Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Lola-Rogge-Platz

HafenCity, seit 2013, benannt nach Lola Rogge (20.3.1908 Altona - 13.1.1990 Hamburg), Tänzerin, Choreografin und Pädagogin


Ihr Grab befand sich neben dem Ausgang des Gartens der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Nachdem die Ruhezeit abgelaufen war, hat der Verein Garten der Frauen das Grab in den Garten der Frauen integriert und darauf eine Installation errichtet.

Dass Lola Rogge eine tänzerische Laufbahn einschlagen würde, stand keineswegs von Anfang an fest. Widerstände der Eltern waren zu überwinden, die ihre Tochter in dem für Frauen anerkannten Beruf der Fürsorgerin sahen, und später, während der Ausbildung, Selbstzweifel: Zweifel an der eigenen Begabung und körperlichen Belastbarkeit. Doch ihr kämpferisches und zielstrebiges Naturell ließen sie alle diese Schwierigkeiten überwinden und den Namen Lola Rogge weit über Hamburgs Grenzen hinaus bekannt machen.

Begonnen hatte für die Tochter von Christiane Rogge, geb. Schönfelder, und ihrem Ehemann, dem Stadtbaumeister in Altona und Architekten Hans Rudolf Rogge, alles, als sie aufgrund ihres zarten Gesundheitszustandes 1920 aus dem Lyzeum in der Altonaer Chaussee, das sie seit 1914 besuchte, in die jüdische Privatschule von Alice Blömendal umgeschult wurde, wo statt des ihr aus gesundheitlichen Gründen untersagten Sportunterrichts rhythmische und tänzerische Gymnastik auf dem Lehrplan stand. Das junge Mädchen war sofort Feuer und Flamme, gern hätte sie auch außerhalb der Schule Tanzunterricht genommen, doch die Eltern waren strikt dagegen. Erst ein Tanzsolo in einer Schulaufführung nach Gedichten aus Goethes „West-östlichem Divan“, die Fürsprache einer Lehrerin, die mit Lola und ihren Freundinnen eine Tanzszene in einem Theaterstück für den Handwerkertag in Hamburg eingeübt hatte, und vor allem ihr eigenes tägliches Insistieren führten schließlich dazu, dass die Mutter sich bereit erklärte, an einer Unterrichtsstunde in der Tanzschule des Ungarn Rudolf von Laban zu hospitieren. Der Anblick halb nackter, schwitzender Männer ließ sie entsetzt zurückschrecken. Doch die Tochter gab nicht nach, und beim zweiten Besuch hatte sie Glück. Die feinfühlige Jenny Gertz, die dieses Mal den Unterricht erteilte, begriff die Situation und richtete es so ein, dass keine exzessiven Bewegungen bei den Übungen vorkamen. Lola Rogge hatte es geschafft: Auch wenn die Eltern sich niemals mit der Künstlerlaufbahn ihrer Tochter abfanden, willigten sie in ihre Wünsche ein. 1925 begann Lola Rogge ihre Ausbildung an der Schule „Hamburger Bewegungschöre Rudolf von Laban“.

Labans Bewegungslehre basierte auf der Überzeugung, dass das gesamte Sein seinen Ursprung im Tanz habe. Daraus ergaben sich alle weiteren Einsichten, dass nämlich in jedem Menschen ein Tänzer stecke, der Gruppentanz die eigentliche adäquate Form und die zwecklose Freude der Tänzerinnen und Tänzer im gemeinsamen Erleben die Zielsetzung des Tanzes sei. Vor diesem Hintergrund ist es auch verständlich, dass Labans Interesse nicht nur der Ausbildung von Profis, sondern vor allem auch der von tanzbegeisterten Laien galt. Aus der Arbeit mit ihnen gingen die Bewegungschöre hervor, deren Übungsstunden zum Pflichtprogramm der Ausbildungsschüler und -schülerinnen gehörten.

Die Lehre Labans musste bei Lola Rogge, die einen besonderen Sinn für Humanität und Toleranz besaß, auf fruchtbaren Boden fallen, auch wenn sie den Schwerpunkt in ihrem eigenen Unterricht später etwas verlagerte. Während es Laban primär um das gesteigerte Ich-Erlebnis in der Gemeinschaft ging, darum, den Menschen aus der Gemeinschaft heraus zu tragen, legte Lola Rogge Wert auf die Durchbildung des Körpers, auf technisches Können. Aus dem Gefühl heraus, selbst keine ausreichende Technik gelernt zu haben, nahm sie nach Abschluss ihrer Ausbildung am Laban-Institut klassischen Tanzunterricht bei Olga Brandt-Knack (siehe auch: Olga-Brandt-Knack-Straße), der damaligen Ballettmeisterin und Choreographin des Hamburger Stadttheaters.

Eine Karriere als Solotänzerin kam für Lola Rogge nicht in Frage. Nach ihrem Examen im Jahre 1927 gründete sie eine eigene Schule in Altona, die „Altonaer Labanschule Lola Rogge“, wo sie die ersten Kinderbewegungschöre ins Leben rief. Um für ihre SchülerInnen mit geringem Einkommen den Beitrag erschwinglich zu halten, gründete sie den „Altonaer Bewegungschöre e.V.“. Als eingetragenem Verein standen ihm Turnhallen als Trainingsräume zu günstigen Konditionen zur Verfügung. 1931 erweiterte sich ihr SchülerInnenkreis noch einmal erheblich, als sie Gymnastikunterricht über den Rundfunk erteilte.

1934 übernahm Lola Rogge die Laban-Schule am Schwanenwik. Sie war inzwischen nicht mehr allein, denn sie hatte 1931 den Hamburger Kaufmann Hans Meyer geheiratet, der nach der Eheschließung den Namen seiner Frau als zweiten Namen angenommen hatte. Hans Meyer hatte zunächst Pianist werden wollen, schlug aber dann, als sein Vater starb und er für seinen eigenen Lebensunterhalt und den der Mutter sorgen musste, eine kaufmännische Laufbahn ein. Als er Ende der 1920er Jahre mit Einbruch der Weltwirtschaftskrise wie viele andere arbeitslos wurde, besann er sich auf seine musikalische Begabung und wurde zum Begleiter und Berater seiner damaligen Freundin und späteren Ehefrau. Er saß während ihres Unterrichts am Klavier und half ihr bei der Musikauswahl für ihre kleinen Choreographien. Später, bei den großen chorischen Tanzwerken, wurde er zu einem wichtigen musikalischen und dramaturgischen Mitarbeiter, der die Musik und den Stoff auswählte und die dramaturgische Konzeption der Choreographie entwarf. Doch waren beide sich stets bewusst, dass sie die begabtere von ihnen war. Ihren „Prinzgemahl“ nannte sie ihn dann auch. Dieser übernahm allerdings eine sehr zentrale Funktion, als das Ehepaar sich entschloss, die Laban Schule zu kaufen. Hans Meyer-Rogge wurde zum geschäftsführenden Direktor des Instituts.

Schon ein Jahr vor der Übernahme der Tanzschule hatte sich Lola Rogge nach ersten kleinen Erfolgen als Choreographin an ein abendfüllendes Programm auf eigene Verantwortung und Kosten gewagt. 1935 führte sie das Stück „Amazonen“ mit ihren Bewegungschören im Deutschen Schauspielhaus auf. Das Stück war so erfolgreich, dass es 1935 im Rahmen des deutschen Tanzfestspiels in Berlin gezeigt wurde und 1936 zusammen mit dem Weihespiel Labans „Vom Tauwind und der neuen Freude“ für die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele gedacht war. Bei der Generalprobe entschied Goebbels sich jedoch anders. Über Labans chorisches Werk, das sich zunächst so mühelos in die nationalsozialistische Ideologie zu fügen schien, notierte er in seinem Tagebuch: „Das ist alles so intellektuell. Ich mag das nicht. Geht in unserem Gewande daher und hat gar nichts mit uns zu tun.“ 1) Als Laban Deutschland 1937 verließ, musste sein Name aus den Titeln aller Labanschulen gestrichen werden. Lola Rogge führte ihre Schule unter der Bezeichnung „Lola-Rogge-Schule“ weiter.

Auf Grund ihrer Erfolge erhielt Lola Rogge am Schauspielhaus einen Vertrag als Bewegungsregisseurin. Über 20 Jahre, bis zum Ende der Spielzeit 1958/59, arbeitete Lola Rogge neben all ihren anderen Verpflichtungen auch noch am Schauspielhaus.

Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt sie von der englischen Besatzungsmacht die nötige Unterrichts- und Auftrittsgenehmigung. Die Tanzschule war bereits 1938 in das Haus Tesdorpfstraße 13 verlegt worden, das das Ehepaar erwarb, als ihm der Mietvertrag für das Haus am Schwanenwik, in dem sich die Tanzschule Laban bis dahin befand, gekündigt wurde. Hier in der Tesdorpfstraße wohnte die Familie auch. Die Zusammenlegung von Wohnung und Arbeitsstätte erleichterte manches, besonders die Betreuung der Kinder, der 1935 geborenen Zwillinge Jan und Klaus und der Töchter Christiane (1944) und Andrea (1948). Zudem gab es eine Hausangestellte, die von frühmorgens bis spätabends für die Kinder da war.

1950 wurde ihr mit der Komponistin Aleida Montijn geschaffenes Werk „Vita Nostra“, das auf alttestamentarischen Psalmen basiert, uraufgeführt. Der renommierte Ballettkritiker Christian E. Lewalter wertete das Werk, das die durchlebten Schrecken des Krieges zum Ausdruck brachte, in der „DIE ZEIT“ als einzigartiges Werk. Auch das letzte große Werk, das Lola Rogge schuf, hatte einen religiösen Hintergrund und beschäftigte sich mit dem Tod: der „Lübecker Totentanz“.

Nach dem Tod ihres Mannes am 5. September 1975 gab Lola Rogge die Leitung ihrer Schule an ihre Tochter Christiane ab. Die Ausbildung für Tänzerinnen und Tänzer hatte sie bereits 1969 aufgegeben. Lola Rogge konzentrierte sich ganz auf ihr Lieblingskind, den Laientanz. Darin war sie so erfolgreich, dass sie 1972 eine Zweigstelle in dem klassizistischen Gebäude im Hirschpark in Blankenese einrichtete. Bis zu ihrem Tode am 13. Januar 1990 leitete sie einen Laienkurs.

Text: Brita Reimers