Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Nöldekestraße

Wilstorf (1927): Prof. Dr. Theodor Nöldeke (2.3.1836 Hamburg -25.12.1930 Karlsruhe), Sprachforscher, Orientalist, Prof. an der Kieler Universität.


Vor 1927 hieß die Straße Ferdinandstraße, benannt um „1900 nach Ferdinand Ernst Albert Rickel (18451925), Fabrikdirektor der Jutespinnerei- und weberei in Harburg. Mitglied des Bürgervorsteherkollegiums in Harburg von 1895-1899. Seine Fabrik lag in der Ferdinandstraße.“ (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).

Noch zu Lebzeiten Nöldekes wurde die Straße nach ihm benannt: der Anlass dazu bot sein 90. Geburtstag. An diesem Tag erhielt Nöldeke auch die Ehrenbürgerwürde der Stadt Harburg verliehen.

Nöldeke war ein Kenner der sassanidischen und frühislamischen Geschichte. Sein Werk die „Geschichte der Qorans“ soll heute noch als ein Standardwerk gelten.

Seine Mutter war die Pfarrerstochter Auguste Nöldeke, geborene Klingemann, sein Vater Dr. phil. Carl Nöldeke, Prorektor in Harburg und später Direktor des Gymnasiums in Lingen.

Theodor Nöldeke besuchte die Schule seines Vaters (Progymnasium in Harburg) und ab 1849 das von seinem Vater geleitete Gymnasium in Lingen. Nach dem Abitur studierte Nöldeke klassische Philologie und Orientalistik. 1856 promovierte er und begann mit Handschriftenstudien in Wien, Leiden, Gotha und Berlin.

Nachdem Nöldeke Hilfsarbeiter an der Königlichen Bibliothek in Berlin gewesen war und danach in der Bibliothek der Universität Göttingen gearbeitete hatte, habilitierte er sich 1861 für semitische Philologie. 1864 wurde er außerordentlicher Professor an der Universität Kiel. In diesem Jahr heiratete er Sophia Harries (1844–1916), Das Paar bekam im Laufe seiner Ehe zehn Kinder, von denen zwei früh starben.1)

Ralf Elger von der Universität Halle, Fachbereich Orientalistik setzt Nöldeke in Beziehung zum Kolonialismus: „Eine wissenschaftliche, von der Theologie emanzipierte Islamforschung entstand erst im 18. Jh., als auch das Bild des ‚Orients‘ viele positive Züge trug. Basis der Forschung wurde seit dem 19. Jh. eine große Welle von Editionen und teilweise Übersetzungen von Texten aus der islam. Welt

(…). Unter den histor.-kritisch arbeitenden Interpreten dieses Materials sowie der häufig nach Europa importierten Handschriften ragen Ignaz Goldziher (1850 – 1921), Theodor Nöldeke (1836 – 1930) und Silvestre de Sacy (1758 – 1838) hervor, deren Werke teilweise bis heute gültig sind. Katalysator der Islamforschung wurde der Kolonialismus, da den europäischen Mächten an einer Kenntnis der von ihnen unterworfenen Gesellschaften lag. England und Frankreich, aber auch die Niederlande (…) und Deutschland (…) förderten in diesem Rahmen eine Forschung, die nicht allein nach Textkenntnis strebte, sondern auch ethnolog. ausgerichtet war. In der akadem. Islamforschung überwog jedoch das philolog. Interesse, wobei dem Schrifttum bis etwa zum 13. Jh., welches als Ausdruck der «klassischen» Periode galt, besondere Aufmerksamkeit zuteil wurde, während man die spätere Zeit als Verfallsepoche betrachtete.“ 2)

Hannimari Jokinen, Mitglied im Arbeitskreis Hamburg Postkolonial und im Beirat zur Dekolonisierung Hamburgs bei der Behörde für Kultur- und Medien sowie Künstlerin und Kuratorin schreibt in ihrem Beitrag „Nachdenkmäler“, dass es in Hamburg Harburg Straßen gibt, die „Harburgs tonangebende Kolonialprofiteure würdigen“ 3). Unter den Aufgezählten wird auch die Nöldekestraße genannt.4)

1872 wechselte Nöldeke, Vater zahlreicher Kinder, an die Universität Straßburg, wo er eine ordentliche Professur erhielt und „wo er über seine Emeritierung (1906) bis 1920 blieb. Rufe nach Wien (1869, 1879), Leipzig (1888) und Göttingen (1891) lehnte er ab. Auslandsreisen unternahm er nur selten, den Orient kannte er nicht aus eigener Anschauung. Seine letzten Lebensjahre verbrachte der von jeher kränkliche N. in Karlsruhe.“ 5) Seine gesundheitliche Konstitution ließ es nicht zu, dass er solch weite Reisen unternehmen konnte.

„Nöldeke verfasste die ersten Grammatiken für das Syrische und das Aramäische; 1888 wurde er mit dem Orden Pour Le Mérite für Wissenschaften und Künste ausgezeichnet.“ 6) Er war außerdem Mitglied zahlreicher in- und ausländischer Akademien und erhielt viele Auszeichnungen.