Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Raimundstraße

Rahlstedt (1957): Ferdinand Raimund (1.6.1790 Wien – 5.9.1836 Pottenstein) Schauspieler, Dramatiker.


Vor 1957 hieß die Verkehrsfläche Bachstraße. In der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes bereits in Raimundstraße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen kam. Bedingt durch den Krieg kam es nicht mehr zu dieser Umbenennung. Es blieb bis 1957 bei Bachstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)

Ferdinand Raimund war österreichischer Schauspieler und Dramatiker, ein Vertreter des Alt-Wiener Volkstheaters. Er wuchs in finanziell sehr „bescheidenen“ Verhältnissen auf. Sein Vater Jakob Raimund war Kunstdrechsler und hatte die Tochter seines Meisters geheiratet.

Bereits im Alter von 14 Jahren war Ferdinand auf sich selbst gestellt, denn seine Mutter Katharina, geb. Merz war 1802 und sein Vater 1804 gestorben. Ferdinand wurde von seiner älteren Schwester großgezogen, musste aber die Schule abbrechen und machte eine Lehre bei einem Zuckerbäcker. Doch die Lehre behagte ihm nicht. Das Theater sagte ihm mehr zu. Dieses hatte er als „Numero“ kennen gelernt: Er bot am Nationaltheater in den Spielpausen Süßigkeiten an. Damit begann seine Laufbahn am Theater.

Über Engagements an Wanderbühnen kam Ferdinand Raimund 1814 ans Theater in der Josefstadt, „wo er erstmals am 13. April auftrat. Sein künstlerischer Durchbruch gelang ihm am 28. März 1815 in dem Stück Die Musikanten am Hohen Markt seines späteren Schwiegervaters Josef Alois Gleich, einer Alt-Wiener Posse.“ 1)

1817 unterschrieb Ferdinand Raimund einen Vertrag mit dem Theater in der Leopoldstadt, dem Volkstheater Wiens, wo er zehn Jahre verblieb und zwar als Schauspieler, Stückeschreiber und Regisseur. Zwischen 1828 und 1830 war er sogar Direktor dieses Theaters. 2)

„Im Sommer 1826 verfiel Raimund zum ersten Male seiner panischen Angst vor einer Tollwut-Ansteckung, weswegen er ein Gastspiel in München überstürzt abbrach. Von dieser Phobie kam er bis zu seinem tragischen Ende nicht mehr los. (…)

Seine Liebesaffären und seine Vorstellung von der idealen Liebe prägten ebenso in starkem Maße seine Stücke wie seine Hypochondrie und der Ehrgeiz, eigentlich zum ‚Tragiker‘ geboren zu sein: Trotz seines Ziels, des tragischen Charakterfachs, errang er seine großen Erfolge in komischen Charakterrollen. Immer wieder wurde er deshalb, aber auch wegen seiner Hypochondrie, von Depressionen heimgesucht. Er trat immer seltener auf und zog sich 1834 auf sein Gut Pernitz (Raimundvilla) zurück, das er im September dieses Jahres erworben hatte. Am 1. Mai 1836 stand er zum letzten Male – als Valentin – während eines Gastspieles in Hamburg mit Missfallenskundgebungen auf der Bühne. Dies machte ihm den Abschied vom Schauspielberuf leicht. (…)

Als Raimund am 25. August 1836 von seinem – von ihm fälschlicherweise für tollwütig gehaltenen – Hund gebissen wurde, versuchte er sich auf der Reise nach Wien zu seinem Arzt in der Nacht vom 29. auf den 30. August 1836 zu erschießen. Am 5. September verstarb Ferdinand Raimund im Alter von 46 Jahren an den Folgen seiner Schussverletzung in einem Gasthof in Pottenstein.“ 3)

„Raimund gilt zusammen mit Johann Nepomuk Nestroy als Hauptvertreter des Wiener Volkstheaters und der österreichischen Literatur des Biedermeier und Vormärz neben Franz Grillparzer [Grillparzerstraße], der Raimunds ‚großes Talent‘ schätzte.“ 4)

Affäre mit Therese Grünthal
Eine seiner Affären, die mit der Schauspielerin Therese Grünthal (1799-?), die Raimund im Frühjahr 1818 begann, „endete in einem Desaster. Als die lebenslustige Therese ihn wegen seines ‚aufbrausenden, groben Charakte‘ verließ und sich einem anderen Verehrer zuwandte (vermutlich dem Hofsekretär Schloisnegg), kam es am 20. Mai im Zuschauerraum des Theaters in der Josefstadt mit ihr zum Streit und sogar zu Tätlichkeiten durch den gekränkten Raimund. Deshalb musste er wegen ungebührlichen Verhaltens für drei Tage in den verschärften Arrest. Erschwerend bei dieser Strafbemessung kam hinzu, dass diese Verbindung als ‚unsittliches Betragen‘ gewertet wurde und einige seiner Extempores von der Zensur angezeigt worden waren. Therese Grünthal kam mit einem Verweis davon, Direktor Huber, der die Affäre akzeptiert hatte, mit einer strengen polizeilichen Warnung. Dieser Affäre wurde zehn Jahre später nochmals ein Problem für Raimund, da ein Polizeiprotokoll anlässlich seiner Ernennung zum Theaterdirektor in der Josefstadt vorerst seine charakterliche Eignung dafür in Frage stellte.“5)

Ehe mit Luise Gleich
Raimund heiratete im April 1820 die Soubrette Luise (Louise) Gleich (6.1. 1798 - 6. 8.1855). Sie war die Tochter seines Kollegen Josef Alois Gleich. Eigentlich hatte er eine andere heiraten wollen: Toni Wagner (1799-1879). Doch ihre Eltern, die dem Bürgertum angehörten – der Vater war ein Kaffeehausbesitzer - gaben dazu nicht die Erlaubnis. So ließ sich Ferdinand Raimund vom Publikum drängen. die aus seinem gesellschaftlichen Milieu stammende Luise Gleich zu ehelichen. Dieser Schritt muss ihm sehr schwer gefallen sein, denn er ließ seine Braut, die ihn während einer Erkrankung aufopferungsvoll gepflegt hatte, vor dem Traualtar allein stehen, denn er erschien nicht zum Hochzeitstermin. Das Theaterpublikum nahm ihm dies sehr übel und „er musste daraufhin vor dem Publikum öffentlich Abbitte leisten“ 6) Und so kam es dann doch noch zur Hochzeit. Ein halbes Jahr später wurde am 7. Oktober die Tochter Amalie geboren, die allerdings nur drei Monate alt wurde.

Luise Gleich hatte als Minderjährige sexuelle Gewalt erfahren müssen. Sie war an Aloys von Kaunitz-Rietberg, den Enkel des Fürsten Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg, wegen dessen sexueller Lust auf Kinder ‚als Gespielin verkauft worden‘“.7)

Ferdinand Raimund erfuhr davon erst, als gegen Kaunitz der Prozess gemacht wurde. „Im Juli 1822 wurde Kaunitz in seinem Palais in der Dorotheegasse verhaftet und vor Gericht gestellt. Laut Anklage die auf ‚Schändung, Notzucht und Kuppelei in vielen Fällen lautete‘, soll er mehr als 200 minderjährige Mädchen missbraucht haben. Er wurde im Hofmarschallzimmer des Polizeihauses, von einem Polizeidiener bewacht, gefangen gehalten. Der Prozess dauerte vom 8. Juni bis zum 10. September 1822, der Prozessakt war ein Jahrhundert lang gesperrt. Bald nach der Verhaftung brachte sein Schwager Fürst Metternich Antrag auf Haftentlassung und weiterer Untersuchung auf freiem Fuße ein. Der Kaiser selbst entschied das Hausarrestsgesuch des Fürsten positiv, wies die Behörden aber an, bei der Verhandlung nach dem Gesetz zu handeln. Kaunitz sagte zwar Kooperation zu, betonte aber seinen hohen Rang und die Unbrauchbarkeit der Aussagen, der als Zeugen auftretenden Missbrauchsopfer, weil die alle ‚niederer Herkunft‘ waren. Das Kinderballett von Friedrich Horschelt, aus dem er viele der Mädchen geholt und auch weitergereicht hatte, wurde aufgelöst, der Fürst durch den Kaiser vom Hof und aus Wien, auf seine Güter nach Mähren verbannt.“ 8)

Leider verlief die Ehe zwischen Luise und Ferdinand nicht glücklich. Luise soll ihren Mann immer wieder mit anderen Männern betrogen haben, worauf Ferdinand mit körperlicher Misshandlung Luisens gegenüber reagierte. „In einem Polizeibericht, (…), wurde festgehalten, dass am 16. Juli 1821 Raimund seine Gattin ‚auf eine wahrhaft unmenschliche Art‘ misshandelt haben soll.“ 9) Auch Ferdinand Raimund beging „Ehebruch“. Schon wenige Monate nach der Hochzeit begann er eine Liebesbeziehung mit Toni Wagner. Doch was er sich zugestand, ließ er bei seiner Ehefrau nicht gelten. Ein typischer und üblicher Fall von Doppelmoral.

Luise „zog zu ihrem Vater zurück, Vermittlungsversuche schlugen fehl, und nach viereinhalb Monaten Trennung beantragte Gleich ‚nomine seiner minderjährigen Tochter Luise‘ die Scheidung. Diese erfolgte am 14. Jänner 1822, Raimund bestritt keinen der Vorwürfe Luises und setzte ihr einen Unterhaltsbeitrag von wöchentlich 6 Gulden bis an sein Lebensende aus. Diese Scheidung von Amts wegen hinderte den Dichter allerdings daran, wieder eine Ehe eingehen zu dürfen, da damals in Österreich das Gesetz der aus katholischer Sicht unauflöslichen Ehe galt.“ 10)

Ein Jahr nach der Scheidung gebar Luise 1823 ein Kind, das sie als Ferdinand Raimunds Sohn ausgab. Auch für ihre 1828 und 1830 geborenen Töchter gab sie Ferdinand Raimund als Vater an. Doch das Amt bestätigte für die drei Kinder nicht die Vaterschaft Raimunds. „In einem Artikel in der Illustrierten Wiener Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Mode bezichtigte sie 1855 Ferdinand Raimund, der ‚Zerstörer ihres Lebens‘ gewesen zu sein.“ 11)

Lebensgemeinschaft mit Antonie (Toni) Wagner
1819, ein Jahr vor seiner Hochzeit mit Luise Gleich hatte Ferdinand Raimund die damals 19-jährige Toni Wagner (30.12.1799 - 25. 3.1879), kennengelernt und sich unsterblich in sie verliebt. Doch, wie bereits beschrieben, verweigerten Tonis Eltern die Ehe.

Nachdem Ferdinand Raimund im April 1820 Luise Gleich geheiratet hatte, nahm Toni Wagner wieder Kontakt zu Ferdinand Raimund auf – und beide fingen wieder ein Verhältnis miteinander an, das aber wegen Tonis Eltern, die diese Verbindung nicht guthießen, vor aller Welt verheimlicht werden musste.

Acht Monate nach Ferdinand Raimunds Scheidung von Luise schlossen „am 10. September dieses Jahres (…) er und Toni vor der Mariensäule in Neustift am Walde einen ‚ewigen Bund der Liebe und Treue‘. Dies sollte als ‚Ersatz‘ für die strenggläubige Toni statt einer unmöglich gewordenen zweiten Ehe gelten.

Sowohl Tonis beruflich-freundliche Kontakte mit den Kaffeehausgästen ihres Vaters, als auch Raimunds ebenfalls berufsbedingte Zusammenarbeit mit Schauspielkolleginnen wie Therese Krones waren für die beiden ein ständiger Quell der Eifersucht. Erst 1825 entspannte sich das Verhältnis zu Tonis Eltern und sie durfte ihn in seiner Wohnung besuchen. 1830 erkannten die Eltern Toni Wagners diese Beziehung an und gaben den beiden eine Wohnung im Hause des väterlichen Kaffeehauses, wo Raimund im September einzog. Da er dank seiner beruflichen Erfolge sehr gut verdiente, konnte er sich am 5. September 1834 ein Haus in Gutenstein kaufen (um 4550 Gulden), wohin er mit Toni übersiedelte.

Auf seiner panischen Reise nach Wien zu seinem Arzt begleitete ihn Toni, und in Pottenstein musste sie Zeugin seines Selbstmordes werden. Obwohl Raimund testamentarisch für seine Lebensgefährtin hatte sorgen wollen, starb sie 1879 – 33 Jahre nach ihm – verarmt in der Naglergasse“ 12) in Wien.