Opitzstraße
Winterhude (1929): Martin Opitz (23.12.1597 Bunzlau – 20.8.1639 Danzig), Dichter.
„Das Opitz-Bild“, so Eckhard Grunewald anlässlich der 1997 in der Landesbibliothek Oldenburg gezeigten Ausstellung über Martin Opitz – zeigt einen „weltgewandten Diplomaten und humanistischen Gelehrten und erst in zweiter Linie [einen] versierten Übersetzer und respektablen Dichter (…). Opitz stellt sich dem heutigen Betrachter als ein vielseitig begabter, keineswegs genialer Autor dar, der aufgrund seiner organisatorischen und poetischen Fähigkeiten dazu berufen war, zum ‚Impresario allergrößten Stils‘ (Richard Alewyn) für die deutsche Literatur seiner Zeit zu werden. Wenn er als Dichter auch wenig ‚Vollendetes‘ leistete, so war er doch ‚der große Anreger‘ und Promotor einer modernen deutschsprachigen Literatur europäischen Zuschnitts (…).“ 1)
Opitz war der Sohn von Martha Opitz, geborene Rothmann und des Schlachters Sebastian Opitz. Sein Vater starb, als Martin Opitz noch sehr jung war, dennoch waren die finanziellen Mittel durch Verwandte aus der mütterlichen Linie vorhanden, die es ermöglichten, dass Martin Opitz eine solide humanistische Schulausbildung erhielt. Er besuchte ab 1605 die Lateinschule in Bunzlau und ab 1614 das Maria-Magdalenen- Gymnasium in Breslau sowie ab 1617 das Akademische Gymnasium in Beuthen an der Oder, das eine Landesuniversität darstellte. Bereits damals schon publizistisch hervorzutreten in „der Tradition der deutschen Humanisten des 16. Jahrhunderts stellte er dem Verfall der lateinischen Sprache und Kultur die ethische Integrität der Germanen entgegen. (…) Die sittliche Reinheit der Germanen spiegelnde Sprache habe sich bis in die Gegenwart ‚unvermengt und unverfälscht‘ erhalten, laufe nunmehr aber Gefahr durch Adaptionen fremder Idiome ihre Ehre zu verlieren: ‚Man kann sagen, diese Sprache werde eine Kloake, in die sich aller Unflat der übrigen ohne Wahl ergießt.‘ Für Opitz ist kein Grund zu erkennen, warum die Deutschen sich ihrer Sprache schämen müßten.“ 2)
Martin Opitz hatte nicht die finanziellen Mittel, um ungestört studieren zu können, deshalb musste er immer wieder Hauslehrerstellen annehmen, so 1618 bei einer Familie in Frankfurt/Oder bevor er 1619 begann, an der Universität Heidelberg Jura und Philosophie zu studieren. Bereits ein Jahr später, als in Heidelberg Krieg herrschte, begleitete Opitz den Dänen Friedrich a Boechwalt in der Funktion eines Hofmeisters und Reisebegleiters in die Niederlande, wo er die Universität Leiden kennenlernte. Er schrieb weiterhin Gedichte und machte Übersetzungen, zum Beispiel von Werken Daniel Heinsius‘ und Hugo Grotius [siehe: Grotiusweg). Von den Niederlanden begab er sich nach Jütland. Dort schrieb Opitz sein Werk „Trostgedichte in Widerwärtigkeit des Kriegs“.
1622 ging es nach Siebenbürgen, wohin ihn der Fürst Gábor Bethlen eingeladen hatte. Am Weißenburger Akademischen Gymnasium unterrichtete Opitz Philosophie und schöne Wissenschaften. Neben seiner Lehrtätigkeit hatte er genügend Zeit, um Gedichte zu schreiben und andere Werke zu beginnen, die sich u. a. mit der Archäologie des Landes beschäftigten. Opitz‘ Gedichte hatten auch Zeitkritik zum Thema. In „Lob deß Feldtlebens“ (1623) „kontrastiert Opitz das verlogene Hofleben und den steten Konkurrenzkampf in der Stadt mit dem zwar arbeitsreichen, aber ehrlichen und damit menschenwürdigeren Leben auf dem Lande.“3)
„Fast von Beginn des Dreißigjährigen Krieges an sind Opitz’ Leben und Schaffen vom ‚furor bellicus‘ geprägt. Obwohl er sein Heil wiederholt in Flucht, in konfessionellem Taktieren und in geschickter Diplomatie suchte, wurde er immer wieder von dem wechselhaften Kriegsgeschehen eingeholt. Das Erlebnis der Schrecken und Verwüstungen des Krieges und die daraus resultierende Erkenntnis der ‚vanitas‘ alles irdischen Tuns und Strebens bestimmten denn auch die Themen seiner Dichtungen und die Auswahl der von ihm übersetzten Texte.“ 4) Die „TrostGedichte in Widerwertigkeit deß Kriegs, die in den 1620er Jahren geschrieben, aber erst 1633 veröffentlicht wurden, waren bei der damaligen Leserschaft „aufgrund seines Freiheitspathos und seines Aufrufs zu Frieden und Toleranz (…)“ und wegen seiner „herausragenden künstlerischen Qualität“ sehr beliebt. 5)
1623 kehrte Opitz in seine Heimat Schlesien zurück. 1624 wurde er Rat des Oberlandeshauptmanns von Schlesien, Herzog Georg Rudolf von Liegnitz. In diesem Jahr gab Opitz „sein Hauptwerk, das Buch von der Deutschen Poetery [heraus][. Hierin beschreibt er Regeln und Grundsätze einer neu zu begründenden hochdeutschen Dichtkunst, die sich nicht an den überlieferten antiken Versmaßen ausrichten, sondern vielmehr eine eigene, der deutschen Sprache gemäße metrische Form finden solle (…).“ 6)
1625 veröffentlichte Opitz „Acht Bücher deutscher Poematum“, darin von ihm verfasste Gedichte. „Die Bedeutung der Acht Bücher Deutscher Poematum für die Entwicklung der Literatur in Deutschland kann nicht hoch genug eingeschätzt werden: Hier wurde von Opitz erstmals der großflächige Beweis angetreten, daß sich die von ihm im Buch von der Deutschen Poetery aufgestellten Regeln tatsächlich in der dichterischen Praxis realisieren ließen.“ 7)
Im selben Jahr wurde Opitz in Wien von Kaiser Ferdinand II. zum Poeta Laureatus gekrönt und 1628 in den Adelsstand versetzt, wovon Opitz keinen Gebrauch machte. Was er aber gerne wollte, war die Aufnahme in den Verein „Fruchtbringende Gesellschaft“. Diese in Deutschland führende Sprachgesellschaft hatte bisher von Opitz Werken kaum positive Notiz genommen; es gab in der Gesellschaft sogar Opitz-Gegner. Erst 1629 wurde Opitz als Mitglied aufgenommen.
Obwohl Opitz Protestant war, nahm er 1626 die Stelle eines Sekretärs beim Grafen Karl Hannibal von Dohna an, der Protestantenverfolgungen durchführen ließ. Opitz war damals bereits seit gut zehn Jahren als Poet tätig, doch ein besoldeter Beruf war daraus nicht entstanden.
„Opitz verhandelte im Februar 1626 mit Dohna und nahm dessen Dienst als Geheimsekretär und als Vertrauter des Burggrafen auf. Dohna forderte enge politische Zusammenarbeit und absolute Vertraulichkeit. (…) So weit man heute weiß, ist es bei Opitz zu keinem inneren Konflikt zwischen Gesinnung und Loyalität gekommen. Er wurde mehr und mehr zu einem gewandten und erfolgreichen diplomatischen Gesandten, der unter der Hand eine Politik der Toleranz und des Ausgleichs zwischen den europäischen Mächten zu vermitteln suchte. Er reiste fortan unentwegt, mit oder ohne Dohna, durch die Höfe in politischen Missionen und war allenthalben willkommen und wohl auch bei seinen Missionen erfolgreich (…).“ 8)
Nachdem Dohna 1632 aus Schlesien vertrieben worden war, denn nun hatten die Protestanten gesiegt, „trat [Opitz] ohne Schaden an Leib, Seele und Denken in die Dienste der protestantischen Herzöge und der Schweden. 1633 wirbelte er im Auftrag der Herzöge Johann Christian von Brieg und Georg Rudolf von Liegnitz mit diplomatischen Missionen durch die Lande und erwarb dabei Gunst und Vertrauen des schwedischen Lagers. Brisant wurde es für ihn, als im August 1635 die Habsburger wieder in Schlesien die Macht ergriffen und die Piasten-Fürsten nun auf den Kaiser schworen. Opitz entzog sich möglichen Repressalien, die ihm in Schlesien drohten, nach Thorn und hatte das Glück, nach der Bekanntschaft mit dem pommerschen Woiwoden Gerhard von Dönhoff von diesem an den polnischen König Wladislaw IV. empfohlen zu werden, den er vordergründig durch panegyrische Texte für sich eingenommen hatte, dessen Interesse sich aber weit mehr auf Opitz‘ politische Verbindungen und Kontakte richtete. Opitz wurde die Aufgabe zuteil, den polnischen Hof über Vorgänge der europäischen Politik zu informieren.“ 9) Offiziell trug Opitz den Titel eines Hofhistoriographen.
Opitz ließ sich in Danzig nieder, das damals zum Königreich Polen gehörte. Dort agierte er als Diplomat und Hofhistoriograph des polnischen Königs. Im Alter von 41 Jahren starb der zeit seines Lebens ledig gebliebene Opitz in Danzig an der Pest.
In der Neuen Deutschen Biographie fasst Klaus Garber Opitz‘ Werdegang wie folgt zusammen: „Als berufsloser Dichter, Kulturorganisator und Diplomat blieb er verwiesen auf die Höfe als die Agenturen innovativer kultureller Praxis und die Schaltstellen im politischen Kräftespiel. Der Verzahnung gelehrten Anspruchs, poetischer Nobilitierung und umfassender rhetorischkulturpolitisch-diplomatischer Kompetenz mit dem zunehmend Kontur gewinnenden Territorialstaat auf dem Boden des Alten Reichs ist sein Lebenswerk gewidmet. 10)
Und Hans-Gert Roloff beurteilt Opitz‘ Lebensweg als einen „turbulenten Lebensgang eines nicht unbedeutenden Intellektuellen schlesischer Provenienz, den man nationalistisch kurzsichtig als ‚Vater der deutschen Dichtung‘ etikettiert, der aber zeit seines Lebens im Dienste von Fürsten und Gönnern stand und sich eher mit Hilfe seiner geistigen Fähigkeiten im Sinne der artes als omnipotenter, vielfältig brauchbarer Diplomat, Orator, poeta doctus durchschlagen mußte.(…).“ 11)