Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Ludwig-Erhard-Straße

Altstadt (1991): Prof. Dr. Ludwig Erhard (4.2.1897 Fürth -5.5.1977 Bonn), Bundesminister für Wirtschaft, Bundeskanzler.


Siehe auch: Adenauerallee

Vorher westlicher Teil der Ost-West-Straße.

„Er war von 1945 bis 1946 Wirtschaftsminister in Bayern, 1948 bis 1949 Direktor für Wirtschaft des vereinigten Wirtschaftsgebiets und von 1949 bis 1963 Bundeminister für Wirtschaft. Er gilt als Vater des ‚deutschen Wirtschaftswunders‘ und des als Soziale Marktwirtschaft bezeichneten Wirtschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland. Von 1957 bis 1963 war er Vizekanzler und von 1963 bis 1966 der zweite Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. 1966 bis 1967 war er Adenauers Nachfolger als CDU-Bundesvorsitzender,“ 1) ist in Wikipedia nachzulesen.

In der NS-Zeit und in der Zeit davor war Erhard von 1928 bis 1942 Assistent und später stellvertretender Leiter des Instituts für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware an der Handelshochschule in Nürnberg gewesen. In Wikipedia heißt es über seine Aktivitäten in dieser Zeit u. a.: „In der Zeitung des Instituts äußerte sich Erhard beispielsweise positiv über die nationalsozialistische Zwangskartellierung, denn sie beuge den Schäden des ‚artfremden Preiskampfes‘ vor (…) Seit 1933 wirkte er als Lehrbeauftragter an der Nürnberger Handelshochschule. (…) In den Kriegsjahren war Erhard als wirtschaftspolitischer Berater zur Integration der annektierten Gebiete Österreich, Polen und Lothringen tätig. (…) Von 1942 bis 1945 leitete er das von ihm gegründete Institut für Industrieforschung, das von der Reichsgruppe Industrie finanziert wurde. Ab Ende 1942 beschäftigte sich Erhard hier mit der ökonomischen Nachkriegsplanung. (…) 1944 verfasste er im Auftrag der Reichsgruppe Industrie für das Institut seine Denkschrift Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung, in der er Überlegungen zum Neuaufbau der Wirtschaft nach dem Krieg anstellte und u. a. einen Währungsschnitt empfahl. Die Endfassung der Denkschrift übergab er an SS-Gruppenführer Otto Ohlendorf, der im Wirtschaftsministerium unter dem Schutz Himmlers seit Ende 1943 die Planungen für die Wirtschaft nach dem Krieg leitete. Ob ein Exemplar der Schrift, das er im Juli 1944 an Carl Friedrich Goerdeler [Goerdelerstraße] gesandt hatte, in dessen Hände gelangte, ist umstritten (…).“ 1)

Die Wirtschaftsredakteurin der Tageszeitung die „taz“, Ulrike Herrmann, hat in ihrem 2019 erschienenen Buch „Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen“ auch über Ludwig Erhards Stellung und Einstellung im Nationalsozialismus geschrieben. Dieses, auch bei der Bundeszentrale für politische Bildung erhältliche Buch, wurde auf der Website der Ludwig Erhard Stiftung kritisch kommentiert. Zu Ludwig Erhard als Profiteur des NS-Regimes heißt es dort: „Ein weiterer Hauptgegner von Frau Herrmann ist Ludwig Erhard, den sie als unfähig, selbstdarstellerisch und NS-Profiteur darstellt. Dabei folgt sie weitgehend den gehässigen Pfaden, die von Volker Hentschel in seiner Erhard-Biografie von 1996 getreten wurden, ergänzt um dazu passende neuere Literatur. Was nicht ins Bild passt, wird dagegen weggelassen, zum Beispiel das 2015 erschienene Buch von Horst Friedrich Wünsche, das sich ausführlich mit den ordnungspolitischen Vorstellungen Ludwig Erhard auseinandersetzt.“ 2)

Ulrike Herrmann selbst hat über Ludwig Erhard in der „Hamburger Morgenpost“ einen Artikel veröffentlicht unter dem Titel „Darf nach ihm eine Straße benannt sein? Ludwig Erhard war ein Profiteur der Nazis.“ 3) Mit Erlaubnis der Autorin soll hier der Text wiedergegeben werden: „Wie viele deutsche Städte besitzt auch Hamburg eine ‚Ludwig-Erhard-Straße‘: sechsspurig verbindet sie den Rödingsmarkt mit dem Millerntor. Die meisten Hamburger wissen nur, dass Erhard erst Wirtschaftsminister und dann Bundeskanzler war. Es ist weithin unbekannt, dass Erhard ein Profiteur des NS-Regimes war und hochbezahlte Gutachten für Gauleiter und Himmler-Behörden verfasst hat.

Erhard war Volkswirt und ab 1933 Geschäftsführer beim Nürnberger ‚Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware‘. Eigentlich betrieb man dort Marktforschung, aber ab 1938 arbeitete Erhard eng mit Josef Bürckel zusammen, der erst Gauleiter in Wien und dann in Lothringen war. Für Bürckel verfasste Erhard unter anderem eine Studie darüber, welche ‚Gesichtspunkte‘ bei der ‚Verwertung des volksfeindlichen Vermögens zu beachten‘ seien. Damit war das Eigentum von deportierten Juden und missliebigen französischen Politikern gemeint.

1940 tat Erhard zudem einen weiteren Großkunden auf – die ‚Haupttreuhandstelle Ost‘, die im annektierten Polen tätig war. Erhard sollte ein wirtschaftspolitisches Gesamtkonzept entwerfen, wie sich der ‚neue deutsche Ostraum‘ entwickeln ließe.

Im Sommer 1941 war der Vorbericht fertig, in dem es nicht an rassistischen Klischees fehlte. So schrieb Erhard beispielsweise: ‚Das polnische Volk hat weder die Gestaltungskraft noch den Gestaltungswillen, die es zu so wahrhaft kultureller Leistung befähigt.‘ Erhard implizite Botschaft lautete also: Die Polen konnten froh sein, dass sie von den Deutschen enteignet worden waren, denn nun übernahm der germanische Sachverstand.
Erhard dachte in völkischen Kategorien, blieb aber dennoch pragmatisch: Für ihn war es schlicht ineffizient, die Polen zu ermorden, zu vertreiben oder verhungern zu lassen, wenn sie doch als Arbeitskräfte und als Kunden benötigt wurden. Erhard plädierte daher dafür, dass die polnischen Arbeiter nicht viel weniger verdienen sollten als die deutschen: ‚Eine in materieller Hinsicht allzu starke Differenzierung zwischen Deutschen und Polen muss sich in einer Leistungsminderung niederschlagen und erhöht zudem die sozialen und politischen Spannungen.‘

Diese pragmatische Haltung war im NS-Staat weit verbreitet. Viele überzeugte Nazis waren höchst unglücklich, dass Hitler und Himmler dringend benötigte Arbeitssklaven in die Konzentrationslager schickten oder verhungern ließen. Der Vorbericht wurde daher breit gestreut, und besonders stolz war Erhard, dass sogar Reichsmarschall Hermann Göring einen Lobesbrief unterschrieben hatte: ‚Für Ihre erfolgreiche Arbeit spreche ich Ihnen meine ganze besondere Anerkennung und meinen Dank aus.‘

Himmlers Dienststellen hingegen waren weniger erfreut. Die SS monierte, dass bei Erhard jeder Hinweis fehlte, dass die Polen ‚zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dem deutschen Volkskörper und aus der deutschen Wirtschaft ausgemerzt‘ werden müssten. Diese Vorbehalte hinderten Himmlers Gefolgsleute jedoch nicht daran, im Mai 1943 Erhard einen eigenen Auftrag zu erteilen.

Die SS machte daher klare ‚volkspolitische Vorgaben: Erhards neue Studie sollte davon ausgehen, dass sämtliche Polen deportiert würden. Da Erhard das Warthegau mehrfach intensiv bereist hatte, musste er wissen, dass es für die Polen den sicheren Hungertod bedeutete, wenn sie in den Osten abgeschoben wurden. Dennoch war Erhard gern bereit, eine Expertise für die Himmler-Behörde zu erstellen, und verlangte dafür üppige 6000 Reichsmark.

Diese Ergänzungsstudie hat Erhard nie fertiggestellt. Denn er hatte so viele NS-Aufträge akquiriert, dass er sie gar nicht alle abarbeiten konnte. In einem Entschuldigungsbrief schrieb Erhard am 28. Oktober 1943: ‚ich war indessen nahezu die ganze Zeit zwecks Durchführung kriegswichtiger Aufgaben verreist, sodass ich mich auch der Erstellung dieses Gutachtens noch wenig widmen konnte.‘
Bereits diese Beispiele zeigen: Erhard war ein Nazi-Profiteur. Hat er wirklich eine Straße in Hamburg verdient?“. 3)

Im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung zu Straßennamen der Stadt Oldenburg beschäftigte man sich dort auch mit Ludwig Erhardt, weil nach ihm auch in Oldenburg eine Straße benannt wurde. In dieser wissenschaftlichen Untersuchung heißt es über die Rolle von Ludwig Erhardt während der Zeit des Nationalsozialismus u. a. : „Der Lebensweg des Wirtschaftswissenschaftlers und Politikers Ludwig Erhard(1897–1977) zwischen 1933 und 1945 ist spätestens seit den 1990er Jahren in mehrfacher Hinsicht umstritten. Im Mittelpunkt der Kontroversen stehen bis heute Erhards vermeintliche Rolle in der Formierung des Widerstandskreises rund um die Attentäter vom 20. Juli 1944 sowie dessen mutmaßlicher Beitrag zur Verankerung des NS-Regimes. Die mitunter höchst divergierenden Beurteilungen haben vor diesem Hintergrund eine weite Ausdehnung erfahren, stehen sich hier doch Verteidiger und Kritiker scheinbar unversöhnlich gegenüber. Während erstere zwar mittlerweile von der zuvor lange kolportierten Behauptung, Erhard sei ein „entschiedener Gegner des Nationalsozialismus“ gewesen, Abstand genommen haben, und sich seitdem auf die Betonung der Weigerung Erhards, NS-Organisationen beizutreten, und seinen freundschaftlichen Kontakt zu Carl Goerdeler, einer zentralen Figur des Widerstands, konzentrieren, warten letztere mit harscher Kritik auf. In ihren Augen habe Erhard die nationalsozialistische Epoche ‚erheblich mitgestaltet‘, ja er sei gar ‚im Dienst der Stabilisierung und europäischen Expansion des NS-Imperiums aktiv‘ gewesen. Diese maßgeblich von Karl Heinz Roth und Christian Gerlach vertretene Position fasste Roth in folgender Weise zusammen: Erhard habe zwischen 1933 und dem Frühjahr 1944 als Ökonom agiert, ‚der die Kriegswirtschaft der NS-Diktatur rückhaltlos bejahte und es sich zur Aufgabe machte, ihre Strukturen binnenwirtschaftlich wie annexionspolitisch zu effektivieren‘. Bernhard Löffler stützte diese These unlängst, indem er darauf hinwies, Erhard habe 1964 in einem persönlichen Gespräch eingestanden, dass ‚er im ‚Dritten Reich‘ auch für dieses tätig war, jedoch nur im wirtschaftlichen Bereich und letztlich in einer Weise, daß nichts vorliege, was er [...] befürchten‘ müsse. Als es 1933 zur ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten kam, war Erhard bereits seit fünf Jahren als wissenschaftlicher Assistent Wilhelm Vershofens am Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware (IfW) tätig, einer Einrichtung der Handelshochschule in Nürnberg. Obwohl Erhard sich weigerte, der NSDAP und dem NS-Dozentenbund beizutreten, stieg er 1933 innerhalb des IfW zum Mitglied der Geschäftsführung auf und wurde zudem im darauffolgenden Jahr in den Vorstand der zur Finanzierung des IfW begründeten Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) berufen. Neben der Leitung und Anfertigung wirtschaftswissenschaftlicher Studien übernahm Erhard hier in erster Linie die Aufgabe, als Referent im Rahmen regelmäßig –auch im Ausland –abgehaltener Kurse für Absatzwirtschaft aufzutreten oder ähnliche Kurse in Zusammenarbeit mit der bayerischen Wirtschaftskammer durchzuführen. Seine Tätigkeit umfasste außerdem die Redaktion und Herausgeberschaft der Institutszeitung ‚Markt der Fertigware‘ bzw. ab 1933 ‚Die deutsche Fertigware‘, in denen er auch selbst gelegentlich publizierte –und dies mitunter durchaus wohlwollend den neuen Machthabern gegenüber. So versicherte er 1934 in einem Artikel, dass die ‚bejahende Einstellung zum neuen Staat und zur neuen Wirtschaft‘ seitens des IfW ‚mehr als nur ein Lippenbekenntnis‘ sei. Von 1933 bis 1940 übernahm Erhard außerdem kontinuierlich Lehraufträge an der Hindenburg-Hochschule: (…)

Die Fortführung seiner akademischen Karriere verlief jedoch nicht vollends reibungslos, verweigerte ihm die Hochschule im Frühjahr 1933 doch die Annahme seiner Habilitationsschrift. Über die Gründe dieser Ablehnung ist in widersprüchlicher Weise diskutiert worden: So argumentieren einige Stimmen im Einklang mit Erhards eigener späteren Aussage, der Habilitationsversuch sei aufgrund seiner mangelnden Parteigängigkeit gescheitert, andere dagegen führen die unzureichende Qualität der Arbeit als ausschlaggebendes Motiv der Prüfungskommission ins Feld.
Mit Ende des Jahres 1938 begann das IfW –dessen steigende wirtschaftspolitische Relevanz zur Herauslösung aus dem Verband mit der Hochschule geführt hatte, so dass es nun als selbstständige Stiftung seinen Sitz in zuvor aus jüdischem Besitz enteigneten Räumlichkeiten nahm – staatliche Stellen bei wirtschaftlichen Fragen hinsichtlich zukünftiger Annexionen zu beraten. Erhard, der zwischen 1936 und 1938 in verschiedene Ausschüsse der Reichsgruppe Industrie (RI), einer partiell dem Reichswirtschaftsministerium (RWM) untergliederten und ‚größte[n] und wichtigste[n] Reichsgruppe im wirtschaftlichen Zwangsverbändesystem des nationalsozialistischen Deutschland‘, berufen worden war und somit bereits Kontakte zu regierungsnahen Organisationen geknüpft hatte, kamen hier zentrale Aufgaben zu. Gerlach spitzte Erhards diesbezügliche Tätigkeiten folgendermaßen zu: ‚Es gab kaum ein vom Reich annektiertes Gebiet, indem er [Erhard] nicht tätig wurde und über das er keine Studie erstellte.‘ Den Beginn markierte eine durch Josef Bürckel, dem damaligen Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, in Auftrag gegebene und von Erhard geleitete sowie später verfasste Studie unter dem Titel ‚Tabakverbrauch im Reich und im ehemaligen Österreich‘. Bürckel zeigte sich zufrieden mit Erhards Arbeit und engagierte ihn 1939 als Sonderberater für Fragen der Konsumgüterindustrie in der Ostmark. Als Bürckel 1940 zum Reichsstatthalter der Westmarkernannt und ihm die ‚ökonomische Einverleibung und Germanisierung der lothringischen Industrie‘ aufgetragen wurde, konsultierte er Erhard erneut und machte ihn zum ‚konsumpolitischen Berater‘. Nachdem Erhard 1939 vorrangig in publizistischer Form in Erscheinung getreten war – als Verfasser einer Denkschrift an das RWM und als Mitherausgeber einer Festschrift für Vershofen – knüpfte er 1940 weitere Kontakte zu Kreisen, die seine Expertise ‚zur ökonomischen Einverleibung des neuen deutschen Ostraums‘ suchten, ‚wobei er und das [IfW]‘, so Roth, ‚sich mit bevölkerungsökonomisch begründeten Sanierungs- und Produktivierungs - Vorschlägen besonders hervortaten‘. Neben der durch NS-Funktionäre begründeten und mit der Ausarbeitung kriegsrelevanter Studien beauftragten Südosteuropa-Gesellschaft ist hier insbesondere Erhards Verbindung zur Haupttreuhandstelle Ost hervorzuheben, die das IfW gegen Ende des Jahres mit einer Untersuchung hinsichtlich wirtschaftlicher Entwicklungsmöglichkeiten der annektierten polnischen Gebiete betraute. Parallel hatte das IfW damit begonnen, seine Beratertätigkeit auch auf das sogenannte Sudetenland sowie das ‚Protektorat Böhmen und Mähren‘ auszudehnen. Dies geschah unter maßgeblicher Einflussnahme Erhards, der außerdem 1941 versuchte, die Dienste des IfW auch auf südosteuropäische Staaten auszuweiten. Obwohl diese Ambition nur wenig erfolgreich war, gelang es ihm dennoch die Gründung des IfW-Ablegers Wiener Institut für Verbrauchs- und Absatzforschung herbeizuführen. Roth resümierte vor diesem Hintergrund, das IfW habe sich unter Erhards ‚Federführung zu einem wichtigen [...] Instrument der wirtschaftspolitischen Annexionsplanung‘ entwickelt. Erhard selbst verlieh dieser These Glaubwürdigkeit, notierte er doch 1942 bezüglich seiner zurückliegenden Leistungen für das Institut: ‚Neben den Verbindungen zur praktischen Wirtschaft schuf ich auch alle Verbindungen zu den Organen der staatlichen Wirtschaftsführung [...]. Auf meine Initiative ist zurückzuführen die Gründung des Wiener Instituts sowie die Ausweitung des Tätigkeitsbereiches des Instituts auf die Ostmark, das Protektorat, Elsaß-Lothringen und die neu-eingegliederten Ostgebiete. Mit Kriegsausbruch habe ich erreicht die Einreihung des Instituts in den Kreis der kriegswichtigen Betriebe und die Heranschaffung von Aufgaben, die diese Einordnung sachlich rechtfertigen.‘ Hinsichtlich des Auftrages durch die Haupttreuhandstelle Ost liegen zwei Dokumente vor, die die Arbeit des IfW belegen. Zum einen die im Juli 1941 vorgelegte und als eine Art Exposé zu verstehende Schrift ‚Die Wirtschaft des neuen deutschen Ostraumes. Vorbericht über die Markt- und Betriebsstruktur sowie die sich daraus für den Aufbau ergebenden Schlussfolgerungen‘ sowie die finale und von Erhard verfasste Studie ‚Die Wirtschaft des neuen deutschen Ostens. Schlussbericht über die wirtschaftliche, zumal industrielle Struktur und über die Markt- und Betriebsverhältnisse unter Hinzufügung des ermittelten Zahlenmaterials‘ die im April 1943 eingereicht wurde. Zur Verdeutlichung des innerhalb des Abschlussberichts herrschenden Duktus sei hier ein Auszug präsentiert: ‚Das innenwirtschaftliche Problem der eingegliederten Gebiete ist im wesentlichen das der Herbeiführung einer ausgleichenden Harmonie zwischen landwirtschaftlicher und industrieller Betätigung der Bevölkerung. Dazu gehört eine Leistungssteigerung auf der ganzen Linie. Es spricht eine Reihe von Gründen dafür, daß eine solche Steigerung bei planvoller Entwicklung zu erreichen sein wird. Die Hauptschwierigkeit, die sich darbietet, ist der bedauerlich große Anteil der polnischen Bevölkerung. Sie wirtschaftlich, kulturell und zivilisatorisch anzugleichen, kann nur durch das führende Beispiel einer genügend starken deutschen Schicht gelingen. [...] Ein Problem eigener Art ist das zahlenmäßige Übergewicht des polnischen Volkselements. Welche Nachteile auch der Pole in seinen Charaktereigenschaften, vom deutschen Standpunkt aus gesehen, haben mag, die Erfahrung früherer Zeiten zeigt, daß er gut lenkbar ist, sobald er unter richtiger und verständiger Leitung steht. Hier zeigt sich die wichtigste Aufgabe in den neugewonnenen Gebieten. Das deutsche Element muss verstärkt werden und in seiner ganzen Haltung und Lebensführung, zumal in seiner Leistung, vorbildlich wirken.‘

Trotz der zahlreichen Auftragsanwerbungen und der weitreichenden Vernetzungsinitiativen wurde Erhard hinsichtlich der 1942 anzutretenden Nachfolge Vershofens als Direktor des IfW übergangen. Mögliche Ursachen sind laut der einschlägigen Forschung an verschiedenen Stellen zu finden und reichen von polemischen Auseinandersetzungen mit einem Konkurrenten und Vershofen selbst über Erhards mangelnde Fähigkeiten auf wissenschaftstheoretischem Gebiet bis hin zur Vermutung, er sei aufgrund seiner nicht vorhandenen Mitgliedschaft in der NSDAP nicht berücksichtigt worden. Nachdem Erhard sich im Anschluss zunächst vergeblich um eine Anstellung am Wiener Ableger des IfW beworben hatte, gelang es ihm, mithilfe seines über Jahre hinweg etablierten Netzwerks, dessen Mitglieder meist aus den Kreisen der RI stammten, gegen Ende des Jahres ein eigenes Institut in Nürnberg zu eröffnen. Der Aufbau des Instituts für Industrieforschung wurde großzügig durch die Fördergemeinschaft der Deutschen Industrie unterstützt, (…) Erhard befasste sich nun u. a. mit der ‚Begutachtung der Effizienz neugeschaffener Produktionsringe und -ausschüsse für das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition‘ und wurde – nach den verlustreichen Kämpfen um Stalingrad – durch führende Großindustrielle im Sommer 1943 mit einer Studie zu der Frage beauftragt, wie ‚die enormen Kriegsgewinne aus den staatlichen Rüstungsaufträgen in die Nachkriegszeit‘ gerettet werden könnten. Noch im gleichen Jahr wurde Erhard vermutlich auf Bestreben Bürckels mit dem Kriegsverdienstkreuz II. Klasse ausgezeichnet. Erhard legte sein Konzept zum wirtschaftlichen Transformationsprozess im Zuge der Nachkriegszeit, das er schließlich mit ‚Kriegskonsolidierung und Schuldenfinanzierung‘ überschrieb, im März 1944 zunächst der RI vor. Wie Ludolf Herbst betonte, gelangte die Denkschrift zwar auch in die Hände des Erhard-Freundes und später im Zusammenhang mit dem Attentat des 20. Juli 1944 hingerichteten Widerständlers Carl Goerdeler. Vorrangig war sie allerdings für das RI und ausgewählte Industrielle –so etwa Wilhelm Rudolf Mann (IG Farben, Vorstand der Gesellschaft für Konsumforschung), Fritz Jessen (Siemens und Halske), Philipp Reemtsma, Wilhelm Zangen (Mannesmann, Leiter der Reichsgruppe) oder Rudolf Stahl (Salzdethfurth-Konzern, Stellvertretender Vorsitzender der Reichsgruppe) – konzipiert und angefertigt worden. Doch nicht nur diese Zirkel nahmen Erhards Ausführungen mit Wohlwollen auf. Auch offizielle Stellen innerhalb des RWM waren in Kenntnis und Besitz der Schrift. Dies ist angesichts der Tatsache, dass konkrete Nachkriegsplanungen nach einem Führererlass aus dem Jahre 1942 offiziell verboten waren, durchaus bemerkenswert. Wie Eith und Gillessen vor diesem Hintergrund anmerkten, sei es ‚daher anzunehmen, dass Erhard, um sein Planungs-programm fortführen zu können, im engen Kontakt zum Reichswirtschaftsministerium‘ gestanden haben müsse. Und tatsächlich: Bevor die RI dem stellvertretenden Staatssekretär des RWM, Otto Ohlendorf, das Memorandum im Dezember 1944 überreichte, hatte sich Erhard bereits einen Monat zuvor mit eben jenem Ohlendorf, der neben seiner Tätigkeit im RWM u. a. als Leiter des Amtes III im Reichssicherheitshauptamt der SS fungierte, getroffen, um seine Konzepte zu präsentieren. ‚Danach‘, so der Erhard-Biograph Volker Hentschel, ‚verlieren sich die Spuren von Ludwig Erhards Tätigkeit und Sein im Dritten Reich.“4)

Privatleben
Laut Wikipedia war Ludwig Erhard „seit Dezember 1923 mit der Volkswirtin Luise Schuster (18.4.1893–9.7.1975), geborene Lotter, aus Langenzenn verheiratet, die seit 1914 verwitwet war und aus erster Ehe eine Tochter hatte. Aus ihrer Ehe mit Ludwig Erhard ging die Tochter Elisabeth Friederike Marie (1925–1996) hervor, die 1952 den Sportfunktionär Hans-Jörg Klotz heiratete. Erhard lebte mit seiner Familie von 1953 bis zu seinem Tod in Gmund am Tegernsee (Bayern).“ 1) 5)

Zu Luise Schuster, verheiratete Erhard
Ebenfalls gibt es in Wikipedia einen eigenen Eintrag zu Luise Schuster: Dort heißt es u. a. über das Zusammenkommen von Ludwig Erhardt und Luise Schuster: „Die verwitwete Schuster studierte an der Handelshochschule Nürnberg, wo sie den aus Fürth stammenden Ludwig Erhard wiedertraf, den sie als Nachbarskind und Bruder ihrer ehemaligen Spielkameradin Rose aus ihren Kindheitstagen kannte. Im Dezember 1923 heiratete sie Ludwig Erhard. (…). Die Eheleute, die beide ihr Studium in Nürnberg abgeschlossen hatten, wollten dann gemeinsam an der Universität in Frankfurt am Main weiterstudieren und promovieren, während die in die Ehe eingebrachte Tochter ‚Lore‘ von der Großmutter in Langenzenn betreut wurde. Luise Erhard gab jedoch nach wenigen Monaten auf und kehrte zu ihrer Tochter zurück, während ihr Mann 1925 seine Promotion absolvierte. Aus der Ehe ging die Tochter Elisabeth hervor.“6)

Hausfrau und Mutter, Ratgeberin und Kanzlergattin
Luise Erhard legte ihren Lebensschwerpunkt auf Kind und Ehemann. Sie war die engste Vertraute ihres Mannes und beriet ihn auch in wirtschaftlichen und beruflichen Fragen. „Gleichwohl sah sie – ‚passend zum Frauenbild in der Zeit vor dem Aufbruch der späten 60er Jahre – ihre Hauptaufgabe neben ihren Repräsentationspflichten im Zuhören‘. So wurde sie dann auch von Zeitgenossen als ‚perfekte Hausfrau, mütterlich, charmant, selbstsicher und praktisch‘ charakterisiert. Als ihr Mann 1963 Bundeskanzler wurde und die Erhards (zunächst) das Palais Schaumburg bezogen, bezeichnete eine Zeitung die Kanzlergattin als ‚deutsches Hausmütterchen‘, woraufhin Luise Erhard verärgert verkündete: ‚Hausmütterchen war ich in meinem ganzen Leben nicht, und das will ich auch wirklich nicht sein‘.

Vom 16. Oktober 1963 bis zum 1. Dezember 1966 war sie deutsche Kanzlergattin. Rückblickend wurde sie Anfang der 2000er-Jahre ‚von allen [bis dato] ‚First Ladies‘ der Bundesrepublik – der Titel ist unzutreffend, denn protokollarisch rangiert die Frau des Bundeskanzlers erst an vierter Stelle‘ – neben Loki Schmidt als diejenige wahrgenommen, die ‚durch ihre intellektuelle Souveränität beeindruckt[e]‘“, ist in Wikipedia nachzulesen.

Luise Ebert war Schirmfrau mehrerer Organisationen, so ab 1954 der Aktion „Das sichere Haus (DSH), ab 1963 des „Kolloquiums der Damen im Bonner ‚Colloquium humanum“ zur Pflege der Begegnung zwischen „Bonner Damen und Diplomaten-Gattinnen“ 6).

Auf ihre Initiative wurde die Luise-Erhard-Stiftung in Fürth gegründet. Sie vergibt zum Beispiel Förderpreise für, für ihre Leistungen ausgezeichnete Absolventen der Ludwig-Erhard-Schule in Fürth.

Nachdem Ludwig Erhard als Ende 1966 als Kanzler zurückgetreten war, lebte das Ehepaar Erhard in Gmund am Tegernsee.

Während ihr Mann, der bis an sein Lebensende Mitglied des Deutschen Bundestags blieb, sich ungeachtet seiner zunehmenden Bedeutungslosigkeit für das politische Geschehen an ‚seine verblassende Reputation und an Bonn […] klammert[e]‘, blieb Luise Erhard meist am Tegernsee, so dass die Eheleute sich in ihrem letzten Lebensjahrzehnt seltener als früher sahen.
Luise Erhard starb im Sommer 1975 im Alter von 82 Jahren, ihr Mann starb zwei Jahre später.“ 6)