Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Bertha-Keyser-Weg

St. Pauli, seit 1983, benannt nach Bertha Keyer (24.6.1868 Maroldsweisach bei Coburg – 21.12.1964 Hamburg), Helferin der Armen. Gründerin eines eigenen Missionswerkes


Ihr Grabstein steht im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof.

Bertha Keyser wuchs mit ihren vier Geschwistern in einfachen Verhältnissen auf. Nachdem der Vater, ein Schmiedemeister, gestorben war, geriet die Familie in finanzielle Nöte. Deshalb wurde Bertha zu einem Onkel nach Nürnberg geschickt, wo sie in dessen Bäckerei mitarbeiten musste. 1885 folgte die Mutter mit den restlichen Kindern. Bertha arbeitete damals in einer Spielzeugfabrik, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Später ging sie nach Wien, 1902 nach England, arbeitete dort zunächst als Hausangestellte, dann als Reisebegleiterin. Nach dem Tod der Mutter gab Bertha diese Tätigkeit auf und widmete sich ihrer Berufung, der Arbeit in wohltätigen Einrichtungen. Sie arbeitete in einem Diakonissenhaus, schied dort jedoch ein Jahr später wegen unterschiedlicher Auffassung über die Art und Weise wie Hilfe zu leisten sei, wieder aus.

Bertha Keyser wollte den Kranken nicht nur mit Rat und Tat zur Seite stehen, sondern ihnen auch kleine materielle Wünsche erfüllen. Nach einem Gastspiel als Kammerzofe bei einer französischen Gräfin, zog es sie wieder zu den Armen. Sie ging in die Armenwohnviertel von Paris, lebte dort in einer Kürschnerwerkstatt, half beim Fellespannen und Pelznähen, malte Bilder und verkaufte sie für fünf Francs das Stück. Dann erhielt sie das Angebot, als Aufseherin in einem Frauengefängnis zu arbeiten. Bertha Keyser führte dort einige Neuerungen ein: Sie sang mit den weiblichen Häftlingen, hielt mit ihnen Andacht und betete mit ihnen. Weil sich einige Mädchen dabei nicht gut betrugen, wurden Bertha Keyser diese Tätigkeiten verboten. Sie kündigte, wurde Erzieherin in einem Mädchenheim im Elsass. Auch dort blieb sie nicht lange. Die Anstaltsleitung monierte Bertha Keysers zu große Nachsichtigkeit gegenüber den Mädchen.

Berthas Weg führte sie nun zur Heilsarmee. Doch auch dort schied sie bald wieder aus, weil ihr die Heilsarmee zu reglementiert arbeitete. Sie zog nach Nürnberg, um im dortigen Armenviertel eine eigene Missionsarbeit aufzubauen. Dreieinhalb Jahre später (1912) übergab sie diese Arbeit der Landeskirche und zog 1913, dem Ruf des Leiters der Hamburger Strandmission folgend, nach Hamburg. Dort arbeitete sie ehrenamtlich im Missionshaus in der Richardstraße. Aber auch hier kam es zu Konflikten, denn Bertha Keyser behandelte alle Insassen gleich. Das widersprach allerdings der üblichen Praxis. Neid und Missgunst erschwerten ihr obendrein noch die Arbeit und so kam Bertha Keyser auf die Idee, eine eigene Mission aufzubauen. Die ersten Räume fand sie dazu am Alten Steinweg 25. Hier schuf sie die Mission unter der Straßenjugend, hinzu kamen die Betreuung von Obdachlosen und Prostituierten, Armenspeisungen, Straßengottesdienste und Gefängnis- und Krankenbesuche. Die Finanzierung erfolgte durch Spenden reicher Kaufleute, Firmen oder Privatpersonen, die Bertha Keyser persönlich aufsuchte.

Im letzten Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs zog Bertha Keyser in eine größere Wohnung am Neuen Steinweg, in der ca. 60 Menschen übernachten konnten. Da sich jedoch die Hausbewohner über den lauten Betrieb beschwerten, wurde es Bertha Keyser verboten, Obdachlose zu beherbergen. Sie musste ausziehen und fand in der Jugendherberge in der Böhmkenstraße ein neues Zuhause mit 80 Betten.

In den Jahren der Wirtschaftskrise richtete Bertha Keyser drei Feldküchen ein, über die täglich 600 Portionen Mittagskost an die Armen verteilt wurden.

1925 fand Bertha Keyser für ihre Obdachlosenmission eine neue Bleibe in der Winkelstraße, (die Straße ist heute nicht mehr vorhanden; ihr Standort war damals dort, wo heute das Emporio-Hochhaus steht) nahe der Musikhalle. Nun hatte die Mission ein Haus für sich allein.

1927 richtete Bertha Keyser ein Frauenobdachlosenheim in der Winkelstraße 7 ein, das den Namen „Fels des Heils“ erhielt. Für obdachlose Männer fand sie in der Nähe des Hauptbahnhofes – in der Stiftstraße - ein neues Domizil.

1929 gründete sie einen Evangelisch-Sozialen Hilfsverein. Die Beiträge der Mitglieder dienten zur Unterstützung der Mission.

Über Bertha Keysers politische Einstellung während der Zeit des Nationalsozialismus und ihre Arbeit in dieser Zeit schreibt Claudia Tietz in ihrem Aufsatz über Bertha Keyser: „Bertha Keyser, die von sich sagte, sich nie um Politik gekümmert zu haben, galt dem Hamburger Bischof Franz Tügel (1888–1946), einem profilierten Deutschen Christen, als politisch zuverlässig und der gleichgeschalteten Landeskirche treu ergeben. Auskunft über ihre politische Einstellung geben auch die erhaltenen Exemplare der ‚Posaune des St. Michael‘. Während die Beiträge des nationalsozialistisch geschulten Parteimitglieds Adolph Bohlen von Propaganda geprägt sind, äußert sich Bertha Keyser weit zurückhaltender: Blind für die deutsche Kriegspolitik, die Verfolgung von ethnischen Gruppen und den Rassenwahn befürwortet sie die von den Nationalsozialisten angeblich betriebene Stärkung der Familie, der öffentlichen Moral und des Christentums. Dabei könnte Bertha Keysers Zurückhaltung sowohl politisch durch ihre öffentlich bekannte, langjährige Sympathie für die evangelikalen Bewegungen am Rand beziehungsweise außerhalb der Landeskirche begründet gewesen sein, welche im ‚Dritten Reich‘ zum Teil verboten waren, als auch theologisch durch ihr Verständnis Jesu Christi. Der Glaube an ihn als den alleinigen Schöpfer, Herrscher und Erlöser schloss für sie andere totalitäre Herrschaftsansprüche aus: Während der nationalsozialistischen Diktatur konnte Bertha Keyser ihre Missionsarbeit nur unter Schwierigkeiten fortsetzen: 1933 musste das Männerheim in der Stiftstraße aus ungenannten Gründen geräumt werden. Als die Winckelstraße im gleichen Jahr in eine geschlossene Bordellstraße umgewandelt wurde, musste auch das Mädchenheim ‚Fels des Heils‘ ausziehen. Eine neue Unterkunft fand die ‚Volks- und Straßenmission‘ im ehemaligen Quartier des zerschlagenen kommunistischen ‚Internationalen Seemannsklubs‘ in der Rothesoodstraße 8. Das Haus wurde am Reformationstag 1934 mit einer Festansprache von Pfarrer Albrecht Jobst (1902–1945)51 von St. Michaelis über die sieben Bitten des Vaterunsers eingeweiht. Wie in den bisherigen Heimen, befanden sich auch in der Rothesoodstraße die Schlafsäle der Obdachlosen, die Versammlungs- und Arbeitsräume, die Kantine, das Büro und Bertha Keysers Privatwohnung unter einem Dach. Um Arbeitsplätze für die Heimbewohner zu schaffen, wurde in der Nicolaistraße 4 ein Holzhof für 20 Beschäftigte eingerichtet. Wegen Problemen mit dem Heimleiter bestand das neue Missionshaus nur kurze Zeit. Bertha Keyser zog in eine gegenüberliegende Ladenwohnung und führte während des Krieges mit einem kleinen Mitarbeiterkreis in Kellern und Bunkern Ar-menspeisungen durch.“ 1)

Als 1943 ihr dreistöckiges Heim „Fels des Heils“ in der Rothesoodstraße den Bomben zum Opfer fiel, suchte Berha Keyser sofort nach einem neuen Haus. 1945 konnte sie ein kleines Zimmer in der Langen Reihe 93 mieten. Dort wohnte sie mit Schwester Anna Bandow, die ihr den Haushalt führte, und dort wurden auch die zahlreichen Essensgäste beköstigt. Mehrere Großküchen hatten sich bereit erklärt, für Bertha Keysers Missionswerk mit zu kochen.

Unter Hamburgs Firmen und Kaufleuten erwarb sich Bertha Keyser viele Freunde und Gönner, die sie regelmäßig mit Sach- und Geldspenden unterstützten. Eine große Hamburger Kaffeefirma zahlte die Miete ihrer kleinen Ladenwohnung im Bäckerbreitergang 7, wohin sie gezogen war, nachdem sich die Nachbarschaft aus der Langen Reihe über sie beschwert hatte.