Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Kiepenkerlsweg

Neugraben-Fischbek (1940): nach dem Gedicht „Kiepenkerl von Falkenberg“ von Hermann Claudius.


Der Weg wurde in der Zeit des Nationalsozialismus benannt. Das mag nicht von ungefähr kommen, denn Hermann Claudius war ein Befürworter des Nationalsozialismus und wurde von den Nationalsozialisten unterstützt.

Zum Gedicht. „Kiepenkerl von Falkenberg“. Es erschien 1912 in Claudius‘ erstem Gedichtband „Mank Muern“ (Zwischen Mauern), in dem das damalige Großstadtleben, besonders das der Arbeiterschaft im Hafen und in den Fabriken beschrieben wird.

Hermann Claudius (24.10.1878 Langenfelde bei Hamburg - 8.9.1980 Grönwohld, Kreis Stormarn) besuchte nach Beendigung der Schulzeit die Präparandenanstalt und das Lehrerseminar, um Volksschullehrer zu werden. 1900 nahm er seine erste Stelle auf St. Pauli an. 1904 heiratete er Franziska Blaschka (1880-1941). Das Paar bekam 4 Töchter, geboren: 1905, 1908, 1911E und 1918. Drei Jahre nach dem Tod seiner Frau heiratete der damals 66-Jährige 1944 die damals 29jährige Gisa von Voigt (1915–2010).

Während des Ersten Weltkriegs wurde Claudius als Kanonier eingesetzt und lernte in dieser Zeit den Schriftsteller Hans Grimm („Volk ohne Raum“) kennen.
Claudius schrieb viele Lyrikbände, Märchen und Erzählungen, oft volkstümliche Werke, die unter dem Einfluss des Ersten Weltkriegs, kriegsbegeisternd und konservativ-national waren. In den ersten Jahren der Weimarer Republik näherte sich Claudius der SPD sowie den sozialdemokratischen Gewerkschaften an, was sich auch in seinen Werken niederschlug. So stammt von ihm der Text des Liedes „Wann wir schreiten Seit’ an Seit’“, welches als Schlusslied auf SPD-Parteitagen noch bis vor wenigen Jahren gesungen wurde. „Wegen des Gebrauchs des Liedes im Nationalsozialismus und der Rolle des Schöpfers Hermann Claudius im Nationalsozialismus haben die Jusos 2018 dazu aufgefordert, dass das Lied nicht mehr auf SPD-Veranstaltungen gespielt wird. Auf Empfehlung des SPD-Geschichtsforums entschied der Parteivorstand im Jahr 2021, dass das Lied nicht mehr gesungen werden soll.“ 1)

Ab 1933 konnte Claudius seinen Beruf als Lehrer, infolge eines schweren Motorradunfalls, nicht mehr ausüben. Er widmete sich ganz der Schriftstellerei. Unter dem Eindruck des Aufstiegs der Nationalsozialisten kam es zu einer politischen Wandlung und er profitierte vom neuen System. Völkisch-nationalistische Themen wurden wieder vorherrschend behandelt.

„Claudius begeisterte sich nun für den Nationalsozialismus und veröffentlichte im völkischen Verlag Albert Langen-Georg Müller. Er wurde (…) Mitglied in der nationalsozialistisch ausgerichteten Deutschen Dichterakademie, die seit Beginn der 1930er Jahre von Börries Freiherrn von Münchhausen gegen die Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste betrieben wurde (…). Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten und ihre deutschnationalen Bündnispartner wurden die liberalen, linken und als Juden geltenden Mitglieder in der Preußischen Akademie der Künste (…) zum Austritt gezwungen. Zu den Neumitgliedern, die an ihre Stelle traten, gehörte Hermann Claudius.“ 2)

Claudius bekannte sich zum neuen Staat und unterschrieb das im Oktober 1933 veröffentlichte „Gelöbnis zu Adolf Hitler“. Des Weiteren engagierte er sich an den von Hans Grimm initiierten „Lippoldsberger Dichtertagen“, ein Treffen konservativer, völkischer und nationalistischer Autoren und beim Eutiner-Dichterkreis, dem auch Hans Friedrich Blunck angehörte.

„Seine Veröffentlichungen im Nationalsozialismus bewegten sich zwischen pathetischer Frömmigkeit und klarer literarischer Unterstützung des NS-Regimes, so zum Beispiel in einem Gebet für Adolf Hitler. Es erschien 1940 unter dem Titel Deutschland: ‚Herrgott steh dem Führer bei, / Daß sein Werk das deine sei.‘ Seine Texte wurden aufgrund ihres propagandistischen Werts gerne in die massenmediale Literatur, so in die Tageszeitungen aufgenommen. Dafür steht z. B. das von Konrad Ameln vertonte Das Lied vom neuen Reich: ‚dafür marschieren wir, ich und du / Und Hunderttausende dazu / Und wollen dafür sterben‘. In der Krakauer Zeitung, dem führenden NS-Organ im Generalgouvernement, war Claudius mit mehr als 50 Texten vertreten.“.3)

Der Historiker Lawrence D. Stokes beschreibt die Autoren, ihre Selbstdarstellung und ihre Publikationen als nationalistisch und den Zielen der NS-Regierung verbunden. Hermann Claudius wurde sowohl vom NS-Regime als auch in der Bundesrepublik mit mehreren Preisen ausgezeichnet.

Ab 1949 erfolgte die Wiederbelebung der „Lippoldsberger Schriftstellertreffen“, mit dabei war wieder Hermann Claudius und andere NS-belastete Autoren. Es ging diesem Kreis primär um die Verharmlosung der NS-Herrschaft und Rehabilitierung von nationalsozialistischen Autoren. Eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem NS-Regime ist in seinem Werk nicht zu finden.

„1956 erhielt er den Klaus-Groth-Preis der Hamburger Stiftung F.V.S., 1958 die Lornsen-Kette des Schleswig-Holsteinischen Heimatbunds. 1978 wurde er zum Ehrenmitglied des Heimatbunds Niedersachsen ernannt.

Bundeskanzler Willy Brandt gratulierte ihm 1973 zum 95. Geburtstag mit einer Telegramm-Aussage, die kontextlos überliefert ist: ‚Ihr umfangreiches Werk gehört zum besten literarischen Besitz unseres Volkes‘.“ 4)

Am Hamburger U-Bahnhof Jungfernstieg befindet sich eine 1932/33 dort gesetzte Tafel mit einem Claudius-Gedicht.
De Kiepenkerl vun’ n Falkenbarg
„De swarte Düvel stunn op Luur …
Dar keen vun Alvesen en Buur
Den heidweg lang – die swore Kiep
Up seine Nack – un smöök sein Piep,
De Lucht was still. De Wind güng sacht.
Unu p de Heid dar seet de Nacht.
Mit duuster Ogen, duuster Haar,
in’t duuster Dook – so seet se dar …
Düvel, no röög di!

‚Ik seet en beeten lang in’n Kroog‘,
so seggt de Buur – ‚dat’s duuster noog‘.
He denkt wull hen. He denkt wull her.
Up eenmal brennt sein Piep nich mehr!
‚Nanun!‘ – he langt in seine Tasch
Un treckt sein Füürtüüch rut: ratsch, ratsch - -
Un ritt un ritt un ritt … Alleen,
Keen Funken flüggt. Nee, ok nicht een! –
Sein Piep warrt koolt. Dat is doch dull!
Dar sütt he baben op den Pull
Vun’n Falkenbarg so’n roden Schien,
as schulln dat glöhnig Kahlen sein!
‚Wat mutt, dat mutt!‘ – He kladdert rop,
stickt en Stück Gloot in’n Piepenkopp,
maakt enen langen, dägten Tog,
den tweten, drüdden, veerden noch:
So brennt, sein Piep! – ei, wat en Glück!
Up eenmal stött ern wat in’t Gnick.
He dreiht sik rüm: ‚Wat schall denn dat!‘ –
Dar steiht de Düvel groot und swatt
Dicht achter ern, un geel un gröön
Sleit Höllenfüür ern ut de Tähn.

Sein Ogen rullt so swatt in’t Witt:
‚So, Kiepenkerl, nu kumm man mit!‘
De Kiepenkerl, liekenblaß,
vör Grugen sackt he in dat Gras
un fangt, wat he sein Daag nicht daan,
luuthals dat Vaderunser an.

Denn – mit’nmal – schött he tohööcht
Un löppt, den Kopp voröverböögt,
den Barg hendal dörch duuster Nacht.
De Düvel aver steiht un lacht!
Düvel, nu höög di! …
Den annern Morgen – Dunnerslag –
Dar harr uns‘ Buer Koppwehdaag.
Una s keen Bittern hölp, keen Tee,
lang he sein Piep her … Dunner nee!
Liggt dar ein Goldklump midden op,
so groot rein as de Piepenkopp!

‚- Fro! – Faat mal an! – Is’t ok keen Holt?‘
‚Nee wiß un wohr, Buur, dat is Gold!‘
Una s de Navers nu tohopp
All üm em stünnen, Kopp an Kopp,
un keken mit dat dummst Gesicht,
vertell de Buer de geschicht.

Dar kropen, as dat duuster weer,
de Buurn vun all de Sieden her,
all mit en Piep mit groten Kopp
den falkenbarg – bargrop – bargrop –
Klock twolven in desülvig Nacht,
haha! – Wat hett de Düvel lacht!“
(Hermann Claudius: Mank Muern. Hamburg 1978, S. 34-35. Erstauflage 1912.)

Text: Katharina Tenti, Rita Bake