Koldeweystraße
Groß Borstel (1959): Carl Christian Koldewey (26.10.1837 Bücken – 17.5.1908 Hamburg), Polarforscher, Admiralitätsrat, Abteilungsvorsteher an der Deutschen Seewarte in Hamburg.
Koldewey war der Sohn von Wilhelmine Koldewey, geborene Meyer und des Kaufmanns Johann Christian Koldewey. Sein Vater starb, als Koldewey drei Jahre alt war.
Koldewey besuchte das Gymnasium, brach es aber vor dem Abitur ab, weil er sich ab seinem fünfzehnten Lebensjahr selbst ernähren musste. „Von meinem 15ten Jahre an war ich genöthigt, mich selbst zu unterhalten, da ich meiner guten Mutter, deren Vermögen für meine Erziehung beinahe gänzlich verbraucht war, nicht länger zur Last fallen wollte. Ohne meine eigenen Ersparnisse und die Hülfe meines Bruders wäre es mir nicht möglich gewesen, die Steuermannsschule zu besuchen und später nach einer Universität zu gehen.“ 1)
Im Alter von 16 Jahren heuerte Carl Christian Koldewey erstmals als Schiffsjunge auf einem Schiff an. An der Bremer Seefahrtsschule absolvierte er die Untersteuermann- und die Obersteuermannschule. Es folgten Jahre an Bord bis Koldewey 1866/67 auf dem Polytechnikum Hannover und an der Universität Göttingen sich in den Fächern Mathematik, Physik und Mechanik fortbildete.
Norbert Fischer schreibt über Koldewey: „Bekannt wurde Carl Koldewey durch die Leitung der ersten beiden deutschen Nordpolar-Expeditionen (1868/70). Zunächst wurde er Kapitän bei der vom Geografen August Petermann initiierten und am 24. Mai 1868 vom norwegischen Bergen aus begonnenen ersten deutschen Nordpolar-Expedition. (…) Die zweite Nordpolar-Expedition unter Koldewey startete am 15. Juni 1869 in Bremerhaven und dauerte bis zum 11. September 1870. Größter Erfolg war die Entdeckung und Erforschung des Kaiser-Franz-Joseph-Fjords an der Ostküste Grönlands.“ 2)
Bei Stefan Krücken heißt es über die damals durchgeführten Expeditionen: „Die Gründe lagen auch in der neu erwachten Begeisterung für das Nationale: Expeditionen, möglichst abenteuerlich, versprachen internationales Renommee. Die Bürger engagierten sich, darunter August Petermann (1822 bis 1878). Der Kartograf, Geograf und Publizist aus Gotha liebte es, neue Entdeckungen in Atlanten einzutragen. (…) Nachdem er sich in der Afrikaforschung einen Namen gemacht hatte, wandte er sich den Polargebieten zu: vom Schreibtisch aus – persönlich brach er nie zu einer Fernreise auf.
Die Polarregion gehörte zu den letzten buchstäblich weißen Flecken auf den Landkarten. Sie zu erforschen, betrachtete Petermann als ‚nationale Aufgabe‘ und stellte eine kühne These auf: Hinter einem Gürtel aus Treibeis und Packeis gebe es vor Grönland offenes Meer, über das man den Nordpol erreichen könne. Wer also einen Weg durch diese Barriere fände, der könnte mühelos bis zum Pol durchsegeln.“ 3)
Ausführlich wird Koldeweys zweite Expedition in der Neuen Deutschen Biographie beschrieben: „Die 2. deutsche Nordpolfahrt (1869/70) trat K. am 15.6.1869 von Bremerhaven aus mit 2 Schiffen an: mit dem von ihm als Kapitän geführten Schraubendampfer ‚Germania‘ (143 t), auf dem der österreichische Forscher J. von Payer zu seinen Begleitern gehörte, und mit dem Segelschiff ‚Hansa‘ (242 t) unter Kapitän P. Hagemann. Ihr Ziel war die ‚Erforschung der arktischen Zentralregion auf der Basis von Ost-Grönland‘. Beide Schiffe wurden durch Nebel voneinander getrennt, so daß K. nach erfolgloser Suche nach der ‚Hansa‘ die Fahrt allein fortsetzte. Am 5.8. warf er Anker vor der Sabine-Insel und überwinterte hier. Teils mit Schlitten, wie Payer, teils mit Boot oder zu Schiff begann man in Fortführung der Arbeiten von Sabine und Clavering das Land aufzuklären und die Küste zwischen 73 und 77° nördlicher Breite aufzunehmen. Dabei ergab sich für den bis dahin nur nach Peilungen fixierten Bereich zwischen der Sabine-Insel und dem 76. Grad ein ganz neues Bild, und die anschließende Küstenstrecke bis zum 77. Grad konnte besonders durch Payers Mitwirkung erstmals kartographisch erfaßt werden. Im August 1870 machte man durch Auffindung des ‚Franz-Joseph-Fjords‘ die wichtigste Entdeckung dieser Expedition und erkundete ihn bis in Sichtweite der Petermann-Spitze, ehe man sich zur Rückfahrt entschloß. Am 11.9.1870 lief K. mit der ‚Germania‘ wieder in Bremerhaven ein.“4)
Ab 1871 fuhr Koldewey nicht mehr auf Schiffen. Damals war er 34 Jahre alt und wurde Erster Assistenz „an der 1868 gegründeten Norddeutschen Seewarte in Hamburg“. 5)
Doch seine berufliche Situation war damals instabil und auch von großer Arbeitsbelastung überschattet. Dazu schreibt Reinhard A. Krause: „Nicht nur war er belastet durch die Arbeiten an der Seewarte und mit der stellvertretenden Redaktion der ‚Hansa‘ (…). Auch die Herausgabe des Expeditionswerkes, zu dem Koldewey große Beiträge sowohl für den erzählenden als auch den wissenschaftlichen Teil lieferte, waren arbeitsintensive Angelegenheiten. (…) Zu der hohen Arbeitsbelastung kam noch die Unsicherheit seiner beruflichen Entwicklung. Koldewey befasste sich mit den Planungen zu einer weiteren Ostgrönlandexpedition, musste aber seine Arbeit an der Seewarte gewissenhaft ausführen, ohne zu wissen, wie sich die Zukunft derselben gestalten würde.“ 6)
In dieser Zeit, als Koldewey an die Norddeutsche Seewarte ging, stand er: „in regem Briefkontakt mit einer jungen Frau seines Heimatortes, Amalie Hennings. Während zunächst die Hoffnung auf Durchführung einer neuen Expedition Koldeweys Handeln und Denken bestimmt, werden später die Probleme bei der Darstellung der wissenschaftlichen Ergebnisse der zweiten Expedition und die vielfältigen Aufgaben an der Seewarte beherrschendes Thema der Korrespondenz.“ 7)
In einem der Briefe an Amalie Henning äußerte Koldewey seine Sehnsucht nach einer dritten Expedition, zu der es aber nicht kam. Er schrieb am 12.2.1872: „man denkt hier in Gelehrtenkreisen doch ernstlich daran die Forschungen und Entdeckungen in Ostgrönland fortzusetzen, sobald nur erst unser Werk veröffentlicht sein wird. Ich kann auch gar nicht läugnen, daß, wenn auch jetzt eine andere sehr starke Sehnsucht in mein Herz gedrungen ist, nämlich nach dem Liebchen, so die Sehnsucht nach den grönländischen Bergen nicht dabei ausgestorben ist. Ich hätte noch Kraft die Hülle und die Fülle in mir, um den Mühen und Beschwerden einer solchen Reise zu widerstehen, um noch größere Entdeckungen den schon gemachten hinzuzufügen und die Kraft will ich doch auch nutzen [...].“ 8)
Über den Briefwechsel zwischen den beiden Liebenden und über Koldeweys Sehnsucht nach einer Ehe schreibt Reinhard A. Krause: „Bemerkenswert ist, dass sich der Briefwechsel, obwohl sich die Korrespondenten kaum trafen (die Reise ist zu teuer, Koldewey hat nie Zeit, für Amalie wäre es unschicklich, nach Hamburg zu kommen, etc.), in eine Intimität steigerte, die letztlich zur Ehe führte. Deutlich wird, dass Koldewey sich nach Ehe und Familie sehnte. Ehe bedeutete für ihn als Seemann nicht, an Land bleiben zu müssen. Vorrangig war ihm, seiner Frau und den postulierten Kindern ein angemessenes Auskommen zu sichern. Das hieß, dass er sich, bevor er seine berufliche Zukunft nicht abschätzen konnte, nicht in der Lage sah zu heiraten.“ 9)
Im November 1872 heiratete der damals 35-Jährige die damals 28jährige Amalie (6.4.1844–10.12.1902 Hamburg) Hennings. Sie zogen in den Schulweg 7. 1874 wurde das erste Kind geboren.
1875, als aus der Norddeutschen Seewarte die reichsweite deutsche Seewarte wurde, „übernahm Koldewey die Leitung ihrer II., Abteilung.“ 10) Und das Paar zog in die Maurienstraße 39 auf St. Pauli, von wo aus Koldewey leicht zu Fuß seine Dienststelle erreichen konnte. Ein Jahr später, 1876, wurde das zweite Kind geboren.
Der Vater von zwei kleinen Kindern hatte nun die Aufgabe: nautische, magnetische und meteorologische Instrumente zu beschaffen und zu prüfen.
1889 wurde Koldewey zum Geheimen Admiralitätsrat ernannt. 1890 zog die Familie zurück nach Eimsbüttel, diesmal in die Hohe Weide 7. In diesem Jahr wurde das dritte Kind geboren.
Im Alter von 68 Jahren wurde Koldewey, der über seine Expeditionen viel veröffentlichte, pensioniert.
„Schon Carl Koldewey hatte empfohlen, statt geografischer Entdeckungsreisen in Zukunft international koordinierte Programme auf festen Stationen durchzuführen. 1991 wurde die erste deutsche Forschungsstation in der Arktis eröffnet: die ‚Carl-Koldewey-Station‘ auf Spitzbergen, wo Forscher aus aller Welt die günstige Lage nahe am Nordpol heute vor allem für die Klimaforschung nutzen.“ 11)