Parowstraße
Langenhorn (1961): Dr. Wilhelm Parow (12.1.1887 Berlin/Charlottenburg – 8.4.1959 Hamburg), Arzt, Präsident der Ärztekammer.
Wilhelm Parow wurde als Sohn von Dora Ottilie Parow, geborene Aye und des Oberlehrers Prof. Dr. Karl Hermann Hippolyt Walter Parow geboren.
1912 heiratete der damals 25-jährige Medizinalpraktikant die damals 24-jährige Charlotte Johanna Marie Heintze (geboren 4.12.1888 Berlin). Das Paar bekam vier Kinder.
Parow arbeitete vor und nach dem Ersten Weltkrieg in Altona. „Seine Assistenzarztzeit an der chirurgischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses Altona wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen, in dem Wilhelm Parow als Infanteriearzt diente. 1919 ließ er sich am Alsenplatz als Praktischer Arzt nieder, 1921 erwarb er das Hans an der Altonaer Allee, [heute: Max-Brauer-Allee] in dem er bis zu seinem Tod lebte und praktizierte. Wilhelm Parow galt im Nationalsozialismus als ‚Viertel-Jude‘. Er wurde im Zweiten Weltkrieg eingezogen, zwei seiner Söhne fielen. 1948 wurde Parow in den Vorstand der ersten Ärztekammer Hamburgs nach dem Krieg gewählt und war von 1950 bis 1958 ihr Präsident,“ 1) schreibt Anna von Villiez in ihrem Buch „Mit aller Kraft verdrängt – Entrechtung und Verfolgung „nicht arischer“ Ärzte in Hamburg 1933 bis 1945“.
Von 1950 bis 1958 war Parow Präsident der Ärztekammer-Hamburg.
Anna von Villiez gibt auch eine Begebenheit aus der Nachkriegszeit wieder, in die Wilhelm Parow als Ärztekammerpräsident verstrickt war und die deutlich macht, „dass die Hamburger Ärztekammer auch nach dem Ende des Nationalsozialismus nicht ohne Weiteres bereit war, das nationalsozialistische Unrecht an den ‚nicht arischen‘ Ärzten bzw. den Juden im Allgemeinen, im Besonderen die ‚Arisierung‘ jüdischen Vermögens anzuerkennen. 1935 kaufte Wilhelm Holzmann [siehe zu ihm in der Datenbank „Die Dabeigewesenen“ unter https://hamburg-ns-dabeigewesene.de/item/234 R. B.] für die nationalsozialistische Reichsärztekammer einige nebeneinander liegende Gebäude in der Straße An der Alster zu einem günstigen Preis. Das Haus mit der Nummer 49 hatte der Witwe des Hamburger Psychiaters und Neurologen Ernst Trömner gehört, ehemals Leiter der Neurologischen Abteilung im Krankenhaus St. Georg. Die Ärztekammer integrierte das Haus in den Gbäudekomplex des Hamburger ‚Ärztehauses‘. Johanna Trömner wurde Ende 1944 nach Theresienstadt deportiert, überlebte und kehrte nach Hamburg zurück, wo sie sich bereits im Jahr 1945 um die Rückerstattung des Hauses bemühte.
In den fünziger Jahren wurde innerhalb der Ärztekammer über eine weitere Nutzung der stark bombardierten Gebäude nachgedacht. In diese Diskussion brachte sich der inzwischen rehabilitierte ehemalige Stellvertreter von Holzmann, Theodor Matthies ein. Er schrieb 1951 an Wilhelm Parow, den Präsidenten der Hamburger Ärztekammer: „(…) Ich habe in meinem Schreiben an die Ärztekammer vom 6. November 1950 die Vorgänge beleuchtet, die zum Kauf dieses Hauses führten. Es sind mir Fälle bekannt, wo Häuser, die privat von Juden zum Teil wesentlich später als dieses Ärztehaus gekauft (worden) sind, dem Neuerwerber belassen sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in einem Rechtsstaat ein unter normalen Bedingungen und zu durchaus angemessenem Preis getätigter Kauf für null und nichtig erklärt würde und dieses Haus mit einem Wert von doch immerhin etwa 100.000 Mark der Hamburgischen Ärzteschaft verloren gehen könnte.‘
Dass Theodor Matthies als jahrelang aktiver Nationalsozialist kein Unrechtsbewusstsein in Bezug auf den möglicherweise im Zuge der ‚Arisierung‘ zustande gekommenen Kauf erkennen ließ, mag nicht verwundern. Die Antwort des Ärztekammer-Präsidenten Wilhelm Parow dagegen überrascht: ‚Die ÄK hat bereits vor längerer Zeit die Angelegenheit des Hauses An der Alster 49 zwecks Bearbeitung dem Rechstanwalt Dr. Fett übergeben. Selbstverständlich ist die ÄK sich im Klaren darüber, dass unter allen Umständen versucht werden muss, dieses Objekt zu halten. Dr. Fett hat uns aber den m. E. guten Rat gegeben, die Angelegenheit nicht sehr schnell zu betreiben, da damit zu rechnen ist, dass bei längerem Abwarten die Lage für die Ärztekammer sich günstiger gestaltet. Bei den Entnazifizierungsverfahren ist auch in der ersten Zeit viel schärfer verfahren worden als einige Zeit später. Ebenso wird es wahrscheinlich mit den Häusern der früheren jüdischen Besitzer werden.‘
Das Landgericht Hamburg verpflichtete die Ärztekammer Hamburg 1954 zu einer Rückerstattung des Gebäudes an die Vorbesitzerin. Nachdem die Ärztekammer Einspruch gegen diese Entscheidung eingelegt hatte, einigten sich die Parteien schließlich in einem Vergleich, gemäß dem die Ärztekammer eine Summe an Trömner zahlen musste. Erstaunlich ist, dass Wilhelm Parow, der selbst während des Nationalsozialismus als sogenannter ‚Vierteljude‘ zumindest in den ersten Jahren diskriminiert und beruflich benachteiligt worden war, so reagierte. Ein Unrechtsbewusstsein für die Bereicherung auf Kosten der jüdischen Bevölkerung, in diesem Fall der Witwe eines Kollegen, scheint es nicht gegeben zu haben.“ 2)