Ludwig-Rosenberg-Ring
Bergedorf/Lohbrügge (1980): Ludwig Rosenberg (20.6.1903 Charlottenburg/Berlin – 23.10.1977 Düsseldorf), Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Gewerkschaftsführer.
Ludwig Rosenberg wurde als Sohn von Hedwig Rosenberg, geborene Leyser (ermordet 1943 KZ Auschwitz) und Moritz Rosenberg (1872–1923) geboren. Der Vater betrieb in Berlin ein Bekleidungsgeschäft. In der Neuen Deutschen Biographie heißt es dazu: „Aus einem liberalen, wohlhabenden jüd. Elternhaus stammend, wurde R. besonders durch seine künstlerisch und politisch interessierte Mutter und deren Bruder Benno Leyser geprägt. Krieg, Inflation und der Tod des|Vaters verschlechterten die Existenzgrundlage der Familie, so daß R. das Realgymnasium verlassen mußte, um als kaufmännischer Lehrling seinen Lebensunterhalt zu verdienen.“ 1)
Frank Ahland schreibt in seiner Abhandlung „Die Probleme Israels mitgelebt. Ludwig Rosenberg und Israel“: „Die Familie sah sich der liberalen Tradition des Judentums verpflichtet, doch der junge Ludwig trat früh schon aus der Gemeinde aus. Er verstand sich zeitlebens weder als Jude noch als Zionist. Auch beruflich verweigerte er sich dem vorgezeichneten Weg: Er verließ die Schule ohne Abitur, den väterlichen Laden verkaufte er bald nach dessen Tod. 1928 wurde er Mitarbeiter der Gewerkschaft der Angestellten, einer liberalen Gewerkschaft, in der er rasch aufstieg.
Als junger Mann begrüßte Rosenberg die neue demokratische Ordnung, erlebte aber auch die politischen Morde und Putsche hautnah mit. Die Demokratie und ihre Gefährdung wurden zu seinem Lebensthema.“ 2)
Ludwig Rosenbergs politischer und gewerkschaftlicher Lebensweg wird von Dietmar Süß in der Neuen Deutschen Biografie wie folgt beschrieben: „1921-23 Mitglied des Republikanischen Jugendbundes, trat er 1923 der SPD, 1924 dem Reichsbanner und 1925 dem liberalen Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaftsbund der Angestellten (GDA) bei. 1928 übernahm er als Mitarbeiter der GDA Krankenkassenhauptverwaltung in Berlin erstmals eine hauptamtliche Funktion. Nach einjährigem Studium an der Staatl. Fachschule für Wirtschaft und Verwaltung in Düsseldorf war R. 1931-33 GDA-Bezirksgeschäftsführer in Krefeld, Düsseldorf und Brandenburg/Havel.“ 3)
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten entließ die Gewerkschaft im Frühjahr 1933 Ludwig Rosenberg wegen seiner jüdischen Herkunft. „Arbeitslos und verlobt nahm er die Gelegenheit wahr, Deutschland zu verlassen. Seine Verlobte Margot [Müntzelburg (1905-1980), R. B.] folgte ihm nach London. Bald darauf verheiratet, schlugen sie sich mühsam durch,“ 4) so Frank Ahland.
Die beiden übernahmen Gelegenheitsjobs. „Er war eine Zeitlang Journalist, dann wieder Handelsvertreter für englische Stoffe in Portugal. Davon lebte das junge Ehepaar mehr schlecht als recht. Im Mai und im Juni 1940 wurden die meisten Flüchtlinge in Großbritannien interniert. Die Rosenbergs kamen in getrennte Lager auf der Isle of Man in der Irischen See. Ludwig Rosenberg ließ sich zum Leiter der Häftlingsselbstverwaltung wählen und verhandelte mit den britischen Militärs. Erst nach seiner Entlassung Ende 1940 konnte er daran mitwirken, deutsche Hitler-Flüchtlinge in die britische Rüstungsindustrie zu vermitteln. So konnte er Geld verdienen und zugleich den Niedergang der Barbarei auf dem Kontinent beschleunigen. Nach Jahren der Armut leisteten es sich die Rosenbergs nun, ein kleines Häuschen in einem Londoner Vorort zu kaufen. (…) Doch zum Bleiben entschlossen waren sie nicht. (…) Zu sehr war Rosenberg in der Politik und der Gesellschaft Deutschlands verwurzelt. (…) Diesem Deutschland nach dem Ende der Barbarei zum Durchbruch zu verhelfen, war Rosenbergs Lebensziel. Dass sich nach dem Krieg eine Tür für ihn öffnete, die ihm diese Chance gab, verdankte er am Ende seinen Kontakten zu prominenteren Vertretern des Exils in London. Es war vor allem Hans Gottfurcht, der Leiter der Londoner Vertretung der freien Gewerkschaften, der Rosenberg an die Schaltstellen heranführte. Er war es, der nach dem Kriegsende ein Empfehlungsschreiben an Hans Böckler, den Vorsitzenden der Gewerkschaften der Britischen Zone, schickte, in dem er Rosenberg lobte: ‚Seine Qualifikationen machen es empfehlenswert, ihn hauptamtlich für die Gewerkschaftsbewegung, und zwar an einer zentralen Stelle, zu verwenden.‘ 1946, als die Gewerkschaftsführung ihre Zustimmung gab, hielt Rosenberg nichts mehr in England. Er [gemeinsam mit seiner Frau, R. B.] zog in das vom Krieg zerstörte Bielefeld,“ 5) berichtet Frank Ahland.
Rosenberg, der rmit seiner Frau kinderlos geblieben war, engagierte sich fortan in der gewerkschaftlichen Arbeit. Dazu heißt es in der Neuen Deutschen Biographie: Rosenberg war von: „1946-48 Sekretär im Gewerkschaftsrat der vereinigten Zonen, (…) 1949 [wurde er] Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB und zuständig für die Hauptabteilung Ausland und Wirtschaftspolitik. Als erster ‚Außenminister‘ der Gewerkschaften bemühte R. sich besonders um Kontakte nach Israel. (…) 1959 mit breiter Zustimmung zum stellv. und 1962 zum Vorsitzenden des DGB gewählt, war R. maßgeblich an der Formulierung des reform- und konsensorientierten DGB-Grundsatzprogramms von 1963 beteiligt, das auf eine Integration der Gewerkschaften in die bestehende marktwirtschaftliche Ordnung zielte. Er übte das Amt bis 1969 aus; 1963-69 gleichzeitig Präsident des Internat. Bundes Freier Gewerkschaften, setzte er sich nachdrücklich für den Prozeß der europ. Einigung ein.“ 6)
Über Rosenbergs gewerkschaftlichen Standpunkt heißt es auf der Website des Moses Mendelssohn Zentrums unter der Überschrift „Wer war Ludwig Rosenberg“: „Trotz seines ausgleichenden Wesens vertrat Rosenberg durchaus kontroverse Standpunkte, die im gewerkschaftlichen Rahmen heiß umstritten waren. So bekannte er sich zur sozialen Marktwirtschaft, brachte das Grundsatzprogramm von 1963 auf den Weg, das einen Abschied von klassenantagonistischen Positionen und eine Hinwendung zur ‚Sozialpartnerschaft‘ bedeutete, und führte den DGB zu einer konstruktiven Haltung während der Ära Ludwig Erhards und der Großen Koalition (Konzertierte Aktion). Mitbestimmung war für ihn mehr als ein Instrument zum Ausgleich innerbetrieblicher Konflikte: Er sah darin einen Schritt zu mehr Demokratie und zu einer ‚wahrhaft menschlichen Ordnung‘.
Es ist darüber hinaus bemerkenswert, dass Rosenberg einer der ganz wenigen Juden in der alten Bundesrepublik war, die überhaupt in eine gesellschaftliche Spitzenposition gewählt wurden. Es ist bezeichnend und von großem Interesse, dass dies im Deutschen Gewerkschaftsbund der 1960er möglich war.“ 7)
Ludwig Rosenberg setzte sich vehement auch für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel ein: „Um dieses Ziel voranzutreiben, initiierte er eine Unterschriftensammlung, die jedoch weit hinter den Erwartungen zurückblieb, da die Arbeitgeberverbände nicht mitzogen, aber auch weil man den Antisemitismus unter den Arbeitern in den Betrieben unterschätzt hatte. Dennoch war die Aktion im Zusammenwirken mit zahllosen anderen gesellschaftlichen Akteuren letztlich erfolgreich. Bundeskanzler Erhard (siehe: Ludwig-Erhard-Straße), der lange auf ablehnende Stimmen aus dem Auswärtigen Amt gehört hatte, stimmte im April 1965 der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu,“ 8) schreibt Frank Ahland.
Zehn Jahre später, 1975, schlossen dann auch: „die Vorsitzenden von DGB und Histadrut [Dachverband der Gewerkschaften Israels], Heinz Oskar Vetter und Yeruicham Meshel, ein Partnerschaftsabkommen, das der inzwischen längst geübten Praxis der Zusammenarbeit formelle Bahnen gab“ 9), so Frank Ahland. Und dieser führt weiter aus: „Damit waren Rosenbergs intensive Bemühungen, die seine gesamte Amtszeit durchzogen haben, endlich an ihr Ziel gelangt.“ 10)