der Haushaltsführung, b) Aufgaben der Mutter als Erzieherin und c) Aufgaben und Stellung der Frau im Staate. (…).“ 10)
Kerschensteiner wollte trotz der geänderten gesellschaftlichen Lebensbedigungen, die auch Frauen trafen, dass die Frauen: „mit Hilfe der Schule [instandgesetzt werden] ihre traditionelle Rolle beizubehalten. Mit der Hinwendung auf den ‚natürlichen Beruf‘ der Frau und der Erweiterung ihres familialen Tätigkeitsfeldes in Richtung auf ehrenamtliche, soziale Aufgaben konnte das Konzept einer staatsbürgerlichen Erziehung durch Berufserziehung auch auf Mädchen übertragen werden.“ 11)
Kerschensteiners konservative Einstellung zur Mädchenbildung stieß auf große Akzeptanz in den herrschenden Gesellschaftsschichten, „da eine Erziehung der Mädchen zu ihrem ‚natürlichen Beruf‘ nicht nur die Möglichkeit bot, die bürgerliche Definition der Frauenrolle für alle Mädchen verbindlich werden zu lassen, sondern auch eine Basis abgab, der sich anbahnenden Erosion des bürgerlichen Familienmodells zu begegnen,“ 12) so Christine Mayer. Befürwortet wurden Kerschensteiners Ansätze über Mädchenfortbildungsschulen auch vom Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein (ADLV) und dem Bund Deutscher Frauenvereine (BDF), die der gemäßigten bürgerlichen Frauenbewegung angehörten. Dazu Christine Mayer: „Die von den Lehrerinnen angestrebte doppelte Zielsetzung, die sittliche und geistige Ausbildung der Schülerinnen mit der Vorbereitung auf ihren häuslichen Wirkungskreis zu verbinden, fand in Kerschensteiners Ansatz einen konzeptionellen Rahmen. Aber auch die mit der staatsbürgerlichen Erziehung der Mädchen verfolgte Idee, das häusliche Berufsfeld der Frau durch Zuweisung sozialer Aufgaben nach der gesellschaftlich-öffentlichen Sphäre hin zu erweitern, deckte sich mit den aufkommenden Bestreben vieler Frauenvereine, die soziale Frage durch verstärktes Engagement auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege und der sozialen Fürsorge lösen zu wollen (…).“ 13)
Der Hauswirtschaftsunterricht wurde ein „Bestandteil der beruflichen Bildung von Mädchen. Allerdings fielen bei diesem Prozeß – (…) die von Kerschensteiner ursprünglich verfolgten hehren staatsbürgerlichen Ziele der Umsetzungspraxis zum Opfer. Die mit dem Hauswirtschaftsunterricht verbundenen staatsbürgerlichen Aufgaben der Frau reduzierten sich im Verlauf von Lehrplanarbeit und Alltagspraxis auf einen verengten Rahmen hauswirtschaftlicher Tätigkeiten.
Obgleich diese Entwicklungstendenzen dem emanzipationstheoretischen Ansatz der sozialistischen Frauenbewegung entgegenliefen, findet sich von dieser Seite keine Kritik an der hauswirtschaftlichen Ausgestaltung der Mädchenfortbildungsschule. Dies mag darauf zurückzuführen sein, daß die Initiativen und Aktivitäten der proletarischen Frauenbewegung sich ausschließlich - zum Teil gemeinsam mit dem radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung - auf die Erwerbsrolle der Frau, d. h. insbesondere auf die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Arbeitsbedingungen der Arbeiterin, konzentrierten und in diesem Sinne ‚Fortbildung‘ primär als politische Schulung und Weiterbildung verstanden wurde (…). Daneben waren der Glaube an die Familie und das traditionelle Leitbild der Frau auch in der Arbeiterschaft verankert, wodurch Alternativmodelle zur Überwindung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung wie z.B. Vorstellungen über Wirtschaftsgenossenschaften (…) oder Ideen zur Vergesellschaftung von Bereichen und Funktionen der privaten Hauswirtschaft (…) ohne Resonanz blieben. (…).“ 14)
Eine Kritikerin der damaligen Mädchenberufsschule war die Hamburger Berufsschulpädagogin und Frauenrechtlerin Dr. rer. pol. Olga Essig ((15.7.1884 Bromberg - 14.12.1965 Hamburg). Ihr Ziel war es, das Berufsschulwesen zu reformieren. Dabei ging es ihr besonders auch darum, den berufstätigen Frauen eine Gleichstellung im Beruf und in der Gesellschaft zu ermöglichen. Die Sozialistin und SPD Mitglied war ab 1924 in Hamburg als Direktorin der Allgemeinen Gewerbeschule für das weibliche Geschlecht tätig und wurde 1929 als erste Frau in Hamburg Oberschulrätin für das gesamte Hamburgische Berufsschulwesen. Olga Essig baute das Hamburger Berufsschulwesen für Mädchen auf. Olga Essig, so Christine Mayer, „schreibt in ihrem 1928 verfaßten Handbuchartikel über die Mädchenberufsschule: ‚Bei weitem ernster aber scheint mir die Gefahr, die der Mädchenberufsschule von einer, ich möchte es einmal romantisierenden Richtung nennen, droht. (...) Das äußert sich in einer Überbetonung des hauswirtschaftlichen Unterrichts unter Zurücksetzung der erwerbsberuflichen Stoffe. Es wird zu einer Ablenkung der Denk- und Willenskräfte der Mädchen von ihrem arbeitsberuflichen Pflichtenkreis auf, die künftigen Aufgaben der Hausfrau und Mutter'. Aus solcher Grundeinstellung heraus erklärt es sich, daß für die ungelernten und angelernten Arbeiterinnen fast durchweg nur hauswirtschaftlich orientierte Lehrpläne bestehen, während gerade die Fabrikarbeit der Frauen der schulmäßigen Förderung in intellektueller, arbeithygienischer, arbeits- und sozialrechtlicher, chemisch- und physikalisch-technologischer Hinsicht bedarf, um sich in der ihr wenig günstigen außerhäuslichen Arbeitswelt zurechtzufinden und zu behaupten‘ (S. 200). Diese von fortschrittlicher Seite vorgetragene Kritik an der einseitigen Ausrichtung der Mädchenberufsschule bedeutete jedoch keinesfalls eine generelle Absage an den hauswirtschaftlichen Unterricht für Mädchen. Für Olga Essig und stärker noch für Anna Siemsen (1926, S. 172f.) war angesichts steigender Frauenerwerbsarbeit ‚die Doppelausbildung der Frau‘ eine gesellschaftlich bedingte Notwendigkeit.“ 15)
Nach Olga Essig ist bis heute (Stand: Frühjahr 2024) keine Straße benannt worden.