Stindeweg
Othmarschen (1951): Julius Stinde (28.8.1841 Kirchnüchel/Eutin – 5.8.1905 Olsberg/Sauerland), Chemiker, Schriftsteller von plattdeutschen Stücken.
Die Straße könnte auch nach den Schwestern von Julius Stinde, der Schriftstellerin Conradine Stinde (30.9.1856 Lensahn/Ostholststein – 5.1.1925) und der Malerin und Anthroposophin Sophie Stinde (21.9.1853 Lensahn – 17.11.1915 München) mitbenannt werden.
Bereits in der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Julius-Stinde-Weg benannt umbenannt werden. da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen gekommen war. Bedingt durch den Krieg kam es nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1951 bei dem alten Straßennamen Reesweg. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg: 133-1 II, 38. Anlage 2. Große Umbenennung von 1938. Die neu vorgeschlagenen Straßennamen nach Stadtteilen geordnet unter Angabe der verwendeten Benennungsmotive).
In Wikipedia steht über Stinde: „Julius Ernst Wilhelm Stinde wurde in Kirchnüchel in Holstein als zweites Kind des Pfarrers Conrad Georg Stinde (1805–1881) und seiner Frau Holdy Anna Constantine, geb. Gardthausen (1811–1848) geboren. 1844 erhielt Stindes Vater die Pfarrstelle in Lehnsahn. Julius Stinde besuchte das Gymnasium in Eutin, (…) und begann 1858 eine Apothekerlehre (…), die er 1860 aus Gesundheitsgründen aufgab. Er studierte darauf Chemie und andere Naturwissenschaften (…) und erwarb in Jena 1863 den Doktortitel. (…)
Von 1864 an arbeitete Julius Stinde als Chemiker und Werksführer bei der Firma Grabe & Co in Hamburg. Vermutlich ab 1865 lieferte er Beiträge zu Zeitungen: Hamburger Gewerbeblatt, Spener'sche Zeitung, Jahreszeiten, Hamburger Novellenzeitung, Münchner Fliegende Blätter u. a. Daneben stellte er mikroskopische Präparate für das Rodigsche Institut her, gab Unterricht an einer höheren Knabenschule und hielt Vorträge im Gewerbeverein und im Hamburger Arbeiterbildungsverein.
Seine erste selbstständige Veröffentlichung erschien 1865: Kurzer Katechismus der mikroskopischen Untersuchung des Schweine- und Menschenfleischs auf Trichinen. (Hamburg, J. F. Richter). Seit 1866 betrieb er den Journalismus als Hauptberuf. (…). In plattdeutscher Mundart verfasste er Schwänke und ernste Theaterstücke, die mit großem und anhaltendem Erfolg vom Hamburger Carl-Schulze-Theater auf die Bühne gebracht wurden. Sehr erfolgreich waren Tante Lotte und Hamburger Leiden (beide Altona 1875). (…)
1876 verließ Stinde Hamburg und zog um nach Berlin. Hier knüpfte er im Verein Berliner Presse und im Verein Berliner Künstler hilfreiche Verbindungen an, fand Freunde und lernte den Verleger Carl Freund kennen, der im Laufe der folgenden Jahre zwanzig Bücher Stindes herausbrachte. Er war auch Mitglied der dortigen Freimaurerloge Zur Beständigkeit.
Größter Beliebtheit erfreuten sich Stindes realistisch-satirische Geschichten um die Berliner Kleinbürgerfamilie Buchholz.. (…).“1) Hier spielt die Wäscherin Wilhelmine Buchholz eine Rolle.
„Stindes Wilhelmine Buchholz erwies sich als sehr langlebig, so gab es und gibt es immer wieder Neuauflagen. 1943 entstanden bei der Ufa zwei Filme; in den Jahren 1951 und 1952 gab es eine Rundfunkbearbeitung des RIAS. Der NWDR ließ in den 50er Jahren eine Filmversion folgen, im ZDF erschien 1974 eine Fernsehbearbeitung.“ 2)
„Sein letztes Buch war der parodistische Kolportageroman Emma, das geheimnisvolle Hausmädchen. Dieser Roman hat seinen Ursprung in den Gesindebällen der Schauspieler und Theaterleute. (…).“ 3)
Auch Stindes Halbschwester Conradine Stinde (30.9.1856 Lensahn/Ostholststein – 5.1.1925). war eine bedeutende Schriftstellerin. Bruder und Schwester hatten einen gemeinsamen Vater, den Pastor Conrad Georg Stinde. Conradine Stindes Mutter Bertha, geb. Horn war Conrad Georg Stindes zweite Ehefrau.
Im Wikipedia-Eintrag zu Conradine Stinde heißt es: „Sie schrieb zuerst Artikel und Geschichten für Zeitschriften und Zeitungen, Frauendaheim, Häuslicher Ratgeber, Fürs Haus, Dies Blatt gehört der Hausfrau, Von Haus zu Haus, Feuilleton-Zeitung, Nord-Ostsee-Zeitung und andere. Später erschien von ihr in Junge Mädchen (…) eine Pensionsgeschichte: Im Pastorat von Hellwigshagen mit jährlichen Fortsetzungen. Erzählungen erschienen auch in Kinderlust von Frida Schanz und in Deutsches Mädchenbuch von Thiemann in Stuttgart. Ferner veröffentlichte sie Erzählungen in der Itzehoer Zeitung, im Plöner Wochenblatt und 1896 in der Nord-Ostseezeitung.
Bis zum Tode ihrer Mutter im Jahre 1904 blieb sie in Lensahn, danach zog sie zu ihrem Bruder Julius nach Berlin und führte ihm den Haushalt. Später lebte Conradine Stinde mit Adolf Nissen zusammen, der sich um Julius Stindes Nachlass kümmerte und im Berliner Grote-Verlag Bearbeitungen der Buchholz-Bücher herausbrachte.“ 4)
Und Bernd Gerwanski schreibt über Conradine Stinde: „Stindes Halbschwester Conradine (…) hat unabhängig und unbeeinflusst von den Buchholz-Romanen das Lehrbuch ‚Die Stütze der Hausfrau‘ im Jahr 1900 veröffentlicht. Das Buch wendet sich an all die Mädchen, die als Helferinnen der Hauswirtschaft in Familien arbeiten, oft aber mangels ausreichender Kenntnisse scheitern.
Die dargestellten Themen reichen von Verhaltensregeln für die Mädchen über die Krankenpflege, Kinderbeaufsichtigung bis hin zu Handarbeiten und Kochtipps.“ 5)
Conradine Stinde war Mitglied des Deutschen Lyzeum Clubs, ein exklusiver Club der bürgerlichen Frauenbewegung. Die Mitglieder kamen aus der „oberen“ Gesellschaftsschicht und hatten eine „angesehene Stellung im öffentlichen Leben [inne] oder [wiesen] anerkannte Leistungen aus.“ 6) Conradine Stinde gehörte im Lyzeum Club der literarischen Kommission an.
Eine weitere bedeutende Halbschwester von Julius Stinde war die Landschaftsmalerin und Anthroposophin Sophie Stinde (21.9.1853 Lensahn – 17.11.1915 München). Sie war „über ein Jahrzehnt eine ambitionierte theosophischanthroposophische Aktivistin an der Seite Rudolf Steiners (..) dem Begründer der Anthroposophie, deren Impulse weltweit Beachtung fanden. (…) Sie blieb lange im Elternhaus im Lensahner Pastorat und lebte auch nach dem Tode ihres Vaters, (…), noch einige Jahre gemeinsam mit ihrer Mutter Bertha (geb. Horn) und ihrer Schwester Conradine im Witwenhaus am Lensahner Kirchplatz. Ab 1889 betrieb sie, unterstützt von ihrem Halbbruder Julius, eine Ausbildung zur Kunstmalerin an der Malerinnenschule in Karlsruhe. Anschließend studierte Sophie bei dem Landschaftsmaler Peter Paul Müller in München. Bildungsreisen führten sie durch Deutschland, nach Frankreich, England und Italien. So nahm sie zum Beispiel mit ihrer Lebensgefährtin, der Malerin und Gräfin Pauline von Kalckreuth, im März 1895 auf Capri in der Villa des Malers, Zeichners und Illustrators Christian Wilhelm Allers [siehe: Allerskehre] Quartier.“ 7)
Im Wikipedia-Eintrag zu Sophie Stinde heißt es u. a. über ihren Werdegang: „Seit 1902 war sie zusammen mit Pauline von Kalckreuth Leiterin des Münchener Hauptzweiges der Theosophischen Gesellschaft. Seit 1904 wandte sie sich der Anthroposophie Rudolf Steiners zu und übernahm wichtige organisatorische Aufgaben. Sophie Stinde war an der Vorbereitung der Aufführungen der Mysteriendramen Rudolf Steiners von 1910 bis 1913 beteiligt und erarbeitete die Grundlagen für den Johannes-Bau in München und dessen Fortführung in dem ersten Goetheanum in Dornach. Sie war die Repräsentantin der anthroposophischen Arbeit in München. (…). In Dornach wurde 2008 die ‚Wohnbaugesellschaft Sophie Stinde‘ gegründet.“ 8)
Florian Roder schreibt über Sophie Stindes Weltanschauung: „Ihr Lebensmotiv ergriff Sophie Stinde zweifellos mit den Mysteriendramen und dem Baugedanken. Oder genauer: In der Zusammenführung des Poetisch-Innerlichen der Dramen mit dem architektonisch-plastisch-malerischen Außengebilde des Baues zu dem Gesamtkunstwerk ‚Goetheanum‘. Dabei stellte sie sich ganz auf die Seite des organisatorischen Unterbaues und der menschlich-sozialen Belange. Sie war es, die an Rudolf Steiner die entscheidende Frage richtete. Und sie gab – sachlich und unspektakulär – für diese Aufgabe ihre eigene Lebenssubstanz hin. Die Persönlichkeit von Sophie Stinde bleibt in vielem ein Rätsel. Intimere Aufzeichnungen oder Zeugnisse fehlen. Über ihre innere Entwicklung ist so gut wie nichts bekannt. Wie hinter einem Schleier scheint sie ihr Seelenleben verborgen gehalten zu haben. Dennoch kann man ihres Wesens wenigstens umrisshaft ansichtig werden – in der Wirkung auf seine Umgebung. Da sind vor allem die Ansprachen Rudolf Steiners nach ihrem Tod zu nennen, durch die bloße Anzahl aufhorchen lassend. Dann die Erinnerungen Ludwig Kleebergs, den sie persönlich und finanziell unterstützte und der mit ihr im Briefwechsel stand. Schließlich die feinen Beobachtungen Andrej Belyis und die hohe Wertschätzung, die Marie Steiner ihrem Einsatz im erinnernden Rückblick zollt.“9)