Schubertstraße
Barmbek-Süd (1905): Franz Schubert, Komponist 41.1.(1797 Himmelpfortgrund/ heute Stadtteil von Wien – 19.11.1828 Wieden).
Siehe auch: Schwindstraße
„Schubert war für Freundschaften begabt; er bildete das Zentrum eines umfangreichen, geselligen, musikalischen, männlichen Freundeskreises; (…). Liebesbeziehungen zu Frauen scheinen trotz gegenteiliger ‚öffentlicher Meinung‘ in Schuberts Leben keine Rolle gespielt zu haben. Es gilt heute als wahrscheinlich, dass Schubert homosexuell war“, schreiben Bernhard Rosenkranz und Gottfried Lorenz in ihrem Buch „Hamburg auf anderen Wegen. Die Geschichte des schwulen Lebens in der Hansestadt. 2. Aufl. Hamburg 2006, S. 343.
Franz Schubert war das 13. von 20 Kindern – andere Quellen sprechen von 14 Kindern -, das Elisabeth Schubert, geb. Vietz (1756-1812) gebar. Der Vater hieß Franz Theodor Schubert (1763-1830) und arbeitete als Lehrer und Schulleiter, Elisabeth Schubert hatte vor ihrer Heirat als Köchin in einer Wiener Familie gearbeitet.
Die Kinder wurden „In der Anderthalbzimmerwohnung der Schubert-Familie (…) gezeugt, hier wurden sie zur Welt gebracht und aufgezogen, hier starben sie im zartesten Alter; nur fünf überlebten (…). In der Rauchküche brachte ihn [Franz] die Mutter Elisabeth zur Welt. Ihr ist er in innigster Liebe verbunden über ihren frühen Tod hinaus sein Lebtag lang. Der Vater, Franz Theodor Schubert, war Lehrer, fromm, selbstgerecht und despotisch.“ 1)
Seinen ersten Musikunterricht erhielt Franz Schubert von seinem Vater. Von 1808 bis 1812 war Schubert Sängerknabe und schrieb bereits 180 erste Kompositionen. A. Salieri gab ihm Kompositionsunterricht. Nachdem Schubert nicht mehr als Sängerknabe auftrat, machte er eine Ausbildung zum Lehrer und arbeitete danach bis 1818 bei seinem Vater als Schulgehilfe. In diesem Jahr quittierte er den Schuldienst und verließ sein Elternhaus. Er verdingte sich fortan als Musiklehrer „bei der Familie des Grafen Johann Esterházy und begann als frei schaffender Komponist zu leben. (…). Um 1824 fasste er zu Karoline [Esterházy, Tochter vom Grafen, der er Klavierunterricht gab] eine (unerwidert gebliebene) Zuneigung, die in der Widmung seiner Fantasie in f-Moll für Klavier zu vier Händen (D 940) Ausdruck fand.
Seine Werke wurden nun hauptsächlich bei Hauskonzerten im Freundeskreis und ab 1821 im Rahmen von sog. Schubertiaden aufgeführt, die auch der Verbreitung seiner ersten (noch in Kommission erschienenen) Liederhefte dienten. Ab 1819 war er auch häufig in den ‚Abendunterhaltungen‘ der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien mit Liedern und mehrstimmigen Gesängen vertreten. (…) Das Jahr 1823 brachte zunächst seine erste Auszeichnung (Ernennung zum Ehrenmitglied des Musikvereins für Steiermark). Ein schwerer Schicksalsschlag war für ihn im Sommer eine schwere (vermutlich syphilitische) Erkrankung, die einen Aufenthalt im Wiener Allgemeinen Krankenhaus zur Folge hatte; dort begann er seinen Liederzyklus Die schöne Müllerin nach Texten von Wilhelm Müller (D 795) zu komponieren, der bereits 1824 im Druck erschien. Die folgenden Jahre waren von einer verstärkten Publikationstätigkeit geprägt (…). Trotz steigender öffentlicher Anerkennung blieben ihm Enttäuschungen nicht erspart: Dazu zählten zunächst die Ablehnung seiner Werke durch ausländische Verleger, sein Scheitern in den Bemühungen um weitere Opernaufführungen und seine vergebliche Bewerbung um die Stelle eines Vizehofkapellmeisters 1826. (…). Nach seinem zweiten Liederzyklus Winterreise (ebenfalls nach Texten von Wilhelm Müller, D 911) von 1827 schrieb er in seinem Todesjahr 14 Lieder nach Gedichten von Ludwig Rellstab, Heinrich Heine und J. G. Seidl, die nach seinem Ableben unter dem Titel Schwanengesang (D 957) veröffentlicht wurden. (…) Im November 1828 (…) zog er sich eine schwere Infektion (vermutlich Typhus) zu, an deren Folgen er verstarb. (…)“, 2) schreibt Walburga Litschauer im Österreichischen Musiklexikon.
Zur politischen Einstellung von Franz Schubert und sein Verhältnis zur Kirche schreibt Timm Ludwig: „Der tiefreligiöse Pazifist Schubert hatte die Courage, seine Verachtung für Metternichs Polizeistaat und die damit kollaborierende katholische Kirche offen zu zeigen. Das hat ihm Verhaftung, Bespitzelung, berufliche Chancenlosigkeit eingetragen und, über seinen frühen Tod hinaus, bis heute, perfide Verkitschung zum weinseligen Liedermacher.“ 1)
Franz Schubert unter Genderaspekt und Franz Schuberts Homosexualität
Andrea Lindmayr-Brandl befasste sich mit Franz Schubert unter Gender Aspekten. Dazu schreibt sie u. a. : „Das Verhältnis Schuberts zum eigenen und zum anderen Geschlecht ist auf Basis der problematischen Quellenlage schwierig auszuloten. Gesichert ist, dass – im Gegensatz zu Beethoven, der weitgehend isoliert von der Gesellschaft sein einsames Künstlertum lebte – Schubert zeitlebens in ein enges Netzwerk von Männerfreundschaften integriert war, dem er sich emotional stark verbunden fühlte. Wie weit diese Nähe sexuelle Kontakte miteinschloss, muss offen bleiben.
Ebenso sind seine emotionalen Beziehungen zu Frauen schwer zu fassen. Auch wenn die Freunde viele Jahre nach seinem Tod von heimlichen Liebesgeschichten berichten, dürfte der Kontakt zu seiner Jugendfreundin Therese Grob rein freundschaftlich gewesen sein. Und auch sein Verhältnis zu Caroline Esterházy stand vermutlich nur im Zeichen einer allgemeinen Verehrung oder bestenfalls Schwärmerei. Die enttäuschte Liebe zu einer der Fröhlich-Schwestern, wie sie in der Operette und der Verfilmung vom ‚Dreimäderlhaus‘ dargestellt wird, ist reine Erfindung. (…)
Vor allem für die Komposition von Schuberts Liedern war der Einfluss der Freunde, die zeitweise einen literarischen Zirkel bildeten, von großer Bedeutung. Schubert ließ sich nicht nur von Gedichten mehr oder weniger bekannter Literaten anregen, sondern vertonte auch zahlreiche Texte, die im engeren Freundeskreis entstanden waren. (…).
Frauen haben im Schaffen Schuberts entweder die Funktion einer Widmungs- oder Auftragsgeberin. Zu ersterer Kategorie zählt Caroline Esterházy, der u.a. die Fantasie in f-Moll für Klavier zu vier Händen D 940 dediziert ist. Weitere adelige Widmungsträgerinnen von vornehmlich Liedern waren Karoline Fürstin von Kinsky (Wanderers Nachtlied D 768), Fürstin Mathilde zu Schwarzenberg und Sophie Gräfin von Weissenwolf. Eine kleine Liedersammlung, die in Schobers lithographischem Institut gedruckt wurde, ist ‚der Wohlgebornen Maria Pachler‘, Schuberts Grazer Gastgeberin, gewidmet. Als Auftraggeberin ist vor allem Anna Fröhlich zu nennen. Sie bestellte (oder vermittelte) bei Schubert mehrere Kompositionen für die Schülerinnen ihrer Gesangsklasse am neugegründeten Konservatorium. (…). ‚Der Hirt auf dem Felsen‘ D 965 war vermutlich für Anna Milder, später Milder-Hauptmann, komponiert, die die Komposition nach Schuberts Tod zur Uraufführung brachte. Die renommierte Opernsängerin nahm sich Schuberts Liedschaffen besonders an und machte ausgewählte Werke (u.a. ‚Erlkönig‘ D 328) dem Berliner Publikum bekannt.
Unter der Annahme, dass Schubert tatsächlich homosexuell orientiert war, erscheinen vor allem die vielen Liebeslieder in einem anderen Licht. Grundsätzlich stellt sich aber auch die Frage, wie weit Schubert seine eigene intensiv-emotionale und erotische Erfahrungswelt in seine Kompositionen projizierte. Dass er uns in seiner Musik eine neue Dimension des Empfindens erfahren lässt, die die Grenzen zwischen sogenannter männlicher und weiblicher Gefühlswelt aufhebt, wäre eine mögliche Antwort darauf.“ 3)
Christoph Blitt schreibt 2020 in seiner Rezension über eine Neuinterpretation und Aufführung der Operette „Das DreiMäderlHaus“ (Musik: Franz Schubert) im Oktober 2020 in Linz auch über Schuberts Sexualleben: „Bei Franz Schubert ist es zweifelsohne so, dass es (…) keine gesicherten Beweise für seine Homosexualität gibt. Gleichwohl stößt man hier auf zahlreiche Indizien, die eine eindeutige Sprache sprechen. (…) So gibt es in seinem Liedschaffen zahlreiche textliche Anspielungen und Chiffrierungen homosexuellen Begehrens und Liebens. Und auch seine Opern, die bezeichnenderweise bis heute im Schatten seines übrigen Schaffens stehen, entwerfen oftmals erfrischend ungewöhnliche Perspektiven für Formen des zwischenmenschlichen Zusammenseins. Denn nicht nur erzählt Schubert etwa in Adrast, Die Bürgschaft oder Fierrabras von intensiven Männerfreundschaften, sondern er plädiert auch in manch anderer Oper für nachgerade verstörend unkonventionelle Lebensentwürfe. Sind diese zwar, der damaligen Konvention folgend, heterosexuell ausgerichtet, so legen sie doch von Schuberts freigeistiger Haltung, die viel mit seinem Schwulsein zu tun haben könnte, ein beredtes Zeugnis ab. Erinnert sei hier nur an sein letztes, unvollendetes Opernprojekt Der Graf von Gleichen, in dem die drei Hauptfiguren (zwei Frauen, ein Mann) übereinkommen, sich zu dritt ein Bett zu teilen. Kein Wunder, dass die Zensurbehörde hier einschritt.
Doch Schubert litt nicht nur als Komponist wie auch als wahrscheinlich homosexuell Liebender zu seinen Lebzeiten unter den strengen Repressalien der restriktiven Ära des Fürsten Metternich. Auch die Nachwelt ging erschreckend unsensibel mit seinem Denken und Begehren um, wenn eben die zweifelsohne vorhandenen und erkennbaren Indizien für sein Schwulsein nicht nur ignoriert wurden (und zum Teil bis in die heutige Zeit immer noch ignoriert werden), sondern darüber hinaus zahlreiche Versuche gestartet wurden, Schuberts Biografie in eine heterosexuelle Richtung zu verbiegen. Vor allem die Trivialliteratur ließ nicht davon ab, dem Komponisten unterschiedliche Liebhaberinnen im wahrsten Sinne des Wortes ‚anzudichten‘. Einen Höhepunkt auf diesem Felde stellt zweifelsohne Rudolf Hans Bartschts 1912 erschienener Roman Schwammerl dar, dessen ungeheure Popularität den Komponisten Heinrich Berté 1916 inspirierte, dieses Buch unter dem Titel Das Dreimäderlhaus für die Operettenbühne zu adaptieren.“ 4)