Avenariusstraße
Blankenese (1949): Ferdinand Avenarius (20.12.1856 Berlin - 22.9.1923 Kampen auf Sylt), Schriftsteller, Herausgeber, Verleger und Gründer des „Dürerbundes“ sowie Mitbegründer der Zeitschrift „Der Kunstwart“ (1887)
Siehe auch: Böcklinstraße
Bereits in der NS-Zeit, 1943, wurde die Avenariusstraße als neuer Straßenname in der Liste „Umbenannte Straßen“, die im Hamburger Adressbuch von 1943 veröffentlicht ist, aufgeführt. Als alter Straßenname wurde die „Charlottenstraße“ genannt, benannt nach der Frau des früheren Gemeindevorstehers Eggerstedt. Sie war die Erbin des Grundstückes.
Die Charlottenstraße in Hamburg Blankenese bedurfte einer Neubenennung, denn nach der Einführung des Groß-Hamburg-Gesetzes im Jahre 1937, wodurch z.B. Altona, Ottensen und andere Gebiete Hamburger Stadtteile wurden, hatten sich bei den Straßennamen häufig Doppelungen ergeben.
Avenarius‘ völkische Einstellung gab wohl auch Ausschlag dazu, dass in der NS-Zeit sein Name auf die Liste neu benannter Straßen aufgenommen wurde.
Avenarius‘ Vater war Buchhändler. Über die Mutter gibt die NDB (Neue Deutsche Biographie) nichts bekannt. Avenarius studierte Kunst- und Literaturgeschichte sowie Philosophie und gründete die Zeitschrift „Der Kunstwart“, eine Zeitschrift für Themen der Kunst und der Kultur, die in erster Linie vom Bürgertum gelesen wurde und eine große Bedeutung in Deutschland hatte. Die Zeitschrift hatte mehrere hauptverantwortliche Autoren, die für bestimmte Bereiche zuständig waren: „Im Bereich der Literaturkritik war der Vertreter der Heimatkunstbewegung und bekennender Antisemit Adolf Bartels tätig, von dem sich Ferdinand Avenarius erst 1905 trennte. Der konservative und teilweise antisemitische Patriotismus des Blattes nahm im Laufe der Jahre immer mehr zu.“ 1)
Der „Kunstwart“ war ein bedeutendes Organ völkischer Kunstkritik. „Völkische Leitbilder wurden besonders deutlich vertreten, als anläßlich von Böcklins [siehe: Böcklinstraße] Tod 1901 ein Sonderheft des Kunstwarts erschien. Avenarius schrieb darin: ‚Bei ihm ist es, als bräche aus dem dunkelsten Tiefen der indogermanischen Rasse noch einmal uralte mythenbildende Kraft herauf …. Was Böcklin anrührte, das ward Geist. Kunst in diesem Sinne, nordische, germanische, deutsche Kunst ist alles, was er geschaffen hat.‘“ (Kirsten Baumann: Wortgefechte. Völkische und nationalsozialistische Kunstkritik 1927-1939. Weimar 2002, S. 36.)
1920 verkaufte Avenarius seine Anteile am „Kunstwart“ an den Callwey Verlag, um damit seine Rente und die seiner Frau aufzubessern.
Avenarius, der sich „selbst als nationalistisch, aber nicht antisemitisch“ bezeichnete 2), wollte eine Kunst für alle. 1903 ließ er in Kampen auf Sylt das Haus Uhlenkamp bauen, das zu einem Treffpunkt zahlreicher Maler und anderer Künstler wurde. Avenarius setzte sich auch für den Naturschutz auf Sylt ein.
1894 hatte er für sich und seinen Freund Paul Theodor Schumann, mit dem er die Zeitschrift „der Kunstwart“ herausgab, in Dresden eine Villa bauen lassen.
1895 heiratete Avenarius Else Schumann, die von 1884 bis zur Scheidung 1894 mit Avenarius‘ Freund Paul Theodor Schumann verheiratet gewesen war. Das Paar lebte in der Villa mit Paul Theodor Schumann und dem Kind Wolfgang, das aus der Ehe zwischen Else und Paul Theodor Schumann stammte, zusammen: Paul Theodor Schumann wohnte im Erdgeschoss, Avenarius mit Elsa und deren Sohn Wolfgang im ersten Stock.
Als Paul Theodor Schumann später ebenfalls erneut heiratete, überließ Avenarius ihm die Villa.
Else Avenarius (30.8.1859 St. Louis - 30.1.1932 Leisnig) war die Tochter des Dresdner Schriftstellers Rudolf Doehn, der nach der bürgerlichen Revolution von 1848 in die USA emigriert war. 1866 kehrte die Familie nach Deutschland und nach Dresden zurück. Else Avenarius gehörte – wie auch ihr Vater - der Literarischen Gesellschaft in Dresden an. In einem Nachruf auf sie in der Zeitschrift „Der Kunstwart“ heißt es: „Ein unbestechlicher Blick für Echtes und Großes, besonders der Dichtung hat sie befähigt, die Helferin ihres Mannes und Mitarbeiterin an seinem Lebenswerk zu sein. Alle Freunde des damaligen Dresdner Kreises haben ihre stille, immer auf die Sache bedachte Tätigkeit zu schätzen gewußt, und es ist vielleicht der schönste Ruhm der seltenen, norddeutsch herben Frau, daß ohne sie der Kunstwart nicht geworden wäre, was er vielen Besten bedeutet hat.“ 3)
Zu Lebzeiten hatte Else Avenarius versucht, der Zeitschrift in Frauenfragen eine konservative Richtung zu verleihen. Dies scheiterte aber an den Autorinnen der Zeitschrift wie z. B. Gertrud Bäumer (siehe auch: Gertrud-Bäumer-Stieg).
In Wikipedia heißt es über Avenarius Wirkungsweg: „1902 gründete er zusammen mit dem Kunsthistoriker Paul Schumann den Dürerbund. Avenarius gehörte dem Vorstand der Deutschen Gartenstadt-Gesellschaft an und war Mitglied des Deutschen Werkbundes. (…). Avenarius hatte starken Einfluss als Kunsterzieher, bereits 1908 sprach er von der Entwicklung einer Kunst, die ohne Erinnerung an Wirklichkeitsformen ausschließlich mit Licht, Farbe oder Linie seelische Werte übermittelte. Ebenso hielt er zum Ersten Freideutschen Jugendtag auf dem Hohen Meißner im Oktober 1913 die abschließende Rede an die Teilnehmer. Bereits 1914 wandte er sich gegen die Kriegspropaganda auf deutscher Seite. Ab 1918 klagte er ebenso die Propaganda der Entente an, indem er umfangreiches Bildmaterial mit dem Untertitel ‚Schriften für echten Frieden‘ veröffentlichte; hiermit prangerte er den Friedensvertrag von Versailles an, der Deutschland einseitig mit der Kriegsschuld belastete und ‚einen gerechten Frieden verhinderte‘. 4)