Sophie-Kloers-Weg
Jenfeld, seit vor 1938, benannt nach Sophie Kloerß, geb. Kessler, Pseudonym Wilhelm von der Mühle (5.1.1866 Wandsbek–31.1.1927 Hamburg), Wandsbeker Schriftstellerin. In einschlägigen Lexika wird sie Kloerß geschrieben.
Die Verkehrsfläche wurde in der Zeit des Nationalsozialismus benannt. Vielleicht hängt dies mit Sophie Kloerß‘ im Ersten Weltkrieg veröffentlichten Mädchenbüchern zusammen, die in die literarische Gattung der Mädchenkriegsliteratur fallen. Julia Prasser hat sich in ihrer Diplomarbeit „Die wir mitkämpfen.“ Die Darstellung des Ersten Weltkriegs in der zeitgenössischen Mädchenliteratur“ mit den Veröffentlichungen von Sophie Kloers befasst. Im Folgenden soll aus der Arbeit zitiert werden: „Zu Lebzeiten dürfte Kloerß eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben, denn sie war für die ‚Kränzchen-Bibliothek‘ schriftstellerisch tätig und stellte sich damit in die Reihe namhafter Autorinnen wie Else Ury und Berta Clement. (…). Die Buchreihe (…) ‚Kränzchen-Bibliothek‘ (..) richtete sich (…) an junge Leserinnen. (…) insbesondere zu Beginn des Ersten Weltkrieges gewinnen die seriellen Heftchen, die durchaus auch kriegerische Themen aufgreifen, neben den Kriegsromanen für Mädchen an Bedeutung. (…). Sophie Kloerß dürfte sich (…) vor allem Anfang des 20. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreut haben, so erschien auch ihr patriotischer Mädchenkriegsroman ‚Im heiligen Kampf‘ im Jahr 1915. (…).“ 1)
Mit ihrem Roman „Im heiligen Kampf“ wandte sich Kloerß an sogenannte höhere Töchter im Alter von 13 bis 19 Jahren. „Zweck des Romans war es, (…) eine Identifikationsfigur zu entwerfen, die die Heranwachsenden erzieht und auf ihre gesellschaftliche Rolle vorbereitet. (…).
Da die Kinder- und Jugendliteratur schon seit jeher als ‚Spiegelbild‘ der Weltanschauungen ihrer Verfasser gesehen werden kann, ist durchwegs davon auszugehen, dass Kloerß in ihrem Mädchenkriegsroman ihre politische Überzeugung
preisgibt, die von einer zunehmend patriotischen Tendenz gekennzeichnet war. Dennoch dürfte die Autorin dem Ersten Weltkrieg eher skeptisch gegenübergestanden sein. Aus diesem Grund versucht sie wohl auch in ihrem Roman mehrere Perspektiven auf den Krieg zu werfen, die neben Kriegsbegeisterung sehr wohl auch kritischen Bemerkungen beinhalten. (…)
Kloerß ? Mädchenkriegsroman setzt mit der ersten Mobilmachungsphase des Ersten Weltkrieges ein und stellt eine weibliche Protagonistin in den Mittelpunkt ihrer Erzählung, die als Kriegskrankenschwester wie ein Soldat in den Krieg zieht. Es wird vom schweren Schicksal der Familie Meißner erzählt, die besonders große Opfer für das Vaterland bringt, da sie all ihre Kinder, drei Söhne und zwei Töchter, in den Krieg entlassen muss. Zwar ist der starke Vaterlandsbezug durchwegs präsent, doch werden auch die Schattenseiten des Krieges thematisiert. Mit fortschreitender Erzählung werden zunehmend Themen wie Flucht, Tod und Trauer fokussiert, wovon auch Familie Meißner nicht verschont bleibt. Dennoch hält man an der Meinung fest, dass es sich um einen ‚heiligen Kampf‘ handelt, was die stark patriotische Haltung der Erzählung einmal mehr unterstreicht. (…)
Kloerß stellt (…) gleich zu Beginn ihrer Erzählung die Opferbereitschaft als Erziehungsziel in den Vordergrund, denn die Leserinnen sollen auf die Kriegszeit und ihre Pflichten gegenüber dem Vaterland vorbereitet werden. Es wird zum Ausdruck gebracht, dass in diesen schweren Zeiten die gesamte Bevölkerung Opferbereitschaft zeigen muss. (…) Auch Kloerß dürfte dieser Meinung gewesen sein und verleiht diesem Gedanken in ihrer Erzählung besonderen Ausdruck. Immer wieder wird auf das schwere Los der Familie Meißner verwiesen, die an dieser Stelle wohl als vorbildhafte deutsche Familie gesehen werden soll. Gleichzeitig wird aber auch auf die Notwendigkeit des Krieges verwiesen. In ‚Im heiligen Kampf‘ wird der Krieg zwar nicht verharmlost, doch als notwendig und ‚unausweichlich‘ dargestellt. Es wird das Ziel verfolgt, seitens der Leserinnen eine patriotische Haltung hervorzurufen und den Krieg in gewisser Weise zu legitimieren. (…) Außerdem werden nun auch die Mädchen und jungen Frauen zunehmend in den kriegerischen Prozess einbezogen, da auch sie ihren Dienst für das Vaterland leisten sollen, und dies vor allem in Form von Opferbereitschaft. Im Roman sind sich deshalb selbst die jungen deutschen Frauen der Tatsache bewusst, dass Deutschland nur erfolgreich sein kann, wenn alle ihre Opfer bringen. (…). [Mit diesen Mädchenkriegsromanen] wurde (…) überwiegend das Ziel verfolgt, die Mädchen auf ihren Dienst vorzubereiten. Die ideale Identifikationsfigur bildet in den Mädchenkriegsbüchern während des Ersten Weltkrieges zunehmend die Kriegskrankenschwester, die ihren Dienst für das Vaterland im Lazarett erbringt. (…)
In den meisten Mädchenkriegsromanen hält man an der Friedensidee fest, so auch ‚Im heiligen Kampf‘. Damit diese Idee aufrecht erhalten werden kann, wird in vielen Werken die Schuldfrage des Ersten Weltkrieges besonders ausführlich thematisiert. Auch in Kloerß ? Roman wird darauf verwiesen, dass Deutschland keinerlei Schuld am Krieg trägt, sondern sich gezwungen sieht, einen Verteidigungskrieg zu führen. (…)
‚Im heiligen Kampf‘ dringen immer wieder nationale ‚Feindbild-Stereotypen‘ durch, was sich auf jenen Gedanken zurückführen lässt, dass Deutschland einen Verteidigungskrieg zu führen und die deutsche Bevölkerung eine ‚Kulturmission‘ habe. (…).
Es ist zwar auch bei diesem Mädchenkriegsroman anzunehmen, dass er der ‚Politisierung‘ der Leserinnen und der Kriegspropaganda diente, doch kann noch viel mehr davon ausgegangen werden, dass die Autorin die jungen Mädchen und Frauen zum Nachdenken anregen wollte. Ihr Roman dient demnach auch der Ermutigung, nicht ausnahmslos alle Meinungen der erwachsenen Instanzen unreflektiert zu übernehmen.
Gegen Ende hin erhält die Erzählung zunehmend den Charakter einer Durchhalteparole, wobei die stark patriotische Haltung der Autorin allmählich abnimmt und die Kriegsrealität in den Mittelpunkt der Erzählung rückt. (…) Von der anfänglichen Kriegseuphorie ist am Schluss nichts mehr zu erkennen und auch die Hoffnung auf einen baldigen Frieden nimmt immer mehr ab. Der Krieg bleibt bis zum Ende der Erzählung gegenwärtig und beeinflusst alle Lebensbereiche der Protagonisten, doch der oft negative Beigeschmack ändert nicht das Geringste an der patriotischen Botschaft, die Kloerß ihren Leserinnen vermitteln will. Folglich wird am Ende der Erzählung noch einmal betont, dass das Deutsche Reich siegen wird und die Bevölkerung durchhalten soll.
(…) Kloerß Erzählung scheint (…) teilweise durchaus für ‚pazifistische Untertöne‘ offen zu sein, doch werden diese beinahe immer von einer patriotischen Aussage begleitet. Der starke Bezug zum Vaterland bleibt während der gesamten Erzählung aufrechterhalten, allerdings führt Kloerß ihren Leserinnen auch die negativen Seiten des Ersten Weltkrieges vor Augen und will sie somit zum Nachdenken anregen. (…).“ 1)
Zum Lebenslauf von Sophie Kloerß schreibt ihre Tochter: Sie war die Tochter des „Großkaufmanns Heinrich Wilhelm Kessler, Mitinhaber der Hamburger Importfirma ‚Zipperling, Kessler & Co.‘ (geb. 17. Juli 1819, gest. 24. April 1871) und von Sophie Elisabeth Johanna Kessler, geborene Dittmer (Tochter des Pastors in Rahlstedt, geb. am 28.02.1827, gest. am 1. Juli 1872). Meine Mutter war mit 6 Jahren Vollweise, ebenso wie ihre fünf Geschwister, Ludwig, Agnes, Auguste, Ernst und Hans.“ (…) Vormund wurde der Vater des Universitätsprofessors Nonne in Hamburg. (…) Der Vormund bestimmte als Familienvorstand die Großmutter Dittmer, für die in Wandsbek ein Haus gebaut wurde, da sie nicht in einer Mietwohnung wohnen wollte.(…) Als meine Mutter heranwuchs, hatte sie den lebhaften Wunsch Schauspielerin zu werden. Das entsetzte nicht nur die Familie, sondern auch die ganze weitere Verwandtschaft und führte anscheinend zu vielen lebhaften Auseinandersetzungen. Schließlich setzte meine Mutter durch, dass sie wenigstens schreiben durfte, was ihr in den Sinn kam.“ 2)
Als junge Frau ging Sophie Kloerß für einige Zeit nach Berlin.
Über die Einstellung ihrer Mutter zur Heirat schreibt Sophie Kloerß Tochter: „Während die beiden älteren Schwestern meiner Mutter sehr jung heirateten, schob meine Mutter das Heiraten immer vor sich her. Auf alle Fragen antwortete sie immer: ‚Wenn ich eine alte Jungfer werde, heirate ich, dann bin ich wieder eine junge Frau. Wenn ich dann mein erstes Kind bekomme, werde ich eine junge Mutter. . .‘" 2)
1887, im Alter von 21 Jahren, veröffentlichte sie ihr erstes Buch, das für die nächsten zwanzig Jahre auch ihr einziges bleiben sollte, denn, nachdem sie 1895 nach langem Brautstand den Altphilologen und Lehrer Heinrich Kloerß geheiratet hatte, musste sie sich um den Haushalt und die gemeinsamen sechs Kinder kümmern – Zeit zum Schreiben fand sie dabei kaum. Das Paar lebte mit seinen Kindern von 1898 bis 1903 in Rostock, später in Schwerin.
Wie Sophie Kloerß wieder zum Schreiben kam, dazu schreibt ihre Tochter: „Wie meine Mutter dann allmählich wieder ihre schriftstellerische Tätigkeit aufnahm und in nie erlahmender Arbeit neben all ihren Pflichten als Hausfrau und Mutter, ihre Bücher schrieb, kann ich nur heute noch bewundern.“ 2)
Sophie Kloerß schrieb u. a. Bücher für heranwachsende Knaben, was damals für eine Frau nicht selbstverständlich war. Deshalb erschien ihr 1923 in der Kamerad-Bibliothek veröffentlichtes Buch „Hein Hannemann. Eine Geschichte von der Waterkant“ unter Sophie Kloerß’ männlichem Pseudonym Wilhelm von der Mühle.
Dieses Buch erfuhr gut 80 Jahre später eine Renaissance; es wurde 2006 neu aufgelegt und ist seitdem u. a. Grundlage für szenisch-musikalische Lesungen in Rostock und Umgebung. Der Protagonist des Buches, Hein Hannemann, wurde zu einem Sympathieträger für Rostock und zu einem Tom Sawyer der Ostsee. So heißt es in der Ankündigung einer Lesung in der Kleinen Komödie Warnemünde für Januar 2015: „1923 veröffentlichte Sophie Kloerß unter dem Pseudonym Wilhelm von der Mühle den Roman HEIN HANNEMANN, in dem sie die Geschichte des jüngsten Sohns eines Rostocker Kaufmannes erzählt. Hein ist ein lebenslustiger, frecher, durchaus mutiger Bursche. Aus der Warnow rettet er kühn einen jungen Hund – Rüpel wird ihm von da an ein treuer Gefährte auf seinen zahlreichen Abenteuern sein. Mit ihm und gleichaltrigen Freunden durchstreift Hein die Stadt – vom Elternhaus in der Schnickmannstraße mit den Speichern voller Rosinensäcke und Buttertonnen, den großen Lagern von Äpfeln und getrockneten Pflaumen, Mehlsäcken und Kisten voll Reis und Berge von Seife, wo die Jungen heimlich Burgen aus Heringsfässern und Pfeffersäcken bauen, um sie im heldenhaften Kampf zu verteidigen, bis nach Warnemünde. In diesem Paradies, wo sein Großvater Lotsenkommandant ist, träumt er davon, zur See zu fahren. Hier erlebt er die große Sturmflut von 1871. In Rostock und seiner Umgebung, in der Heide, in Rövershagen und Doberan erkundet er auf zahllosen Abenteuern seine kleine Welt. Und am Ende geht es für Hein doch hinaus auf die weite See, in das große und neue Leben des echten Rostocker Sympathieträgers.“
Einige Werke von Sophie Kloerß: Hamburger Blut (Erzählung, 1909), Lieder und Balladen (1909), Vaterland und Vaterhaus (1915), Jungmädelgeschichten (1918), Jan Feuerkopf (1920), Der neue Geist (Roman, 1922), Hille Hadersen (Roman, 1925), Sturm in Schmalebek (Roman, 1926), Die verhexten Sparten, Geschichten von kleinen Leuten (1928), Die silberne Orgel, Geschichten von der Insel Sylt (1931).