Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Allerskehre

Steilshoop (1958): Wilhelm Allers (6.8.1857 Hamburg-19.10.1915 Karlsruhe), Zeichner; Lithograph


Wilhelm Allers entstammte einer Hamburger Kaufmannsfamilie. Seine Mutter, Helene Allers, geb Porth, kam von einem Bauernhof und soll eine „fröhliche Hausfrau und sehr gute Köchin gewesen [sein], ein Vorzug, der ihr noch in späten Jahren in Italien zu einer gewissen Berühmtheit verhelfen sollte.“ 1)

Als die Familie in der Deichstraße 8 wohnte, führte Allers Mutter dort einen „feinen Mittagstisch“. Stammgast war Dr. Alexander Schmidt, Chefredakteur der „Hamburger Nachrichten“, der später eine Biografie unter dem Pseudonym Alexander Olinda über Allers schrieb und ein intimer Freund Allers wurde, mit dem er viele Reisen unternahm.

Allers besuchte ab dem 12. Lebensjahr die Gewerbeschule und wurde im perspektivischen Zeichnen ausgebildet, um einmal Ingenieur zu werden. Doch ihm lag dieses technische Zeichnen nicht. „Der Direktor der Gewerbeschule (…) erkannte (…) die eigentliche Begabung des Jungen. Er sorgte dafür, daß Allers in die Klasse des Freihand-Zeichnens (…) kam.“ 2) Später erlernte Allers den Beruf des Zeichenlithographen und bildete sich in Karlsruhe an der dortigen Kunstakademie als Maler weiter fort – dies alles unter finanziell sehr schwierigen Bedingungen. Finanziell besser erging es Allers, als er 1880/81 seine Militärzeit ableistete „Allers erfreute sich des Wohlwollens seiner Vorgesetzten und bekam viel Zeit zum Malen. (…) Der Matrose Allers fand Einlaß in die Kieler Gesellschaft der Professoren und der Seeoffiziere – ein ganz ungewöhnlicher Vorgang in der damaligen vom Kastengeist getragenen Gesellschaftsordnung“, 3) schreibt Kurt Doß. Und weiter berichtet Kurt Doß: „Er lernte Klaus Groth kennen und lieben. (…) Nach dem Militärdienst folgten zwei weitere Studienjahre in Karlsruhe, stets verbunden mit dem Kampf um den Lebensunterhalt. Immerhin schien es so, als ob er jetzt – schon bekannter geworden – durch die Anfertigung von Portrait-Skizzen so viel verdiente, daß er sich über Wasser halten konnte. Sein eigentlicher Wohnsitz in diesen Jahren ist Hamburg (…) Alter Wandrahm 31 (…). Als der noch ziemlich unbekannte Zeichner 1885 im Eigenverlag den Zyklus ‚Allerlei Unpoetisches‘ herausbrachte, stellte sich der erste Erfolgt ein. (…) Den Durchbruch aber erreichte er durch das Mappenwerk ‚Club Eintracht‘ (1888). Die Vorbereitungen und die Durchführung des Sommerausflugs eines Hamburger Bürgervereins, die Typisierung der einzelnen Vereinsmitglieder, das Hineinblicken in die Wohnstuben der Mitglieder und in das Ausflugslokal, die kleinen Nöte und Erfolge männlicher und weiblicher Teilnehmer an diesem Ausflug, die Liebe zum Detail, das nichts vergißt, bis zur Hutnadel und bis zum Hosenträger, alles das ergab ein so buntes, naturgetreues, aber keineswegs gehässiges Bild Hamburger Kleinbürgertums, über das man lächeln mußte, das aber nicht zum Spott anreizte.“ 4) Allers wurde nun ein bekannter Zeichner des wilhelminischen deutschen Zeitalters und verdiente fortan sehr gut. In Karlsruhe kaufte er sich ein Haus und ließ seine Eltern, „die sich in Hamburg mehr schlecht als recht mit Mittagstisch und Speisewirtschaft finanziell über Wasser hielten, nach Karlsruhe in das neue Haus“ 5) nachkommen.

Bereits im Alter von 36 Jahren hatte er so viel Geld verdient, dass er sich 1893 auf Capri eine große Villa bauen lassen konnte. „Seine markanten Bismarck-Bilder, die ihn im Deutschen Reich als Porträtmaler berühmt und begehrt gemacht haben, zieren Ende des 19. Jahrhunderts unzählige Ämter und Stuben. Auch unterwegs in der Welt – an die neun Mal schätzt er am Ende seines Lebens, die Erde umrundet zu haben – überzeugt sein Talent immer wieder aufs Neue: In Zeiten, in denen die Kunstmalerei für eine Persönlichkeit noch die einzige Möglichkeit darstellt, an ein Porträt heranzukommen, ist ein Künstler mit dem Talent Allers ein allseits begehrter Zeitgenosse. Er selbst nutzt seine Gabe als Mittel zum Zweck – er liebt es zu reisen - und lässt es sich überall versilbern, wenn er ‚etliche Barone und Baroneßchen abzumalen‘ hat egal ob in Paris oder im australischen Busch,“6) schreibt Stefanie Sonnentag in ihrem Vorwort zu dem von Gerd Fahrenhorst herausgegebenen und kommentierten „Gästebuch der Villa Allers auf Capri 1892 bis 1902“.

Allers Villa, in der Allers die Wintermonate verbrachte, wurde zu einem Mittelpunkt des dortigen künstlerischen Lebens. Auch viele KünstlerInnen, SchriftstellerInnen etc. aus ganz Europa besuchten die Villa, sowie Allers Eltern. „Mutter Allers läßt auf Capri ihre Kochkünste walten und entzückt damit manchen prominenten Gast.“ 7)

Unter den Besucherinnen und Besuchern aus Hamburg waren z. B. auch die Schriftstellerin Marie Hirsch, deren Grabstein heute im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof steht, der Architekt Martin Haller (siehe: Martin-Haller-Ring), der Zeitungsverleger Wilhelm Giradet, dessen Giradethaus noch heute am Gänsemarkt steht, der Jurist und Hamburger Senator Fr. Alfred Lappenberg (siehe Lappenbergsallee), Adeline Schimmelmann aus Wandsbek (siehe: Schimmelmannallee), Oberbaudirektor Gustav Leo, Josephine und Martha Warburg, die Malerin Charlotte Popert, Cecile Mutzenbecher, Bankier Albert Warburg mit Familie, Kaufmann Eduard Brödermann mit seiner Gattin, Consul Weber mit zwei Töchtern, Architekt Gustav Zinnow mit seiner Frau Bertha.

„Im Jahre 1902 kommt es aber zu einem Eklat: [Allers] wird der Päderastie beschuldigt (nach Vorwürfen der Homosexualität gegen Friedrich Alfred Krupp, ‚Krupp-Skandal‘[ der ebenfalls auf Capri eine Villa in der Nähe der Allerschen Villa besaß, R. B.] und 1903 von einem italienischen Gericht zu 4½ Jahren Gefängnis verurteilt.“ 8)

Stefanie Sonnentag berichtet, dass Allers zwar wegen Päderastie verurteilt wurde, „wahrscheinlich wurde ihm jedoch seine Homosexualität zum Verhängnis, zu der er sich zeitlebens nie offen bekennen hatte können. Seinen Freunden gegenüber verschweigt er jedenfalls jegliche Neigung dahin, für die seine Lebensgeschichte jedoch mehrere Anhaltspunkte bietet.“ 9)

Allers konnte fliehen. Unter dem Pseudonym W. Andresen reiste er mehrmals um die Welt und verdiente sein Geld mit Portraitzeichnungen. Nach Capri kehrte er nicht mehr zurück. „Gesundheitlich angeschlagen und durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Reisen behindert (plötzlich legt man Wert auf einen Reisepass, den hatte er nicht mitgenommen), gelingt es ihm im Februar oder März 1915, mit Hilfe seiner Schwägerin via Basel nach Deutschland einzureisen. Wenige Monate nach seiner Rückkehr nach Deutschland stirbt er. Er ist auf dem Hauptfriedhof in Karlsruhe begraben.

Die Villa auf Capri ging später in Besitz von Emilia Mackinder, der Ehefrau des englischen Geographen und Geopolitikers Sir Halford John Mackinder (…). Diese an Tuberkulose erkrankte Frau lebte hier zusammen mit ihrer Mutter Mrs Ginsburg und zwei Schwestern. Emilia erweiterte das Grundstück der Villa um einen noch heute existierenden privaten Pfad zur Punta Tragara. (…) Später erwarb der Reeder Giuseppe d'Amico die Villa (…) und ließ sie von Cicillo Foresta umbauen. Noch heute ist sie im Besitz der Familie d'Amico“, schreibt Gerd Fahrenhorst in dem „Gästebuch der Villa Allers auf Capri 1892-1902“ auf Seite 352. 10)