Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Plettenbergstraße

Bergedorf/Lohbrügge (1964): Kurt Freiherr von Plettenberg (31.1.1891 Bückeburg – 10.3.1945 Berlin), Oberlandforstmeister, Widerstand gegen den Nationalsozialismus.


„Kurt von Plettenberg entstammte dem westfälischen Uradelsgeschlecht Plettenberg aus dem Sauerland. (…). Sein Vater Karl Freiherr von Plettenberg war Offizier, zuletzt General der Infanterie, Kommandierender General des Gardekorps und Generaladjutant Kaiser Wilhelms II. (…). Seine Mutter war Clara Gräfin von Wedel, Tochter von Wilhelm Graf von Wedel und seiner Ehefrau Luise geborene Freiin von Bodelschwingh-Plettenberg.“ 1)

2143 Kurt Von Plettenberg 1930
Kurt Freiherr von Plettenberg, Passfoto (1930); Quelle: via Wikimedia Commons

Kurt Freiherr von Plettenberg studierte Rechts- und Forstwissenschaften. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde von Plettenberg 1934 „Haushaltsreferent im Reichsministerium für Ernährung und Landwwirtschaft, bestellte ihn Generalforstmeister Walter von Keudell im gleichen Jahr ins Reichsforstamt, wo Plettenberg am 2. Oktober 1934 zum Landforstmeister und später zum Oberlandforstmeister ernannt wurde. Als Keudell 1937 als Leiter des Reichsforstamtes abgelöst wurde, soll Reichsforstmeister Hermann Göring versucht haben, Plettenberg als dessen Nachfolger zu gewinnen.“ 2)

Doch von Plettenberg schied 1937 freiwillig als Oberlandforstmeister aus dem Reichsforstamt aus, da ihm die politischen Vorgaben des NS-Regimes zuwider waren. In der Folge übernahm er als Hofkammerpräsident die Vermögensverwaltung des ehemaligen Fürstlichen Hauses Schaumburg-Lippe. 1939 zum Kriegsdienst eingezogen, zeichnete er sich als Bataillonsführer und Kommandeur eines Tochterregiments des Infanterieregiments 9 aus. Ende 1941 wurde von Plettenberg Generalbevollmächtigter des vormaligen Preußischen Königshauses. Er war ein enger Freund von Claus Schenk Graf von Stauffenberg [siehe: Stauffenbergstraße], Johannes Popitz, Ludwig Beck, Ulrich von Hassell, Carl-Hans Graf von Hardenberg und Fabian von Schlabrendorff und beteiligte sich an den Vorbereitungen zum Staatsstreich des 20. Juli 1944. Anfang März 1945 wurde Kurt von Plettenberg verhaftet. Im Gestapo-Gefängnis in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße 8 stürzte er sich am 10. März 1945 aus einem Fenster im dritten Stock, um nicht durch die Folter seine Freunde verraten zu müssen.

Verheiratet war Plettenberg seit 1934 mit Arianne, geb. Freiin von Maltzahn (1909-1983). Das Paar hatte drei Kinder. Arianne von Plettenberg „erfuhr vom Freitod [ihres Mannes] erst am 16. März. Ebenso, dass die Beerdigung bereits am kommenden Tag auf dem Bornstedter Friedhof bei Potsdam vorgesehen war. Die Familie konnte also nicht an der Beisetzung teilnehmen. Arianne von Plettenberg suchte Trost bei Verwandten und Freunden, die vor dem Kriegsgeschehen zu ihr nach Bückeburg geflohen waren: ihre Mutter und Schwester, aber auch Marion Dönhoff [Marion-Gräfin-Dönhoff-Brücke] und deren Schwägerin Sissi Dönhoff, geborene Lehndorff, die ihren Bruder durch den 20. Juli verloren hatte. Doch wie sagt man den Kindern, dass der Vater verstorben ist, sich gar selbst das Leben genommen hat? Arianne von Plettenberg entschloss sich zu einer Notlüge. ‚Euer Vater ist an einem Herzfehler gestorben‘, sagte sie. Für den siebenjährigen Karl-Wilhelm war das natürlich ein Schock. (…) Wochen später riss ein Schulfreund die Wunde noch weiter auf. ‚Dein Vater ist in Berlin aus dem Fenster gesprungen. Das weiß ich von meinem Vater.‘ Karl-Wilhelm berichtete das empört seiner Mutter, die an ihrer Variante festhielt. Erst Anfang der 50er-Jahre, Karl-Wilhelm war etwa 13 Jahre alt, erzählte seine Mutter ihm die Wahrheit. Vielleicht dachte sie, jetzt würde er das verstehen, glaubt der Sohn,“ 3) schreibt Lars-Broder Keil in seinem Artikel über von Plettenberg.

Die jüngste Tochter Dorothea von Plettenberg schrieb für die Stiftung 20. Juli 1944 auf, wie ihre Mutter den Tod ihres Mannes überlebte: „Meine Mutter wachte einmal, zwei, drei Jahre nach seinem Tod, nachts auf und befand sich ebenfalls auf dem Fensterbrett. Zum Glück war das Fenster geschlossen. Die schwere Traumatisierung durch seinen Tod und die anderen grauenhaften Erfahrungen in den damaligen Jahren überdeckte sie – zunächst – durch Pflichten; sie hatte schließlich drei Kinder, Christa-Erika (9), Karl-Wilhelm (7) und mich (knapp anderthalb Jahre). Sie war in Bückeburg der Mittelpunkt der aus dem Osten geflüchteten Großfamilie, also ihrer Eltern und dreier Schwestern, Veronika, Hadumoth, Dietlinde, sowie der holländischen Schwägerin Ank mit Zwillingen, Paul und Dietz, Kinder ihres damals an der Ostfront vermissten Bruders Hans-Axel. (Sie hofften alle immer noch, er käme zurück, aber umsonst.) Ein Bruder, Bernd-Dietrich, Dietz genannt, war beim Einmarsch in Warschau am 17. September 1939 von einem Scharfschützen erschossen wurden. Er war damals 21 Jahre alt. Ihre Schwester Irmela starb in Bethel und ihre Schwester Veronika, die ihrem Vater in Pommern beistand, als die Russen einmarschierten, stürzte sich – wir vermuten unfreiwillig schwanger, der Ehre der Familie wegen – vor einen Lastwagen.

Meine Mutter, zum Zeitpunkt des Freitods meines Vaters 30 Jahre alt, hat dann in der Musik und beim Klavierspiel einen Halt gefunden. (…).

Unsere Mutter heiratete 1954 ein zweites Mal und zwar einen Regimentskameraden und entfernten Vetter unseres Vaters aus dem Infanterie-Regiment 9, Constantin Freiherr von Quadt. Wir nannten ihn Onkel Conni. Er hatte nach dem Krieg und nach zwei Jahren englischer Kriegsgefangenschaft sein Assessorexamen in Jura gemacht und wurde persönlicher Referent des Bankiers Hermann Jannsen an der Frankfurter Bank, später Geschäftsführender Direktor der BHF-Bank. Er war übrigens aufgrund seiner Kriegserfahrungen gegen die Wiederaufrüstung in der Adenauerzeit. (…)

Die depressive Erkrankung unserer Mutter in den letzten zehn Jahren ihres Lebens war vermutlich eine Folge der schweren Traumata, die sie erlitten hatte. Sie versuchte, mit der Krankheit zu leben, aber es gelang ihr immer weniger. Am 29. April 1983 wählte auch sie den Tod. Dies ist der größte Schmerz in unserem Leben.“ 4)