Raja-Ilinauk-Straße
Jenfeld, seit 2016, benannt nach Raja Ilinauk (geboren etwa 1926, hingerichtet am 29.8.1944), russische Gefangene und Zwangsarbeiterin; Opfer des Nationalsozialismus
Seite 2017 liegt ein Stolperstein für Raja Ilinauk vor der Tafel zur Gedenkstätte an der Ahrensburger Straße.
Raja Ilinauk „wuchs in der ehemaligen Sowjetunion auf, (…). Sie wurde nach Deutschland verschleppt. Mit mehr als fünfhundert Frauen kam sie im Frühsommer 1944 in das Konzentrationslager Wandsbek an der heutigen Ahrensburger Straße/Ecke Nordmarkstraße.
Raja war 18 Jahre alt, als sie dorthin kam. Die Lebensbedingungen in dem streng bewachten Lager waren denkbar schlecht. Die Wohnbaracken, eigentlich als Pferdeställe errichtet, waren total überbelegt. Bekleidung und Ernährung waren vollkommen unzureichend. Jeden Tag wurden von der SS im Lager stundenlange Appelle abgehalten. Schikanen, Terror und Misshandlungen waren alltäglich. Raja musste – wie die anderen Häftlinge auch – in 12-Stunden Schichten schwerste körperliche Zwangsarbeit im unmittelbar benachbarten Drägerwerk verrichten.
Das Drägerwerk (…) stellte im Wandsbeker Zweigwerk Gasmasken für den NS-Staat her. (…)
Raja arbeitete in der Produktion beim Vulkanisieren. Die von ihr benutzte 25 Kilo schwere gusseiserne Form zur Herstellung der Gasmasken fiel ihr eines Tages herunter und zersprang. Raja wurde deshalb der Sabotage bezichtigt. Der SS-Lagerführer Johannes Steenbock ließ Raja in das Hauptlager nach Neuengamme zur Befragung und Verurteilung bringen. Kurze Zeit später kam Raja nach Wandsbek zurück und wurde dort, getrennt von den anderen Häftlingen, eingesperrt.
Die Häftlinge hatten große Angst, als ein Galgen errichtet wurde. Alle Häftlinge des Lagers und alle Zivilarbeiter des Drägerwerkes mussten sich am 29. August 1944 im Halbkreis um den Galgen versammeln – bewacht von Aufsehern und Aufseherinnen der SS. Dieses schreckliche Erlebnis findet sich in vielen Berichten der ehemaligen Häftlinge. Aleksandra Maksa berichtet: ‘Das Urteil musste verlesen werden. Eine Aufseherin gab das Urteil Lida [zum Übersetzen] … Sie nahm es, schaute um sich und fing plötzlich an zu schreien, zu toben, fiel zu Boden und schlug sich selbst … alle begannen mit den Füßen zu trampeln, zu schreien und in alle Richtungen davon zu laufen. Viele von uns sahen gar nicht, wie sie hingerichtet wurde. Das Lager war nicht mehr zu zähmen, alle erhoben sich zum Aufstand, sollten die Aufseherinnen auch noch so brutal mit Stöcken schlagen.‘ (…)
Nach dem Ende des Krieges und der Befreiung der Häftlinge setzten sich nur wenige für das Andenken an die 18jährige Raja und die anderen Häftlinge ein.
Das Gelände des ehemaligen KZ Wandsbek wurde überbaut und gewerblich genutzt. 2005 entstand hier eine Wohnsiedlung. Der Bauträger sollte eine kleine Gedenkanlage errichten. Diese wurde aber nur mangelhaft ausgestattet und beschildert. Erst nach öffentlicher Kritik wurde eine neue Gedenkstätte auf öffentlichem Grund neu errichtet. Das jetzige Mahnmal wurde im Rahmen eines Schulprojektes von zwei Schülerinnen entworfen.“1)
Zu Johannes Steenbock (18. September 1907 Schleswig – 30. September 1968 Schleswig)
Nach dem Volksschulbesuch lernte Steenbrock in einer Drogerie den Beruf des kaufmännischen Angestellten, wo er auch kurzzeitig nach seiner Ausbildung weiter beschäftigt wurde, bevor er wegen der schlechten Konjunktur entlassen wurde. Steenbrock war zunächst arbeitslos, bevor er eine neue Stelle als Verkäufer beim Beamten-Einkauf fand. 1938 stellte er einen Antrag, um in die SS aufgenommen zu werden. 1939 wurde Steenbrock zur Wehrmacht eingezogen und im November 1939 zur Waffen-SS versetzt. Ab 1941 wurde er in den Wachmannschaften im KZ Neuengamme eingesetzt und zum SS-Unterscharführer befördert. Im August 1944 übernahm er die Lagerleitung des neu errichteten Frauenaußenlager Hamburg-Wandsbek, wo rund 500 deportierte Frauen u. a. in der Gasmaskenproduktion der Drägerwerk AG Zwangsarbeit leisten mussten.
1947 musste sich Steenbrock vor dem britischen Militärgericht im Hamburger Curio-Haus verantworten. Er gab vor Gericht zu, bei einer Hinrichtung anwesend gewesen zu sein, weitere Tötungen, die ihm vorgeworfen wurden, stritt er ab. Zeugen sagten aus, er habe des Öfteren Häftlingsfrauen mit einem Reitstock geschlagen und weitere Misshandlungen vorgenommen. Überlebenden des Lagers wurde er als „Sadist [der] 1. Klasse“ sowie als „sehr brutal und ein sehr boshafter Mann“ beschrieben. Steenbock wurde am 13. Juni 1947 zu einer 20jährigen Gefängnisstrafe verurteilt.
Text: Katharina Tenti