Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Grotiusweg

Blankenese (1949): Hugo de Groot (10.4.1583 Delft – 28.8.1645 Rostock), Rechtsgelehrter, Völkerrechtler, Staatsmann, Theologe


Siehe auch: Grootsruhe

Früher hieß die Straße Steubenstraße, benannt 1930 nach Friedrich Wilhelm Steuben (1730-1794), nordamerikanischer General. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).

In dem Buch „Deutsche und Europäische Juristen aus neun Jahrhunderten“ wird auch Hugo Grotius Leben beschrieben. Hier heißt es über seinen Werdegang und seine Herkunft u. a. : „Er stammt aus einer der führenden Patrizierfamilien in Delft. (…) sein Vater war wiederholt Bürgermeister und später Kurator der Universität Leiden.“1) Über Grotius Mutter erfährt man in den einschlägigen Publikationen nichts. – außer, dass Hugo Grotius seine Mutter zum Protestantismus bekehrt haben soll; dass der „Einfluß der Mutter auf den Sohn (…) sich nirgends [zeige], wohl aber eine starke Zuneigung des Sohnes zu ihr (…).“ 2)

Bereits im Alter von 11 Jahren begann Grotius an der Universität Leiden Mathematik, Theologie und Rechtswissenschaften zu studieren. „1598 reist er mit einer niederländischen Gesandtschaft nach Frankreich, wo er vom französischen König Henri IV als ‚le miracle de Hollande begrüßt wird. Am 5.5.1598 erhält G. in Orléans – wohl ohne eine Dissertation abgeliefert zu haben- den Doktortitel in der Rechtswissenschaft. Auf Wunsch seines Vater 1599 Niederlassung als Rechtsanwalt beim Hof und beim Großen Rat von Holland und Seeland in Den Haag“ 3)

1607 wurde Grotius Staatsanwalt beim Hof in Holland, Seeland und Westfriesland. Ein Jahr später, 1608, heiratete der damals 25-Jährige die damals 19-jährige Maria van Reigersbergh (10.4.1589 Delft – 28.8.1653 Rostock). Sie war die Tochter eines wohlhabenden seeländischen Bürgermeisters und dessen Ehefrau.

Grotius Biograph W.J.W. van Eysinga schreibt 1952 über Frau Grotius: „Marie van Reigersberch hat ganz und gar dem Ideal der holländischen Frau entsprochen, wie Grotius es im XXII. Kapitel seines ‚Parallelons* geschildert hat. Jene Stelle ist so sehr auf de Groots Gattin anwendbar, daß sie hier als Ganzes stehen muß: ‘Überdies treiben bei uns die Frauen den Handel mit der gleichen Geschicklichkeit wie nur irgendwo die Männer in der Welt; denn sie glauben ihrer Aufgabe nicht zu genügen durch diejenigen Eigenschaften, die die ältesten Schriftsteller über die Weiber der Germanen aufgezeichnet haben, nämlich daß ihre wichtigste Fähigkeit sei, Kinder zur Welt zu bringen und zu erziehen; auch glauben sie nicht, daß es, um Lob zu ernten, ausreiche, wenn sie in ihrer Wohnung den Haushalt führen und so sauber wie möglich halten, es sei denn, daß sie bei Abwesenheit ihrer Männer zu Lande oder auf dem Meere auch die Fähigkeit besäßen, das gemeinsame Vermögen zu verwalten, die Ware zu verkaufen, Einkünfte und Ausgaben zu buchen, von der einen Stadt in die andere zu reisen; und all dieses verrichten sie mit so guter Manier und Umsicht, daß ihre Achtbarkeit und die Ehrbarkeit ihres Rufes in keiner Weise zu Schaden kommen. In ihrem häuslichen Leben verstehen sie es, alles so zu überlegen, daß nichts fehlt und nichts überflüssig ist. Die Sparsamkeit ist eine wesentliche Quelle ihrer Einkünfte; jedoch wird die Mildtätigkeit, wo sie nötig wird, deshalb nicht weniger geübt. So sehr ist die Weisheit hier zu Lande auch eine weibliche Tugend.‘ Handel hat Frau de Groot nicht zu treiben gebraucht; aber unter wie schweren Umständen hat sie in späteren Jahren die verkommenen geschäftlichen Angelegenheiten ihres Gatten verwalten müssen, und wieviele Reisen hat sie dafür zu unternehmen gehabt! (…) Noch unter viel schwereren Umständen bewährte sich Marie als beherzte Frau. (…). Die schwere Prüfung von 1618 hat sie tapfer mitgetragen [Inhaftierung ihres Mannes, den sie in die Haft begleitete, siehe weiter unten, R. B.], und sie war ihrem Gatten dabei die stärkste denkbare Stütze. Daß sie seiner Haft in ebenso origineller wie auch durchgreifender Weise ein Ende zu bereiten wußte [siehe dazu weiter unten, R.B.], hat ihr in der Geschichte des niederländischen Volkes einen Ehrenplatz bereitet (…).“4)

1613 erhielt Grotius die Position des Stadtsyndikus von Rotterdam und musste häufig auf Reisen gehen. Ein Brief von Marie Grotius an ihren Mann ist aus dieser Zeit erhalten, so der Biograph Eysinga: „Allerliebster. Ich habe Euer Liebden drei Briefe empfangen, aber lieber hätte ich Euer Liebden allein. Ich bin bis heute munter gewesen, könnte aber nun wohl krank werden durch Euer Liebden langes Fortbleiben, so sehr verdrießt es mich, und so lang wird mir die Zeit. Ich weiß Euer Liebden nichts Neues zu schreiben, da ich niemanden habe, der mir etwas ins Haus trägt. Ich sende Euer Liebden einen Brief von monsieur Kaseboon, der einige Tage hier gewesen ist. Monsieur Tiodati ist hier gewesen und hat ein Buch hier gelassen, um es Euer Liebden zu geben, aber ich sende es Euer Liebden nicht, da es dann Euer Liebden umso eher heimkehren lassen wird. Jungfer van Doorp ist krank auf den Tod. Meine Mutter läßt Euch sehr grüßen, und ich bitte Euch, kommt doch so bald, wie möglich ist. Hiermit schließe ich und werde ich Gott bitten, Allerliebster, Er wolle Euer Liebden in guter Gesundheit erhalten. Aus dem Haag diesen XV Euer Liebden dienstwillige Hausfrau Marie Reigersberch.“ 5)

Von dem Biographen Eysinga erfahren wir, dass das Ehepaar Grotius vier Söhne und drei Töchter bekam. Ein Sohn und zwei Töchter starben sehr früh.

Als Grotius Stadtsyndikus in Rotterdam war: „befand sich seine Heimat im Konflikt mit Spanien und Portugal über den Seehandel mit Indien. Aufgrund dessen veröffentlichte Grotius 1609 die Schrift Mare Liberum, die das niederländische Begehren eines freien Handels zur See unterstützt und juristisch begründet. Er unterstützte die Staaten von Holland in ihrem Konflikt mit orthodoxen Calvinisten und dem Statthalter Prinz Moritz von Oranien. Grotius veröffentlichte im Zuge der heftigen Parteikämpfe eine Reihe von Streitschriften. Darin erinnerte er daran, dass die aristokratisch-republikanische Verfassung die historisch begründete Verfassung der Niederlande sei, und trat für das Recht des Staates ein, auch über geistliche und kirchliche Dinge zu entscheiden. Diese Publikationen sollten sich als für ihn verhängnisvoll erweisen. Nachdem die orthodoxen Calvinisten die Oberhand im Konflikt erlangt hatten, wurde Grotius 1618 (…) auf Betreiben Moritz’ von Oranien verhaftet. (…), [und] im Mai 1619 zu Gefängnis auf Lebenszeit und einer Konfiskation seines Vermögens verurteilt. Grotius wurde im Urteil unter anderem schuldig befunden, die religiösen Zustände erschüttert und für die Landesverfassung gefährliche Grundsätze aufgestellt und weiterverbreitet zu haben. Anschließend wurde er zur Haft ins Schloss Loevestein gebracht. Dorthin durften ihn Frau und Kinder begleiten, und auch seine wissenschaftlichen Studien durfte er fortsetzen. Während der Haft begann er auch sein wohl berühmtestes Werk, De jure belli ac pacis. Des Weiteren gestattete man ihm, sich Bücher schicken zu lassen und diese wieder zurückzugeben. Dieses Privileg nutzte er im März 1621 zur Flucht: Seine Frau Marie Reigersberg packte ihn in die Bücherrückgabekiste, und so entkam Grotius getarnt als Stapel theologischer Bücher. (…)

Seine Flucht führte ihn über Antwerpen schließlich nach Paris, wo er ehrenvoll und freundlich aufgenommen wurde. Hier war er ab 1622 von einer nur unregelmäßig gezahlten Pension von 3000 Livres des französischen Königs abhängig und betätigte sich vor allem als Verfasser von theologischen, juristischen, geschichtlichen und poetischen Werken. Unter anderem griff Grotius in dieser Zeit ein altes Projekt auf und erstellte Vorschläge für eine Wiedervereinigung der römisch-katholischen und der protestantischen Konfessionen. Zeitweise war Grotius dann im Gespräch als Direktor einer neu zu gründenden Akademie in (…). Nach dem Tod Moritz’ von Oranien im Jahr 1625 gelang es 1630, die Konfiszierung seines Vermögens rückgängig zu machen, und im Herbst 1631 kehrte er sogar in die Niederlande zurück. Seine Hoffnungen, eine ihm freundlicher gesinnte Umgebung vorzufinden, wurden aber enttäuscht; nachdem die Generalstaaten einen Preis auf seine Verhaftung ausgelobt hatten, musste er im folgenden Frühjahr die Niederlande wieder verlassen,“6) ist in Wikipedia nachzulesen.

1632 fand Grotius mit seiner Frau und seinem ältesten Sohn in Dockenhuden (Blankenese) Zuflucht. Später zog er mit seiner Familie nach Hamburg, wo sie u. a. in der Holländischen Reihe wohnte und später bei Freunden in Hamm, die dort lebten, wo später die Straße Grootsruhe (siehe: Grootsruhe) nach Hugo Grotius benannt wurde. Dort blieb die Familie bis 1634.

Frau Grotius unternahm in dieser Zeit vielen Reisen zwischen Hamburg und Holland, wo die übrigen Kinder geblieben waren.7)

Ende 1634 fasste Grotius den Entschluss, in schwedische Dienste zu treten und als schwedischer Botschafter im Auftrag der schwedischen Königin Christina nach Paris zu gehen. In dieser Funktion als schwedischer Botschafter in Frankreich spielte Grotius im Dreißigjährigen Krieg eine wichtige Rolle bei „den Verhandlungen zwischen Schweden und Frankreich als zwei der wichtigsten Kriegsparteien (…). Seine diplomatischen Aktivitäten werden allerdings in der Geschichtsschreibung eher zurückhaltend beurteilt. Mit der Zeit reifte in ihm jedoch der Entschluss, von seiner Stellung entbunden zu werden, und 1645 wurde ihm dies unter Vorbehalt anderweitiger Verwendung gewährt. Nachdem Grotius vom schwedischen Kanzler Axel Oxenstierna nach Stockholm einbestellt worden war und Unterredungen über seine künftige Stellung ergebnislos geblieben waren, erlitt er auf der Rückreise am 17. August Schiffbruch in der Ostsee. Dem Tode nur mit Not entronnen, erreichte er neun Tage später Rostock. Zu diesem Zeitpunkt war er schon schwer erkrankt. Hugo Grotius verstarb zwei Tage später am 28. August 1645.“ 8)

Grotius Schrift „mare libertum“: Freiheit der Meere
1609 verfasste Hugo Grotius im Auftrag der niederländische Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC) ein Rechtsgutachten zum Thema, wem gehört das Meer. Die 1602 gegründete Kaufmannskompanie hatte das Ziel: „den Gewürzhandel an sich zu reißen und niederländisch kontrollierte Häfen einzurichten. (…) Schwer bewaffnet segeln die VOC-Schiffe in die asiatischen Gewässer. Die Niederländer drücken die Preise für Gewürze und bedrohen Einheimische, die mit Konkurrenten Handel treiben. Wenn sie auf Portugiesen oder Engländer treffen, eröffnen sie häufig das Feuer. Und auch die Mitbewerber kämpfen mit allen Mitteln: Bald liefern sich die Seefahrer der drei Nationen einen unerklärten Krieg. 1603 kapert der VOC-Kapitän Jakob van Heemskerck einen portugiesischen Segler nahe Singapur. Das Direktorium belohnt ihn dafür mit einem stattlichen Teil der Beute. Für die Portugiesen aber ist Heemskerck ein Pirat, ein Verbrecher, der Bestrafung verdient. Denn sie betrachten alle asiatischen Meere seit 1494 als ihr vom Papst verbrieftes Eigentum. Das Direktorium in Amsterdam beauftragt daher den jungen Philosophen und Anwalt Hugo Grotius, die Position der VOC juristisch abzusichern. Seine 1609 unter dem Titel ‚Mare liberum‘ (‚Die freie See‘) gedruckte Schrift ist eine meisterliche Rechtfertigung des niederländischen Gewalthandels“, 9) schreibt Jochen Ploch in seinem Artikel „Händler und Krieger“, erschienen in GEO Epoche 2013.

Grotius vertrat den Grundsatz von der Freiheit der Meere. Dazu schreibt Stephanie Schiedermair, die Völkerrecht an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz lehrt: „Grotius betrachtet die Meere grundsätzlich als herrschaftsfrei. Allen Nationen stehe folglich das Recht auf freien Handel auf den Weltmeeren zu. Die Weltmeere seien Dinge jenseits wirtschaftlicher Interessen (res extra commercium), qua Naturrecht der Okkupation durch einzelne Nationen entzogen und stattdessen für den Gemeingebrauch bestimmt.

Grotius’ Schrift knüpfte damit an Ideen aus der Antike an – und hatte den zusätzlichen Charme, den Handelsinteressen der Niederländer beträchtlich entgegenzukommen. Mit dem Grundsatz der Freiheit der Meere ließ sich die niederländische Praxis rechtfertigen, Handelsmonopole anderer Nationen aufzubrechen und eigene an deren Stelle zu setzen. Die Idee blieb folglich nicht ohne Widerspruch.

1635 entwarf der Engländer John Selden ein Gegenmodell zum Vorschlag des Niederländers. In seinem Werk ‚mare clausum‘ proklamierte er die Theorie, dass das Meer generell der Herrschaft einzelner Staaten unterworfen werden könne. Speziell dachte Selden dabei an den englischen König als den natürlichen Herrscher über den Oceanus Britannicus, das die britischen Inseln umgebende Meer. England widersetzte sich Grotius’ Grundsatz der Freiheit der Meere mit aller Macht, konnte dessen Siegeszug jedoch nicht aufhalten.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts setzte sich das Prinzip der Freiheit der Meere schließlich allgemein durch und wurde unabhängig von den Handelsinteressen der Niederländer zum festen Grundstein für die rechtliche Einschätzung der Hohen See.“ 10)

Grotius und Sklaverei
Daniel-Erasmus Khan schreibt dazu im von der Görres-Gesellschaft herausgegebenen und vom Herder Verlag seit 2017 veröffentlichten Staatslexikon unter dem Begriff „Sklaverei“: „Noch die Naturrechtler des 17. Jh. (Francisco Suárez, Hugo Grotius, Thomas Hobbes, Samuel Freiherr von Pufendorf, John Locke) hielten die S.[klaverei] – unter im einzelnen unterschiedlichen Voraussetzungen – grundsätzlich für mit dem Naturrecht vereinbar und trugen damit wesentlich zu deren fortdauernder politisch-rechtlicher Legitimation bei“. 11)

Jean-Jacques Rousseau beschäftigte sich auch mit Grotius im Bezug zum Thema Sklaverei. Er schreibt 1758 in seiner Abhandlung „Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundsätze des Staatsrechtes“:
„Grotius und andere folgerten aus dem Kriege eine andere Quelle des angeblichen Rechtes der Sklaverei. Da nach ihnen der Sieger das Recht besitze, den Besiegten zu töten, dürfte letzterer sein Leben auf Kosten seiner Freiheit erkaufen, ein Vertrag, der umso rechtmäßiger sei, da er beiden Vorteil bringe.

Aber es liegt auf der Hand, dass dieses vermeintliche Recht, die Besiegten zu töten, in keinerlei Weise aus dem Kriegsstande hervorgeht. Schon aus dem einzigen Grunde, dass die Menschen, solange sie in ihrer ursprünglichen Unabhängigkeit leben, unter sich in keiner Beziehung stehen, die von derartiger Dauer ist, weder den Friedens- noch den Kriegszustand herbeizuführen, sind sie von Natur nicht Feinde. Das Verhältnis der Dinge und nicht das der Menschen zueinander ruft den Krieg hervor; und da der Kriegsstand nicht aus einfachen persönlichen Beziehungen, sondern lediglich aus sachlichen Beziehungen entstehen kann, so ist weder im Naturzustand, in dem es kein beständiges Eigentum gibt, noch im Gesellschaftszustand, in dem alles unter der Gewalt der Gesetze steht, der Privatkrieg oder der Kampf von Mann gegen Mann möglich.

Privatkämpfe, Duelle, zufällig herbeigeführte Zweikämpfe sind Handlungen, die keinen besonderen Zustand begründen, und was die durch die Einrichtungen König Ludwigs IX. von Frankreich gestatteten und durch den Gottesfrieden aufgehobenen Privatfehden anlangt, so sind es Missbräuche der Feudalregierung, des sinnlosesten Systems, das es je gegeben hat, und das den Grundsätzen des Naturrechts und einer jeden gesunden Politik völlig widerspricht.

Der Krieg ist demnach kein Verhältnis eines Menschen zum andern, sondern das Verhältnis eines Staates zum andern, bei dem die einzelnen nur zufällig Feinde sind, und zwar nicht als Menschen, ja nicht einmal als Bürger, sondern als Soldaten, nicht als Glieder des Vaterlandes, sondern als seine Verteidiger. Kurz, jeder Staat kann nur andere Staaten zu Feinden haben, und nicht Menschen, da man zwischen Dingen von verschiedener Natur kein wirkliches Verhältnis zueinander nachweisen kann.

Dieses Prinzip ist denn auch mit den eingeführten Grundsätzen aller Zeiten und mit der unwandelbaren Handlungsweise aller gesitteten Völker in vollem Einklang. Die Kriegserklärungen sind Kampfansagen, die weniger an die Mächte, als an die Untertanen gerichtet sind. Der Fremde, der, ob er nun König, Privatmann oder ein ganzes Volk sei, ohne vorher ergangene Kriegserklärung an den Fürsten dessen Untertanen beraubt, tötet oder gefangen hält, ist nicht ein Feind, sondern ein Räuber. Sogar mitten im Kriege bemächtigt sich ein gerechter Fürst im Feindeslande wohl alles Staatseigentums, aber er verschont die Person und das Vermögen der einzelnen, er achtet Rechte, auf die seinigen gegründet sind. Da der Zweck des Krieges die Vernichtung des feindlichen Staates ist, so hat man das Recht, die Verteidiger desselben zu töten, solange sie die Waffen in der Hand haben; sobald sie sie jedoch niederlegen und sich ergeben, so werden sie, weil sie aufhören Feinde oder Werkzeuge des Feindes zu sein, wieder nur Menschen, und man hat kein Recht mehr auf ihr Leben. Mitunter kann man den Staat vernichten, ohne ein einziges seiner Glieder zu töten, denn der Krieg verleiht nur das zur Herbeiführung seines Zweckes notwendige Recht. Diese Grundsätze teilt Grotius nicht; sie sind nicht auf die Überredungskraft der Dichter gegründet, sondern entspringen aus der Natur der Dinge und sind auf die Vernunft gegründet.

Was nun das Eroberungsrecht anlangt, so hat es keine andere Begründung als das Gesetz des Stärkeren. Wenn der Krieg dem Sieger nicht das Recht einräumt, die besiegten Völker niederzumetzeln, so kann ihm dieses Recht, das er nicht besitzt, auch nicht das Recht gewähren, sie zu unterjochen. Nur dann hat man das Recht, den Feind zu töten, wenn man ihn nicht zum Sklaven machen kann; das Recht, ihn zum Sklaven machen, geht also nicht aus dem Rechte, ihn zu töten, hervor; das ist doch ein unbilliger Tausch, ihn sein Leben, auf das man kein Recht hat, mit seiner Freiheit erkaufen zu lassen. Verfällt man dadurch, dass man das Recht über Leben und Tod auf das Recht der Sklaverei und das Recht der Sklaverei auf das Recht über Leben und Tod gründet, nicht augenscheinlich in einen Kreisschluss?

Selbst wenn man dieses schreckliche Recht, alles zu töten, als richtig gelten ließe, behaupte ich trotzdem, dass ein im Kriege zum Sklaven gemachter Mensch oder ein unterjochtes Volk gegen seinen Herrn keine andere Verpflichtung hat, als ihm so lange zu gehorchen, wie er dazu gezwungen ist. Da der Sieger für sein Leben einen entsprechenden Ersatz annahm, hat er es ihm nicht geschenkt; anstatt ihn ohne einen Gewinn für sich zu töten, hat er ihn in einer Weise unschädlich gemacht, die ihm Nutzen brachte. Also weit davon entfernt, über ihn ein mit der Gewalt verbundenes Recht gewonnen zu haben, besteht der Kriegszustand zwischen ihnen nach wie vor fort, selbst ihr Verhältnis ist eine Wirkung desselben, und die Ausübung des Kriegsrechts setzt keinen Friedensvertrag voraus. Sie haben ein Übereinkommen getroffen, das mag sein; aber statt dem Kriegstande ein Ende zu machen, setzt dieses Übereinkommen gerade die Fortdauer desselben voraus.

Von welchem Gesichtspunkte man deshalb auch die Dinge betrachten möge, so ist das Recht der Sklaverei immer nichtig, nicht allein weil es ungesetzmäßig, sondern auch weil es sinnlos und bedeutungslos ist. Die Worte »Sklave« und »Recht« stehen im Widerspruche; sie heben sich gegenseitig auf. Ob sich dieser Redensweise ein Mensch zu einem anderen oder zu einem ganzen Volke bedient, so wird es stets gleich unsinnig sein zu sagen: ‚Ich schließe mit dir eine Übereinkunft, die dir allen Nachteil und mir allen Vorteil bringt, eine Übereinkunft, die ich halten werde, solange es mir gefällt, und die du halten musst, solange es mir gefällt.‘.“ 12)