Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Am Rathenaupark

Ottensen (1945): Walther Rathenau (29.9.1867 Berlin – 24.6.1922 Berlin-Grunewald), ermordeter deutscher Außenminister


Siehe auch: Rathenaubrücke
Siehe auch: Rathenaustraße

1922 wurde diese Verkehrsfläche in Am Rathenaupark benannt. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 wurde die Verkehrsfläche umbenannt in Koch-Büddig-Park und gleich nach der Befreiung vom Nationalsozialismus 1945 rückbenannt.

Die beiden SA-Leute Heinrich Koch und Peter Büddig waren Mitglieder der SA und am 17. Juli 1932 am Altonaer Blutsonntag beteiligt gewesen, wobei sie in der Nähe der Paul-Roosen-Straße durch Schüsse zu Tode gekommen waren.

Walther Rathenaus Mutter war Mathilde, geb. Nachmann (17.3.1845 Mainz – 28.7.1926 Schloss Freienwalde). Sie stammte aus einer jüdischen Kaufmanns- und Bankiersfamilie. 1866 hatte sie den Industriellen (AEG-Gründer) Emil Rathenau (1838-1915) geheiratet, mit dem sie drei Kinder bekam.

„Anlässlich ihrer Silberhochzeit gründeten die Eheleute Rathenau 1892 die ‘Mathilde-Rathenau-Stiftung für weibliche Angehörige und Hinterbliebene von Angestellten der AEG und Berliner Elektrizitätswerke‘. Diese Stiftung sollte allen weiblichen Beschäftigten, allen Ehefrauen von Beschäftigten und deren Kindern kostenlose medizinische Behandlung im Krankheitsfall gewährleisten. Die Stiftung finanzierte außerdem Aufenthalte von Kindern der Angestellten in Ferienkolonien und unterhielt einen Pensions- und Unterstützungsfonds,“4) heißt es im Wikipedia Eintrag zu Mathilde Rathenau.

Thomas Irmer äußert über die Stiftung: „Das Besondere an der Mathilde Rathenau-Stiftung war ihre explizite Ausrichtung auf die Unterstützung von Frauen durch Frauen. Gegenstand der Stiftung war die Gewährung von Unterstützungsleistungen an weibliche Angehörige und Hinterbliebene der AEG in Krankheitsfällen. Oberstes Gremium der Stiftung war ein Kuratorium, das mehrheitlich aus Frauen bestand. Das Kuratorium entschied nach dem Mehrheitsprinzip über die Unterstützungsanträge und konnte zu Beratungszwecken weitere Angestellte oder Ehefrauen von Angestellten kooptieren oder Unterausschüsse bilden. Neben Mathilde Rathenau als Ehrenvorsitzender gehörten ihm eine Ehefrau eines technischen Beamten der beiden Gesellschaften AEG und BEW, eine Ehefrau eines kaufmännischen Beamten, eine Ehefrau eines Monteurs oder Arbeiters sowie ein Schriftführer und Schatzmeister an. Satzungsgemäß war außerdem festgelegt worden, dass die Spitzenposition der Stiftung auch im Fall des Ausscheidens von Mathilde Rathenau weiter durch eine Frau einzunehmen war, die von den Unternehmensvorständen von AEG und BEW gewählt werden sollte. Damit sollte offenbar die Kontinuität von Frauen an der Spitze der Stiftung gewahrt bleiben, die zugleich eng mit dem Unternehmen verbunden wurde, das die finanziellen Mittel für deren Arbeit zur Verfügung stellte.

Grundlage des Stiftungsvermögens war ein Betrag von 16.000 Mark, der von Mathilde Rathenau und -wie es in der Satzung der Stiftung hieß- »von Freuden derselben« zur Verfügung gestellt wurde. Die Erträge dieses Gründungskapitals, das in Aktien und verzinsten Guthaben bei der AEG angelegt wurde, bildeten ein Teil der für die Arbeit der Stiftung zur Verfügung stehenden Gelder Außerdem wurde die Stiftung durch jährliche Zuwendungen der AEG (und BEW) bezuschusst.

Die Ziele der Arbeit der Mathilde-Rathenau-Stiftung verdeutlichen folgende Zahlen: Allein im Jahr 1904 wurden beispielsweise Bargeldleistungen in 498 Fällen geleistet und Stärkungsmittel in 678 Fällen verteilt. Außerdem Arzneimittel, Heilmittel wie Massagen, Brillen und Bandagen in 134 Fällen sowie, Milch für Säuglinge und Kranke in 308 Fällen. Die Stiftung trug außerdem die Kosten für Kuren und Verpflegung in Krankenhäusern in 205 Fällen, Aufenthalts- und Pflegekosten für 155 in Ferienheime verschickte Kinder, Honorare für Stiftungs- und andere Ärzte und Zuschüsse an Hauspflege und Krankentransporte. Damit übernahm die Mathilde-Rathenau-Stiftung Aufgaben, die einer Art Krankenkasse für Frauen entsprochen hätte. Sie war ein erstaunlich frühes Beispiel einer betrieblichen Sozialpolitik, die sich explizit an Frauen wandte. (…) 1898 führte die Mathilde- Rathenau-Stiftung die kostenlose ärztliche Behandlung für alle Arbeiter, Monteure und Hilfsmonteure ein, die mehr als sechs Wochen bei der AEG oder ihrer Tochtergesellschaften beschäftigt waren.“ 5)

Mathilde Rathenau hatte zu ihrem unverheiratet und kinderlos gebliebenen Sohn Walther ein besonders inniges Verhältnis. Über seine sexuellen Neigungen schreibt Udo Leuschen: „Rathenau erlebt die sozialen Widersprüche seiner Epoche über einen sehr individuellen Konflikt. Eine Schlüsselrolle spielt dabei seine homoerotische Neigung. Es ist nicht bekannt, ob sich Rathenau jemals tatsächlich homosexuell betätigt hat. Die biographischen Einzelheiten lassen aber keinen Zweifel an der entsprechenden Veranlagung. Im ohnehin prüden Klima des wilhelminischen Kaiserreichs bedeutete manifeste Homosexualität das gesellschaftliche Todesurteil. Dem steht nicht entgegen, daß latente Homoerotik weit verbreitet war. Kaiser Wilhelm II. wies selbst homoerotische Züge auf. Die allgemeine Sexualunterdrückung und -heuchelei galt jedoch für homosexuelle Impulse in ganz besonderer Weise. Wie es einem Homosexuellen bei Bekanntwerden seiner Veranlagung ergehen konnte, illustriert der Fall des Fürsten von Eulenburg und Hertefeld, eines engen Vertrauten des Kaisers, dessen tiefer Sturz nur knapp an einer gerichtlichen Verurteilung vorbeiführte. Das kompromittierende Material gegen Eulenburg wurde von dem Publizisten Maximilian Harden in dessen Zeitschrift ‚Die Zukunft‘ veröffentlicht, für die auch Rathenau Beiträge verfaßte. Rathenau hat somit allen Grund, seine Veranlagung zu verbergen und zu verdrängen. Der verschwiegene Konflikt larviert sich in ideologischer Form. Als zeitgemäßer Ausdruck verdrängter homosexueller Impulse bietet sich ihm der Kult um die germanische Rasse an, wie er im Dunstkreis der ‚Deutsch-Völkischen‘ und des Wandervogels gedeiht. So erklärt es sich, daß der Jude Rathenau nach 1914 sogar in intim-freundschaftlichen Kontakt mit Wilhelm Schwaner gerät, dem deutschvölkischen ‚Obmann des Bundes deutscher Volkserzieher‘, der seine Briefköpfe mit Hakenkreuzen und Runen zu verzieren pflegt. Er lädt auch führende Vertreter der Jugendbewegung zu Diskussionen in seine Villa ein. Einem Gerücht zufolge soll sich darunter sogar sein späterer Mörder Kern befunden haben, dem Rathenau, einer Bemerkung seines Biographen Harry Graf Kessler zufolge, ‚unbedingt vertraute‘.“ 6)

Über seinen beruflichen Lebenslauf berichtet die Walther Rathenau Gesellschaft u. a. wie folgt: „1885-1889 Studium der Philosophie, Physik und Chemie in Berlin und Straßburg. Promotion in Berlin zum Dr. phil. über ‚Die Absorption des Lichts in Metallen‘, Polytechnisches Studium in München. 1890– 1891: Militärdienst beim Garde-Kürassier-Regiment in Berlin; 1892: Technischer Beamter der Aluminium-Industrie A. G. in Neuhausen (Schweiz); 1893– 1907: Leitung der Elektrochemischen Werke Berlin und Bitterfeld; 1897: Beginn der Publikationstätigkeit in der »Zukunft«, (…); 1899: Eintritt in das Direktorium der AEG; 1902: (…) Rücktritt aus dem Direktorium der AEG, Eintritt in die Berliner Handels-Gesellschaft als Geschäftsinhaber; 1904: Mitglied des Aufsichtsrates der AEG. (…) 1907: Ausscheiden aus der Berliner Handels-Gesellschaft und Reise nach Deutsch-Ostafrika in Begleitung von Bernhard Dernburg, des Staatssekretärs des Reichskolonialamts. 1908: (…) Zweite Reise mit Dernburg, diesmal nach Süd- und Deutsch-Südwestafrika. (…) 1910: Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der AEG. 1912: (…) Vorsitzender des Aufsichtsrates der AEG. (…). 1914– 1915: Leitung der bei Kriegsbeginn gegründeten Kriegs-Rohstoff-Abteilung im Preußischen Kriegsministerium. (…) 1918: (…) Beitritt zur Deutschen Demokratischen Partei. 1920: Mitglied der zweiten Sozialisierungskommission, Teilnahme an der Konferenz von Spa. 1921: Im Mai Ernennung zum Wiederaufbauminister im ersten Kabinett Wirth und Lösung aller Verbindungen zur AEG und der Industrie, im Oktober Wiesbadener Abkommen mit dem französischen Wiederaufbauminister Loucheur und Rücktritt des Kabinetts Wirth. 1922: Im Januar Ernennung zum Reichsaußenminister, im April/Mai Konferenz von Genua und Rapallo-Vertrag, am 24. Juni Ermordung in Berlin durch Angehörige einer rechtsradikalen Geheimorganisation.“ 4)

Walther Rathenau, der sich für die Verständigung mit den Siegern des Ersten Weltkrieges einsetzte, hatte den Hass von nationalistischen Ultras auf sich gezogen. „Er geißelte die Diskriminierung der Juden, die Kolonialpolitik des Kaiserreiches und nahm mit seinen Zukunftsentwürfen manche Entwicklungen um Jahrzehnte vorweg. Im November 1913 plädierte er für eine europäische Friedensordnung durch wirtschaftliche Integration,“ 1) schreibt Winfried Dolderer.

„Vor dem Hintergrund antijüdischer Tendenzen schrieb er 1916 in einem Brief: ‚Mein Vater und ich haben keinen Gedanken gehabt, der nicht für Deutschland und deutsch war.‘ Von der zionistischen Bewegung und ihrem Palästinaprojekt distanzierte sich Rathenau klar. Er praktizierte seinen jüdischen Glauben nicht, lehnte es aber auch ab, zum Christentum zu konvertieren. Unter dem Einfluss der Werke von Martin Buber beschäftigte er sich später mit den Quellen und Erscheinungsformen des jüdischen Glaubens. Andererseits pflegte er einen langdauernden Briefwechsel mit dem völkischen Publizisten Wilhelm Schwaner, seinem einzigen Duzfreund, und schwärmte vom Ideal des nordischen Menschen.“ 2)

Als Rathenau 1907/08 zwei Reisen nach Afrika unternahm, machte er nach seiner Rückkehr Vorschläge für eine deutsche Kolonialpolitik. „Rathenaus Haltung war auch hier ambivalent: Einerseits strebte er nach Ausweitung der deutschen Kolonien, andererseits wandte er sich gegen ein sich als überlegen gebendes Herrenmenschentum.“ 3)

Nach der Ermordung Rathenaus durch rechtsradikale Freikorps-Soldaten der Organisation „Consul“ schrieb Mathilde Rathenau an die Mutter des Mörders ihres Sohnes: „In namenlosem Schmerz reiche ich Ihnen, Sie ärmste aller Frauen, die Hand. Sagen Sie Ihrem Sohne, dass ich im Namen Gottes und im Geiste des Ermordeten ihm verzeihe, wie Gott ihm verzeihen möge, wenn er vor der irdischen Gerechtigkeit ein volles Bekenntnis ablegt und vor der göttlichen bereut. Hätte er meinen Sohn gekannt, den edelsten aller Menschen, den die Erde trug, so hätte er die Mordwaffe eher auf sich selbst gerichtet als auf ihn. Mögen diese Worte Ihrer Seele Frieden geben.“ 7)

„In ihren letzten Lebensjahren bemühte sich Mathilde Rathenau um das öffentliche Andenken an ihren Sohn Walther. Sie ordnete seinen Nachlass und gewann Dezember 1922 Harry Graf Kessler für die Abfassung einer ersten offiziellen Biographie (…). Im Juni 1923 übergab sie die Villa in der Koenigsallee in Berlin-Grunewald dem Staat für ein Museum und als Sitz der neu gegründeten Walther-Rathenau-Stiftung. Nach ihrem Tod auf Walther Rathenaus Sommersitz Schloss Freienwalde verschenkten ihre Erbinnen Schloss und Stiftungsanteile an den Landkreis Oberbarnim.“ 8)