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Krieterstraße

Wilhelmsburg (1969): Karl-Andreas Krieter (8.1.1890 Hilkerode (Eichsfeld) – 24.2.1963 Hamburg-Wilhelmsburg), Pfarrer der katholischen Kirchengemeinden St. Bonifatiuskirche in Wilhelmsburg und Franz-Josef in Harburg.


Karl-Andreas Krieter arbeitete von 1923 bis 1934 als Pfarrer in der katholischen Kirchengemeinde St. Franz-Josef in Harburg-Wilstorf und von 1934 bis 1961 als Pfarrer der katholischen St. Bonifatius-Gemeinde in Hamburg-Wilhelmsburg. Er „galt vielen Menschen seiner Zeit als liebenswerter und bedeutende Persönlichkeit“, 1) schreibt Ulrich Krieter in seinem Buch „Karl-Andreas Krieter. Pfarrer der Katholischen Kirchengemeinde St. Bonifatius in Hamburg-Wilhelmsburg in den Jahren 1934 bis 1961“. In einem Nachruf heißt es über ihn: „Er war der VATER der Gemeinde (…).“ 2)

Karl-Andreas Krieter hatte in Münster Theologie studiert, danach besuchte er das Priesterseminar des Bistums Hildesheim und erhielt 1914 seine Priesterweihe. 1916 wurde er Kaplan in Bremerhaven-Lehe. 1921 bestand er das Pfarrer-Examen und musste folgende Erklärung unterschreiben: „‘Es ist mir bekannt, dass gemäß der auf Grund der kanonischen Satzungen in unserer Diözese geltenden Norm ich zur Haushaltsführung nur zu mir nehmen darf Mutter, Schwester oder Tante oder 1. eine andere Person tadellosen Wandels und Rufes im vollendeten Alter von 35 Jahren. Ich verspreche, diese Regel für mein ganzes Leben zu beachten und eine andere Haushälterin nicht ohne zuvorige schriftliche Genehmigung der Bischöflichen Behörde in meinen Haushalt eintreten zu lassen,‘“ 3) schreibt Ulrich Krieter 2014 in seinem Buch „Elf schwere Jahre in Hamburg-Harburg. Pastor Krieter und die Kirchengemeinde St. Franz-Josef in den Jahren 1923 bis 1934.

Für Krieter stellte diese Erklärung kein Problem dar, denn seine acht Jahre jüngere und ledige Schwester Therese wurde seine Haushälterin. Sie hatte nach der Volksschule als Hausmädchen und dann als „Hausdame“ auf einem Gut gearbeitet.

1923 erhielt Krieter die Stelle als Pastor der katholischen Kirchengemeinde St. Franz-Josef in Harburg-Wilstorf, die er bis 1934 innehatte.

Um die wirtschaftliche Not, die damals überall herrschte, zu lindern, gründete Krieter 1924 den „Vinzenzverein“. Mitglieder waren Männer aus der Gemeinde, die den Armen aus der Gemeinde helfen sollten. Einen Verein mit ähnlichen Zielen regte Krieter bei den Frauen der Gemeinde an. „Im Gründungsprotokoll des ‚Elisabethvereins‘ ist zu lesen: ‚Am 5. September 1924 wird von Herrn Pastor Krieter … im Vinzenzhause eine Versammlung von Frauen einberufen. …Recht zahlreich waren die Frauen der Einladung gefolgt. Herr Pastor übernahm den Vorsitz und hielt darauf einen Vortrag. Er schilderte in herrlichen Worten das schöne Bild der heiligen Elisabeth von Thüringen in der Wartburg; als Fürstin und schaffende Frau in der Familie; als Helferin der Armen, Verlassenen, Notleidenden und Kranken; als unser aller Vorbild. Dann wurden Richtlinien gegeben, wie in der Gemeinde Wilstorf den Armen geholfen und die Not gelindert werden könnte. Die Rede fand begeisterten Beifall. Hierauf wurde der Vorstand gewählt. (…). Beschlossen wurde, jeden 1. Freitag im Monat im Vinzenzhause zu einer Sitzung zusammen zu kommen. ...“ 4)

Schon vor Krieters Amtsantritt war 1914 für die Mädchen der „Jungfrauenverein“ und 1917 ein „Mütterverein“ gegründet worden. Über das kirchliche Engagement der Frauen schreibt Ulrich Krieter: „Gewiss hatte Karl-Andreas Krieter während seiner Zeit als Kaplan in Bremerhaven-Lehe schon gelernt, dass ein Geistlicher seine Gemeinde umso leichter führen kann, je mehr Frauen er auf seiner Seite hat. So waren es denn auch Frauen, die in der Borromäus-Leihbibliothek der Franz-Joseph-Gemeinde ehrenamtlich arbeiteten, um die Gemeindemitglieder ‚mit geistiger Nahrung, das heißt, selbe mit gutem Lesestoff zu versorgen.‘ Die Ausgabe der Bücher erfolgte im Vinzenzhaus ‚immer sonntags nach dem Hochamte‘.
Der einzige Verein mit Mitgliedern beiderlei Geschlechts war in der Franz-Joseph-Gemeinde der ‚gemischte Chor Sankt Cäcilia‘. (…). Laut Satzung war der Vorsitzende immer der jeweilige ‚Herr Pastor der Gemeinde‘.“ 5)

Krieter kümmerte sich besonders um den „Jünglingsverein“, in dem sich die jungen Männer seiner Gemeinde versammelten. Er „gab sich die größte Mühe (…), die jungen Männer fest am Zügel zu halten, um der Kirche und der Gemeinde guten Nachwuchs an Katholiken zu sichern. (…). In der Arbeiterstadt Harburg stand die Katholische Kirche ‚im Kampf um die Seelen junger Menschen‘ in Konkurrenz zu den von ihr so genannten ‚weltlichen Arbeitervereinen‘ und zu den politischen Parteien KPD und SPD. Die Kommunistische Partei Deutschlands und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands besaßen in Harburg Jugendorganisationen, die für junge Katholiken durchaus attraktiv sein konnten, zumal es in den ‚marxistischen‘ Vereinen keine Trennung der Geschlechter gab. (…).“ 6)

Als Gegenpart zu den „atheistischen“ Sportvereinen wurde auf katholischer Seite die Turn- und Sportabteilung „Deutsche Jugendkraft“ gebildet.

Krieter bekannte sich nicht nur zu einem christlichen Glauben, er bekannte sich auch parteipolitisch, und zwar wurde er Mitglied der Deutschen Zentrumspartei und forderte in Wahlkampfzeiten seine Gemeindemitglieder zur Wahl dieser Partei auf. 1933 befürwortete die Zentrumspartei das Ermächtigungsgesetz. „Fünf Tage nach Annahme des ‚Ermächtigungsgesetzes‘ meldeten sich die katholischen Bischöfe zu Wort. In der ‚Kundgebung der Deutschen Bischofskonferenz zur Übernahme der Regierungsführung durch Adolf Hitler‘ vom 28. März 1933 hieß es über die NSDAP: ‚Ohne die in seinen früheren Maßnahmen liegende Verurteilung bestimmter religiös-sittlicher Irrtümer aufzuheben, glaubt – der Episkopat das Vertrauen hegen zu dürfen, dass die allgemeinen Verbote und Warnungen nicht mehr als notwendig betrachtet zu werden brauchen.‘ Pastor Krieter stand nicht allein, wenn er diese ‚Kundgebung‘ als Zustimmung zum nationalsozialistischen Staat deutete. Dennoch wird sich Pastor Krieter die Ablehnung des Nationalsozialismus im tiefsten Herzen bewahrt haben,“ 7) schreibt Ulrich Krieter. Originalaussagen von Krieter zum Nationalsozialismus, die die Aussage belegen, dass er den Nationalsozialismus ablehnte, finden sich in diesem Buch allerdings nicht.

Pastor Krieter war gegen das Judentum eingestellt. Dazu schreibt Ulrich Krieter: „Die Katholische Kirche unterschied damals zwischen religiös begründeten ‚Antijudaismus‘ und rassenideologisch begründeten ‚Antisemitismus‘. Letzteren lehnte sie ab. (…) Aber im ‚Antijudaismus‘ waren theologische Überzeugungen und sprachliche Formulierungen versteckt, die zweifellos den ‚Antisemitismus‘ förderten. Am 1. April 1933 trennten Pastor Krieter nur 13 Tage von den Gebeten der Liturgie am Karfreitag, in denen es damals hieß: ‚Lasset uns auch beten für die perfiden Juden‘ (perfid = treulos, hinterlistig, tückisch) und ‚Allmächtiger, ewiger Gott, der du sogar die treulosen Juden von deiner Erbarmung nicht ausschließet, erhöre unser Flehen, das wir ob jenes Volkes Verblendung dir darbringen auf das es das Licht deiner Wahrheit, welche Christus ist, erkenne und seinen Finsternissen entrissen werde.‘

Pastor Krieter hatte es von Kindheit an so gelernt, und so belehrte er die Kinder in seinem Religionsunterricht. (…) In dieser Lehre der Katholischen Kirche war Pastor Krieter tief verwurzelt. Sie behauptete eine Schuld der Juden am Kreuzestod des Jesus von Nazareth, des Gottessohnes.“ 8)

Proteste von Seiten Krieters zum Beispiel gegen den „Judenboykott“ gab es nicht. Ulrich Krieter schreibt dazu: Pastor Krieter ‚beschränkte sich auf sein eigenes Arbeitsgebiet‘ (…).“ 9) In die NSDAP ist Krieter nicht eingetreten. Weder in der NSDAP-Zentralkartei noch in der NSDAP-Gaukartei des Berlin Document Center im Bundesarchiv findet sich eine auf Krieter ausgestellte Mitgliederkarte, sodass sich eine Parteimitgliedschaft darüber nicht nachweisen lässt.

Als dann von den Nationalsozialisten die „Gleichschaltung“ der katholischen Vereine durchgeführt werden sollte, erlebte Krieter am 1. Juli 1933 eine Hausdurchsuchung. Wenig später, als Krieter in der St. Bonifatius-Gemeinde tätig war, ließ er – angesichts des Erlebnisses mit der Hausdurchsuchung durch die Gestapo – die Mitgliederlisten der Vereinsmitglieder der katholischen Vereine vernichten. „Zwei Jahre später, im Jahre 1937, forderte Bischof Joseph-Godehard die Pfarrer und selbstständigen Seelsorgegeistlichen des Bistums auf, alle Vereinsmitgliederlisten nach Hildesheim zu senden, damit sie dem Zugriff der Geheimen Staatspolizei entzogen seien.“ 11)

1934 war Krieter als Pfarrer zur St. Bonifatius-Gemeinde in Hamburg Wilhelmsburg gewechselt, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1961 blieb.

Auch hier widmete sich Krieter den karitativen Vereinen dieser Gemeinde. So übernahm er den Vorsitz im Elisabethverein. Für ihn war dieser Frauenverein „das wirksamste Instrument (…), sowohl seelsorgerische Anliegen in die Familien zu tragen (…) – als auch hilfsbedürftige Gemeindemitglieder ausfindig zu machen und praktische Hilfe zu organisieren. Selbstverständlich musste Pfarrer Krieter auch engste Verbindung zu den beiden Vereinen halten, die neben dem Elisabethverein das karitative Wirken in der Bonifatiusgemeinde trugen. Das waren der ‚Katholische Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder‘ und der ‚Caritasverein‘. Fast alle Frauen, die sich im ‚Fürsorgeverein‘ engagierten, waren gleichzeitig Mitglieder im Elisabethverein. Dagegen waren die 20 Mitglieder des Caritasvereins – mit wenigen Ausnahmen – männlich. Schließlich übernahm Pfarrer Krieter auch die Betreuung der Marianischem Kongregation. Das war die Gruppe der jungen, unverheirateten Frauen (Der früher übliche Name für diese kirchliche Gruppe – ‚Jungfrauenkongregation‘ – war nicht mehr modern). Der Männergesangsverein und der Männerverein ‚Winfridia‘ bedurften keiner besonderen Betreuung durch einen der drei Geistlichen. Pfarrer Krieter hielt losen Kontakt zu den Vorsitzenden, die auch Mitglieder des Kirchenvorstandes waren“. 10) An dieser Stelle sei die Frage erlaubt: warum bedurften die Frauen – im Gegensatz zu den Männern – der besonderen Betreuung?

Neben der Haushaltsführung, die weiterhin Krieters Schwester übernahm, wurde die Verwaltungsarbeit ebenfalls einer Frau übertragen, der Pfarrsekretärin. Haushaltsführung und Verwaltungsarbeit waren also in Augen der männlich dominierten Kirchenleitungen Aufgaben, die Frauen zu übernehmen hatten.

In der Bonifatiusgemeinde gab es viele Polinnen und Polen. Sie arbeiteten damals in der umliegenden Industrie. Deshalb wurde in der Gemeinde auch ein polnischer Gottesdienst abgehalten. Doch als der Zweite Weltkrieg am 1. 9. 1939 mit dem Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands auf Polen begann, wurde kurz zuvor „der polnische Gottesdienst, d. i. polnische Predigt und polnischer Gesang, eingestellt. Der Pastor Krieter sagte Anfang August immer wieder zu seinen lieben Mitarbeitern, den beiden Herren Kaplänen: ‚Fangen die Polen mit uns Deutschen Krieg an, dann muss die polnische Predigt aufhören.‘“ 12)

Krieter war also der Nazi-Propaganda aufgesessen, die glauben machen wollte, dass Polen den Krieg mit Deutschland beginnen wolle. „Die NS-Propaganda forcierte ab Frühjahr 1939 die in großen Teilen der deutschen Bevölkerung vorhandenen antipolnischen Ressentiments. Im August 1939 berichteten Zeitungen und Rundfunk fast täglich über angebliche polnische Grenzverletzungen und Gewaltakte an der in Polen lebenden deutschen Minderheit. Der Überfall auf Polen sollte so als ‚gerechte Strafaktion‘ für die Provokationen erscheinen.“ 13)

Krieter, der Seelsorger und Theologe, hatte zum Zweiten Weltkrieg die gleiche Einstellung wie die meisten Deutschen. Er befürwortete den Angriff auf die Sowjetunion. „Die Sowjetunion war für Pfarrer Krieter die Heimat des atheistischen Bolschewismus, des schlimmsten politischen Übels auf dieser Welt. So gesehen bekam der Krieg für ihn einen neuen Sinn. (…) . Vier Tage nach Beginn des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion [hatten die Bischöfe][ (…) einen gemeinsamen Hirtenbrief verfasst. (…) Am Anfang des Briefes sagten die Bischöfe ihren Gläubigen: ‚… Geliebte Diözesanen! In schwerster Zeit des Vaterlandes, das auf weiten Fronten einen Krieg von nie gekanntem Ausmaße zu führen hat, mahnen wir Euch zu treuer Pflichterfüllung, tapferem Ausharren, opferwilligem Arbeiten und Kämpfen im Dienste unseres Volkes. (…) Bei der Erfüllung der schweren Pflichten dieser Zeit, (…) , möge die trostvolle Gewissheit Euch stärken, dass Ihr damit nicht bloß dem Vaterlande dient, sondern zugleich dem heiligen Willen Gottes folgt, der alles Geschehen, auch das Schicksal der Völker und der einzelnen Menschen in seiner weisen Vorsehung lenkt.‘ (…).“ 14)
1944 wurde Krieter zum Dechant des Dekanats Lüneburg ernannt, das die Hamburger Stadtteile Harburg und Wilhelmsburg, aber auch ein Gebiet Niedersachsens, das sich von Lüneburg über Stade bis nach Cuxhaven und Bremerhaven-Lehe erstreckte, umfasste.

Nach der Befreiung von Nationalsozialismus arbeitete Krieter weiter in seiner Bonifatiusgemeinde. „Wie er selbst die deutsche Kapitulation beurteilt hat, kann nicht gesagt werden. Es gibt dazu weder schriftliche Quellen noch Erinnerungen von Zeitzeugen,“ 15) schreibt Ulrich Krieter

Die Entnazifizierung überstand Krieter: Er wurde in Kategorie V eingestuft (nicht belastet). 16)
In der Nachkriegszeit ließ Krieter die Schäden an Kirche und Pfarrhaus der Gemeinde St. Bonifatius entfernen. Das im Krieg zerstörte Gemeindehaus wurde durch einen Neubau ersetzt.

1950 wurde für den Stadtteil Wilhelmsburg ein Krankenhaus erbaut, in dem nicht nur Katholikinnen und Katholiken behandelt wurden. 1956 erhielt es einen Erweiterungsbau. Für seine Verdienste um den Krankenhausbau und dessen Erweiterung erhielt Pfarrer Krieter 1960 das Bundesverdienstkreuz.

Ein Jahr zuvor war Krieter vom Bischof von Hildesheim Hinrich-Maria Janssen zu dessen Geistlichen Rat ernannt worden.

Im August 1961 trat der damals 71jäHrige Karl-Andreas Krieter aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand, den er in seinem Heimatdorf Hilkerode verbrachte.