Schottmüllerstraße
Eppendorf, seit 1937, benannt ursprünglich nach Prof. Dr. Hugo Schottmüller (22.9.1867 Trebbin/Brandenburg – 19.5.1936 Hamburg), Direktor am Universitätskrankenhaus.
Umwidmung des Straßennamens Ende 2014 nach der Widerstandskämpferin Oda Schottmüller (9.2.1905 Posen– hingerichtet am 5.8.1943 in Berlin-Plötzensee) wegen der NS-Belastung des Arztes Schottmüller.
Hugo Schottmüller, seit 1933/34 Dekan der Medizinischen Fakultät und 1935 emeritiert, zählte im November 1933 zu den Unterzeichnern des „Bekenntnisses der deutschen Professoren zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“. Als einer der ersten Hamburger Professoren trat Schottmüller der NSDAP nach deren „Machtergreifung“ bei und sah die Politisierung der Universitäten im Sinne des Nationalsozialismus unkritisch. Der Internist und Bakteriologe wurde auf demn Ohlsdorfer Friedhof bestattet, Grablage: AE 12, 356-357. Siehe Vita über Hugo Schottmüller unter: www.dgim-history.de/biografie/Schottm%C3%BCller;Hugo;1011
Und auch auf der Website „Zur Geschichte der DGIM in der NS-Zeit“ unter www.dgim-history.de
(DGIM = Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin)
Siehe auch: Harnackring
Oda Schottmüller, die Namensgeberin der Schottmüllerstraße seit 2014 war die Tochter von Dorothea Schottmüller, geb. Stenzler und des Archivars Dr. Kurt Schottmüller. Als Oda zwei Jahre alt war, musste ihre Mutter wegen eines schweren Nervenleidens mehrere Jahre in einem Sanatorium verbringen, aus dem sie erst fünf Jahre später, 1912, entlassen wurde und zu ihrer Ursprungsfamilie nach Berlin zurückkehrte.
Oda wuchs allein bei ihrem Vater in finanziell bescheidenen Verhältnissen auf, da er für seine Ehefrau Unterhalt zahlen musste; hinzu kamen die finanziellen Auswirkungen des Ersten Weltkriegs. Als Oda vierzehn Jahre alt war, starb ihr Vater 1919 an einem Herzinfarkt. „Oda geriet daraufhin zwischen die Fronten ihrer väterlichen und mütterlichen Familie. Ihre Tante Frida Schottmüller (1872–1936), eine Schwester von Kurt, war gerade zur Professorin ernannt und Kustodin am Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin (…) geworden und beantragte die Vormundschaft für ihre Nichte. Odas Mutter wollte ihre Tochter aber selbst erziehen. Das Mädchen zog nach Berlin“ 1) und machte dort 1921 die Mittlere Reife.
Da Oda in den Augen ihrer Familie als labil galt, befürchtete sie, dass Oda auf einer staatlichen Schule das Abitur nicht bestehen würde. So kam Oda auf die Odenwaldschule, an der ihre Tante Gerda Schottmüller arbeitete.
Oda besuchte die Schule von 1922 bis 1924. Dort lernte sie auch den späteren Schriftsteller Klaus Mann kennen und befreundete sich mit ihm. Klaus Mann beschrieb Oda in seiner Autobiographie als: „Kind dieser Zeit“: „(…) grotesk und hochbegabt, mit einem merkwürdig kurzen mongolischen Gesicht, die pittoresk in sich zusammengeduckt auf Schränken oder Fenstersimsen zu hocken liebte. Sie konnte phantastische und krasse Tänze aufführen; ebenso phantastisch und kraß konnte sie zeichnen und malen. Auf ihren Blättern hoben sich Gespenster aus Flaschen, Schlangen kringelten sich um verkrümmte Bäume (…). Oda war gedrungen, von einer barocken, überraschenden Grazie; (…) oft von stummer Traurigkeit, oft von hopsenderTanzlust (…)“. 2)
Nach dem Abitur absolvierte sie zwischen 1924 und 1927 eine kunsthandwerkliche Ausbildung, weil ihre Familie ihrem Wunsch, Tänzerin und Bildhauerin zu werden, nicht nachkam.
1928, Oda war volljährig, begann sie eine Ausbildung zur Tänzerin bei Vera Skoronel in deren Berliner Schule für modernen künstlerischen Tanz. Ab 1929 besuchte sie die Bildhauerklasse für Frauen des Vereins der Berliner Künstlerinnen.
Nachdem Oda Schottmüller 1931 die Prüfung in Gymnastik und Körperbildung abgeschlossen hatte, trat sie als Tänzerin u. a. an der Volksbühne Berlin auf. Gleichzeitig hatte sie ein eigenes Bildhaueratelier in der Kunstschule des ehemaligen Bauhäuslers Johannes Itten. Die Verbindung zwischen Tanz und Bildhauerei „entdeckte sie [im] Maskentanz für sich. [In ihrem Atelier] entwarf sie ihre ersten Masken und Kostüme, die sie später für ihre Tänze benutzte, und hier begann sie, sich selbst als eine Art Gesamtkunstwerk zu inszenieren“. 3)
Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten war auch der experimentelle, individuelle und expressive Ausdruckstanz der Weimarer Republik nicht mehr erwünscht. Erlaubt war zwar weiterhin der moderne Tanz, aber nur, wenn er völkische Themen umsetzte und den individuellen Ausdruck aufgab. Oda Schottmüller ignorierte diese Forderungen und trat auch nicht der von den Nationalsozialisten gegründeten Reichskulturkammer bei.
Um 1935 schloss sie sich durch die Bekanntschaft mit dem kommunistischen Bildhauer Kurt Schumacher dem Widerstandskreis um Harro Schulze-Boysen an.
Auch während der NS-Zeit trat Oda Schottmüller als Tänzerin auf. Ihre Themen veränderten sich. „Statt der Fabelwesen ihrer Anfangszeit schuf sie nun mythologische Figuren, die gesellschaftspolitische Fragen aufwarfen.“ 4)
Um Geld zu verdienen, wurde sie dann doch noch Mitglied der Reichskulturkammer und trat mit „leichter“ Tanzkost – auch auf Wehrmachtstourneen – auf. Dennoch blieb sie ihrer Gesinnung treu und führte z. B. 1941 einen öffentlichen Soloabend durch, auf dem sie mit ihrer Choreographie „Der Letzte“ den Kriegstod anklagte.
Im Spätsommer 1942 verhaftete die Gestapo im Rahmen des Fahndungskomplexes „Rote Kapelle“ über 120 Personen aus dem Umkreis des Freundes- und Widerstandskreises um Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack (siehe: Harnackstraße), darunter auch Oda Schottmüller. Ihr wurde vorgeworfen, ihr Atelier für Funkversuche nach Moskau zur Verfügung gestellt zu haben. Obwohl man ihr dies nicht nachweisen konnte und sie dies auch vehement bestritt, wurde sie wegen „Beihilfe zur Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens und Feindbegünstigung“ zum Tode verurteilt.“ 5)
Der „Hauptankläger“ wurde nach dem Krieg freigesprochen, weil er sich auf seine damalige „Dienstpflicht“ berufen hatte und konnte unbescholten als Anwalt weiter praktizieren.
Geertje Andresen verfasste 2005 eine fundierte Biographie über Oda Schottmüller unter dem Titel „Die Tänzerin, Bildhauerin und Nazigegnerin Oda Schottmüller 1905–1943.“ 2012 gab sie das Buch „Wer war Oda Schottmüller? Zwei Versionen ihrer Biographie und deren Rezeption in der alten Bundesrepublik und in der DDR“ heraus. In der Ankündigung zu diesem Buch heißt es: „Basierend auf der Gestapo-Lüge, der Kreis um Harro Schulze-Boysen sei Teil der sowjetischen Auslandsspionage gewesen, wurde er in der Bundesrepublik bis Mitte der 1980er Jahre aus dem offiziellen Gedenken an den Widerstand gegen das NS-Regime ausgegrenzt. Oda Schottmüller galt als ‚Agentenflittchen‘. In der DDR hingegen deutete das MfS die ‚Rote Kapelle‘ systematisch zur ‚Kundschaftsorganisation für die Sowjetunion‘ um und popularisierte dieses ebenfalls entstellende Geschichtsbild. Geheimdienstmitarbeiter versuchten gar, eine dazu passende Biographie Oda Schottmüllers zu erfinden.“
Greetje Andresen schreibt über Oda Schottmüllers oppositionelle Arbeit in der NS-Zeit: „Was wir (…) über die Nazigegnerin Oda Schottmüller wissen, ist folgendes: Sie war befreundet mit Kurt Schumacher und Harro Schulze-Boysen und umgab sich mit Menschen, die sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln der NS-Diktatur widersetzten. Sie bewahrte selbstverständlich ihre Freundschaften zu rassisch Verfolgten und half politisch Verfolgten, Deutschland zu verlassen. Sie gab in ihrem Freundeskreis Flugschriften von Harro Schulze-Boysen weiter. Vor allem aber bewahrte sie sich im Umgang mit anderen Hitlergegnern ihre innere Freiheit, die sie brauchte, um sich auf ihre Art, nämlich im Tanz, zu äußern. Mutig und auch stolz bezog sie in ihren Tänzen sogar öffentlich Stellung gegen die Nazi-Diktatur. Dafür wurde sie aber nicht verfolgt. Oda Schottmüller wurde wegen einer unbewiesenen Behauptung am 5. August 1943 in Plötzensee ermordet.“ 6)