Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Schillstraße

Tonndorf (1933): Ferdinand von Schill (6.1.1776 Wilmsdorf bei Dresden – 31.5.1809 Stralsund), Freiheitskämpfer im Kampf gegen Napoleon I.


Bevor die Nationalsozialisten an die Macht kamen, hieß die Straße Rathenaustraße (siehe unter: Am Rathenaupark). 1933 benannten die Nationalsozialisten die Straße in Schillstraße um, da Rathenau jüdischer Herkunft war. Eine Rückbenennung erfolgte nach der Befreiung vom Nationalsozialismus nicht. Nach Rathenau wurde 1947 eine Straße im Stadtteil Alsterdorf/Ohlsdorf benannt. (vgl.: Registratur Staatsarchiv Az. 1520-3/0. Antwort auf Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prosch (CDU), Straßen mit Namen jüdischer Bürger, Bürgerschaftsdrucksache 11/2389 vom 7.5.1984.)

Der preußische Offizier Ferdinand von Schill, „der als Freikorpsführer in den Kriegen mit Frankreich von 1806/07 und 1809 bekannt wurde“ 1), starb den „Heldentod“ 1809 in Stralsund. Ab 1839 wurde Schill durch Denkmäler, Gedenktafeln, Straßen- und Kasernennamen, als Held, der für die Befreiung Deutschlands kämpfte, geehrt. Auch die Nationalsozialisten verehrten ihn und stilisierten ihn „als große historische Märtyrerfigur (…). Die Nazis versuchten mit der Stilisierung vermeintlicher nationaler Helden eine nationalsozialistische Tradition zu konstruieren, um einerseits die eigenen Haltungen und das eigene Handeln zu rechtfertigen und andererseits eine höhere Akzeptanz bei der Bevölkerung zu erreichen.“ 2). So schrieb z. B. der Buckower Lokalanzeiger 1934 anlässlich der „Feier zum 125. Todestags von Ferdinand von Schill im Potsdamer Konzerthaus: ‚Die Feier wird von der Potsdamer NSDAP-Ortsgruppe veranstaltet und von politischer Prominenz, von Offizieren und von der Polizei besucht. Der kurmärkische Gaukulturwart hält die Festansprache, in der von der ‚Größe und unübertrefflichen Gestalt eines Ferdinand von Schill, der sich in wahrer Heldenbegeisterung während der Zeit des deutschen Niederbruchs mit Leib und Seele für sein Vaterland einsetzte, der – wie in unserer Zeit Albert Leo Schlageter und Horst Wessel – seinen Kampf um Deutschlands Freiheit mit dem Tod besiegelte‘ die Rede ist. Nach der Festansprache werden das Deutschlandlied und das Horst-Wessel-Lied gesungen sowie ‚Sieg Heil‘-Rufe auf Adolf Hitler geäußert.“3).

Über Ferdinand von Schills Herkunft und Werdegang können Sie in Wikipedia nachlesen, wo ausführlich über Schills militärischen Karriere berichtet wird und auch von dessen Selbstüberschätzung. https://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_von_Schill

In der Sächsischen Biographie schreibt Hendrik Schwanitz über den Werdegang von Schill u. a.: „S. war ein in Sachsen geborener preußischer Offizier, der noch vor Beginn der Befreiungskriege gegen Napoleon 1809 einen letztendlich gescheiterten Aufstand wagte, was ihn nicht nur unter seinen Zeitgenossen äußerst populär machte, sondern auch eine Vereinnahmung seiner Person durch verschiedene politische Systeme bis weit in das 20. Jahrhundert hinein bewirkte.“4)

Schill kam aus einer Bauernfamilie. Aber bereits sein Vater hatte sich dem Soldatentum zugewandt und hatte im Siebenjährigen Krieg als Freikorpsführer gekämpft. Dafür bekam er das „von“ (Reichsadel) vor seinen Namen. Ferdinand von Schill trat in die Fußstapfen seines Vaters und trat bereits in jungen Jahren mit 14 Jahren als Husar in die preußische Armee ein.

1808 verlobte er sich mit Elisa von Rüchel, deren Vater ebenfalls ein Militär war – ein General. Ein Jahr später wurde Schill in Strahlsund auf der Flucht vor der französischen Armee von dieser durch eine Kugel tödlich getroffen.

Die Straßennamenkommission des Bezirksrates Mitte der Landeshauptstadt Saarbrücken hatte sich auch mit „ihrer“ Schillstraße und weiteren Straßennamen beschäftigt, deren Namensgeber in die „Befreiungskriege“ involviert waren. In ihrem Abschlussbericht schreibt die Kommission über die Befreiungskriege: “Als Befreiungskriege werden die Kriege gegen die napoleonische Vorherrschaft zwischen 1813 und 1815 bezeichnet. Napoleon wurde in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 geschlagen. Endgültig entmachtet wurde er in der Schlacht bei Waterloo und mit seiner Verbannung auf die Insel St. Helena. Nach Peter Brandt waren diese Kriege ‚einer der wichtigsten Bezugspunkte nationaler Identifikation und Traditionsbildung und boten zahllosen identitätsstiftenden Legenden und Mythen Stoff.‘ In der deutschen Geschichtsschreibung wurden diese Kriege mythologisiert und im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in vielen Städten Straßen nach Generälen bzw. Militärs dieser Kriege benannt. Ebenso Straßen nach Generälen im Zuge der Bildung eines deutschen Territorialstaates im 19. Jahrhundert. (…) Welches Leid diese Kriege gerade für die Menschen (…) mit sich brachten, wurde dabei ausgeblendet. (…).
Starke Unterstützung für Preußen war dann erkennbar, wenn Preußens Politik auf einen deutschen Nationalstaat zielte. Wenn aber preußische Partikularinteressen verfolgt wurden, zeigte sich eine klare Distanz der bürgerlichen Oberschichten. (…) Das ambivalente Verhältnis zu Preußen ändert sich mit der Kanzlerschaft Otto von Bismarcks. Zunächst verschärfte zwar der Verfassungskonflikt die Distanz zu Preußen, aber mit dem Sieg Preußens über Österreich in der Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866 trat Preußens entscheidende Rolle für die nationale Einheit in den Mittelpunkt.

Abschluss dieser Entwicklung bildete der deutsch-französische Krieg von 1870/71, (…). Die preußisch-deutschen Siegesfeiern, die alljährlich wiederholten Rituale des Heldengedenkens, die pathetischen Treueschwüre zeigten, dass der Hurra-Patriotismus nach 1871 zur dominierenden Gemütslage geworden war. (…). Es begann eine Verpreußung, In diesem Kontext standen zahlreiche nach Militärs des 19. Jahrhunderts benannte Straßen. (…) Die Befreiungskriege stellten bis weit ins 20. Jahrhundert aus konservativer Sicht eine Kriegslegitimation dar, bürgerliche Kreise stellten das liberal–nationale Engagement der Bildungsbürgerschaft heraus und die marxistisch-leninistische Geschichtsschreibung die Rolle der Volksmassen. Eine Entzauberung erfolgte vor allem durch Hans-Ulrich Wehler und Barbara Vogel ab den 1980er Jahren. Ein Blick auf die Geschichte etwa von Schill zeigt die Unmenschlichkeit der Auseinandersetzung auf beiden Seiten.

Es ist naheliegend, dass das Weltbild und Wertesystem der Militärs des 19. Jahrhunderts bei weitem nicht dem unseren von heute entspricht. Dies ist angesichts der Zeitläufe banal und kann nicht maßgeblich für eine Umbenennung sein. Einige der Geehrten waren noch nicht einmal tapfere Soldaten, sondern haben andere sterben lassen.

Besteht aber eine Verhältnismäßigkeit zwischen den aus einer Umbenennung diesen Ausmaßes entstehenden Belastungen für die Bürger*innen, die dort wohnen, und den Argumenten für eine Umbenennung. Eine Beibehaltung geht davon aus, sich zu seiner Geschichte zu bekennen und die Straßennamen als Quelle für den Nationalismus und Hurra-Patriotismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu bewahren, sie sind Quellen der Geschichte unserer Erinnerungskultur. Sie erinnern uns an die Gesellschaft des Kaiserreichs, die insbesondere von Adligen und Militärs dominiert wurde.“ 5)