Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Harnackring

Bergedorf/Lohbrügge (1964): Ernst von Harnack (15.7.1888 Marburg/Lahn - hingerichtet am 5.3.1945 Berlin-Plötzensee), Regierungspräsident, Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.
Im April 2024 mitbenannt nach dem Ehepaar Arvid Harnack (24.5.1901 Darmstadt – 22.12.1942 Berlin-Plötzensee) und Mildred Harnack-Fich (16.9.1902 Milwaukee, USA – 16.2.1943 Berlin-Plötzensee), Mitglieder der „Roten Kapelle“, die für ihren Widerstand gegen das NS-Regime hingerichtet wurden sowie Falk Harnack (2.3.1913 Stuttgart – 3.9. 1991 Berlin), Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, Filmregisseur, Bruder von Arvid Harnack und Cousin von Ernst von Harnack.


Die Verkehrsfläche könnte ebenfalls mitbenannt werden nach Ernst von Harnacks Schwester der bedeutenden Frauenrechtlerin der bürgerlichen Frauenbewegung und Schriftstellerin Agnes von Zahn-Harnack (19.6.1884 Gießen – 22.5.1950 Berlin) und auch nach Ernst von Harnacks Tante und Arvid und Falks Mutter Clara Harnack, Malerin und Verfolgte des NS-Regimes.

Siehe auch: Schottmüllerstraße
Siehe auch: Dohnányiweg
Siehe auch: Bonhoefferstraße
Siehe auch: Julius-Leber-Straße
Siehe auch: Goerdelerstraße
Siehe auch: Leuschnerstraße
Siehe auch: Weiße Rose

Ernst von Harnack, Sohn von Amalie Harnack, geb. Thiersch und des Theologen Adolf von Harnack, war Jurist und Sozialdemokrat. Bis zum Staatsstreich Papens war er als Regierungspräsident in Merseburg tätig gewesen, dann wurde er in den Ruhestand versetzt. In seinen Reden und Artikeln bezog er klare Stellung gegen den aufstrebenden Nationalsozialismus. Und als Angehöriger des Bundes der Religiösen Sozialisten stellte er sich öffentlich gegen die „Deutschen Christen“. Harnack wurde im Frühsommer 1933 für kurze Zeit in Haft genommen: Er hatte sich für verhaftete Sozialdemokraten und Gewerkschaftsführer stark gemacht. Zu seiner Verwandtschaft zählten Arvid Harnack, Hans von Dohnányi (siehe: Dohnányiweg) sowie die Gebrüder Bonhoeffer (siehe: Bonhoefferstraße). Politisch verbunden war er mit Julius Leber (siehe: Julius-Leber-Straße), Carl Goerdeler (siehe: Goerdelerstraße), Jakob Kaiser und Wilhelm Leuschner (siehe: Leuschnerstraße). In die Planungen zum Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 war Harnack wohl nicht eingeweiht. Doch war er mit den Zielen des Staatsstreichs vertraut. Seine Verhaftung erfolgte am 28. September 1944. Der Volksgerichtshof verurteilte ihn am 1. Februar 1945 zum Tode. Hingerichtet wurde Ernst von Harnack am 5. März 1945 in Berlin-Plötzensee.
Ernst von Harnack war seit 1916 verheiratet mit Anna (Änne) Wiggert (5.10.1894 Göttelborn -22.8.1960 Berlin). Das Paar hatte fünf Kinder. 1937 verliebte sich Ernst von Harnack in die zwanzig Jahre jüngere Eva von Heeringen (1907-1985). Sie war die „Tochter des Generalstabsoffiziers Kurt von Heeringen (…). Nach Ausbildungen in einer Haushalts- und einer Kinderturnschule arbeitete sie als Sekretärin. Schließlich eröffnete sie in Berlin eine Leihbücherei. Hier lieh sie verbotene Literatur aus, verweigerte den Hitlergruß und versteckte flüchtige Juden. Diese Aktivitäten zivilen Widerstands verbarg Eva von Heeringen geschickt vor den nationalsozialistischen Machthabern. Ihr Vater (…) sprach unter Anspielung auf ein Bibelwort resigniert von einer „ungeratenen Tochter“, die wohl keinen Mann bekommen würde,“ 1) schreibt Erhard Hohenstein in seinem Artikel über Ernst und Eva von Harnack.

Eva von Heeringen und Ernst von Harnack, die sich 1937 bei einer Vortragsveranstaltung kennengelernt hatten, verband eine sowohl geistige als auch politische Übereinstimmung.

„Als Evas Leihbücherei 1943 in Berlin ausgebombt wurde, half Harnack ihr beim beruflichen Neuanfang im thüringischen Rudolstadt, indem er für den Transport geretteter und in Potsdam zwischengelagerter Bücher und Möbel sorgte. Eva und Ernst tauschten in Hunderten von Briefen ihre Gedanken und Gefühle aus. ‚Er ist anspruchsvoll, ungeduldig und reizbar und zu klug, das heißt er tut vieles mit dem Kopf, was er besser mit dem Herzen täte...‘, vertraute Eva ihrer Mutter an. ‚Es ist ja keine Gefühlskälte, sondern er kann es nicht zeigen ... Er ist ein prachtvoller Kerl, für den es sich lohnt zu leben.‘“ 1)

Als Ernst von Harnack verhaftet und im Gefängnis inhaftiert war, besuchte ihn Eva von Heeringen. Bei ihrem letzten Besuch im Januar 1945, „tröstete sie ihn mit den Worten, vielleicht werde es ja nicht so schlimm und er komme mit dem KZ davon. Konsterniert über soviel Naivität antwortete Harnack: ‚Na, hoffentlich geht“s schneller.‘“ 2)

In der Zeit, als Harnack in Haft saß, nahm Anna von Harnack zu Eva von Heeren Kontakt auf, Sie zürnte der Geliebten ihres Mannes nicht, sondern versuchte gemeinsam mit ihr das Los des Inhaftierten durch Besuche, Briefe und Lebensmittelpakete zu erleichtern. Auch nach der Hinrichtung von Ernst von Harnack blieben die beiden Frauen freundschaftlich verbunden.

„(…) Mitte der 80er-Jahre wurden auf dem Familiengrab der von Heeringen auf dem Bornstedter Friedhof Gedenktafeln für Ernst und Eva enthüllt. Sie beziehen sich allerdings nicht auf die Liebesbeziehung, sondern würdigen zwei Vertreter des oft unterschätzten zivilen Widerstandes gegen die Nazidiktatur.“ 3)

Agnes von Zahn-Harnack
Ernst von Harnacks Schwester war die Lehrerin, Schriftstellerin und Frauenrechtlerin der bürgerlichen Frauenbewegung Agnes von Zahn-Harnack (19.6.1884 Gießen – 22.5.1950 Berlin). Beruflich hatte sie zuerst als Lehrerin in Berlin gearbeitet. Nach dem Abitur trug sie sich: „am 6. Oktober 1908 (…) als erste Frau in die Immatrikulationslisten der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin ein, nachdem am 18. August 1908 das preußische Kultusministerium die ‚Neuordnung des höheren Mädchenschulwesens‘ erlassen hatte, die u. a. auch die reguläre Zulassung von Frauen zum Studium beinhaltete. (…) Harnack studierte bis 1912 Germanistik, Anglistik und Philosophie und schloss ihr Studium mit der Promotion zum Dr. phil. ab. (…) 1919 heiratete sie „in Berlin den Ministerialrat beim Reichsarchiv in Potsdam, Karl von Zahn (1877-1944). Dem Paar wurden drei Kinder geboren: Amalie Gabriele, die wenige Tage nach der Geburt starb (1920), Edward (1921-1977) und Margarete (1924-2010).“ 4)

Und weiter heißt es über Agnes von Zahn-Harnacks frauenpolitischen Werdegang und Engagement: „Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges schloss sich Agnes von Zahn-Harnack der DDP (Deutschen Demokratischen Partei) an. Am 11. Mai 1926 wurde sie in Berlin Mitbegründerin des Deutschen Akademikerinnenbundes (DAB). (…) In der Zeit von 1919 bis 1933 entstand eine ganze Fülle von Schriften zur Frauenbewegung, zu kirchlichen und theologischen Fragen und zu gesellschaftspolitischen Problemen aus ihrer Feder. Am bedeutendsten war die 1928 erschienene Geschichte der Frauenbewegung Die Frauenbewegung. Geschichte, Probleme, Ziele. Zahn-Harnack war Vertreterin des sogenannten bürgerlichen, liberalprotestantisch gesinnten Flügels der ersten deutschen Frauenbewegung. 1931 wurde sie Vorsitzende des Bundes Deutscher Frauenvereine.“ 5)

In der Zeit des Nationalsozialismus ging Agnes von Zahn-Harnack in die „innere Emigration“, „blieb aber dem Kreis um Anna von Gierke [siehe: Anna-von- Gierke- Ring] verbunden (…) sowie der Bekennenden Kirche, die sie in deren Haltung gegen den Nationalsozialismus, aber nicht in Bezug auf ihre theologischen Ansätze guthieß. In der Zeit der ‚inneren Emigration‘ schrieb Zahn-Harnack die 1936 veröffentlichte Biografie ihres Vaters Adolf von Harnack, in der sie auf dem Umweg der biografischen Darstellung auch ihre eigene liberalprotestantisch-humanistische Haltung im Gegensatz zum Nationalsozialismus zum Ausdruck brachte. In der Zeit des Krieges unterrichtete Zahn-Harnack privat Kinder jüdischer Abstammung, denen der Schulbesuch offiziell verboten war.“ 6)

Auch nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde Agnes von Zahn-Harnack wieder in der bürgerlichen Frauenbewegung aktiv, außerdem wandte sie sich der Friedensbewegung zu. So „schloss sie sich u. a. dem ‚Freundeskreis von Frauen‘ um Freda Wuesthoff an, der mit seinem Arbeitsprogramm für den dauernden Frieden gegen Atomwaffen protestierte. (…) Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg trafen sich Agnes von Zahn-Harnack und weitere der früheren Aktivistinnen, um die Gründung eines neuen ‚Deutschen Frauenbundes‘ vorzubereiten. Hieraus entstand der ‚Berliner Frauenbund 1945 e.V.‘ Nach der Neugründung setzten sich die Frauen der ersten Stunde für einen Verein ein, dessen Hauptziel nicht nur in caritativer Arbeit liegen sollte. Sie befürworteten (…) vor allem die aktive politische Beteiligung von Frauen. (…) Anlässlich ihres 65. Geburtstages am 19. Juni 1949 verlieh die Theologische Fakultät der Philipps-Universität Marburg Agnes von Zahn-Harnack die Ehrendoktorwürde.“ 7)

Arvid und Mildred Harnack
Agnes Zahn-Harnacks und Ernst von Harnacks Cousin war der Widerstandskämpfer Dr. jur. Dr. phil. Arvid Harnack (24.5.1901 Darmstadt – 22.12.1942 hingerichtet Berlin-Plötzensee), der mit Mildred Fish verheiratet war, die ebenfalls im Widerstand aktiv war. Die studierte Literaturwissenschaftlerin arbeitete ab 1926 als Dozentin für deutsche Literatur an der University of Wisconsin-Madison. Dort lernte sie den Juristen und Rockefeller-Stipendiaten Arvid Harnack kennen. Sie heirateten und zogen 1929 nach „Deutschland, wo Arvid Harnack Literaturgeschichte, Philosophie und Nationalökonomie an der Universität Gießen studierte. 1931 wurde Harnack geschäftsführender Sekretär der von ihm gegründeten ‚Arbeitsgemeinschaft zum Studium der sowjetrussischen Planwirtschaft‘ und unterhielt Kontakte zur sowjetischen Handelsvertretung in Berlin. 1938 stieg er im Amerikarat des Wirtschaftsministeriums zum Regierungsrat und 1942 zum Oberregierungsrat für handelsrechtliche Fragen auf. In der Überzeugung, den Nationalsozialismus durch eine kritische Auseinandersetzung mit dessen ideologischen Grundlagen überwinden zu können, organisierte Harnack seit 1933 in Berlin ‚Schulungszirkel‘, an denen spätere Mitglieder des Netzwerks bekannt als ‚Rote Kapelle‘ teilnahmen. Zur Tarnung seiner Aktivitäten trat Harnack 1937 der NSDAP bei. Er lieferte Informationen an sowjetische, sowie westliche Kontakte. 1942 fertigte Harnack die in Berliner Widerstandskreisen viel beachtete Studie ‚Das ‚nationalsozialistische‘ Stadium des Monopolkapitalismus (Imperialismus)‘ an, in der er ein wirtschaftliches und politisches Scheitern des NS-Staats prognostizierte und zum Widerstand aufrief.“8)

Mildred Harnack-Fish arbeitete zwischen 1932 bis 1936 als Englischlehrerin am Berliner Abendgymnasium. 1941 promovierte sie zum Dr. phil. an der Ludwigs-Universität in Gießen und wurde Lehrbeauftragte und Übersetzerinan an der Auslandswissenschaftlichen Fakultät der Universität Berlin.

Frauke Geyken schreibt über Mildred Harnack: „Ab 1933 verbrachte Mildred Harnack einen Teil ihrer Zeit damit, über Beziehungen zur amerikanischen Botschaft Informationen zu beschaffen, die es in Goebbels‘ Propaganda-Blättern längst nicht mehr zu lesen gab. (…) Ihr Mann organisierte einen Schulungszirkel, in dem er mit Gleichgesinnten die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge des Nationalsozialismus analysierte und Perspektiven für eine Zeit danach diskutierte. 1940 schloss sich dieser Kreis mit einem weiteren oppositionellen Freundeskreis um den Publizisten Harro Schulze-Boysen zusammen. Diese vereinigte Harnack/Schulze-Boysen-Gruppe wurde später von der Gestapo als ‚Rote Kapelle‘ bezeichnet. Ein Großteil der Beteiligten wurde von den Nazis 1942/43 hingerichtet, darunter ungewöhnlich viele Frauen. Mildred Harnack war eine von ihnen.“ 9)
In Wikipedia heißt es: „Ab 1933 baute sie zusammen mit ihrem Mann sowie dem Schriftsteller Adam Kuckhoff und dessen Frau Greta Kuckhoff einen Diskussionszirkel auf, der politische Perspektiven nach dem erwarteten Sturz des Naziregimes erörterte. 1939 entstand daraus das Widerstandsnetz Rote Kapelle. Bis zum Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg war sie Vorsitzende des Frauen-Clubs an der US-Botschaft in Berlin und eng befreundet mit Martha Dodd, der Tochter des Botschafters Wiiliam Edward Dodd. Später waren die Harnacks eng mit Botschaftsrat Donald R. Heath und dessen Frau Louise befreundet. Donald Heath jr. schrieb später: ‚Mildred war ein Typ wie Julie Christie in Doktor Schiwago, wirklich höchst interessant. Ich fühlte mich zu ihr hingezogen. Sie wirkte sehr nordisch und trug altmodische Kleidung. Sie zog die Blicke der Leute auf sich. Sie entging einem selbst in einem überfüllten Raum nicht. Sie wirkte auf Männer. Sehr auffallend. Eine totale Präsenz, ihre Stimme, ihr Anblick, ihr Denken.‘

Sie unterstützte ihren Mann, der ab 1935 für den sowjetischen Nachrichtendienst arbeitete, und half ihm beim Zusammenstellen politischer, militärischer und wirtschaftlicher Informationen. Bis Ende Juni 1941 hatte die Gruppe Kontakt mit Angehörigen der sowjetischen Botschaft und versuchte, vor dem bevorstehenden deutschen Überfall auf die Sowjetunion zu warnen. Im August 1942 wurde ein Funkverkehr der belgischen Gruppe mit den Adressen von Adam Kuckhoff, Harro Schulze-Boysen und Ilse Stöbe dechiffriert.

Am 7. September 1942 wurden Arvid und Mildred Harnack während eines Urlaubs auf der Kurischen Nehrung in Ostpreußen von der SS verhaftet. Am 19. Dezember fällte das Reichskriegsgericht das Todesurteil über Arvid Harnack, das am 22. Dezember 1942 vollstreckt wurde. Mildred Harnack wurde zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Hitler ordnete jedoch eine neue Hauptverhandlung an, die am 16. Januar 1943 mit einem Todesurteil endete. Am 16. Februar 1943 wurde Mildred Harnack im Strafgefängnis Berlin- Plötzensee mit der Guillotine hingerichtet. Ihre letzten Worte waren: ‚Und ich habe Deutschland so geliebt.‘ Harnack-Fish ist die einzige amerikanische Zivilperson, die wegen Widerstands gegen das Naziregime hingerichtet wurde.“10)

Falk Harnack
Arvids Bruder, der Schauspieler und Regisseur Dr. phil Falk Harnack (2.3.1913 Stuttgart – 3.9.1991 Berlin), musste sich 1943, als er als Wehrmachtssoldat tätig sein musste, wegen seiner Kontakte zur Widerstandsgruppe „Weiße Rose" (siehe: Weiße Rose) verantworten. Er „wurde am 19. April 1943 vor den ‚Volksgerichtshof‘ gestellt (…), freigesprochen und anschließend in Griechenland als Soldat eingesetzt. Er desertierte und schließt sich 1943 der Partisanenbewegung ELAS an und gründet dort das Antifaschistische Komitee ‚Freies Deutschland‘. Nach dem Krieg kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete als Regisseur und Drehbuchautor.“ 11)
Wie Falk Harnack zu seiner politischen Gesinnung kam, wir in Wikipedia beschrieben. Dort heißt es: „Schon früh kam der evangelische Falk Harnack durch seinen Bruder Arvid mit dem Humanismus in Verbindung, durch den er auch Kontakt zu Menschen bekam, die später zur Widerstandsgruppe Rote Kapelle gehörten. (…). Nach dem Schulbesuch in Weimar, bei dem er auch seine Schulfreundin und spätere Verlobte Lilo Ramdohr in den Kreis seiner (…) Familie einführte, absolvierte er 1932 das Abitur. 1933 nahm er sein Studium der Theaterwissenschaft, Germanistik, Volkswirtschaft und Zeitungswissenschaft auf, (…).

Harnack beteiligte sich als Student im Mai 1934 an einer Flugblattaktion gegen den NS-Studentenbund an der Universität München. 1936 promovierte er (…) zum Dr. phil. Er arbeitete von 1937 bis 1940 als Regisseur, Dramatiker und Schauspieler am Nationaltheater Weimar und anschließend am Landestheater Altenburg, wo er bis 1941 Regisseur war. Danach wurde er zur Wehrmacht eingezogen.

Im Jahr 1942, als er sich in Chemnitz befand, nahmen Mitglieder der Münchner Widerstandsgruppe Weiße Rose, (…) durch die Vermittlung der gemeinsamen Bekannten Lilo Ramdohr Kontakt zu ihm auf. Über ihn wollten sie Verbindung zu den Berliner Widerstandskreisen um seinen Bruder Arvid und Harro Schulze-Boysen sowie zu Hans von Dohnanyi herstellen. Er hätte zudem derartige Verbindungen über seine entfernteren Verwandten Klaus und Dietrich Bonhoeffer vermitteln können. Doch noch im selben Jahr wurde die Gruppe um Falks Bruder verhaftet, und viele von ihnen wurden hingerichtet, (…).

Falk Harnack hatte im Februar 1943 auch Kontakt zu Sophie und Hans Scholl. Nachdem die Geschwister Scholl [siehe: Geschwister-Scholl-Straße] und weitere Mitglieder der ‚Weißen Rose‘ verhaftet und hingerichtet worden waren, schien ihn das gleiche Schicksal zu ereilen. Doch überraschend wurde er im Studentenprozess um die Geschwister Scholl und Alexander Schmorell vom Volksgerichtshof München am 19. April 1943 aus Mangel an Beweisen und wegen ‚einmalig besonderer Verhältnisse‘ freigesprochen.

Im August 1943 wurde er von seiner bisherigen Wehrmachtseinheit ins Strafbataillon 999 nach Griechenland abkommandiert. Als er im Dezember verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht werden sollte, gelang ihm mit Hilfe seines Vorgesetzten, (…) die Flucht. Er schloss sich der griechischen Partisanenbewegung ELAS an. Zusammen mit Gerhard Reinhardt gründete er das Antifaschistische Komitee Freies Deutschland und wurde dessen Leiter.“ 11)

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus arbeitete Falk Harnack u. a. als Intendant am Deutschen Theater Berlin und an den Kammerspielen Berlin.

Von 1949 bis 1952 war er künstlerischer Leiter bei der DEFA. Damals heiratete er die Schauspielerin Käthe Braun (11.11.1913 Wasserburg – 9.9.1994 Berlin). Sie hatte nach privatem Schauspielunterricht zwischen 1935 und 1944 an verschiedenen Theatern gespielt, so zum Beispiel am Bayerischen Staatstheater, Düsseldorfer Schauspielhaus und Straßburger Stadttheater. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus war sie, die von 1941 bis zu ihrer Scheidung 1949 mit Johannes Paul Gottlieb Razum verheiratet gewesen war, von 1947 bis 1951 am Deutschen Theater in Berlin tätig, wo auch Falk Harnack arbeitete. Die beiden Menschen wurden ein Paar und heirateten.
Nach Auseinandersetzungen mit der SED verließen Falk und Käthe Harnack die DDR und arbeitete fortan für die Produktionsfirma CCC-Film Berlin-West, dann ab Ende der 1950er Jahre für das Fernsehen, so zum Beispiel von 1962 bis 1965 als leitender Regisseur beim ZDF, dann freischaffend. Seine Frau trat in verschiedenen Theatern auf und war auch in einigen Filmen ihres Mannes zu sehen. 12)

Clara Harnack
Falk Harnacks Mutter Clara Emilie Harnack, geborene Reichau (22.3.1877 Fulda – 14.1.1962 Neckargemünd) hätte es auch verdient, dass der Harnackring, der nach ihrem Neffen Ernst von Harnack, ihren Söhnen Arvid und Falk Harnack sowie nach ihrer Schwiegertochter Mildred Harnack-Fish heißt, nach ihr mitbenannt würde. Sie war Malerin und Verfolgte des NS-Regimes.

Nach privatem Mal- und Zeichenunterricht studierte die aus einem Akademikerhaushalt stammende Clara Reichau „an den Universitäten Berlin, Florenz, Jena, Darmstadt und der Kunstakademie Stuttgart. Englisch, Französisch und Italienisch sprach sie fließend. Sie entschied sich für eine Laufbahn als Malerin und ging zu Studienzwecken als Gouvernante und Deutschlehrerin nach Florenz. In einem Lokal bei der Villa Borghese in Rom lernte sie 1897 den 20 Jahre älteren Literaturprofessor und Goetheforscher Otto Harmack kennen, den sie am 20. August 1898 in Berlin heiratete. Das Paar lebte in Berlin, bis Otto Harnack eine Professur für Literaturgeschichte und Ästhetik in Darmstadt erhielt.“ 13)

Clara Harnack wurde dort Mutter zweier Kinder (Ingeborg und Arvid), besuchte die dortige Hochschule und die Zeichenschule im Volkshaus Jena. Nachdem ihr Ehemann 1905 eine Professur in Stuttgart bekommen hatte, zog sie mit, gebar dort zwei weitere Kinder (Angela und Falk) und studierte auch hier weiterhin Malerei, so an der Königlichen Akademie der bildenden Künste und an der Kunstgewerbeschule und nahm als Malerin 1913 an der Großen Kunst-Ausstellung Stuttgart teil. Ein Jahr später, 1914, nahm sich ihr Mann das Leben.

Nun Witwe und alleinerziehende Mutter arbeitete sie in Jena als freischaffende Kunstlehrerin und freischaffende Malerin. Die wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen sie lebte, waren nicht stabil.

Clara Harnack setzte sich auch für die Rechte der Frauen ein. So war sie von 1915 bis 1919 Vorsitzende der Ortgruppe Jena des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht und engagierte sich in der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten „bekam sie [ab 1938] zunehmend Probleme mit der Gestapo in Jena und kam nach einer Denunziation (von Eltern, deren Kindern sie traditionelle Volkslieder statt NS-Liedern beigebracht hatte) einige Wochen in Gestapohaft. Nach einer weiteren Denunzierung durch einen Hausbewohner wurde sie im Amtsgefängnis am Jenaer Steiger inhaftiert. Dank des Leiters der Jenaer Nervenklinik, Hans Berger, und einem Anwalt entging Harnack einer Überführung in ein Konzentrationslager, musste aber Thüringen verlassen.“ 14)

Fortan kam sie bei unterschiedlichen Freunden unter. „Sowohl an diesen Orten, als auch auf Durchreisen ihrer Kinder Falk, Arvid und Mildred Harnack, fanden in dieser Zeit öfters Treffen zwischen Lilo Ramdohr und der Familie Harnack statt, so auch in München.

Durch diese Treffen und den stetigen Briefwechsel mit Lilo Ramdohr, die inzwischen von Alexander Schmorell aus der Schwabinger Kunstschule von Hein König über die Entstehung der Münchner Widerstandsgruppe Weiße Rose eingeweiht war, hatte Clara Harnack daher vermutlich Kenntnis sowohl von der Existenz der von ihrem Sohn Arvid geleiteten Widerstandsgruppe Rote Kapelle wie auch der Weißen Rose, als Arvid und Mildred am 7. September 1942 von der SS in Preil verhaftet wurden. Zusammen mit ihrem Neffen Axel von Harnack und ihrer Tochter Ingeborg Havemann-Harnack versuchte sie eine Verteidigung zu organisieren und Gnadengesuche beim Reichskriegsgericht unter Verweis auf ihre in der NS-Justiz hochrangig verbeamteten Brüder einzureichen, was letztlich erfolglos blieb.

Nach der, durch Befehl aus dem Führerhauptquartier beschleunigten, Hinrichtung ihres Sohnes Arvid am 22. Dezember 1942 und ihrer Schwiegertochter Mildred am 15. Februar 1943 (…) geriet Clara Harnack noch stärker ins Visier der Karlsruher Gestapo.“ 15)

Nachdem auch ihr jüngster Sohn Falk verhaftet worden war und obwohl sie von der Gestapo beobachtet wurde, bemühte sich Clara Harnack 1943 „durch persönliche Vorsprache im Münchner Gestapo-Hauptquartier (…) dem Gestapokommissar (…) die ‚kriegswichtige‘ Rolle Falk Harnacks als Propagandaschaffender für die Wehrmacht, den altdeutschen Harnackschen Stammbaum und die Verdienste der Familie vorzuhalten, (…).

Um nach Falks Flucht im Dezember 1943 zu den griechischen Partisanen der ELAS weiteren Verfolgungen zu entgehen, musste sie nun auch Neckargemünd verlassen und tauchte bis zum Kriegsende in Unteruhldingen unter.“ 16)

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus lebte sie eine Zeitlang in der DDR und siedelte ebenfalls wie ihr Sohn Falk 1952 in den Westen über.

Clara Harnack fungierte ab 1949 als Ehrenpräsidentin des Landesausschusses Württemberg für die Deutsche Einheit, war Mitglied in der Frauenfriedensbewegung, „sprach auf der Genfer Vier-Mächte-Konferenz 1959 und verfasste Schriften gegen die Verdrängung der NS-Zeit in der BRD. Sie zog mit ihrer unverheirateten Tochter Angela zurück nach Neckargemünd, wiederum in ein einfaches Gartenhaus, (…), wo sie ab 1953 wohnte und bis zu ihrem Tod im Januar 1962 ansässig blieb.

Dort führte die Hauptverwaltung Aufklärung der Stasi 1953 und selbst noch nach ihrem Tod erfolglose Nachforschungen hinsichtlich ihrer Verstrickung mit der Roten Kapelle und vermeintlichen Verbindungen zu kommunistischen Organisationen durch, einerseits um das in der damaligen BRD verbreitete Negativbild der Widerstandsorganisation als sowjetische Spionagegruppe zu widerlegen, andererseits um den Sohn, Falk Harnack, nach seinem Abgang aus der DDR, weiter zu beschatten.“ 17)