Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Roscherweg

Stellingen (1989): Dr. Albrecht Roscher (5.8.1836 Ottesen -19.3. oder 20.3.1860 Hisonguny), Afrikaforscher. Seine Reisen wurden von Hamburger Kaufleuten und Bankiers unterstützt.


Albrecht Roscher war der Sohn von Lucie Henriette Hensel und des Kaufmanns Heinrich Roscher. Er hatte noch sechs Geschwister, darunter den späteren Kaufmann und Senator Eduard Heinrich Roscher.

Albrecht Roscher besuchte das Johanneum und begeisterte sich schon als Schüler für Naturwissenschaften und Geographie. Nach dem Abitur studierte er von 1856 bis 1858 an der Universität Leipzig Naturwissenschaften, orientalische Sprachen, Geographie und Medizin. 1857 promovierte er zum Dr. phil. mit seiner Dissertation „Ptolemäus und die Handelsstraßen in Central-Afrika“. „Diese erregte das Interesse bedeutender Geographen wie Heinrich Barth [siehe: Heinrich-Barth-Straße], Alexander v. Humboldt [siehe: Humboldtstraße], Carl Ritter und August Petermann. Unter Ausnutzung der aus dem Anhang der Weltkarte des Ptolemäus überlieferten Angaben rekonstruierte R. darin mit beachtlichem Erfolg die Geographie Innerafrikas. Ziel der Untersuchung war es, Informationen zur Lage der Nilquellen zu erhalten, die R. aufgrund der ptolemäischen Angaben entdecken wollte. 1858 brach er mit einem durch Gelder der Hamburger Kaufmannschaft aufgestockten Stipendium Kg. Maximilians II. von Bayern nach Afrika auf.“ 1)

Auf der Website zur Wanderausstellung „Freedom roads! Koloniale Straßennamen“ steht über Albrecht Roschers weiteren Expeditionsweg, den er im Alter von 22 Jahren begann: „Von Hamburg aus erreichte er im September 1858 die Insel Sansibar. Während seines zweimonatigen Aufenthaltes auf Sansibar [er war Gast bei dem Hamburger Kaufmann Henry O’swald, siehe O'Swaldstraße, R. B) erlernte er die Bantusprache Swahili und sammelte botanische Erkenntnisse über die Insel. In dieser Zeit lernte er den britischen Afrikaforscher John Hanning Speke kennen, dessen Entdeckungsreise zum Tanganjikasee und Viktoriasee Albrecht Roschers weitere Forschungstätigkeit beeinflusste. Im Februar und März 1859 bereiste er die Küste des heutigen Staates Tansania. Er erforschte die Bucht von Daressalam und das Flussdelta des Rufiji. Neben astronomischen Ortsbestimmungen untersuchte er die geführte Wassermenge des Flusses und zog Erkundigungen über Handelswege und das Hinterland ein. Im April 1859 musste er wegen starken Fieberanfällen seine Reise in Kilwa für mehrere Monate unterbrechen. Weil seine Reisemittel sich zu erschöpfen drohten, brach er, gesundheitlich immer noch angeschlagen, Ende August 1859 zu einer Expedition an den Malawisee auf. Er schloss sich dazu einer arabischen Sklavenkarawane an. Nur zwei Monate nach dem britischen Afrikaforscher David Livingstone erreichte er, durch erneute Fieberschübe und räuberische Bedrohungen geschwächt, am 20. Oktober 1859 das Dorf Nusewa am Malawisee. In den folgenden Monaten erforschte er die nähere Umgebung des Sees und bereitete eine Expedition in das Gebiet der Malimba in Kamerun vor. Am 17. März 1860 verließ er Nusewa um Nachschubgüter entgegenzunehmen. Unterwegs wurden er und sein Begleiter, vermutlich von Sklavenhändlern, im Schlaf ermordet. Er starb am 19. oder 20. März 1860 in Hisonguny, in der Nähe des Malawisees. Seine wissenschaftlichen Aufzeichnungen und Tagebücher gingen weitgehend verloren.“2)

In einem NDR-Beitrag aus dem Jahre 2020 wird berichtet, dass Albrecht Roscher von Dorfbewohnern, die ihn als Bedrohung ansahen, ermordet wurde. 3)
Und in einem Artikel des Hamburger Abendblattes heißt es über die Ermordung des 22-jährigen Albrecht Roscher. „Wegen Geldmangels blieb ihm nichts anderes übrig, als eine Sklavenkarawane zu nutzen, der vermutlich auch seine späteren Mörder angehörten. Roscher waren Sklaverei und Kolonialismus zuwider, was dem Führer der Karawane, einem gewissen Salim ben Abdallah, nicht verborgen blieb. Vermutlich kostete Roscher die Drohung, den Sklavenhändler gerichtlich verfolgen zu lassen, sein Leben.“ 4)

Über Roschers wissenschaftliche Wirkung steht im Wikipedia Eintrag zu ihm: „Trotz seiner kurzen Forschertätigkeit erfuhr seine Arbeit große Anerkennung. Seine Zeitgenossen sahen in ihm den ‚Idealtypus des sich für die Erforschung der Erde aufopfernden Wissenschaftlers und Bekämpfers der Sklaverei‘. 1867 wurde er zum auswärtigen Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ernannt.“ 5)

Die bildende Künstlerin, Kuratorin und Stadtraumforscherin HM Jokinen bemerkt kritisch zu der von Hamburger Kaufleuten finanzierten Afrika-Reise Roschers: „Dass ‚Afrika-Forschung‘ von den Hamburger Kolonialkaufmännern keineswegs finanziert und betrieben wurde, um etwaige ‚wissenschaftlich wertfreie‘ Erkenntnisse zu gewinnen, sondern konkret um Verkehrswege, Rohstoffe, Natur und Kulturen für die koloniale Expansion zu erkunden, ist inzwischen von anderen HistorikerInnen gründlich belegt.“ 6) Und weiter führt sie kritisch aus: „Fakt ist auch, dass sog. ‚Afrika-Forscher‘, wie Albrecht Roscher und andere, auf ihren ‚Entdeckungsreisen‘ ins Landesinnere ohne Bedenken den Schutz der Sklavenkarawanen in Anspruch nahmen.“ 7)