Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Walter-Rothenburg-Weg

Bergedorf/Allermöhe (1995): Walter Rothenburg (28.12.1889 Hamburg – 10.3.1975 Ascona), Boxpromotor, Schlagertexter, Schriftsteller, Verfolgter des Nationalsozialismus.


In Wikipedia heißt es über Walter Rothenburg: Er „wurde als Sohn des Brauereiagenten Josef Rothenburg 1889 in Hamburg-Eimsbüttel geboren. Sein Großvater Charles Rothenburg war Schriftsteller und Verleger. Er gab die ersten in deutscher Sprache erschienenen USA-Zeitungen Boston-Telegraph und USA-Staaten-Zeitung heraus. Nach der Schulzeit ging Walter Rothenburg zur See und wechselte 1909 zur Kriegsmarine. (…) Er war Bootsmann und wurde 1916 an die Flandernfront versetzt. (…) Rothenburg konnte 1925 den Berliner Sportpalast zum ersten Male für eine Boxveranstaltung nutzen. Den Boxkampf Walter Neusel gegen den ehemaligen Schwergewichtsweltmeister Max Schmeling organisierte er am 26. August 1934. Der Schauplatz war die Dirt-Track-Anlage, eine Sandrennbahn in unmittelbarer Nähe von Hagenbecks Tierpark, die er innerhalb weniger Wochen in eine Musteranlage umbauen ließ. Es kamen fast 100.000 Zuschauer, eine bei keiner Boxveranstaltung in Deutschland je wieder erreichte Zahl.“ 1)

In der NS-Zeit trat Rothenburg nicht der NSDAP bei. Laut seinem Entnazifizierungsfragebogen „Military Government of Germany Fragebogen“, unterzeichnet am 23.3.1946, war er Mitglied im NS Reichsbund für Leibesübungen gewesen. Darüber hinaus erklärte er in dem Fragebogen: „Aus rassischen Gründen vom Berufsverband 1 Jahr suspendiert und 5 Jahre von Mitarbeit an Hamburger Presse ausgeschlossen. Abnahme des Passes durch Gestapo. Konzessionsverweigerung für die Hanseatenhalle. Admiralsrapport: statt Todesstrafe, besonders verschärfter Einsatz an der Front, als Folge der Weigerung an die Front zu gehen. Unterlagen vorhanden (…).“ 2) Als Beleg legte Rothenburg ein Schreiben des Admirals der Kriegsmarinedienststelle Hamburg vom 23.4.1945 bei. Darin heißt es, dass Rothenburg und weitere zwei Soldaten „den am gestrigen Tage in Marsch gesetzten Transport (…) durch eigene Schuld nicht erreicht“ haben. „Der Admiral der KMD. Hamburg hat (…) bestimmt, dass den 3 Soldaten als Massregel jegliche Vergünstigungen auf die Dauer von 4 Wochen vorzuenthalten sind, und dass sie ferner zu besonders verschärftem Einsatz kommandiert werden sollen.“ 2)
In seinem oben angeführten Entnazifizierungsfragebogen antwortete Rothenburg auf die Frage nach veröffentlichten Publikationen: „Unter einigen hundert veröffentlichten Gedichten meist lyrischen Inhalts befanden sich einige Mundartgedichte zum Wehrmachtbericht.“ 2)

Hierzu schrieb Rothenburg am 6.11.1946 einen Brief an den „Fachausschuss VII zur Ausschaltung von Nationalsozialisten, Beratender Ausschuss für Presse“ Max Deiters, Alsterglacis 10 mit folgendem Inhalt: „Anläßlich meines Besuches bei Herrn Max Deiters, den ich unternahm, um meine Angelegenheiten vor dem Ausschuß zu bringen und damit zu klären, erfuhr ich, daß gegen mich Beschuldigungen vorliegen, ich hätte unter der Naziherrschaft ‚Durchhaltegedichte‘ verfaßt. Dazu habe ich zu sagen: Mein eigentlicher Beruf ist Boxveranstalter. Aus wirtschaftlichen Gründen war ich gezwungen, mir literarische Nebeneinnahmen zu verschaffen.
Ich habe insgesamt an 300 Gedichte meist plattdeutscher Art veröffentlicht, darunter etwa ein halbes Dutzend sogenannter Auftragsarbeiten zu besonderen Gelegenheiten wie z. B. einige zur Werbung für das ‚Winterhilfswerk‘.
Diese vereinzelten Zweckgedichte standen in keinerlei Beziehung zu meiner inneren Einstellung dem Nationalsozialismus gegenüber, den ich als rassisch Verfolgter abzulehnen alle Veranlassung hatte. Die Aufträge für solche vereinzelten Zweckgedichte durch die Redaktionen abzulehnen, wäre damals bei meiner Lage nicht nur unklug gewesen, sondern hätte auch dem einfachen Gebot der Selbsterhaltung gegenüber dem Nationalsozialismus widersprochen. Auch konnte ich im Hinblick auf den sozialen Zweck des ‚WHW‘ gegen die Abfassung solcher Verse keine besonders schwerwiegenden Gewissensbedenken haben.

Demgegenüber fällt, ganz abgesehen von meiner gesamten sonstigen literarischen Produktion, meine ablehnende Haltung als Sohn eines Volljuden zum Nationalsozialismus um so eindeutiger ins Gewicht, und ich lasse dafür folgende Tatsachen sprechen:
Bis zum Jahre 1936 führte ich gegen alle Verleumdungen und Widerstände meine großen Boxveranstaltungen mit meinen alten jüdischen Geschäftsfreunden Gustav Lewin, Viktor Fischer und Karl Goldfeld konsequent durch und ließ mich auch durch Drohungen nicht einschüchtern, öffentlich mit ihnen zu arbeiten, solange sie sich noch in Deutschland aufhielten.

Als der KZ-Mann Willi Meier, Hamburg, Bäckerbreitergang 28, aus dem KZ entlassen wurde (Juni oder Juli 1934) schickte ich ihn sofort 8 Wochen nach Travemünde zur Erholung und stellte ihn anschließend wieder bei mir ein.
Ebenso nahm ich 1940 den KZ-Mann Paul Duysen (Schriftsteller), Hiddesen bei Detmold, Hünenweg 368, den man schon vier Jahre kalt gestellt hatte, zu mir ins Büro. Diese Tatsache sprach sich schnell herum. Dr. Willy Phieler, der damalige kommissarische Sportpressemann, forderte vor anderen daraufhin auf, Paul Duysen unverzüglich zu entlassen. Trotzdem entließ ich Herrn Duysen nicht, sondern behielt ihn jahrelang bei mir und zwar nicht etwa heimlich, sondern in aller Öffentlichkeit.

Welchen Angriffen und geschäftlichen bzw. beruflichen Schädigungen ich wegen meiner antifaschistischen und antimilitaristischen Haltung und auch aus rassischen Gründen ausgesetzt war, möge der nachfolgende chronologische Bericht über meine Bedrängnisse während der Zeit des Nationalsozialismus dartun:
Ein Vertrag mit der Hansestadt Hamburg zur pachtweisen Überlassung der ‚Hanseaten-Halle‘, meiner ureigensten Schöpfung, wurde mir aus rassischen Gründen abgelehnt. Das gleiche Schicksal erlitt ich mit einem Antrag zur Konzessionierung eines Unternehmens ‚Kattegat, der Ozeandampfer auf der Reeperbahn‘, wofür mir die Elbschloßbrauerei 70 000 Mk zur Verfügung stellen wollte.

Immer schärfere Formen nahm die Hetze gegen meine Person mit den Jahren nach 1933 an, sodaß ich schließlich auch von der Mitarbeit in der Hamburger Presse ausgeschlossen wurde. Volle fünf Jahre dauerte dieser Ausschluß, bis ich auf den Gedanken kam, den Nationalsozialismus und seine Rassengesetze ad absurdum zu führen d.h. mit seinen eigenen Waffen zu schlagen.

Nach Rücksprache mit meinen Geschwistern erfand ich zu meinem gesetzlichen Vater einen leiblichen hinzu und verschaffte mir entsprechende Papiere bzw. Nachweise. Drei Jahre lang gelang mir die Täuschung. Dann nahm mir 1938 die Gestapo in Berlin, wohin ich mich wegen der Hamburger Hetze 1936 begeben hatte, meinen Paß ab. Die Folge war, daß ich nun als rassisch Verfehmter vom Berufsverband Deutscher Faustkämpfer suspendiert wurde. Die Verträge für den Revanchekampf Schmeling-Neusel, durch einen kostspieligen Prozeß mühsam erkämpft und gesichert, wurden dadurch hinfällig, und ich erlitt sowohl moralisch wie finanziell schweren Schaden.

Im August 1938 gelang es mir jedoch, durch einen Antrag auf erbbiologische Untersuchung die nationalsozialistischen Methoden selbst lächerlich zu machen. Das über mich von der Universität Kiel ausgestellte Gutachten lautete: ‚ Keine jüdischen Merkmale, demnach ist ein arischer Erzeuger anzunehmen.‘

Als Prominenten der Sportöffentlichkeit wollte mich nun die Partei als Mitglied in ihren Reihen sehen. 1938 waren die Nazis auf der Höhe ihrer Macht. Es bedarf wohl keiner Erläuterung, daß ein Eintritt in die NSDAP damals mir manche Wege geebnet hätte. Ich verzichtete jedoch auf alle sich mir damit bietenden Vorteile und lehnte darüber hinaus auch den Beitritt zu den Parteiorganisationen wie D.A.F., N.S.V. und Luftschutzbund ab. Ich zwang den Fachverband nun, mich auch als Nicht-Pg. wieder aufzunehmen und dokumentierte damit abermals öffentlich meine Gesinnung. Was es damals bedeutete, als Alleinstehender und dazu in einer solchen Position wie der meinen, diesen Kampf zu führen, bedarf wohl keiner näheren Erörterung.

Im Jahre 1940 kam ich von Berlin wieder für dauernd nach Hamburg. Als nun die ersten Gedichte von mir wieder von der hiesigen Presse veröffentlicht wurden, liefen sofort Zuschriften an die Redaktionen ein, wie es möglich wäre, daß wieder Gedichte von dem Juden Rothenburg abgedruckt würden.

Die Folge war, daß Hermann Okras vom ‚Hamburger Tageblatt‘ von mir verlangte, den jüdischen Namen Rothenburg abzulegen und mich nach meiner Mutter Walter Nissen zu nennen. Das war im Jahre 1941. Es gelang mir auch in diesem Falle, mich der Willkür solcher Forderungen zu entziehen. Ich heiße heute noch Walter Rothenburg und habe den jüdischen Namen nicht abgelegt.

Als 1939 der Krieg ausbrach, hatte ich mich als Oberbootsmaat d. Res. sofort zu stellen. Als überzeugter Antimilitarist und Kriegsgegner setzte ich auch hier alles auf eine Karte und stellte mich nicht, bis ich schließlich doch 1944 geholt wurde. Mit knapper Not entging ich Ende April 1946 [gemeint ist wohl 1945] mit zwei anderen Kameraden der Hinrichtung durch ein Standgericht, da wir dem Befehl entgegen nicht an die Harburg-Front gegangen waren.

Das unverdächtigste und unparteiische Zeugnis über meine antifaschistische Gesinnung und Haltung dem Nationalsozialismus gegenüber dürfte der Brief des holländischen Managers und Berufskollegen Theo Huizenaar vom 29.3.1946 sein, den ich Ihnen im Orginal vorlegen werde.
Theo Huizenaar schreibt darin wörtlich:
‚Wie bin ich nur glücklich, daß Sie und Englert allezeit Antifaschisten gewesen sind, wodurch die Kämpfe, die ich mit Ihnen und Englert arrangiert habe, mir nicht zur Last gelegt worden sind; und außerdem waren diese Kämpfe für holländische, belgische und französische Arbeiter; und nicht zu vergessen die Mitwirkung von Ihnen und Englert, um die holländischen Boxer aus Arbeitszwang und Konzentrationslagern zu holen.‘
Ebenso gut wie ich heute noch am Leben bin, hätte ich auch wie die vielen, vielen Millionen Unglücklicher ein Opfer der Nazis und vergast werden können.
Mir heute nach glücklich überstandener Schreckenszeit unter 300 Gedichten einige für meine ganze Gesamthaltung belanglose Auftragsverse vorzuwerfen, käme etwa dem Vorwurf gleich, - ich hätte mich vor dem vergasen gedrückt!
Um ein für allemal derartigen Angriffen, die mich als Gegner und Opfer des Faschismus nach dessen Beseitigung abermals moralisch und wirtschaftlich schädigen, jede Plattform zu entziehen, bitte ich den Ausschuß um schnelle politische Rehabilitierung vor der Öffentlichkeit.“ 2)

Paul Duysen gab am 7.12.1946 eine Erklärung ab, in der er u.a. schreibt: „Herr Rothenburg hat zu der Zeit, in der ich in seinem Büro arbeitete, ganz gelegentlich John-Bull-Gedichte in hamburger Zeitungen veröffentlicht. Ich beklage das. Aber er erklärte es als Zwang, als Auftrag, dem er als glücklich getarnter Jude nicht entgehen könne, ohne sich selbst zu gefährden. (…) Herrn Rothenburg jetzt wegen kleiner Tarnungsmanöver öffentlich anzuprangern oder gar den Beruf zu verbieten, das halte ich für weit über das Ziel geschossen, sondern auch für verfehlt.“ 2)
In einem zweiten Fragebogen, unterzeichnet am 16.2.1947, antwortete Rothenburg auf die Frage: „für welche politische Partei haben Sie in der Novemberwahl 1932 gestimmt“, mit „SPD“. Auf die darauffolgende Frage „Und im März 1933?“ Antwort: „SPD“. 2)

Im Fragebogen Action Sheet heißt es dann am 6. März 1947: „R. hat neben seiner Tätigkeit als Boxveranstalter trotz seiner jüdischen Abstammung pronazistische Verse geschrieben. Der Ausschuss verkennt nicht eine gewisse aus der Abstammung gegebene Zwangslage. Der Ausschuss hat aus diesem Grunde gegen gelegentliche Tätigkeit keine Bedenken.“ 2)

Auf demselben Blatt (Fragebogen Action Sheet) ist unter dieser Begründung vermerkt: „Der Fachausschuss ist nach eingehender Prüfung der Unterlagen und persönlicher Vernehmung des R. zu dem Beschluss gekommen, die bisherige Ausschaltung aus dem Beruf als hinreichende Sühne für seine nazistischen Veröffentlichungen anzusehen. Er wird daher in Kat. IV eingestuft. 28.8.1947.“ 2)

Diese Einstufung wurde Rothenburg am 1.4.1947 durch die „Vorläufige Benachrichtigung über Kategorisierung“ schriftlich übermittelt. Dies bedeutete: Rothenburg durfte nicht ohne Erlaubnis die britische Zone verlassen. Auch erhielt er nur das aktive und nicht das passive Wahlrecht. Der Beschluss beruhte „auf folgenden Tatsachen bezüglich Ihrer Betätigung in der Vergangenheit: NS-Reichsbund für Leibesübungen.“ 2)

Gegen diesen Beschluss legte Rothenburg Beschwerde ein. Sein Rechtsanwalt F. Dudenbostel schrieb am 13.12.1947 an die Zentralstelle für Berufungsausschüsse Hamburg, Hotel Esplanade, Zimmer 25 und forderte die Einstufung in Kategorie V mit folgender Begründung: „Wie der Bescheid vom 2.9.47 ergibt, stützt sich die Einstufung in die Kategorie IV auf seine Mitgliedschaft im NS Reichsbund für Leibesübungen. Die Angabe des Herrn Walter Rothenburg in seinem Fragebogen hinsichtlich seiner Mitgliedschaft im NS Reichsbund für Leibesübungen ist irrtümlich erfolgt. Herr Walter Rothenburg war in seiner Eigenschaft als Veranstalter für Boxkämpfe Mitglied des Berufsverbandes Deutscher Faustkämpfer. Dieser Berufsverband unterstand in sportlicher Beziehung dem NS Reichsbund für Leibesübungen. Auf Grund dieses Sachverhalts hat Herr Walter Rothenburg seine Mitgliedschaft im NS Reichsbund für Leibesübungen im Fragebogen angegeben. Eine persönliche Mitgliedschaft des Herrn Walter Rothenburg hat niemals bestanden (…). Die sportliche Unterstellung des Berufsverbandes Deutscher Faustkämpfer unter den Reichsbund für Leibesübungen hat keinesfalls die rechtliche Wirkung, dass die Mitglieder dieses Berufsverbandes auch Mitglieder des NS Reichsbundes für Leibesübungen waren. (…)

Da Herr Walter Rothenburg weder der Partei noch irgendeiner ihrer Gliederungen angehört hat, ist die Einstufung in Kategorie V zweifellos gerechtfertigt. (…)“. 2)

Der Rechtsanwalt hatte damit insoweit Erfolg, als der Berufungsausschuss für die Ausschaltung von Nationalsozialisten am 6. Juli 1949 zu dem Schluss kam, ihn in Kategorie V einzustufen. Dazu heißt es: „Der Berufungskläger gehörte der NSDAP und ihren Gliederungen nicht an. Er ist jedoch durch Gedichte und Veröffentlichungen im Hamburger Tageblatt für den Nationalsozialismus eingetreten. Es erscheint glaubhaft, dass er dies weniger aus einer politischen Aktivität als vielmehr zur Tarnung getan hat, da er kein ‚Vollarier‘ war.
Der Berufungsausschuss sieht in der bisherigen Einstufung in die Kat. IV eine hinreichende Sühne und trägt daher keine Bedenken, ihn nunmehr in die Kat. V. einzustufen.“ 2)

Der Box-Veranstalter und Schriftsteller lebte nach dem Zweiten Weltkrieg in der Spitalerstraße 11. Er schrieb u.a. die bekannten Couplets „An de Eck von de Steenstroot“, „An de Alster, an de Elbe, an de Bill", für den Sänger Charly Wittong „Fohr mi mol röber" und für Freddy Quinn „Junge, komm bald wieder". Und auch der Text des Liedes „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ stammt von ihm.

Walter Rothenburg war fünfmal verheiratet. „Seine fünfte Frau, die er zärtlich Weroline nannte, gab [als er verstorben war] im Abendblatt bekannt, Wero habe den Planeten gewechselt. Nach ihr unterschrieb Lord Simon die Traueranzeige - sein Hund, ein Yorkshire-Terrier.“ 3)

Über den Boxkampf in der Weimarer Republik schreibt Ulrike Schaper in ihrem Beitrag: „Das Boxen ist ein Sport wahrer Männlichkeit. Geschlecht im Ring: Boxen und Männlichkeit in der Weimarer Republik“: „Boxen galt (und gilt bis heute) als genuin männlich. Nicht nur war das Boxen eine reine Männersportart und wurde von Frauen nur vereinzelt zur Leibesertüchtigung oder als Damenboxen im Varieté und auf dem Jahrmarkt ausgeübt. Über den Ausschluss von Frauen aus dem Boxsport hinaus war ‚Männlichkeit‘ als Wert und Voraussetzung für das Boxen zentral mit dem Kampfgeschehen verknüpft – im Ring hatte man ‚seinen Mann zu stehen‘. Dabei stellte die Abgrenzung von Weiblichkeit ein zentrales Merkmal der Boxermännlichkeit dar und schlechte Boxleistungen wurden mit weiblichem Verhalten in Verbindung gebracht, so z.B. die als zu passiv und unentschlossen kritisierte Kampfleistung Adolf Wiegerts: ‚Wiegert --- zögert wie ein schüchternes kleines Mädchen und verpaßt auch diese Chance wieder‘. (B.Z. 7.2.1925). Boxen wurde als eine Form der organisierten Austragung innermännlicher Konkurrenz diskursiviert, die ihr Vorbild in der Tierwelt bzw. frühgeschichtlichen Formen menschlicher Gemeinschaft zu haben schien. Seine Stilisierung zum archetypischen Kampf ‚Mann gegen Mann‘, in dem Fragen der Überlegenheit auf ‚männliche Weise‘ mit den Fäusten ausgetragen wurden, folgte einer Naturalisierung männlicher Gewalt(ausübung) und stellte den Zweikampf als Urform männlicher Konfliktaustragung bzw. der quasi-natürlichen Durchsetzung des Stärkeren vor. So wurden Kampf und Aggression als männlich und Männlichkeit als kämpferisch und aggressiv codiert und diese Form der Konfliktlösung über kooperative Ansätze gestellt.“ 4)