Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Leuschnerstraße

Bergedorf/Lohbrügge (1964): Wilhelm Leuschner (15.6.1890 Bayreuth – 29.9.1944 ermordet Berlin-Plötzensee), Gewerkschafter, Politiker, Freimaurer, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.


Über seine Herkunft heißt es in Wikipedia: „Wilhelm Leuschner wurde (…) als Karl Friedrich Wilhelm Dehler (…) geboren. Seine Mutter war Marie Dehler, sein Vater Wilhelm Leuschner war Werkmeister in einer nahegelegenen Ofenfabrik. Im März 1899 wurde er, nach der Heirat seiner Eltern, als eheliches Kind im städtischen Standesamtsregister eingetragen und trug fortan den Nachnamen seines Vaters.“ 1) In der Neuen Deutschen Biographie steht über Leuschners weiteren beruflichen Werdegang: „Eine ausgeprägte künstlerische Begabung bewog den jungen L., dem durch die bescheidenen Verhältnisse seines Elternhauses eine Weiterbildung verwehrt war, den Beruf des Holzbildhauers zu erlernen. Nach Ausbildungszeiten in Bayreuth und Leipzig fand er 1908 eine Anstellung als Möbelschreiner in Darmstadt, unterbrochen durch ein Semester an der Nürnberger Kunstakademie (1909/10). Nebenbei war er ständig bestrebt, sein Wissen durch Selbststudium zu erweitern. Nach seinem Eintritt in den Bildhauerverband 1908 wurde er bereits 1909 Bezirksleiter des Zentralverbandes der Bildhauer Deutschlands. In dieser Funktion hatte sein Einsatz für die Verbesserung der Lage der Arbeiter einen großen Erfolg, als es ihm gelang, im Darmstädter Bereich die ersten Tarifverträge in der holzverarbeitenden Industrie durchzusetzen. Zu dieser Zeit wurde er auch Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).“ 2)

In dieser Zeit, 1909 starb Leuschners Mutter im Alter von 46 Jahren. Leuschner war damals 19 Jahre alt. Zwei Jahre später, 1911 heiratete er im Alter von 21 Jahren die damals 26-jährige Weißnäherin Elisabeth Schneider (1885–1971), Tochter von Katharina Schneider und des Modellschreiners Franz Batz. Zuvor war 1910 schon ein Kind geboren worden. Das zweite Kind kam im Jahr der Verehelichung auf die Welt. In dieser Zeit verdiente Leuscher sein Geld als Holzbildhauer in einer Möbelfabrik.

Während des Ersten Weltkriegs war Leuschner als Soldat an der Ostfront eingesetzt. Nach dem Krieg begann Leuschners politischer Aufstieg. Gleichzeitig trat Elisabeth Leuschner 1918 der SPD bei und betätigte sich ehrenamtlich in der Arbeiterwohlfahrt.

Wilhelm Leuschner wurde: „1919 Vorsitzender des Gewerkschaftskartells für Darmstadt und Umgegend, Landesvorsitzender der Arbeiterjugend Hessens und SPD-Stadtverordneter in Darmstadt, 1922 SPD-Parteivorsitzender in Darmstadt und Mitglied des Provinziallandtages, 1924 Wahl in den Hess. Landtag, dort Wahl zum Vizepräsidenten, 1926 Bezirkssekretär des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) für Hessen und Hessen-Nassau, 1928 Hess. Innenminister im Kabinett Adelung,“ 3) schreibt Eberhard Flessing in der Neuen Deutschen Biographie.

Im Wikipedia-Eintrag wird auf ein Gesetz hingewiesen, das in Leuschners Zeit als Innenminister in Hessen verabschiedet wurde. „Leuschner bekannte sich ausdrücklich zur Gleichberechtigung aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, und zwar „‘gleichgültig welcher Abstammung und sozialen Herkunft‘ sie auch sein mögen. Während seiner Amtszeit als Hessischer Innenminister wurde das von seinem Amtsvorgänger Ferdinand Kirnberger (Zentrum)) vorgelegte Gesetz zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens (Zigeunergesetz in einer abgeschwächten Form vom Hessischen Landtag beschlossen. Obwohl Kirnberger nach wie vor als Justizminister dem Kabinett angehörte, war die Definition von Zigeunern anhand ihrer ‚Rassenzugehörigkeit‘ gestrichen worden. Im Landtags-Ausschuss hatten SPD-Abgeordnete die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes angezweifelt und die komplette Streichung des Begriffes ‚Zigeuner‘ gefordert Während der beschlussgebenden Landtagsdebatte sprach sich jedoch lediglich ein Abgeordneter der KPD gegen die Regierungsvorlage aus. Hinsichtlich der Sinti und Roma war das Gesetz Ausdruck des seinerzeit selbst unter Demokraten weit verbreiteten Antiziganismus, weshalb das Gesetz von manchen zur Vorgeschichte der systematischen Ermordung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus gezählt wird.“ 4)

Wilhelm Leuschner kämpfte schon vor 1933 gegen den Nationalsozialismus. Nachdem er im Januar 1933 in den Bundesvorstand des ADGB gewählt worden war, legte er sein Amt als Hessischer Innenminister nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im März 1933 nieder. „L. fiel der SA in die Hände und wurde drei Tage lang eingesperrt und mißhandelt. Seine Freilassung erfolgte nur, weil der spätere NS-Arbeitsfrontführer Robert Ley hoffte, daß L. bereit sein würde, vor dem Internationalen Arbeitsamt in Genf die neu eingeführte ‚Deutsche Arbeitsfront‘ (DAF) als rechtmäßigen Nachfolger der Gewerkschaften zu legitimieren. Jedoch auf der Anfang Juni 1933 in Genf stattfindenden Sitzung bestätigte L. durch beharrliches Schweigen auf die Fragen der Delegierten die Vorwürfe gegen die Nationalsozialisten (…). Er wurde nach seiner Rückkehr nach Deutschland sofort festgenommen und blieb bis Juni 1934 in verschiedenen Gefängnissen und Konzentrationslagern in Haft. In den folgenden Jahren nutzte er seinen Posten als Leiter einer kleinen Metallwarenfabrik in Berlin, um während beruflich bedingter Reisen Kontakte zu ehemaligen Sozialdemokraten und Gewerkschaftern aufzunehmen und auszubauen. (…),“ 5) heißt es in der Neuen Deutschen Biographie.

Elisabeth Leuschner, die ihren Mann bis 1933 politisch stets unterstützt hatte, „hatte große Probleme, ihre Familie während der Haft ihres Mannes zu ernähren.“ 6)

Leuscher bekam auch Kontakt zu militärischen Widerstandskreisen und ebenso zum Kreis um Carl Goerdeler (Goerdelerstraße). „So wuchs L. mehr und mehr in eine Schlüsselfunktion innerhalb jener Widerstandskreise hinein, die an der Verschwörung des 20. Juli 1944 beteiligt waren. Er wurde als wichtigster Vertreter der Arbeiterschaft bzw. der Sozialdemokratie angesehen. In der von den Hitlergegnern erstellten Kabinettsliste für eine Übergangsregierung war L. für das Amt des Vizekanzlers vorgesehen, während Beck als Staatsoberhaupt den militärischen, Goerdeler als Kanzler den bürgerlichen Widerstand repräsentieren sollte. (…). Nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler wurde L. am 16.8.1944 aufgrund einer Denunziation verhaftet,“ 7) so Eberhard Flessing.

Auch Elisabeth Leuschner war verhaftet worden. Weil sie den Aufenthaltsort ihres Mannes nicht verriet, kam sie ins Gefängnis Moabit und dann ins KZ Ravensbrück.

Wilhelm Leuschner wurde am 8.9.1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 29.9.1944 in Berlin-Plötzensee ermordet.

Elisabeth Leuschner wurde „erst nach der Hinrichtung Wilhelm Leuschners (…) entlassen und stand erneut vor einer vernichteten Existenz.“ 8) 1945 kehrte „sie nach Darmstadt zurück. Hier verbrachte sie ihren Lebensabend in ihrer Wohnung in der Heinrichstraße 101 und starb am 9. Oktober 1971. Seit 2007 erinnert im Ernst-Ludwig-Park in Darmstadt eine Elisabeth-Leuschner-Anlage an die Frau von Wilhelm Leuschner.“ 9)