Biesterfeldweg
Nienstedten (1950): Wilhelm Ernst Biesterfeld (2.4.1880 Ottensen – 21.12.1964 Hamburg), Grundeigentümer, Kaufmann
Dieser Weg wurde auf einem, Wilhelm Ernst Biesterfeld gehörenden Areal angelegt. Der Fußweg ergab sich, nachdem Biesterfeld seinen Grundbesitz zur Anlage von Villengrundstücken parzelliert hatte.
Biesterfeld war der Sohn des Gärtnereibesitzers Johann Ernst Heinrich Biesterfeld aus Ottensen und dessen Ehefrau Magdalena Catharina Henriette, geborene Harkensee.
Seine Schulzeit verbrachte Wilhelm Ernst Biesterfeld zwischen 1887 und 1897 an der Realschule in Ottensen. 1906 gründete er die Firma W. Biesterfeld und Co., Im- und Export von Salzen. Im selben Jahr heiratete er Emma Tony Hannchen Tiemann (15.4.1882 Hamburg – 9.6.1962 Hamburg). 1917 rief er die Firma Wilhelm Biesterfeld Reederei und Schiffsmakler ins Leben. 1919 erwarb er von den Erben des Hamburger Kaufmanns Eduard Roosen (1825-1915) (siehe: Roosenbrücke) dessen großen Landbesitz an der Elbchaussee.
In der NS-Zeit trat Biesterfeld nicht der NSDAP bei. Er war von 1935 bis 1945 Mitglied der Deutschen Arbeitsfront (DAF). 1) Die Deutsche Arbeitsfront wurde im Mai 1933 gegründet und war ein rechtlich der NSDAP angeschlossener Verband „mit ca. 23 Mio. Mitgliedern (1938) die größte NS-Massenorganisation. Als Einheitsgebilde ‚aller schaffenden Deutschen‘ konzipiert, schuf ihr Reichsleiter Robert Ley ein vielgliedriges, bürokratisch aufgeblähtes Organisationsimperium, mit dem er nahezu alle Felder der nat.soz. Wirtschafts- und Sozialpolitik einzudringen trachtete. Entscheidender Einfluß auf materielle Belange in diesem Bereich blieb der DAF jedoch verwehrt, vielmehr musste sie sich auf die allgemeine Betreuung und weltanschauliche Schulung ihrer Mitglieder beschränken.“ 2)
Als Anlage zu seinem Entnazifizierungsbogen gab er folgende Erklärung ab. „Ich wurde im Jahre 1934 bei Eingliederung des aus der Vornazi-Zeit bestehenden ‚Reichsverbandes des deutschen Salzgrosshandels‘, dessen Vorsitzender ich war, in die Fachgruppe Nahrungsmittel gebeten, die Stellung als Obmann der Unterabteilung Salz zu übernehmen.
Ich lehnte es ab, Mitglied der NSDAP zu werden und erklärte mich nur bereit, mich für die rein fachlichen Aufgaben zur Verfügung zu stellen.
Nachdem ich es weiter ablehnte, Parteimitglied zu werden, und man mir deshalb geschäftlich und privat verschiedentlich Schwierigkeiten gemacht hat, wurde ich im Jahre 1937 ersucht, die Stellung als Obmann der Unterabteilung Salz aufzugeben.“ 3)
Als Biesterfeld 1946 in den Fachausschuss für die Entnazifizierung der Wirtschaft berufen wurde, gab es mehrere Schreiben an den Vorsitzenden Spengler des Denazifizierungsausschusses (Fachausschuss Großhandel) in denen erhebliche Bedenken gegen diese Berufung geäußert wurden. So schrieb Alfred Nupnau am 29.7.1946: „Der Chemikaliengroßhandel ist sehr beunruhigt über die Berufung des Herrn Biesterfeld i./Fa. Biesterfeld & Co., Hamburg 11, in den Fachausschuß für die Entnazifizierung der Wirtschaft, da dieser als eine Persönlichkeit bekannt ist, die sich in ihrem Handeln nur von rein egoistischen Motiven leiten lässt. Hierfür nur zwei Beispiele, die ich Ihnen anliegend zur Kenntnis und weiteren Bearbeitung übergebe.
Es dürfte doch wohl kaum zu vertreten sein, daß jemand, der sich zur Mitwirkung an der Arisierung bereitfand, jetzt bei der Entnazifizierung der Wirtschaft mithelfen soll. Weitere Beispiele für das eigensüchtige Verhalten von Herrn B. würden sich sicherlich bei einer Umfrage an den Chemikaliengroßhandel in ausreichendem Maße ergeben.
Biesterfeld in Firma Biesterfeld & Co., Hamburg, wurde 1938 nach der Besetzung Österreichs vom RWM mit der Arisierung des österreichischen jüdischen Chemikalien-Grosshandels in Wien und anderen Orten betraut. Diese Aufgabe hat er nicht objektiv durchgeführt, soll vielmehr viele Dinge seiner eigenen Firma zugeführt haben. Es ist dann zu einer Ehrengerichtsverhandlung in Berlin gekommen (Ehrengericht der Organisation der gewerblichen Wirtschaft) mit dem Urteil, dass Biesterfeld neben einer erheblichen Geldstrafe das Recht in der Organisation der gewerbl. Wirtschaft ein Ehrenamt zu bekleiden aberkannt wurde. (Wendt, Dr. Georg Schmidt, v. Eben-Worlee)
1938 hat B es verstanden, den von der Firma Julius Grossmann, Hamburg der Comerzbank aus Gründen der Kapitalnot übereigneten Gebäudekomplex an sich zu bringen. Gleichzeitig hatte B sich der Firma Grossmann gegenüber zur Finanzierung von Geschäften erboten. Mit einem solchen kurzfristigen Darlehen in der Hand und mit der Forderung der Comerzbank, zusammen ca. 250.000,-- Mark so viel ich erinnere, hat B. der Fa. Grossmann eine Frist von 2 oder 3 Tagen gestellt zur Bezahlung der gesamten Summe, andernfalls Antrag auf Konkurseröffnung angedroht, offenbar in der sicheren Erwartung, bei einem solchen Verfahren Firma und Werte billig an sich reissen zu können. Dieses Vorhaben wurde dadurch vereitelt, dass Hellmuth Carroux die Summe fristgerecht für Grossmann bezahlte, sodass die Forderung Biesterfelds voll befriedigt wurde, Carroux dann für die Geldleistung Kommanditist der Fa. Grossmann wurde, die auf diese Weise als alte Drogenfirma erhalten blieb. (Carroux).“ 3)
Auch die FDP schaltete sich in diese Angelegenheit ein und schrieb am 14. August 1946 an den Zentral-Ausschuss für die Ausschaltung von Nationalsozialisten. „Betrifft: Überprüfung der gegen unser Mitglied Wihelm Biesterfeld erhobenen Vorwürfe
Herr Wilhelm Biesterfeld wurde von uns als Mitglied für den Fachausschuss 15 a – Großhändler und Makler – vorgeschlagen. Inzwischen sind nun erhebliche Vorwürfe gegen Herrn Biesterfeld erhoben worden. Wir übersenden Ihnen in der Anlage die gesamte Personalakte des Beschuldigten mit der Bitte, die Angelegenheit zu prüfen und Herrn Biesterfeld Gelegenheit zu seiner Rehabilitierung zu geben. Während dieses Verfahrens hat sich Herr Biesterfeld bereit erklärt, nicht mehr an den Sitzungen des Fachausschusses 15 a teilzunehmen.“ 3)
Kurze Zeit später, am 29.8.1946, bat Biesterfeld in einem Schreiben an den Zentralausschuss für die Ausschaltung von Nationalsozialisten, „um die Bekanntgabe des Wortlauts dieser Anschuldigungen (…), sowie auch um Bekanntgabe, von welcher Seite diese Anschuldigungen erhoben worden sind. Wenn es sich nicht um eine Denunziation handelt und die Beschwerdeführer glauben, ihre Anschuldigungen vertreten zu können, so werden diese ja auch wohl von sich aus nicht zögern, diese mir gegenüber persönlich zu vertreten.
Wenn ich besonders darum bitte, dass mir Gelegenheit gegeben wird, mich in der vorerwähnten Form mit den Anschuldigungen auseinander zu setzen, so deshalb, weil ich Veranlassung habe zu der Vermutung, dass die gegen mich erhobenen Anschuldigungen von den gleichen Personen veranlasst worden sind, welche schon während der Nazizeit gegen mich intrigiert haben.
Sie schreiben, dass die Vorwürfe im Zusammenhang stehen mit der Entwicklung meines Einkommens in den letzten Jahren.
Um für Sie die Arbeit der Prüfung meiner Angelegenheit zu fördern, erlaube ich mir, zu der Tatsache, dass sich mein Einkommen in den letzten Jahren, d. h. bis zum Jahre 1943, erheblich gesteigert hat, folgendes auszuführen:
Ich stelle zunächst fest, dass die erzielten Gewinne in keiner Weise durch irgendeine Unterstützung seitens der Partei oder deren Stellen erzielt worden sind, ebensowenig durch sogenannte Kriegslieferungen, da derartige Lieferungen während der ganzen Kriegsjahre von meiner Firma so gut wie gar nicht ausgeführt worden sind, jedenfalls spielen diese Lieferungen im Verhältnis zum Gesamtumsatz mengenmässig und gewinnmässig überhaupt keine Rolle. Ich stelle anheim, dieses durch Einsichtnahme in meine Bücher nachzuprüfen.
Ich möchte dazu noch erwähnen, dass mir durch meine ablehnende Haltung der NS Partei gegenüber wiederholt Schwierigkeiten gemacht worden sind, und zwar sowohl persönlicher als auch geschäftlicher Natur. Auch hierüber bin ich bereit, nähere Einzelheiten zu geben.
Was nun die Frage anbelangt, wodurch die Steigerung der Gewinne zu erklären ist, so führe ich dazu folgendes aus:
Meine Firma, welche von mir im Jahre 1906 gegründet wurde, hatte sich zur grössten Salzhandelsfirma in Deutschland entwickelt und bis zum Jahre 1924 eine immer weiter steigende Bedeutung erreicht. In diesem Jahre wurde meine Firma die Existenzgrundlage dadurch entzogen, dass die Steinsalzwerke – meine Firma war bis dahin ausschließlich auf den Handel mit Salz und insbesondere Steinsalz spezialisiert – den privaten Handel ausschalteten, indem sie sich zu einem Syndikat zusammenschlossen, welches den gesamten Export direkt in die Hand nahm und im Inland den Verkauf in die Hände der Werkshandelsgesellschaften der im Syndikat vereinigten Konzerne legte.
Es kam daher noch hinzu, dass ich durch die verfehlte Geschäftsführung einer von mir finanziell beherrschten Reederei grosse Verluste hatte, sodass ich praktisch gezwungen war, mein Geschäft von vorn zu beginnen. Ich musste mein gesamtes Personal, mit Ausnahme meines jetzigen 1. Prokuristen, Herrn Krogmann, entlassen.
Ich habe das Salzgeschäft dann auf den Verkauf von Siedesalz umgestellt und ist es mir gelungen, auf diesem Gebiet im Laufe der Jahre eine wachsende Bedeutung zu erlangen, sodass meine Firma seit Jahren wieder die grösste Spezialsalzgrosshandlung ist.
Um das Risiko, welches in der Spezialisierung liegt, für die Zukunft zu vermeiden, habe ich mich dann ungefähr in den Jahren 1926-1928 entschlossen, meine Firma auf eine breitere Basis zu stellen, indem ich neben meinem Salzgeschäft ein Geschäft in Düngemitteln, sowie ein Geschäft in chemischen Produkten aufbaute. Ich hatte in diesen Artikeln bereits kleinere Geschäfte früher getätigt, doch hatten dieselben keinerlei wesentliche Bedeutung.
Um Ihnen zu beweisen, dass sich mein Geschäft nach dem Zusammenbruch im Jahre 1924 allmählich, und zwar stetig nach oben entwickelt hat, werde ich, soweit dieses aus den noch vorhandenen Unterlagen (mein Büro wurde zweimal durch Bomben zerstört) möglich ist, eine Aufstellung anfertigen lassen, aus der sich die allmählichen Gewinnsteigerungen der obengenannten 3 Abteilungen meiner Firma ergeben. Einstweilen überreiche ich Ihnen beifolgend eine Aufstellung, aus der die Entwicklung meiner Chemikalien-Abteilung ersichtlich ist.
Wie Sie aus derselben entnehmen können, ist die aussergewöhnliche Steigerung meiner Gewinne in den Jahren 1941-1943 wesentlich durch die in dieser Abteilung entstandene Gewinnsteigerung zu erklären. Hierzu weise ich darauf hin, dass meine Firma seit 1928 speziell die Chemikalien-Ausfuhr nach den Balkanländern gepflegt hat. Mit Rücksicht auf die inflatonistischen Erscheinungen, die erstmalig 1941 in diesen Ländern auftraten, und mit Rücksicht auf die sehr starke Steigerung der Preise, welche das Reich für die aus den Balkanländern einzuführenden Produkte zahlen musste, wurde seitens des Reichswirtschaftsministeriums über die Prüfungsstellen angeordnet, dass entsprechend diesen Preissteigerungen die Exportpreise Deutschlands für diese Länder heraufgesetzt wurden. Für reinen Export wurden diese Mehrerlöse teilweise wieder abgeschöpft; für Transitlieferungen fand diese Abschöpfung jedoch nicht statt, und da meine Firma sich in erheblichem Umfange der Pflege des Transitgeschäftes zugewandt hatte, flossen meiner Firma durch diesen Unterschied zwischen den Balkanpreisen und den Preisen in den übrigen europäischen Ländern erhebliche Mehrerlöse zu und sind diese, wie gesagt, in ausschlaggebendem Umfange die Ursache für die in den Jahren 1941-43 eingetretenden Steigerungen meiner Gewinne.
Dass im ürbigen meine Firma, abgesehen von den vorgenannten Sondergewinnen, welche lediglich durch die wirtschaftspolitischen Massnahmen des Reiches zu erklären sind und von sämtlichen, nach dem Balkan arbeitenden deutschen Firmen erzielt wurden, keine übermässigen Profite gemacht hat, und dass die Gewinne eigentlich nur aus den durch die Verhältnisse sich ergebenden Umsatzsteigerungen resultieren, die wiederum, abgesehen von den allgemeinen Wirtschaftskonjunkturerscheinungen, als Ergebnis der in den früheren Jahren geleisteten Aufbauarbeit meiner Firma, zu betrachten sind, ergibt sich aus folgenden Angaben, welche wir für die Jahre 1941-1943 der Preisüberwachungsstelle Hamburg gemacht haben:
1. Im Jahre 1941 betrug der steuerpflichtige Gewinn aus Gewerbebetrieb bei einem steuerbaren Umsatz von RM. 18.582.000.- 3,6%
2. Im Jahre 1942 betrug der steuerpflichtige Gewinn aus Gewerbebetrieb bei einem steuerbaren Umsatz von RM 26. 963.000.- 4,52%
3. Im Jahre 1943 betrug der steuerpflichtige Gewinn aus Gewerbebetrieb bei einem steuerbaren Umsatz von RM 30.455.000,- 4,61%.
In Bezug auf die vorgenannten Gewinnzahlen stelle ich anheim, sich wegen der Richtigkeit meiner Angaben bei der Preisüberwachungsstelle, Hamburg 36, Gr. Bleichen 23/27, zu erkundigen, welcher wir alljährlich bei der Abgabe der Steuererklärung entsprechende Aufgaben machen mussten.
Ich glaube, Ihnen schon mit vorstehenden Ausführungen dargetan zu haben, dass meine Firma die erzielten Gewinne in keiner Weise durch Ausnutzung irgend welcher zu beanstandenden Beziehungen, sondern lediglich durch intensive und zielbewusste Arbeit erlangt hat. Ich stehe aber selbstverständlich zu jeder weiteren Auskunft zur Verfügung.
Andererseits wiederhole ich meine eingangs gestellte Bitte, mir den Wortlaut der gegen mich erhobenen Beschuldigungen und die Namen derjenigen, von denen dieselben erhoben worden sind, bekanntzugeben, da ich unter allen Umständen wünsche, dass die Angelegenheit eine restlose Aufklärung findet.
Falls Sie den Wunsch haben, in Bezug auf das Vertrauen und Ansehen, welches meine Firma und ich selber geniessen, etwas zu erfahren, bitte ich Sie, Erkundigungen einzuziehen
1. Bei der Handelskammer Hamburg
2. Bei der Deutschen Bank Filiale Hamburg
3. bei der Dresdner Bank in Hamburg.
Ein Beweis dafür, dass die Vermutung, meine Firma hätte während der Nazizeit irgendeine besondere Unterstützung seitens irgend welcher Stellen genossen, nicht richtig ist, ergibt sich auch wohl aus folgender Tatsache:
Meine Firma war im vorigen Jahre durch den Zusammenbruch gezwungen, das Personal in unserem hamburger Hauptbüro von rund 130 auf 40 Personen zu reduzieren. Inzwischen ist die Zahl der in meinem hamburger Büro beschäftigten wieder auf 83 Personen gestiegen. Dementsprechend hat sich auch der Umsatz wieder entwickelt.
Dieser Erfolg erklärt sich im wesentlichen daraus, dass die von uns gehandelten Artikel wie Salz, Düngemittel, chemische Rohstoffe, besonders solche für die pharmazeutische Industrie, ferner chemische Baustoffe, unbedingt gebraucht werden.
Zum weiteren verdanke ich aber auch den Erfolg der Einsatzbereitschaft meiner Mitarbeiter, welche weitgehend, und zwar nicht nur die Prokuristen und Abteilungsleiter, sondern auch die Sacharbeiter, durch Tantieme an dem Erfolg dieser Arbeit beteiligt sind.“ 3)
Nachdem Biesterfeld erfahren hatte, wer gegen ihn Beschuldigungen ausgesprochen hatte und ihm die entsprechenden Schreiben bekannt wurden, nahm er am 10.9.1946 in einem Schreiben an den Zentralausschuss für die Ausschaltung von Nationalsozialisten dazu Stellung: „ (…) 1. Betr. Schreiben der Firma Alfred Nupnau. Die in diesem Schreiben aufgestellte Behauptung, ich hätte im Auftrage des Wirtschaftsministeriums in Oesterreich Chemikalien-Firmen arisiert und dabei die Interessen meiner Firma in eigennütziger Weise wahrgenommen, ist unwahr. (…) Ich erkläre Ihnen hiermit, dass ich einen Auftrag seitens des Wirtschaftsministeriums, wie dieses von der Firma Nupnau behauptet wird, in irgend einer Form nicht gehabt habe, sowie weiter, dass in Oesterreich keine Firma von mir arisiert wurde.
Richtig ist, dass ich in Oesterreich im Jahre 1938 eine Zweigniederlassung meiner Hamburger Firma errichtet habe, und hat diese Zweigniederlassung die Berechtigung zum Handel mit Salz, Düngemitteln und chemischen Produkten erhalten. – Die Zweigniederlassung wurde im Jahre 1944 von mir in eine selbständige Firma umgewandelt. (…)
Ich habe ausserdem zwecks Ausdehnung meiner Interessen auf dem Gebiete des Düngemittel-Grosshandels in Oesterreich im Jahre 1942 von Herrn Victor Gross, Wien, seine Firma Ing. Victor Gross Kunstdünger- und Futtermittel-Grosshandlung käuflich erworben und den Namen der Firma in Wilhelm Biesterfeld Kunstdünger- und Futtermittel-Grosshandlung, Wien, umgewandelt.
Herr Victor Gross, welcher Arier ist, hat mir die Firma aus dem Grunde verkauft, weil er die Leitung eines Brauereikonzerns übernahm und sich nicht mehr seinem Düngergeschäft widmen konnte. (…)
Die Gründung der zuerst erwähnten Zweigniederlassung meiner Hamburger Firma in Wien hat eine Vorgeschichte, über die ich Ihnen folgendes berichte:
Meine Firma hatte bereits während des Weltkrieges durch eine eigene Filiale in Wien Oesterreich, dessen Salinen damals stilllagen, mit Salz versorgt und wurde ferner nach Kriegsende, also nach 1918, seitens der Österreichischen Monopolverwaltung beauftragt, den Export österreichischen Salzes ins Ausland zu organisieren. Nach Erledigung dieser Aufgabe habe ich die Wiener Filiale meiner Firma, welche sich damals noch ausschliesslich mit dem Grosshandel von Salz befasste, eingehen lassen.
Nachdem im Jahre 1938 Oesterreich dem Reich angegliedert wurde, habe ich im Mai 1938 mich entschlossen, die alten Beziehungen in Oesterreich, besonders mit der Generaldirektion der österreichischen Salinen (Monopol-Verwaltung), wieder aufzunehmen und habe ich dieser, insbesondere mit Herrn Ministerialrat Dr. Gobanz, den Plan, mich wieder am Salzgeschäft in Oesterreich zu beteiligen, besprochen.
Die Generaldirektion der österreichischen Salinen hat meine Absicht begrüsst (…).
Die Lage in Wien ist, was das Salzgeschäft anbelangt, so, dass der grössere Teil der Salzgrosshandlungen in jüdischen Händen war. – Aus diesem Grunde hat man mir von Seiten der Generaldirektion der österreichischen Salinen nahe gelegt, mit einer dieser Firmen in Verbindung zu treten zwecks evtl. Uebernahme. Eine solche Verhandlung ist dann auch durch Vermittlung von Herrn Ministerialrat Dr. Gobanz mit der Firma Felix Gerstmann eingeleitet und geführt worden. Die Verhandlung verlief aber ergebnislos, weil die Vermögensverkehrsstelle Wien, welche über die Zukunft der jüdischen Unternehmen zu verfügen hatte, entschied, dass die Firma Felix Gerstmann liquidiert werden sollte. Das ist, wie ich unterrichtet bin, dann auch erfolgt und hat, wie ich weiter damals erfuhr, der Prokurist der Firma, Herr Altrichter, die Geschäfte der Firma Gerstmann unter seiner von ihm errichteten Firma weitergeführt. (…)
Die Firma Alfred Nupnau erwähnt in ihrem Schreiben eine Ehrengerichts-Angelegenheit, bei der ich angeblich mit einer Geldstrafe belegt worden sei und mir meine Vertrauensstellung, welche ich, wie die Firma behauptet, im Chemikalienhandel in Oesterreich innegehabt haben soll, entzogen worden sei.
Diese Behauptung ist falsch und beweist nur, mit welcher Leichtfertigkeit die Firma und die von ihr als Zeugen genannten Herren die Anschuldigungen gegen mich erhoben haben.
Ich vermute aber, dass dieselben etwas gehört haben von einer Ehrengerichtsklage, welche gegen mich in meiner Eigenschaft als Obmann der Unterabteilung Salz der Fachgruppe Nahrungsmittel bei der Wirtschaftsgruppe Gross- und Aussenhandel, Berlin, geführt worden ist.
In dieser Ehrengerichtsklage, welche auf Betreiben des von dem Leiter der Reichsgruppe Handel, Herrn Dr. Hayler, bei der Reichsgruppe Handel als Beauftragter für den gesamten Salzhandel eingesetzten Herrn Karl Schwesinger, Saarbrücken, erfolgte, hat sich in der Verhandlung vor dem Ehrengericht der Wirtschaftskammer Berlin die völlige Haltlosigkeit der gegen mich erhobenen Vorwürfe ergeben. Trotzdem hat die Wirtschaftsgruppe Gross- und Aussenhandel bei dem Ehrengerichtshof der Reichswirtschaftskammer Berufung eingelegt, und zwar muss ich annehmen, dass sie sich dazu aus nur politischen Gründen veranlasst gesehen hat, um mich, der ich wiederholt den Beitritt zur NSDAP abgelehnt hatte, damit zu schädigen.
Der Ehrengerichtshof bei der Reichswirtschaftskammer hat es dann auch nicht fertig gebracht, mir irgend welche Verfehlungen nachzuweisen. Er hat lediglich es für richtig erachtet, mir einen Verweis dafür zu erteilen, dass ich an einer am 6. Juli 1938 auf Einladung des Handelsbundes in Wien stattgefundenen Arbeitsausschuss-Sitzung teilgenommen habe, an der eine Anzahl Salzhändler der Ostmark mit Vertretern der zuständigen Organisationen aus dem Reich zusammenkamen, und dass ich es unterlassen habe, die dort anwesenden österreichischen Salzhändler vor Beginn der Sitzung davon in Kenntnis zu setzen, dass ich mit der Errichtung einer Zweigniederlassung meiner Hamburger Firma in Wien beschäftigt sei.“ 3)
1948 kam es von Seiten des Entnazifizierungsausschusses zu folgender Entscheidung: Biesterfeld wurde in die Kategorie V (unbelastet) eingestuft („Fragebogen Action Sheet“ vom 25.2.1948.)