Leharstraße
Rahlstedt (1950): Franz Lehár (30.4.1870 Komorn/Österreich-Ungarn -24.10.1948 Bad Ischl), Operettenkomponist, Militärkapellmeister.
Siehe auch: Kálmánstraße
Die Straße hieß vorher Lohkoppelstraße.
Weil Hitler die Operetten Lehars liebte, bekam Lehar nach 1933 Auszeichnungen und die Sondergenehmigung Hitlers zur Berufsausübung, obwohl Lehárs Ehefrau Sophie, geb. Paschkis (1878-1947), jüdischer Herkunft war und Lehar nur jüdische Textbuchschreiber für seine Operetten eingesetzt hatte. Sophie Lehar wurde 1938 zur „Ehrenarierin“ erklärt. Im selben Jahr denunzierte Lehár den jüdischen Rechtsanwalt Eitelberg bei Staatsrat und SS-Sturmbannführer Hinkel, der Lehár protegierte. 1939 erhielt Lehar Auszeichnungen, so die Goethemedaille von Hitler verliehen. 1941 führte Lehar ein Propagandakonzert im besetzten Paris durch. „Lehars Freund, der Librettist Fritz Löhner-Beda wurde am 4. Dezember 1942 im KZ Auschwitz ermordet. Zwar findet sich in der Literatur die Behauptung, Lehar habe sich erfolglos um die Freilassung Löhners durch eine persönliche Vorsprache bei Hitler bemüht, aber hierfür gibt es bislang keine Belege. Jüngere Recherchen ergaben im Gegenteil, dass Lehar nichts unternahm und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beteuerte, von nichts gewusst zu haben.“ 1)
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus weigerte sich Lehár, über seine Haltung während der NS-Zeit zu reden.
Im Abschlussbericht der Kommission zur Überprüfung Wiener Straßennamen schreibt die Kommission (Autor: Oliver Rathkolb) zu Lehar, nach dem auch in Wien eine Straße benannt ist: „Der ins Exil geflüchtete renommierte Theater‐und Literaturkritiker Ludwig Ullmann publizierte schon im Oktober 1943 in der Austro‐American Tribune die wesentlichsten Fakten zu ‚Der Fall Lehár‘: So die große Begeisterung Adolf Hitlers für die Operetten Lehárs wie ‚Lustige Witwe‘, ‚obwohl sie samt und sonders ‚rassich‘ [sic! rassisch] sehr unangenehme Textdichter haben.‘ Auch verwies er auf die Streichung der zahlreichen jüdischen Librettisten Lehárs auf den Theaterzetteln und die Tatsache, dass der erfolgreichste von ihnen, Dr. Fritz Beda‐Löhner, in einem Konzentrationslager am 4. Dezember 1942 erschlagen worden war. Lehárs ‚nichtarische Gattin‘ wurde in diesem Beitrag ebenso erwähnt wie sein ‚praktischer Philosemitismus‘ unter Verweis auf den Librettisten Victor Leon, oder die Sänger Louis Treumann und Richard Tauber. Ullmann klammerte sich aber auch an die Gerüchte, dass ‚der greise, stets fast ängstlich verbindliche Komponist [...] versucht habe, seines Mitarbeiters Los zu verbessern‘. Doch hier fehlen die Belege und die Literaturlage dazu ist kontrovers. Beda‐Löhners Frau Helene und die beiden Töchter wurden am 5. September 1942 in MalyTrostinez umgebracht. Trotz heftiger Anfechtungen –so galt Lehár für die NS‐Kulturgemeinde als politisch nicht tragbar, da er mit einer ‚Jüdin‘ verheiratet war (wie Denunzianten aus Wien am 23.05.1934 zu berichten wussten) und mit zahlreichen jüdischen KünstlerInnen zusammengearbeitet hatte – waren Lehár und seine Frau unantastbar. Zudem arbeitete er mit zahlreichen jüdischen Künstlern. Auch die Entlassung seines Bruders Anton als Direktor des Musikschutzverbandes Berlin, nach dessen Behauptung der Einmarsch der Deutschen in Belgien 1914 ein Vertragsbruch gewesen sei, und die Debatte über das Verbot ‚jüdischen‘ Repertoires in Deutschland schadeten ihm politisch nicht. In der zuletzt genannten Diskussion positionierte er sich aber sofort als neutral: ‚Ich lebe als Künstler nur für mein Schaffen und kümmere mich nicht um Politik‘. Gleichzeitig distanzierte er sich vorsichtig von seinem Bruder. (Neue Freie Presse,7. Juli1933,8) Sogar Spitzenfunktionäre der Reichsmusikkammer hielten fest, dass anläßlich seines 70. Geburtstags 1940 besondere Ehrungen geboten wären, ‘weil bekanntlich der Führer seinem Schaffen ein besonderes persönliches Interesse entgegenbringt [...] Da Lehár, der selbst arischer Abstammung, aber mit einer Jüdin verheiratet ist, von Ihnen [d .h. dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Anm. d. Verf.] eine Sondergenehmigung besitzt, wird auf die dort vorhandenen personellen Unterlagen verwiesen.‘ Eine mögliche Ehrenbürgerschaft der Stadt Ödenburg versuchten die Propagandisten in Berlin zu verhindern, denn ‚wir sind es uns und unserem Volke schuldig, einen Komponisten wie Lehár [‚deutsche Schreibweise‘, Anm. d. Verf. ], der sich zum Deutschtum bekennt, und dessen Operetten vom Führer außerordentlich geschätzt werden, nicht kampflos in die Hände minderwertiger Magyaren abgehen zu lassen‘.(BArch, R55/1336) Lehár erhielt daher 1940 die ‚Goethe‐Medaille’ für Kunst und Wissenschaft, nachdem er Goebbels versichert hatte, ‚seine Ehefrau künftig im Ausland leben zu lassen“. (BArch, R55/1336) Tatsächlich übersiedelte er mit seiner Frau aber nur nach BadIschl. Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda stellte sie ab 1.November 1939 unter Schutz: ‚1. November 1939: Das RMVP teilt Lehár mit, er möge, sofern seiner Ehefrau von irgendeiner Dienststelle des Staates oder der Partei Schwierigkeiten bereitet werden sollten, diese Dienststelle ans Ministerium verweisen.‘ (BArch, R55/20609) Trotz dieser hohen Wertschätzung durch Hitler und Goebbels unterließ es Lehár, für den Librettisten Beda‐Löhner nachhaltig zu intervenieren –stattdessen dedizierte er dem Führer ‚Partituren und Schallplatten, wofür sich dessen Adjutant ‚mit deutschem Gruß‘ im Auftrag Hitlers bedankte. (BArch, NS10/13) Entsprechend unmissverständlich waren auch die Zensurangaben des NS‐Regimes vom 27. April 1940: ‚Anläßlich des 70. Geburtstages von Lehar am 30.4.40 soll ihm eine besondere Ehrung zuteil werden. (Letzteres wird den Schriftleitungen nur zur Kenntnis, nicht zur Auswertung mitgeteilt). Da die Ungarn wegen der ungarischen Staatsangehörigkeit Lehars ihn für sich beanspruchen, er aber tatsächlich deutschstämmig ist, soll in der Presse nicht etwa von dem ‚ungarischen‘ Komponisten Lehar gesprochen werden, sondern von dem Meister der deutschen Operette. Jede Polemik in Bezug auf Lehars Musik und Person ist selbstverständlich unerwünscht.‘ (Geheim! RPA Berlin, Presse‐Rundschreiben Nr.II/279/40, 27/IV/40; BArch R55/1386. Zitiert nach: Prieberg,4. 470‐4.471) Im besetzten Paris dirigierte Lehár selbst auch einen ‚Wiener Abend‘ und nahm auch an einem Großkonzert der Wehrmacht teil. (Ebd., 4471943). 1943 durfte er mit seiner Frau in die Schweiz ausreisen, da er in Budapest bei einem Dirigat zusammengebrochen war und längere Zeit an Gallen‐, Nieren‐, Drüsen‐, Augenprobleme sowie Lungenentzündung litt. (www.franz‐lehar‐gesellschaft.com/files/lehrbio.pdf) Auch nach 1945 versuchte Lehár die politischen Realitäten einfach zu verdrängen –so auch bei einem Treffen mit dem ältesten Sohn von Thomas Mann, Klaus Mann, im Mai 1945, der in der US‐Armee als Journalist arbeitete: ‚Nichts von Politik [...] ich mag nicht von unangenehmen Dingen reden.‘ (Neues Österreich, 14.11.1945) Nach der Befreiung 1945 erhielt der Wiener Kulturstadtrat Viktor Matejka, dem er in Sachen Beda‐Löhner in die Schweiz geschrieben hatte, wohin sich Lehár ‚zurückgezogen‘ hatte, von diesem einige handsignierte Postkarten: ‚Löhner mußte sterben, weil Lehár ihn verdrängte. 1945 schrieb ich diesem [...] er solle von den in der Hitlerzeit einkassierten Millionen freiwillig einen Betrag spenden für Hinterbliebene von Kollegen, die wie Beda im KZ umgekommen waren. Lehár schickte mir zwanzig Photos mit faksimilierter Unterschrift, ich solle sie verkaufen und den Erlös verwenden [...].‘ (Ma‐tejka,88) Zu diesem Zeitpunkt hatte aber Lehár keine Sorge mehr um seine jüdische Frau Sophie, geborene Paschkis, gehabt, die ihn vielleicht an der Intervention zugunsten Beda‐Löhners gehindert hatte.“2)