Köppenstraße
Groß Borstel (1934): Wladimir Peter Köppen (25.9./7.10.1846 St. Petersburg – 22.6.1940 Graz), Meteorologe.
Siehe Alfred-Wegener-Weg. Hier Tochter von Wladimir Köppen: Else, verheiratete Wegener.
Früher hieß die Straße Violastraße und wurde in der NS-Zeit umbenannt in Köppenstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen). In der Violastraße hatte Köppen mit seiner Familie gewohnt.
Wladimir Peter Köppen war der Sohn von Alexandrine Köppen, geborene Adelung und des Ethnographen Peter von Köppen.
In der Neuen Deutschen Biographie heißt es über Köppens Kindheit und Jugend: „K. verbrachte seine Jugend in Sankt Petersburg und auf dem Gut Karabagh auf der Halbinsel Krim. Er wuchs viersprachig auf: deutsch, russisch, französisch, tatarisch. Die wiederholten Reisen vom winterkalten Petersburg durch die russischen Steppen zur sommerlichen Krim weckten frühzeitig sein Interesse für Wettervorgänge, Klima und Pflanzenwuchs.“ 1)
Nach dem Abitur studierte Köppen Botanik und Zoologie an den Universitäten von Sankt Petersburg, Heidelberg und Leipzig, wo er 1870 promovierte.
„Von 1872 bis 1875 war er in Sankt Petersburg beim Russischen Meteorologischen Dienst beschäftigt und war zugleich Sekretär der Russischen Geographischen Gesellschaft.“2)
Als im Mai 1875 die Deutsche Seewarte in Hamburg gegründet wurde, wurde Köppen „zum Vorstand der Abteilung III für Wettertelegraphie und Sturmwarnungswesen berufen. Es galt, einen synoptischen Wetterdienst aufzubauen. Das war neu für Deutschland, in Rußland hatte K. 1872 als Assistent am Zentralobservatorium in Petersburg einen solchen schon kennen gelernt. Die rechte Auswahl der Beobachtungsstellen war zu treffen und deren zweckdienliches Arbeitsverfahren zu entwickeln. Das telegraphische Meldewesen mußte organisiert werden. Die Zugstraßen der Tiefdruckgebiete wurden entdeckt, die Struktur der Böen und Gewitter erfaßt. Am 16.2.1876 erschien die erste deutsche Europawetterkarte mit K.s Unterschrift. Bald folgten die ersten Wettervorhersagen.“ 3)
In diesem Jahr 1876 heiratete Köppen Marie Wehmeier (1855– 16.2.1939). Ein Jahr später wurde das erste Kind geboren und ein Jahr darauf das zweite Kind. 1879, „als van Bebber den Wetterdienst übernahm [wurde der junge Vater] für seine wissenschaftlichen Arbeiten freigestellt bis zu seiner Pensionierung (1919). Er übte nie eine Vorlesungstätigkeit aus, so daß er keine Schüler im eigentlichen Sinne hatte, wohl aber Ungezählte, die von ihm lernten. Er schrieb nicht nur weitere Beiträge zur synoptischen Meteorologie, sondern wurde auch der Begründer der maritimen Meteorologie.“ 4)
Köppen war maßgeblich an der Gründung der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft im Jahr 1883 beteiligt, deren zweiter Vorsitzender er von 1898 bis 1922 war. Darüber hinaus fungierte Köppen zwischen 1884 und 1891 als Schriftleiter der Meteorologischen Zeitschrift.
Köppen, der mit seiner Familie lange Zeit in einem Haus am Schulweg 4 in Hamburg Eimsbüttel lebte, wo die weiteren Kinder geboren wurden (geboren: 1884, 1892, 1895, ein Kind starb im Kindesalter), verfasste mehr als 500 Publikationen. „Mit technischem Geschick entwickelte er die Methode der Drachenaufstiege, um Wind-, Temperatur- und Feuchtewerte aus den höheren Luftschichten zu erhalten. Außerhalb Hamburgs entstand 1903 die ‚Drachenstation‘ in Großborstel.“ 5)
In Groß Borstel erwarb Köppen ein Haus in der Violastraße. Dazu schreibt Köppens Tochter Else: „In Großborstel entwickelte sich bald eine sehr angenehme Art geselliger Zusammenkünfte. Die Diskussionsabende, die einmal im Monat stattfanden und reihum gingen. Der jeweilige Hausherr (oder die Hausfrau) sprach zuerst über ein Thema seines Arbeits- und Interessengebietes, und nach einem einfachen Imbiß schloß sich eine meistens sehr lebhafte Diskussion über dieses Thema an.“ 6)
Inwieweit auch Marie Köppen bei diesen Zusammenkünften über ihre Arbeits- und Interessensgebiete sprechen durfte, ist nicht bekannt. Was wir aber aus den Erzählungen der Tochter Else, die 1913 Alfred Wegener (siehe: Alfred-Wegener-Weg) geheiratet hatte, erfahren, ist, was Köppen von einer Ehefrau eines Gelehrten erwartete: „Für das Wichtigste hielt er die stete Bereitschaft, an den Gedankengängen des Mannes teilzunehmen, stets Zeit für ihn zu haben, wenn er das Bedürfnis habe, seine Gedanken auszusprechen, da ihm dies zur Klarheit verhelfe.“ 7)
Neben ihren hausfraulichen Pflichten und denen einer Mutter betätigte sich Marie Köppen auf karitativem Gebiet; so organisierte sie zum Beispiel für die Warteschule und den Kindergarten des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins, Zweigstelle Großborstel, ein eigenes Haus mit einer festangestellten Gemeindeschwester. Konnte Marie Köppen noch freie Zeit für sich erübrigen, dann malte sie mit Begeisterung.
Wie Köppen als Vater zu seinen Kindern stand, dazu äußerte Else Köppen: „Er sah es gern, wenn wir mit jeder Frage, die uns beschäftigte, zu ihm kamen. Immer hatte er für uns Zeit, schlug sofort im Lexikon oder einem Fachwerk nach, was ihm nicht gerade gegenwärtig war, und erklärte. Erst viel später habe ich diese stete Bereitschaft für die Fragen der Kinder, den steten Willen zum Helfen, als etwas Außergewöhnliches empfunden.“ 8)
In der Zeit seiner wissenschaftlichen Tätigkeit wurde Köppen Vater von fünf Kindern. „Als einer der ersten erkannte K. die große Bedeutung der Höhenwerte für die Vorgänge in Bodennähe. Er lieferte Beiträge zu den neuen Methoden der ‚Aerologie‘. (…). Er untersuchte Klimaschwankungen in historischer Zeit und schließlich gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Alfred Wegener die ‚Klimate der geologischen Vorzeit‘ (1924 als Buch erschienen).“ 9)
1924 zog Köppen mit seiner Frau nach Graz, wo sein Schwiegersohn Alfred Wegener eine Professur an der dortigen Universität bekommen hatte. Ein Jahr zuvor hatte sich Köppens Sohn Lex nach seinem Staatsexamen das Leben genommen. „Es war ein furchtbarer Schlag für meine Eltern“ schrieb Else Wegener. „Noch in Unterlüß entschlossen sie sich, das nun für sie sehr einsam werdende Hamburg zu verlassen und mit Wegeners nach Graz zu gehen (…).“ 10)
Damals war Wladimir Köppen bereits 78 Jahre alt. „K.s Interesse wandte sich immer ausschließlicher der Klimatologie zu (…). Er schrieb einen umfangreichen, Tabellen für die ganze Erde enthaltenden ‚Grundriß der Klimakunde‘ (…). Unter besonderer Berücksichtigung der Pflanzenwelt versuchte er, eine zweckmäßige, leicht faßbare Klassifikation der Erdklimate durch wenige Kennbuchstaben (‚Klimaformel‘) zu erreichen.“ 11)
1936 wurde Köppen als Mitglied der Leopoldina gewählt. Ein Jahr später erhielt er von Hitler das Adlerschild des Deutschen Reiches.
Weder in der NSDAP-Zentralkartei noch in der NSDAP-Gaukartei des Berlin Document Center im Bundesarchiv findet sich eine auf ihn ausgestellte Mitgliederkarte, sodass sich eine Parteimitgliedschaft darüber nicht nachweisen lässt.
Wladimir Köppen begann, nachdem 1931 das Grab seines verschollenen Schwiegersohnes in Grönland gefunden worden war, auf Bitten seiner Tochter Else (1892–1992) seine Autobiographie zu schreiben, vollendete sie aber nicht. Seine Aufzeichnungen enden mit der Beschreibung seines Lebensweges im Jahr 1903. Die nachfolgende Zeit, so Köppen, sollten seine Kinder beschreiben, da sie diese Jahre selbst bewusst miterlebt hatten. Else Wegener übernahm diese Arbeit und die Biografie erschien 1955. Außerdem führte sie ihrem Vater nach dem Tod der Mutter im Jahr 1939 den Haushalt. Bereits ein Jahr nach dem Tod seiner Ehefrau verstarb auch Wladimir Köppen.